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Gutenberg
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Der Kerne von
Munster oder Connaught befand sich im Lager ganz eben so wohl als wäre
er in seiner eignen Lehmhütte gewesen und hätte die Dünste seines
heimathlichen Sumpfes eingeathmet. Natürlich freute er sich über das
Elend der sächsischen Ketzer und hoffte, daß sie ohne einen
Schwertstreich zu Grunde gehen würden. Mit Entzücken hörte er den ganzen
Tag die Salven, welche über den Gräbern der englischen Offiziere
knatterten, bis endlich die Begräbnisse zu zahlreich wurden, als daß sie
noch mit militärischem Pomp hätten begangen werden können, und auf die
schauerlichen Töne ein noch schauerlicheres Schweigen folgte. Die Ueberlegenheit an Streitkräften war jetzt so entschieden auf Seiten
Jakob's, daß er es unbedenklich wagen konnte, fünf Regimenter von seiner
Armee zu detachiren und nach Connaught zu senden. Sarsfield befehligte
dieselben. Er stand allerdings nicht so hoch in der Achtung des Königs,
als er es verdiente. Der König erklärte ihn mit einer Miene geistiger
Ueberlegenheit, welche Avaux und Rosen ein spöttisches Lächeln
abgezwungen haben muß, für einen wackeren Burschen, der aber sehr
stiefmütterlich mit Verstand bedacht sei. Nur mit großer Mühe bewog der
Gesandte Se. Majestät dazu, den besten Offizier der irischen Armee zum
Range eines Brigadiers zu befördern. Sarsfield rechtfertigte jetzt
vollkommen die vortheilhafte Meinung, die sich seine französischen
Gönner von ihm gebildet hatten. Er vertrieb die Engländer aus Sligo und
sicherte mit gutem Erfolg Galway, das in ernster Gefahr gewesen war.[66]
Auf die englischen Verschanzungen vor Dundalk wurde jedoch kein Angriff
gemacht. Inmitten der sich stündlich mehrenden Schwierigkeiten und
Unfälle zeigten sich die glänzenden Eigenschaften Schomberg's immer
deutlicher. Nicht im vollen Strome des Glücks, nicht auf dem
Schlachtfelde von Montes Claros, nicht unter den Mauern von Mastricht
hatte er die Bewunderung der Menschheit so wohl verdient. Seine
Entschlossenheit wankte nie; seine Umsicht schlummerte nie; trotz
vielfacher Verdrüßlichkeiten und Provocationen war er stets froher und
heiterer Laune. Der Effectivbestand seiner Mannschaften, selbst wenn man
alle die, welche nicht am Fieber darnieder lagen, als effectiv
mitrechnete, überstieg jetzt nicht mehr fünftausend. Diese waren kaum
noch dem gewöhnlichen Dienste gewachsen, und sie mußten jetzt zu
doppelten Dienstleistungen angetrieben werden. Dessenungeachtet traf der
alte Mann seine Dispositionen so meisterhaft, daß er mit diesen geringen
Streitkräften mehrere Wochen lang einer von einer Menge bewaffneter
Banditen begleiteten Truppenmacht von zwanzigtausend Mann die Spitze
bot. Die englische und die irische Armee beziehen ihre Winterquartiere.
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Zu Anfang des November zerstreuten sich endlich die Irländer und begaben
sich in ihre Winterquartiere. Der Herzog brach nun ebenfalls sein Lager
ab und zog sich nach Ulster zurück. In dem Augenblicke als die letzten
Reste seiner Armee sich in Bewegung setzen sollten, verbreitete sich das
Gerücht, daß der Feind in bedeutender Stärke heranrücke. Hätte dieses
Gerücht auf Wahrheit beruht, so wäre die Gefahr sehr groß gewesen. Obgleich aber die englischen Regimenter auf den dritten Theil ihrer
Vollzähligkeit zusammengeschmolzen waren und obgleich die Leute, die
sich noch am wohlsten befanden, kaum das Gewehr zu schultern vermochten,
so legten sie doch bei der Aussicht auf eine Schlacht eine
außerordentliche Freude und Munterkeit an den Tag und schwuren, daß die
Papisten für alles Elend der letzten Monate bezahlen sollten. »Wir
Engländer,« sagte Schomberg, sich heiter mit der Nation des Landes, das
ihn adoptirt hatte, identificirend, »wir Engländer sind immer
kampflustig; schade daß wir nicht eben so viel Lust zu einigen anderen
Zweigen des Soldatenhandwerks haben.«
Der Alarm erwies sich als grundlos. Die Armee des Herzogs zog
unbelästigt ab, aber die Straße, auf der sie dahin marschirte, bot einen
eben so beklagenswerthen als abschreckenden Anblick dar. Ein langer Zug
von mit Kranken beladener Wagen bewegte sich langsam über das holprige
Pflaster. Bei jedem Stoße gab ein Unglücklicher den Geist auf und der
Leichnam wurde hinausgeworfen und unbeerdigt den Füchsen und Krähen
preisgegeben. Die Gesammtzahl Derer, welche im Lager vor Dundalk, im
Hospital von Belfast, auf der Straße und auf der See starben, belief
sich auf mehr als sechstausend Mann. Die Ueberlebenden wurden für den
Winter in den Städten und Dörfern von Ulster untergebracht. Der General
nahm sein Hauptquartier in Lisburn.[67]
Verschiedene Meinungen über Schomberg's Verfahren. Sein Verfahren wurde verschieden beurteilt. Einsichtsvolle und
aufrichtige Männer sagten, er habe sich selbst übertroffen und es gebe
keinen zweiten Feldherrn in Europa, der, mit ungeübten Truppen,
unwissenden Offizieren und spärlichen Vorräthen, zu gleicher Zeit gegen
ein feindliches Heer von großer Uebermacht, gegen ein betrügerisches
Commissariat, gegen ein Nest von Verräthern im eignen Lager und gegen
eine Krankheit, mörderischer als das Schwert, ankämpfend, den Feldzug
ohne Verlust einer Fahne oder einer Kanone zu Ende geführt haben würde. Auf der andren Seite murrten viele von den neuernannten Majors und
Hauptleuten, deren Unerfahrenheit seine Verlegenheiten vermehrt hatte
und die keine andre Qualification für ihren Posten besaßen als
persönliche Tapferkeit, über die Geschicklichkeit und Geduld, die sie
vom Untergang gerettet.
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Ihre Beschwerden fanden jenseit des St. Georgskanals Wiederhall. Zum Theil war das Murren, wenn auch ungerecht,
doch zu entschuldigen. Den Eltern, die einen tapfern Sohn in seiner
ersten Uniform geschickt hatten, damit er sich den Weg zum Ruhm
erkämpfe, konnte man es wohl verzeihen, wenn ihr Schmerz sie zur
Heftigkeit und Unbilligkeit hinriß, als sie erfuhren, daß der
unglückliche Jüngling auf einem Bund Stroh ohne ärztlichen Beistand
gestorben und ohne religiöse oder militärische Ceremonie in einem Sumpfe
begraben worden war. Aber in den Weheruf verwaister Familien mischte
sich ein andres minder achtungswerthes Geschrei. Alle Die, welche gern
Neuigkeiten hörten und wiedererzählten, schmähten den General, der ihnen
so wenig Neuigkeiten zu hören und zu erzählen gab. Diese Art Leute haben
eine solche Sucht nach Aufregung, daß sie viel eher einem Feldherrn
verzeihen, der eine Schlacht verliert, als einem, der eine Schlacht
ablehnt. Die Politiker, welche ihre Orakelsprüche im dicksten
Tabaksrauche bei Garroway von sich gaben, fragten, ohne weder vom Kriege
im allgemeinen noch von dem irischen Kriege im besondern das Geringste
zu verstehen, sehr ernsthaft, warum Schomberg denn nicht losschlage. Daß
er sein Handwerk nicht verstehe, wagten sie nicht zu sagen. Er sei ohne
Zweifel ein vortrefflicher Offizier, aber er sei sehr alt. Er trage die
Last seiner Jahre zwar mit Ehren, aber seine Geisteskräfte seien nicht
mehr das was sie früher gewesen; sein Gedächtniß werde schwach und
Jedermann wisse, daß er zuweilen am Nachmittag vergessen habe, was er am
Vormittag gethan. Es dürfte wohl schwerlich je einen Menschen gegeben
haben, dessen Geist im achtzigsten Lebensjahre noch eben so frisch und
lebendig gewesen wäre als im vierzigsten; daß aber Schomberg's
Geisteskräfte durch die Jahre wenig geschwächt waren, das beweisen zur
Genüge seine Depeschen, welche noch existiren und Muster von officieller
Schreibweise sind: abgerundet, klar, voll bedeutender Facta und
gewichtiger Gründe und in die möglichst geringe Wortzahl
zusammengedrängt.
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Das Haus der Gemeinen dankte ihm für
seine Dienste und er erhielt sprechende Beweise von der Gunst der Krone. Er war nicht bei der Krönung gewesen und hatte daher keinen Theil an den
Belohnungen gehabt, welche bei Gelegenheit dieser Feierlichkeit unter
die Hauptactoren der Revolution vertheilt worden waren. Dies wurde jetzt
nachgeholt und er zum Earl von Torrington erhoben. Der König begab sich
nach Portsmouth, speiste an Bord des Admiralschiffes, sprach sein
vollstes Vertrauen zu der Tapferkeit und Loyalität der Flotte aus,
schlug zwei tüchtige Kapitains, Cloudesley Shovel und Johann Ashby, zu
Rittern und ließ ein Geschenk unter die Mannschaften vertheilen.[69]
Torrington's schlechte Verwaltung. Wir können Wilhelm keinen begründeten Vorwurf deshalb machen, daß er
eine hohe Meinung von Torrington hatte, denn Torrington galt allgemein
für einen der tapfersten und geschicktesten Offiziere der Flotte. Jakob,
der die Marineangelegenheiten besser verstand als irgend etwas Andres,
hatte ihn zum Contreadmiral von England befördert. Diesen Posten, wie
noch andere einträgliche Stellen hatte Torrington aufgegeben, als er
sah, daß er sie nur behalten konnte, wenn er sich zum Werkzeug der
jesuitischen Cabale hergab. Niemand hatte eine thätigere, gewagtere und
nützlichere Rolle in der Revolution gespielt als er. Daher schien
Niemand gegründeteren Anspruch darauf zu haben, an die Spitze der
Marineverwaltung gestellt zu werden. Und doch eignete sich Niemand
weniger für einen solchen Posten. Seine Moralität war stets locker, ja
so locker gewesen, daß die Festigkeit, mit der er unter der vorigen
Regierung seinem Glauben treu blieb, großes Erstaunen erregt hatte. Seine ruhmvolle Ungnade schien zwar einen heilsamen Einfluß auf seinen
Character ausgeübt zu haben, denn in seiner Armuth und Verbannung erhob
sich der Wüstling zu einem Helden. Sobald aber das Glück wiederkehrte,
sank der Held wieder zum Wüstling herab, und dieser Fall war tief und
hoffnungslos. Die Fäden seines Geistes, welche auf kurze Zeit straffer
angespannt gewesen, waren jetzt durch das Laster dermaßen erschlafft,
daß er zur Selbstverleugnung oder zu einer angestrengten Thätigkeit
vollkommen unfähig war. Den rohen Muth des Seemanns besaß er wohl noch,
aber als Admiral wie als erster Lord der Admiralität war er durchaus
ungenügend. Monat auf Monat lag die Flotte, welche der Schrecken der
Meere hätte sein sollen, unthätig im Hafen, während er sich in London
amüsirte. Die Matrosen gaben ihm in spöttelnder Anspielung auf seinen
neuen Titel den Namen Tarry-in-town.[70] Als er endlich an Bord kam, war
er von einem Schwarme von Courtisanen begleitet.
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Es gab kaum eine Stunde
des Tages wie der Nacht, wo er frei von den Dünsten des Claret gewesen
wäre. Sein unersättlicher Hang zum Vergnügen machte ihn naturgemäß auch
unersättlich nach Reichthum. Doch liebte er die Schmeichelei fast eben
so sehr als Reichthum und Vergnügen. Er war seit langer Zeit gewohnt,
von seinen Untergebenen die kriechendsten Huldigungen zu verlangen. Sein
Admiralschiff war ein kleines Versailles. Er erwartete, daß seine
Kapitains sich sowohl des Abends, wenn er zu Bett ging, als auch des
Morgens beim Aufstehen in seiner Kajüte versammelten; ja er ließ sich
sogar von ihnen ankleiden. Der Eine kämmte ihm seine wallende Perrücke,
ein Andrer stand mit dem gestickten Rocke bereit. Unter einem solchen
Befehlshaber konnte von Disciplin nicht die Rede sein. Seine Theerjacken
verbrachten ihre Zeit in Saus und Braus unter dem Pöbel von Portsmouth,
und diejenigen Offiziere, die sich durch Servilität und Speichelleckerei
seine Gunst erworben hatten, erhielten leicht Urlaub und blieben
wochenlang in London, wo sie in den Wirthshäusern schwelgten, durch die
Straßen schlenderten oder den maskirten Damen im Theater den Hof
machten. Die Proviantlieferanten merkten bald, mit wem sie es zu thun
hatten und schickten der Flotte Fässer Fleisch, das kein Hund angerührt
haben würde, und Tonnen Bier, das schlimmer roch als fauliges Wasser. Währenddem war der britische Kanal den französischen Seeräubern
preisgegeben. Unsere Kauffahrteischiffe wurden angesichts der Wälle von
Plymouth gekapert; die Zuckerflotte aus Westindien verlor sieben
Schiffe. Der Gesammtwerth der Prisen, welche in unmittelbarer Nähe
unsrer Insel von den Kreuzern des Feindes weggenommen wurden, während
Torrington sich mit seiner Flasche und seinem Harem beschäftigte, wurde
auf sechsmalhunderttausend Pfund Sterling geschätzt. Das Geleit eines
Kriegsschiffes war, außer wenn man große Summen auf Bestechung
verwendete, so schwer zu erlangen, daß unsere Kaufleute sich gezwungen
sahen, zu diesem Zwecke holländische Kaper zu miethen, die sie weit
nützlicher und minder geldgierig fanden, als die Offiziere unsrer eignen
königlichen Flotte.[71]
Die festländischen Angelegenheiten. Das einzige Departement, an dem sich nichts aussetzen ließ, war das der
Auswärtigen Angelegenheiten. Hier war Wilhelm sein eigner Minister, und
wo er sein eigner Minister war, da gab es keine Verzögerungen, keine
Mißgriffe, keine Betrügereien und Verräthereien. Die Schwierigkeiten,
mit denen er zu kämpfen hatte, waren jedoch groß. Selbst im Haag stieß
er auf einen Widerstand, den seine ganze Klugheit und Festigkeit,
unterstützt durch Heinsius' kräftigen Beistand, kaum zu bewältigen
vermochte.
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Die Engländer ahneten nicht, daß, während sie über die
Parteilichkeit ihres Souverains für sein Geburtsland murrten, eine
starke Partei in Holland über seine Parteilichkeit für sein
Adoptivvaterland murrte. Die holländischen Gesandten zu Westminster
beschwerten sich darüber, daß die Allianzbedingungen welche er
vorschlug, erniedrigend für die Würde und nachtheilig für die Interessen
der Republik seien, daß er überall wo die Ehre der englischen Flagge ins
Spiel komme, übertrieben streng und obstinat sei; daß er peremtorisch
auf einem Artikel bestehe, der allen Handelsverkehr mit Frankreich
verbiete und der an der amsterdamer Börse schmerzlich empfunden werden
müsse; daß er, als sie die Hoffnung ausgesprochen, daß die
Navigationsacte aufgehoben werden würde, in ein Gelächter ausgebrochen
sei und ihnen gesagt habe, daran sei nicht zu denken. Er setzte alle
seine Bedingungen durch und es wurde ein feierlicher Vertrag
geschlossen, durch den England und der batavische Bund sich
verpflichteten, fest zu einander gegen Frankreich zu halten und nur mit
beiderseitigem Einverständniß Frieden zu schließen. Aber einer der
holländischen Bevollmächtigten erklärte, daß er fürchte, dereinst als
Verräther betrachtet zu werden, weil er soviel zugestanden habe, und die
Unterschrift eines andren verrieth deutlich, daß sie mit vor innerer
Bewegung zitternder Hand geschrieben worden war.[72]
Inzwischen war unter Wilhelm's geschickter Leitung ein Allianzvertrag
zwischen den Generalstaaten und dem Kaiser geschlossen worden. Spanien
und England traten diesem Tractate bei, und so waren die vier
Großmächte, welche schon längst durch ein freundschaftliches
Einverständniß mit einander verbunden gewesen, durch einen förmlichen
Vertrag an einander gekettet.[73]
Bevor aber dieser förmliche Vertrag unterzeichnet und besiegelt war,
standen alle contrahirenden Theile unter den Waffen. Zu Anfang des
Jahres 1689 wüthete der Krieg über dem ganzen Kontinent vom Hämus bis zu
den Pyrenäen. Das von allen Seiten zu gleicher Zeit angegriffene
Frankreich vertheidigte sich auf allen Seiten nachdrücklich, und seine
türkischen Alliirten gaben einer großen deutschen Truppenmacht in
Serbien und Bulgarien vollauf zu thun. Im Ganzen genommen waren die
Resultate der militärischen Operationen des Sommers den Verbündeten
nicht ungünstig. Jenseit der Donau erfochten die Christen unter dem
Prinzen Ludwig von Baden eine Reihe von Siegen über die Muselmänner. In
den Gebirgen von Roussillon kämpften die französischen Truppen ohne
irgend einen entscheidenden Vortheil gegen das kriegerische Landvolk
Cataloniens. Eine deutsche Armee unter Anführung des Kurfürsten von
Baiern hielt das Erzbisthum Cöln besetzt.
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Eine andre wurde von Karl,
Herzog von Lothringen, befehligt, einem Fürsten, der, nachdem die Waffen
Frankreich's ihn aus seinen Landen vertrieben, ein Soldat des Zufalls
geworden war und als solcher sowohl Auszeichnung erlangt als auch Rache
geübt hatte. Er marschirte gegen die Verwüster der Pfalz, zwang sie sich
über den Rhein zurückzuziehen und nahm nach einer langen Belagerung die
wichtige und stark befestigte Stadt Mainz. Zwischen der Sambre und der Maas standen die Franzosen unter Anführung
des Marschalls Humieres den Holländern gegenüber, welche der Fürst von
Waldeck commandirte, ein Offizier, der den Generalstaaten lange mit
Treue und Umsicht, wenn auch nicht immer mit besonderem Glück gedient
hatte und den Wilhelm sehr hoch schätzte. Unter Waldeck's Befehlen
diente Marlborough, dem Wilhelm eine aus den besten Regimentern der
alten Armee Jakob's bestehende englische Brigade anvertraut hatte. Der
Zweite nach Marlborough im Commando wie auch in militärischer
Geschicklichkeit war Thomas Talmash, ein wackerer Soldat, aber zu einem
Schicksale bestimmt, dessen man sich nicht ohne Beschämung und Unwillen
erinnern kann. Gefecht bei Walcourt. Es kam zwischen der Armee Waldecks und der Armee Humieres' zu keiner
allgemeinen Schlacht; aber in einer Reihe von Gefechten war der Vortheil
auf Seiten der Verbündeten. Das bedeutendste von diesen Gefechten fand
am 5. August bei Walcourt statt. Die Franzosen griffen einen von der
englischen Brigade vertheidigten Vorposten an, wurden aber nachdrücklich
zurückgeschlagen, und mußten sich mit Verlust einiger Feldstücke und
mehr als sechshundert Todten zurückziehen. Marlborough benahm sich bei
dieser wie bei jeder ähnlichen Gelegenheit als ein tapferer und
geschickter Offizier. Die von Talmash commandirten Coldstreamgarden und
das Regiment, welches jetzt das 16. der Linie heißt, unter dem Commando
des Obersten Robert Hodges, zeichneten sich besonders aus. Auch das
Regiment Royal, das wenige Monate früher in Ipswich die Fahne der
Empörung aufgepflanzt, bewies an diesem Tage, daß Wilhelm eben so weise
als großmüthig gehandelt hatte, indem er dieses schwere Vergehen
vollständig verzieh. Das Zeugniß, welches Waldeck in seinen Depeschen
dem tapferen Benehmen der Insulaner ausstellte, wurde von ihren
Landsleuten mit Entzücken gelesen. Das Gefecht war zwar nichts weiter
als ein Scharmützel, aber ein heißes und blutiges Scharmützel. Seit
Menschengedenken hatte kein so ernster Zusammenstoß zwischen Engländern
und Franzosen stattgefunden, und unsere Vorfahren waren natürlich nicht
wenig stolz, als sie sahen, daß viele Jahre der Unthätigkeit und
Vasallenschaft den Muth der Nation nicht geschwächt zu haben
schienen.[74]
Anschuldigungen gegen Marlborough.
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Die Jakobiten fanden jedoch in dem Verlaufe des Feldzugs reichen Stoff
zu Schmähungen. Marlborough war, nicht ohne Grund, der Gegenstand ihres
erbittertsten Hasses. An seinem Benehmen auf dem Schlachtfelde konnte
selbst die Böswilligkeit wenig auszusetzen finden; andere Seiten seines
Verhaltens aber boten dem bösen Leumund ein ergiebiges Feld dar. Der
Geiz ist selten das Laster eines jungen Mannes, und eben so selten das
eines großen Mannes; Marlborough aber war einer von den Wenigen, die das
Geld in der Blüthe der Jugend mehr als Wein oder Weiber, und auf dem
Gipfel der Größe mehr als Macht oder Ruhm liebten. Alle die herrlichen
Gaben, welche die Natur an ihn verschwendet, schätzte er hauptsächlich
wegen des Gewinns, den sie ihm eintrugen. Im zwanzigsten Jahre zog er
Nutzen aus seiner Jugend und Körperkraft, als Sechziger zog er Nutzen
aus seinem Genie und seinem Ruhm. Der Beifall, der seinem Benehmen bei
Walcourt mit Recht gebührte, konnte die Stimmen Derer nicht ganz
übertäuben, welche munkelten, daß dieser Held, wo es ein Goldstück zu
ersparen oder zu verdienen gebe, ein bloßer Euklio, ein bloßer Harpagon
sei, daß er, obgleich er unter dem Vorgeben, offene Tafel zu halten,
einen bedeutenden Gehalt beziehe, doch niemals einen Offizier zu Tische
einlade, daß seine Musterrollen betrügerisch abgefaßt seien, daß er für
Leute, welche längst nicht mehr lebten, für Leute, die vor vier Jahren
vor seinen eigenen Augen bei Sedgemoor gefallen seien, die Löhnung in
seine Tasche stecke, daß sich in der einen Truppe zwanzig, in einer
andren sechsunddreißig solcher Namen befänden. Nur die Vereinigung von
furchtlosem Muth und imponierenden Geistesgaben mit einem leutseligen
Wesen und gewinnenden Manieren habe es ihm möglich gemacht, sich trotz
seiner höchst unsoldatischen Fehler die Zuneigung seiner Soldaten zu
erwerben und zu erhalten.[75]
Alexander VIII. folgt Innocenz XI. auf dem päpstlichen Stuhle. Um die Zeit, wo die in allen Theilen Europa's kämpfenden Armeen ihre
Winterquartiere aufsuchten, bestieg ein neuer Papst den Stuhl St. Peter's. Innocenz XI. war nicht mehr. Er hatte ein sonderbares Schicksal
gehabt. Seine gewissenhafte und innige Anhänglichkeit an die Kirche,
deren Oberhaupt er war, hatte ihn in einem der kritischesten Momente
ihrer Geschichte bestimmt, sich mit ihren Todfeinden zu verbünden. Die
Nachricht von seinem Ableben wurde daher, von den protestantischen
Fürsten und Republiken mit Schmerz und Besorgniß, in Versailles und
Dublin mit Freude und Hoffnung aufgenommen.
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Ludwig schickte
augenblicklich einen außerordentlichen Gesandten hohen Ranges nach Rom
und die in Avignon liegende französische Garnison wurde zurückgezogen. Als die Stimmen des Conclaves sich zu Gunsten Peter Ottobuoni's geeinigt
hatten, eines ehemaligen Cardinals, der den Namen Alexander VIII. annahm, wohnte der Vertreter Frankreichs der Einsetzung bei, trug die
Schleppe des neuen Papstes und überreichte Seiner Heiligkeit ein
Schreiben, in welcher der Allerchristlichste König erklärte, daß er dem
schmachvollen Vorrechte, Räuber und Mörder zu beschützen entsage. Alexander drückte den Brief an seine Lippen, umarmte den Ueberbringer
und sprach mit Entzücken von der nahen Aussicht auf Versöhnung. Ludwig
begann sich der Hoffnung hinzugeben, daß der Vatikan seinen Einfluß dazu
anwenden werde, die Allianz zwischen dem Hause Oesterreich und dem
ketzerischen Usurpator des englischen Thrones aufzulösen. Jakob war
sogar noch sanguinischer. Er war thöricht genug zu hoffen, daß der neue
Papst ihm Geld geben werde, und befahl Melfort, der sich jetzt seiner
Mission in Versailles entledigt hatte, nach Rom zu eilen und Se. Heiligkeit um eine Beisteuer zu dem guten Werke der Aufrechthaltung der
wahren Religion auf den britischen Inseln zu bitten. Aber es zeigte sich
bald, daß Alexander, obwohl er eine andre Sprache führte als sein
Vorgänger, doch entschlossen war, im Wesentlichen der Politik seines
Vorgängers zu folgen. Die Grundursache des Zerwürfnisses zwischen dem
heiligen Stuhle und Ludwig war nicht beseitigt. Der König ernannte noch
immer Prälaten, der Papst verweigerte noch immer ihre Anerkennung, und
die Folge davon war, daß ein Viertheil der Diöcesen Frankreich's
Bischöfe hatten, welche nicht befugt waren, irgend eine bischöfliche
Amtshandlung zu verrichten.[76]
Der Klerus der Hochkirche über die Angelegenheit der Eide gespalten. Die anglikanische Kirche war um diese Zeit nicht minder durch Spaltungen
zerrissen als die gallikanische Kirche. Der 1. August war durch ein
Parlamentsedict als der Tag festgesetzt, bis zu welchem alle
Pfarrgeistlichen und alle ein akademisches Amt bekleidenden Personen bei
Strafe der Suspension Wilhelm und Marien den Unterthaneneid schwören
mußten. Während der ersten Hälfte des Sommers hofften die Jakobiten, die
Zahl der Nichtschwörenden werde bedeutend genug sein, um die Regierung
zu beunruhigen und in Verlegenheit zu setzen. Diese Hoffnung aber wurde
getäuscht. Es gab zwar nur wenige Whigs unter der Geistlichkeit, und nur
wenige waren Tories jener gemäßigten Schule, welche mit Widerstreben und
Vorbehalt anerkannte, daß große Mißbräuche eine Nation zuweilen
berechtigen könnten, zu extremen Mitteln zu greifen.
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Die große Mehrheit
des Standes hielt noch immer an dem Prinzip des passiven Gehorsams fest,
aber diese Mehrheit war jetzt in zwei Theile gespalten. Eine Frage,
welche vor der Revolution lediglich Sache der Spekulation gewesen und
daher, wenn sie auch zuweilen gelegentlich in Anregung kam, von den
Meisten nur sehr oberflächlich behandelt worden war, hatte jetzt eine
hohe praktische Bedeutsamkeit erlangt. Das Prinzip des passiven
Gehorsams als feststehend angenommen, wem gebührte dieser Gehorsam? So
lange das erbliche Recht mit dem Besitz verbunden gewesen war, war kein
Zweifel möglich; aber das erbliche Recht und der Besitz waren jetzt
getrennt. Ein durch die Revolution auf den Thron erhobener Fürst
regierte zu Westminster, gab Gesetze, ernannte Justizbeamte und Prälaten
und sandte Armeen und Flotten aus. Seine Richter entschieden
Rechtsfälle, seine Sheriffs verhafteten Schuldner und bestraften
Verbrecher; ohne sein großes Siegel würden Gerechtigkeit, Ordnung,
Eigenthum aufgehört haben zu existiren und die Gesellschaft in einen
chaotischen Zustand gerathen sein. Ein andrer, durch die Revolution
abgesetzter Fürst lebte im Auslande. Er konnte keines der Rechte eines
Regenten ausüben und keine der Pflichten eines Regenten erfüllen und
konnte, wie es schien, nur durch eben so gewaltsame Mittel als durch die
er vertrieben worden war, wieder eingesetzt werden. Welchem von diesen
beiden Fürsten schuldeten die Christen nun Gehorsam? Argumente für Leistung der Eide. Ein großer Theil der Geistlichkeit war der Meinung, daß der klare
Wortlaut der Schrift ihnen gebiete, sich dem im factischen Besitz des
Thrones befindlichen Souverain zu unterwerfen, ohne nach seinem Recht
auf diesen Thron zu fragen. Die Obrigkeiten, von denen der Apostel in
dem den anglikanischen Theologen jener Zeit genau bekannten Evangelium
sagt, daß sie von Gott eingesetzt seien, sind nicht diejenigen welche
auf einen rechtmäßigen Ursprung zurückgeführt werden können, sondern die
eben bestehenden. Als Jesus gefragt wurde, ob das auserwählte Volk Cäsar
rechtmäßigerweise Tribut zahlen dürfe, antwortete er mit der Frage,
nicht ob Cäsar einen von dem alten Königshause Juda abgeleiteten
Stammbaum aufweisen könnte, sondern ob das Geldstück, das die Fragenden
an den Schatz Cäsars zu zahlen Bedenken trugen, aus Cäsar's Münze komme,
mit anderen Worten, ob Cäsar thatsächlich die Autorität eines Herrschers
besitze und die Functionen eines solchen ausübe.
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Es wird gewöhnlich, und mit vielem Anschein von Begründung, angenommen,
daß der zuverlässigste Commentar zu dem Text der Evangelien und Episteln
sich in der Praxis der ersten Christen findet, so weit diese Praxis
genügend zu ermitteln ist, und gerade jene Zeiten, zu welchen die Kirche
sich allgemein anerkanntermaßen im Zustande der höchsten Reinheit
befand, waren Zeiten häufiger und heftiger politischer Umgestaltungen. Einer der Apostel wenigstens erlebte es, daß binnen wenig mehr als einem
Jahre vier Kaiser gestürzt wurden. Von den Märtyrern des 3. Jahrhunderts
muß sich ein großer Theil zehn bis zwölf Revolutionen haben erinnern
können. Diese Märtyrer müssen oft in der Lage gewesen sein zu erwägen,
welche Pflichten sie gegen einen Fürsten hatten, der so eben durch einen
mit Erfolg gekrönten Aufstand zur Macht gelangt war. Daß sie allesammt
durch die Furcht vor Strafe abgehalten worden seien das zu thun, was sie
für Recht hielten, ist eine Beschuldigung, welche nicht einmal ein
rechtschaffener Ungläubiger auf sie werfen wird. Wenn indessen irgend
eine Behauptung in Bezug auf die ersten Christen mit völliger Gewißheit
aufgestellt werden kann, so ist es die, daß sie nie und nimmer einem
factischen Regenten wegen der Unrechtmäßigkeit seines Titels den
Gehorsam verweigerten. Einmal wurde sogar die höchste Gewalt von zwanzig
bis dreißig Rivalen beansprucht. Jede Provinz von Britannien bis Egypten
hatte ihren Augustus. Diese Prätendenten konnten natürlich nicht alle
rechtmäßige Kaiser sein. Dennoch finden wir nirgends etwas erwähnt, daß
die Gläubigen an irgend einem Orte das geringste Bedenken getragen
hätten, sich der Person zu unterwerfen, welche an diesem Orte die
kaiserlichen Functionen ausübte. Während die Christen von Rom Aurelian
gehorchten, gehorchten die Christen von Lyon Tetrikus und die Christen
von Palmyra der Zenobia. »Tag und Nacht,« -- waren die Worte, welche der
große Cyprian, Bischof von Karthago, an den Repräsentanten Valerian's
und Gallienus richtete, -- »Tag und Nacht beten wir Christen zu dem
einen wahren Gott für das Wohl unserer Kaiser.« Und doch hatten diese
Kaiser einige Monate vorher ihren Vorgänger Aurelianus gestürzt, der
seinen Vorgänger Gallus gestürzt hatte; dieser hatte auf den Trümmern
des Hauses seines Vorgängers Decius den Gipfel der Macht erstiegen,
Decius hatte seinen Vorgänger Philipp und dieser seinen Vorgänger
Gordianus erschlagen.
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Konnte man glauben, daß ein Heiliger, der in dem
kurzen Zeitraum von dreizehn bis vierzehn Jahren dieser Reihe von
Rebellen und Königsmördern unverbrüchliche Unterthanentreue bewahrt
hatte, lieber eine Spaltung in der Christenheit hervorgerufen, als König
Wilhelm und Königin Marien anerkannt haben würde? Hundertmal forderten
diejenigen anglikanischen Geistlichen, welche die Eide geleistet hatten,
ihre skrupulöseren Amtsbrüder auf, ihnen ein einziges Beispiel
anzuführen, daß die ursprüngliche Kirche einem glücklichen Usurpator den
Gehorsam verweigert hätte, und hundertmal wich man der Aufforderung aus. Die Eidverweigerer konnten über diesen Punkt weiter nichts sagen, als
daß Präcedenzfälle Prinzipien gegenüber kein Gewicht hätten, eine
Behauptung, die sehr sonderbar klang aus dem Munde einer Schule, welche
stets eine fast abergläubische Ehrfurcht vor der Autorität der
Kirchenväter an den Tag gelegt hatte.[77]
Präcedenzfälle aus späteren und verderbteren Zeiten verdienten wenig
Beachtung. Aber selbst in der Geschichte späterer und verderbterer
Zeiten konnten die Eidverweigerer nicht leicht einen ihrem Zwecke
dienenden Präcedenzfall finden. In unsrem eignen Lande hatten viele
Könige, die kein erbliches Recht hatten, auf dem Throne gesessen, aber
es war nie für unvereinbar mit der Pflicht eines Christen gehalten
worden, ein treuer Vasall dieser Könige zu sein. Die Usurpation
Heinrich's IV., die noch abscheulichere Usurpation Richard's III. hatten
kein Schisma in der Kirche hervorgerufen. Sobald der Usurpator auf
seinem Throne fest saß, hatten Bischöfe ihm für ihre Grundbesitzungen
gehuldigt; Convocationen hatten Adressen an ihn gerichtet und ihm Gelder
bewilligt, und kein Casuist hatte jemals behauptet, daß diese
Unterwerfung unter einen sich im factischen Besitze der Macht
befindenden Fürsten eine Todsünde sei.[78]
Mit der Verfahrungsweise der ganzen christlichen Welt stand die
Autoritätslehre der englischen Kirche unverkennbar in genauem Einklange. Die Homilie über vorsätzliche Empörung, eine Predigt, welche in maßlosen
Ausdrücken die Pflicht des Gehorsams gegen Regenten einschärft, spricht
nur von factischen Regenten. Es wird sogar in dieser Homilie den Leuten
gesagt, daß sie nicht nur ihrem rechtmäßigen Landesherrn, sondern auch
jedem Usurpator, den Gott in seinem Zorne ihrer Sünden halber über sie
setzen werde, zu gehorchen verpflichtet seien. Es würde gewiß der
höchste Grad von Ungereimtheit sein, wollte man behaupten, daß wir
diejenigen Usurpatoren, welche Gott im Zorne sendet, unterwürfig
hinnehmen, solchen aber, die er uns in Gnaden sendet, den Gehorsam
beharrlich verweigern müßten.
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Zugegeben es war ein Verbrechen, den
Prinzen von Oranien nach England einzuladen, ein Verbrechen sich ihm
anzuschließen, ein Verbrechen ihn zum König zu machen, was war die ganze
Geschichte der jüdischen Nation und der christlichen Kirche Andres als
eine Reihenfolge von Fällen, in denen die Vorsehung aus Bösem Gutes
hervorgehen ließ? Und welcher Theolog wird behaupten, daß wir in solchen
Fällen aus Abscheu vor dem Bösen das Gute von uns weisen müßten? Aus diesen Gründen waren eine große Anzahl Geistliche, welche noch an
dem Prinzipe festhielten, daß Widersetzlichkeit gegen den Souverain
jederzeit sündhaft sein müsse, der Ansicht, daß Wilhelm jetzt der
Souverain sei, dem sich zu widersetzen eine Sünde sein würde. Argumente gegen die Eidesleistung. Auf diese Argumentation entgegneten die Eidverweigerer, daß der Apostel
Paulus unter den bestehenden Obrigkeiten die bestehenden _rechtmäßigen_
Obrigkeiten gemeint haben müsse und daß es dem gesunden Verstande ins
Gesicht schlagen, die Religion schänden, den schwachen Gläubigen
Aergerniß und den Spöttern Anlaß zum Triumphiren geben heißen würde,
wollte man seine Worte anders deuten. Die Gefühle der ganzen Menschheit
müßten sich gegen die Behauptung empören, daß, sobald ein König, wäre
sein Recht auf den Thron noch so klar und seine Verwaltung noch so weise
und gut, durch Verräther vertrieben sei, alle seine Diener ihn verlassen
und zu seinen Feinden übergehen müßten. Zu allen Zeiten und bei allen
Nationen sei treue Anhänglichkeit an eine gute Sache im Unglück als eine
Tugend betrachtet worden. Zu allen Zeiten und bei allen Nationen sei der
Politiker, der sich immer zu der Partei geschlagen, welche die Oberhand
gehabt, verachtet worden. Dieser neue Toryismus sei schlimmer als
Whiggismus. Die Bande der Unterthanentreue zerreißen, weil der Souverain
ein Tyrann sei, das sei unstreitig eine große Sünde; aber es sei eine
Sünde, für die sich milde Bezeichnungen und plausible Vorwände finden
ließen und in welche ein braver und hochherziger Mann, der nicht in der
göttlichen Wahrheit unterrichtet und durch göttliche Gnade beschützt
sei, leicht verfallen könne. Aber alle Bande der Unterthanentreue blos
deshalb zu zerreißen, weil der Souverain unglücklich sei, das sei nicht
nur schlecht, sondern gemein.
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Könne ein Ungläubiger die heilige Schrift
ärger beschimpfen, als durch die Behauptung, daß die heilige Schrift den
Christen etwas als eine geheiligte Pflicht vorschreibe, was der
natürliche Verstand die Heiden als den höchsten Grad der Schlechtigkeit
zu betrachten gelehrt habe? In der Schrift finde sich die Geschichte
eines Königs von Israel, der durch einen unnatürlichen Sohn aus seinem
Palaste vertrieben und gezwungen worden sei, über den Jordan zu fliehen. David habe, wie Jakob, das Recht, Absolom, wie Wilhelm, den factischen
Besitz gehabt. Würde ein Schriftforscher zu behaupten wagen, daß Simei's
Benehmen bei dieser Gelegenheit als ein Muster zur Nachahmung
hingestellt sei und daß Barsillai, der treu zu seinem flüchtigen
Gebieter gehalten, sich gegen die Vorschrift Gottes aufgelehnt und
Verdammniß auf sich gezogen habe? Würde ein wahrer Sohn der Kirche
England's im Ernst behaupten, daß ein Mann, der bis nach der Schlacht
von Naseby ein entschiedener Royalist war, dann zum Parlament überging,
sobald das Parlament auseinandergesprengt war, ein willfähriger Diener
des Rumpfes wurde und sobald der Rumpf vertrieben war, sich für einen
treuen Unterthan des Protectors erklärte, die Achtung der Christen mehr
verdiene, als der standhafte alte Cavalier, der Karl I. im Gefängniß und
Karl II. im Exil unerschütterlich treu blieb und der bereit war, eher
Grundbesitz, Freiheit und Leben zu wagen als durch Wort oder That die
Autorität einer der plötzlich aufgetauchten Regierungen anzuerkennen,
welche in jener schlimmen Zeit in den Besitz einer Macht gelangt waren,
die ihnen von Rechtswegen nicht gebührte? Und welcher Unterschied sei
zwischen diesem und dem jetzt vorliegenden Falle? Daß Cromwell
thatsächlich eben so viel Macht, ja weit mehr Macht als Wilhelm besessen
habe, sei ausgemacht, und daß Wilhelm's Macht so gut wie Cromwell's
Macht illegitimen Ursprungs sei, werde kein Geistlicher, der dem Prinzip
des Nichtwiderstandes huldige, bestreiten. Wie könne denn ein solcher
Geistlicher leugnen, daß Cromwell Gehorsam gebührt habe, und doch
behaupten, daß Wilhelm solcher gebühre? Wollte man annehmen, daß eine
solche Inconsequenz ohne Unredlichkeit existiren könne, so sei das nicht
Nachsicht sondern Schwäche. Diejenigen welche entschlossen seien, sich
der Parlamentsacte zu fügen, würden besser thun, wenn sie sich offen
darüber aussprächen und sagten was Jedermann schon wisse: daß sie sich
nur deshalb fügten, um ihre Pfründen zu behalten. Allerdings sei dies
ein sehr starker Beweggrund. Daß ein Geistlicher, der Gatte und Vater
sei, dem 1. August und 1. Februar mit ängstlicher Besorgniß
entgegensehe, sei natürlich.
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Aber er solle nicht vergessen, daß, wie
schrecklich auch der Tag der Suspension und der Tag der Amtsentsetzung
sein möge, zuverlässig zwei andere noch schrecklichere Tage kommen
würden: der Tag des Todes und der Tag des jüngsten Gerichts.[79]
Die schwörenden Geistlichen, wie man sie nannte, waren nicht wenig
betroffen über dieses Raisonnement. Nichts setzte sie mehr in
Verlegenheit als die Parallele, welche die Eidverweigerer mit
unermüdlicher Beharrlichkeit zwischen der Usurpation Cromwell's und der
Usurpation Wilhelm's zogen. Denn es gab damals keinen Hochkirchlichen,
der es nicht für eine Ungereimtheit gehalten hätte, zu behaupten daß die
Kirche ihren Söhnen befohlen habe, Cromwell zu gehorchen. Und doch war
es unmöglich zu beweisen, daß Wilhelm vollständiger im Besitze der
höchsten Gewalt sei, als Cromwell es gewesen. Die Schwörenden hüteten
sich daher eben so sorgfältig, mit den Nichtschwörenden über diesen
Punkt zu streiten, wie die Nichtschwörenden es vermieden, mit den
Schwörenden über die Frage bezüglich der Praxis der frühesten Kirche zu
streiten. Das Wahre ist, daß die Regierungstheorie, welche der Klerus seit langer
Zeit lehrte, so unsinnig war, daß sie zu nichts als Unsinn führen
konnte. Mochte der Priester, der dieser Theorie huldigte, die Eide
leisten oder sie verweigern, er war in beiden Fällen nicht im Stande,
eine vernünftige Erklärung seines Verfahrens zu geben. Schwor er, so
konnte er dies nur durch Aufstellung von Behauptungen, gegen die sich
jedes redliche Herz instinktmäßig empörte, nur durch die Erklärung
rechtfertigen, daß Christus der Kirche befohlen habe, die gerechte Sache
zu verlassen, sobald diese Sache aufhöre zu prosperiren, und die Hände
der vom Glück begünstigten Schlechtigkeit gegen die bedrängte Tugend zu
kräftigen. So gewichtig indessen die Einwürfe gegen diese Doctrin waren,
die Einwürfe gegen die Doctrin des Nichtschwörenden waren wo möglich
noch gewichtiger. Nach ihm mußte eine christliche Nation beständig
entweder in einem Zustande von Knechtschaft oder in einem Zustande von
Anarchie sein. Etwas läßt sich sowohl für den Menschen sagen, der die
Freiheit opfert, um die Ordnung zu erhalten, als auch für den Menschen,
der die Ordnung opfert, um die Freiheit zu erhalten. Denn Freiheit und
Ordnung sind zwei der größten Segnungen, deren sich eine Gesellschaft
erfreuen kann, und wenn sie sich unglücklicherweise als mit einander
unverträglich herausstellen, da haben Diejenigen, welche die eine oder
die andre Seite ergreifen, Anspruch auf große Nachsicht.
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Der
Eidverweigerer aber opferte nicht die Freiheit der Ordnung, nicht die
Ordnung der Freiheit auf, sondern Freiheit und Ordnung einem
Aberglauben, der eben so einfältig und erniedrigend war als die Anbetung
von Katzen und Zwiebeln bei den Egyptern. Wenn eine Person, die sich nur
durch den Zufall der Geburt von anderen unterschied, auf dem Throne saß,
mochte sie auch ein Nero sein, sollte kein Ungehorsam stattfinden; und
wenn eine andre Person auf dem Throne saß, mochte sie auch ein Alfred
sein, so sollte kein Gehorsam stattfinden. Es war gleichgültig, wie
unvernünftig und schlecht die Verwaltung der Dynastie, welche das
erbliche Recht hatte, oder wie weise und tugendhaft die Verwaltung einer
aus einer Revolution hervorgegangenen Regierung sein mochte. Auch konnte
keine Verjährungszeit gegen den Anspruch der vertriebenen Familie
geltend gemacht werden. Der Zeitraum von Jahren, der Zeitraum von
Jahrhunderten änderte nichts. Bis an das Ende der Welt mußten die
Christen ihr politisches Verhalten einfach nach der Genealogie ihrer
Landesherren reguliren. Das Jahr 1800, das Jahr 1900 könnte Fürsten, die
ihre Rechtsansprüche von den Beschlüssen der Convention herleiteten,
ruhig und glücklich regieren sehen. Gleichviel, sie blieben deshalb
immer Usurpatoren, und wenn im 20. oder 21. Jahrhundert Jemand, der ein
besseres Geblütsrecht auf die Krone nachweisen konnte, eine spätere
Nachwelt auffordern sollte, ihn als König anzuerkennen, so mußte der
Aufforderung bei Strafe ewiger Verdammniß Folge geleistet werden. Ein Whig konnte sich wohl über den Gedanken freuen, daß die unter seinen
Gegner entstandenen Controversen die Richtigkeit seines politischen
Glaubens festgestellt hatten. Die Streitenden, welche ihn lange
übereinstimmend eines gottlosen Irrthums beschuldigt, hatten ihn jetzt
wirksam gerechtfertigt und einander gegenseitig widerlegt. Der
Hochkirchliche, der die Eide leistete, hatte durch unwiderlegliche
Gründe aus den Evangelien und Episteln, aus der gleichmäßigen Praxis der
ersten Kirche und aus den deutlichen Erklärungen der anglikanischen
Kirche bewiesen, daß die Christen nicht in allen Fällen verpflichtet
waren, dem Fürsten, der das erbliche Recht besaß, zu gehorchen. Der
Hochkirchliche, der die Eide leisten wollte, hatte eben so befriedigend
dargethan, daß die Christen nicht in allen Fällen verpflichtet seien,
den Fürsten, welcher thatsächlich regierte, zu gehorchen. Daraus folgte,
daß, um einer Regierung ein Recht auf die Treue der Unterthanen zu
geben, etwas Andres erforderlich war, als bloße Legitimität oder bloßer
Besitz. Was dieses Andre war wurde den Whigs nicht schwer zu sagen. Ihrer Ansicht nach war der Zweck, um dessen willen alle Regierungen
eingesetzt worden, das Wohl der Gesellschaft.
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So lange der erste Beamte
im Staate, mochte er auch einige Fehler haben, das Gute förderte, gebot
die Vernunft den Menschen, ihm zu gehorchen und die Religion, welche dem
Gebote der Vernunft ihre feierliche Sanction ertheilt gebot den
Menschen, ihn als einen von Gott Gesandten zu verehren. Erwies er sich
aber als ein Beförderer des Bösen, auf welche Gründe hin war er dann als
ein von Gott Gesandter zu betrachten? Die Tories, welche die Eide
leisteten, hatten bewiesen, daß er wegen des Ursprungs seiner Macht
nicht als ein solcher zu betrachten sei; die Tories, welche nicht
schwören wollten, hatten eben so klar bewiesen, daß er wegen der
Existenz seiner Macht nicht als ein solcher zu betrachten sei. Einige heftige und hämische Whigs triumphirten mit Ostentation und
rücksichtsloser Arroganz über die bestürzte und in sich uneinige
Geistlichkeit. Den Eidverweigerer betrachteten sie im allgemeinen mit
geringschätzendem Mitleid als einen einfältigen und verschrobenen, aber
aufrichtigen Bigotten, dessen absurde Praxis seiner absurden Theorie
entsprach und der die Verblendung, welche ihn antrieb, sein Vaterland zu
ruiniren, damit entschuldigte, daß die nämliche Verblendung ihn
getrieben habe, sich selbst zu ruiniren. Ihren schärfsten Tadel aber
sparten sie für diejenigen Geistlichen auf, die jetzt bereit waren einem
Usurpator Treue zu schwören, nachdem sie sich in den Tagen der
Ausschließungsbill und des Ryehousecomplots durch ihren Eifer für das
göttliche und unveräußerliche Recht des erblichen Souverains
ausgezeichnet hatten. Sei dies der wahre Sinn der sublimen Phrasen,
welche neunundzwanzig Jahre lang von unzähligen Kanzeln herab gepredigt
worden? Hätten die Tausende von Geistlichen, die sich der unwandelbaren
Loyalität ihres Standes so laut gerühmt, in Wirklichkeit nur gemeint,
daß ihre Loyalität nur bis zum nächsten Glückswechsel unwandelbar
bleiben solle. Es sei lächerlich, es sei unverschämt von ihnen, zu
behaupten, daß Ihr gegenwärtiges Verfahren mit ihrer früheren Sprache in
Einklang stehe. Wenn ein Ehrwürdiger Doctor endlich überzeugt worden
sei, daß er im Unrecht gewesen, so müsse er doch gewiß durch einen
offenen Widerruf den verfolgten, den verleumdeten, den gemordeten
Vertheidigern der Freiheit jede noch mögliche Genugthuung geben. Sei er
hingegen noch immer überzeugt, daß seine ersten Ansichten die richtigen
seien, so müsse er mannhaft das Loos der Eidverweigerer theilen.
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Achtung
gebühre sowohl Dem, der einen Irrthum offen eingestehe, wie auch dem,
der für einen Irrthum muthig leide; schwerlich aber könne man einen
Diener der Religion achten, der da behaupte, daß er es noch immer mit
den Grundsätzen der Tories halte, und dabei seine Pfründe durch Ablegung
eines Eides rette, welcher ehrenhafterweise nur nach den Grundsätzen der
Whigs geleistet werden könne. Diese Vorwürfe mochten vielleicht nicht ganz ungerecht sein, aber sie
waren unzeitig. Die vernünftigeren und gemäßigteren Whigs, welche
einsahen, daß Wilhelm's Thron nicht feststehen könne, wenn er nicht eine
breitere Basis habe als ihre eigne Partei, enthielten sich bei dieser
Gelegenheit aller Spötteleien und Invectiven und trachteten danach die
Bedenken der Geistlichen zu heben und ihre verletzten Gefühle zu
beschwichtigen. Die Collectivmacht der Rectoren und Vikare England's war
ungeheuer, und es war immer besser sie schwuren aus dem nichtigsten
Grunde, den ein Sophist ersinnen konnte, als sie schwuren gar nicht. Die große Mehrheit des Klerus leistet die Eide. Es wurde bald klar, daß die Gründe für die Eidesleistung, unterstützt
durch einige der stärksten Motive, welche auf den menschlichen Geist
influiren können, überwogen hatten. Mehr als neunundzwanzig Dreißigstel
des Standes fügten sich dem Gesetz. Die Mehrzahl der Geistlichen der
Hauptstadt, welche damals eine besondere Klasse bildeten und die sich
vor den Landgeistlichen ebensowohl durch freisinnige Ansichten wie durch
Beredtsamkeit und Gelehrsamkeit auszeichneten, erklärten ihren Anschluß
an die Regierung zuerst und mit allen Zeichen aufrichtiger Ergebenheit. Achtzig von ihnen begaben sich zusammen nach Westminster Hall und wurden
daselbst vereidigt. Die Ceremonie nahm soviel Zeit weg, daß an diesem
Tage beim Kanzleigericht und der Kings Bench wenig mehr vorgenommen
wurde.[80] Im allgemeinen aber fügten sich die Geistlichen langsam und
mit Unmuth. Allerdings opferten viele wissentlich ihre Grundsätze dem
Eigennutze auf. Ihr Gewissen sagte ihnen, daß sie eine Sünde begingen. Aber sie besaßen nicht Characterstärke genug, um das Pfarrhaus, den
Garten, das Landgütchen aufzugeben und in die Welt hinaus zu gehen, ohne
zu wissen, wo sie eine Mahlzeit oder ein Obdach für sich und ihre
Kleinen finden würden. Viele schwuren mit Zweifeln und bangen
Vorahnungen.[81] Einige erklärten im Augenblicke der Eidabnahme, es sei
nicht ihre Absicht zu versprechen, daß sie sich Jakob nicht unterwerfen
würden, wenn er je in die Lage kommen sollte, den Unterthaneneid von
ihnen zu verlangen.[82] Einige Geistliche im Norden waren am 1.
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August
in Gesellschaft zur Eidesleistung aufgebrochen, als sie unterwegs die
Nachricht von der Schlacht traf, welche vier Tage vorher in der Schlucht
von Killiecrankie geschlagen worden war. Sie kehrten sofort um und
verließen ihre Wohnungen zu dem nämlichen Zwecke nicht eher wieder als
bis es klar war, daß Dundee's Sieg keine Veränderung in dem Stande der
öffentlichen Angelegenheiten herbeigeführt hatte.[83] Selbst von Denen,
welche fest überzeugt waren, daß der bestehenden Regierung Gehorsam
gebühre, küßten nur sehr Wenige das Evangelium mit der Innigkeit, mit
der sie früher Karl und Jakob Treue gelobt hatten. Doch die Sache war
geschehen. Zehntausend Geistliche hatten feierlich den Himmel zum Zeugen
ihres Versprechens angerufen, daß sie treue Unterthanen Wilhelm's sein
wollten, und wenn auch dieses Versprechen ihn keineswegs zu der
Erwartung berechtigte, daß sie ihn kräftig unterstützen würden, so hatte
es ihnen doch einen großen Theil ihrer Macht, ihm zu schaden, entzogen. Wollten sie die öffentliche Achtung nicht verlieren, von der ihr Einfluß
abhing, so durften sie den Thron Dessen, dem sie im Angesicht Gottes als
ihrem Könige zu gehorchen gelobt hatten, nicht anders als indirect und
mit ängstlicher Vorsicht angreifen. Einige von ihnen lasen allerdings
die Gebete für das neue Herrscherpaar in einem eigenthümlichen Tone vor,
der nicht mißverstanden werden konnte.[84] Andere ließen sich sogar noch
ärgere Unanständigkeiten zu Schulden kommen. So leerte ein Elender
unmittelbar nachdem er im feierlichsten Gottesdienste für Wilhelm und
Marien gebetet, ein Glas auf ihr Verderben. Ein Andrer verzehrte an
einem durch ihre Autorität angeordneten Fasttage nach dem Gottesdienste
eine Taubenpastete und sprach beim Zerschneiden derselben den Wunsch
aus, daß es das Herz des Usurpators sein möchte. Doch so freche
Gottlosigkeit kam nur selten vor und schadete eher der Kirche als der
Regierung.[85]
Die Eidverweigerer. Die Anzahl der Geistlichen und Universitätsmitglieder, welche in die
gesetzlichen Strafen verfielen, belief sich auf ungefähr vierhundert. In
erster Reihe stand der Primas mit sechs seiner Suffragane: Turner von
Ely, Lloyd von Norwich, Frampton von Gloucester, Lake von Chichester,
White von Peterborough und Ken von Bath und Wells. Thomas von Worcester
würde der siebente gewesen sein, aber er starb drei Wochen vor dem Tage
der Suspension.
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Auf dem Sterbebette beschwor er seinen Klerus, der Sache
des erblichen Rechts treu zu bleiben, und erklärte, daß diejenigen
Geistlichen, welche zu beweisen versuchten, daß die Eide ohne Abweichung
von den loyalen Doctrinen der englischen Kirche geleistet werden
könnten, ihm jesuitischer zu raisonniren schienen als die Jesuiten
selbst.[86]
Ken. Ken, der in intellectueller wie in moralischer Hinsicht unter den
nichtschwörenden Prälaten am höchsten stand, war lange unschlüssig. Es
gab wenige Geistliche, die sich der neuen Regierung unbedenklicher
hätten unterwerfen können als er. Denn zu den Zeiten, als
Nichtwiderstand und passiver Gehorsam die Lieblingsthemata seiner
Amtsbrüder waren, hatte er auf der Kanzel fast niemals auf die Politik
angespielt. Er gab zu, daß die Argumente zu Gunsten des Schwörens sehr
gewichtig seien, ja er ging sogar so weit, daß er sagte, seine Bedenken
würden vollständig schwinden, wenn er überzeugt werden könne, daß Jakob
sich zur Abtretung Irland's an den König von Frankreich verbindlich
gemacht habe. Es ist daher augenscheinlich, daß der Unterschied zwischen
Ken und den Whigs kein prinzipieller war. Er war, wie sie, der Ansicht,
daß schlechte Verwaltung, wenn sie bis zu einem gewissen Punkte
getrieben würde, eine Uebertragung der Lehnspflichtigkeit rechtfertige,
und zweifelte nur, ob Jakob's schlechte Regierung diesen Punkt erreicht
habe. Der gute Bischof begann sogar wirklich einen Hirtenbrief
vorzubereiten, in welchem er seine Gründe für die Eidesleistung
entwickelte. Noch ehe er aber damit zu Ende war, erhielt er eine
Mittheilung, die ihn überzeugte, daß Irland nicht an Frankreich verkauft
sei; eine Menge Zweifel stiegen nun wieder in ihm auf, er warf den
unvollendeten Brief ins Feuer und bat seine minder skrupulösen Freunde,
daß sie nicht weiter in ihn dringen möchten. Er sei gewiß, sagte er, daß
sie aus aufrichtiger Ueberzeugung gehandelt hätten, es freue ihn, daß
sie mit reinem Gewissen einen Schritt thun könnten, vor dem er
zurückbebe, er fühle das ganze Gewicht ihrer Gründe, er sei fast
überzeugt und er wolle nichts weiter hören, um nicht noch völlig
überzeugt zu werden, denn wenn er sich fügte und seine Besorgnisse
kehrten dann zurück, so würde er der unglücklichste Mensch von der Welt
sein. Nicht für Schätze, nicht für einen Palast, nicht für einen
Peerstitel möchte er sich der geringsten Gefahr aussetzen, jemals die
Qualen der Reue zu empfinden.
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Es ist ein interessantes Factum, daß der
einzige von den sieben Prälaten, dessen Name einen gewichtigen Klang
hat, nahe daran war zu schwören und nach seinem eignen Eingeständniß
nicht durch die Kraft von Vernunftgründen, sondern durch eine krankhafte
Skrupulosität davon abgehalten wurde, die er Anderen nicht nachzuahmen
rieth.[87]
Unter den Priestern, welche die Eide verweigerten, befanden sich einige,
die sich in der gelehrten Welt als Philologen, Chronologen, Canonisten
und Alterthumsforscher, sowie eine sehr kleine Anzahl, die sich durch
Geist und Beredtsamkeit auszeichneten; aber es kann kaum Einer angeführt
werden, der im Stande gewesen wäre, eine wichtige Frage der Moral oder
Politik zu erörtern, kaum Einer, dessen Schriften nicht entweder eine
große Schwäche oder eine große Flüchtigkeit des Geistes verriethen. Diejenigen, welche auf das Urtheil eines Whig über diesen Punkt nichts
geben, werden der Ansicht, welche viele Jahre nach der Revolution ein
Philosoph aussprach, auf den die Tories mit Recht stolz sind,
hoffentlich einiges Gewicht zugestehen. Johnson erklärte, nachdem er die
berühmten Geistlichen, die es für eine Sünde gehalten, Wilhelm III. und
Georg I. Treue zu schwören, der Reihe nach aufgezählt, daß unter diesen
ganzen Eidverweigerern nur ein einziger gewesen sei, der ein logisches
Raisonnement habe anstellen können.[88]
Leslie. Der Eidverweigerer, zu dessen Gunsten Johnson diese Ausnahme machte, war
Karl Leslie. Leslie war vor der Revolution Kanzler der Diöcese Connor in
Irland gewesen. Er war in der Opposition gegen Tyrannei vorangegangen,
hatte sich als Friedensrichter für Monoghan geweigert, einen Papisten
als Sheriff dieser Grafschaft anzuerkennen, und hatte den Muth gehabt,
einige Offiziere der irischen Armee wegen Maraudirens einsperren zu
lassen, das Prinzip des Nichtwiderstandes aber, wie es die
anglikanischen Theologen in den Tagen des Ryehousecomplots gelehrt,
stand unerschütterlich fest in seinem Geiste. Als der Zustand von Ulster
sich so gestaltete, daß ein Protestant, welcher dort blieb, es kaum
vermeiden konnte, entweder ein Rebell oder ein Märtyrer zu werden,
flüchtete Leslie nach London. Seine Talente und seine Connectionen waren
von der Art, daß er leicht eine hohe Anstellung in der englischen Kirche
hätte erlangen können. Aber er nahm seinen Platz in der vordersten Reihe
der jakobitischen Partei und behauptete denselben durch alle Gefahren
und Wechselfälle von dreiunddreißig unruhigen Jahren. Obgleich beständig
mit Deisten, Juden, Socinianern, Presbyterianern, Papisten und Quäkern
in theologische Streitigkeiten verwickelt, fand er doch noch Zeit und
Muße, einer der productivsten politischen Schriftsteller seines
Jahrhunderts zu werden.
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Von allen nichtschwörenden Geistlichen war er am
besten befähigt, Verfassungsfragen zu besprechen, denn er hatte vor
seiner Ordination lange im Temple gewohnt und die englische Geschichte
und Rechtswissenschaft studirt, während die meisten anderen Häupter des
Schismas über den Acten von Chalcedon gebrütet, oder in dem Targum des
Onkelos nach Weisheit gesucht hatten.[89]
Sherlock. Im Jahre 1689 jedoch war Leslie fast noch unbekannt in England. Unter
den Geistlichen, welche am 1. August des genannten Jahres suspendirt
wurden, stand Doctor Wilhelm Sherlock in der Achtung des Volks ohne
Widerrede am höchsten. Kein einfacher Priester der englischen Kirche hat
vielleicht je eine größere Autorität über seine Glaubensbrüder besessen
als Sherlock sie zur Zeit der Revolution besaß. Er nahm als Gelehrter,
als Prediger, als theologischer oder als politischer Schriftsteller zwar
nicht den ersten Rang unter seinen Zeitgenossen ein, aber in allen
diesen vier Eigenschaften hatte er sich ausgezeichnet. Die Klarheit und
Lebendigkeit seines Styls sind von Prior und Addison gerühmt worden, und
die Leichtigkeit mit der er schrieb, sowie sein Fleiß werden durch die
Menge und durch die Jahrzahlen seiner Werke genugsam bewiesen. Es gab
zwar unter dem Klerus Männer von glänzenderem Genie und von
umfassenderer wissenschaftlicher Bildung, aber während einer langen Zeit
gab es keinen, der den Priesterstand vollkommener repräsentirte, keinen,
der ohne jeden Anflug von Latitudinarismus, Puritanismus oder Papismus
die Ansicht der anglikanischen Priesterschaft über alle Gegenstände
erschöpfender aussprach. In den Tagen der Ausschließungsbill, als die
Macht der Dissenters im Parlament und im Lande sehr groß war, hatte er
nachdrücklich gegen die Sünde des Nonconformirens geschrieben. Als das
Ryehousecomplot entdeckt war, hatte er die Lehre vom Nichtwiderstande
mit Wort und Schrift eifrig vertheidigt. Seine der Sache des Episkopats
und der Monarchie geleisteten Dienste wurden so hoch geschätzt, daß er
zum Vorsteher des Temple ernannt wurde. Auch wurde ihm von Karl eine
Pension ausgesetzt, die ihm aber Jakob bald wieder entzog, denn obgleich
Sherlock sich verpflichtet glaubte, der Civilgewalt passiven Gehorsam zu
leisten, so glaubte er sich doch nicht minder verpflichtet religiöse
Irrthümer zu bekämpfen und war der schärfste und rührigste unter dem
Heere von Polemikern, welche am Tage der Gefahr den protestantischen
Glauben mannhaft vertheidigten. In wenig mehr als zwei Jahren
veröffentlichte er sechzehn Schriften gegen die hohen Prätensionen Roms,
darunter einige umfangreiche Werke.
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Nicht zufrieden mit den Siegen, die
er über so schwache Gegner, wie die Bewohner von Clerkenwell und des
Savoy errang, hatte er den Muth, sich mit keinem geringeren Kämpen als
Bossuet zu messen, aus welchem Kampfe er nicht mit Unehre hervorging. Trotzdem blieb Sherlock nach wie vor bei dem Satze stehen, daß keine
Tyrannei Christen berechtigen könne, sich der königlichen Autorität zu
widersetzen. Als die Convention im Begriff war zusammenzutreten, empfahl
er in einer Schrift, welche als das Manifest eines großen Theils der
Geistlichkeit betrachtet wurde, auf das Eindringlichste, daß Jakob
eingeladen werden solle, unter Bedingungen, welche die Gesetze und die
Religion der Nation sichern würden, zurückzukehren.[90] Der Beschluß,
welcher Wilhelm und Marien auf den Thron setzte, erfüllte Sherlock mit
Kummer und Unwillen. Er soll ausgerufen haben daß, wenn die Convention
zu einer Revolution entschlossen sei, der Klerus vierzigtausend Freunde
der Kirche finden würde, um eine Restauration herbeizuführen.[91] Gegen
die neuen Eide sprach er offen und energisch seine Meinung aus. Er
erklärte, er begreife nicht, wie ein rechtschaffener Mann daran zweifeln
könne, daß der Apostel Paulus mit den bestehenden Obrigkeiten die
rechtmäßigen Obrigkeiten gemeint habe und keine anderen. Kein Name wurde
1689 von den Jakobiten mit solchem Stolz und solcher Liebe genannt wie
der Name Sherlock's. Noch vor dem Schlusse des Jahres 1690 aber erweckte
dieser Name ganz andere Empfindungen. Hickes. Einige andere Eidverweigerer müssen noch besonders erwähnt werden. Einer
der Bedeutendsten unter ihnen war Georg Hickes, Dechant von Worcester. Von allen Engländern seiner Zeit war er in den alten teutonischen
Sprachen am gründlichsten bewandert, und seine Kenntniß der ersten
christlichen Literatur war eine umfassende. Hinsichtlich seiner
Befähigung zur politischen Discussion genüge es zu sagen, daß sein
Lieblingsargument zu Gunsten des passiven Gehorsams der Geschichte der
Thebanischen Legion entlehnt war. Er war der jüngere Bruder des
unglücklichen Johann Hickes, der im Speicher der Alice Lisle verborgen
gefunden worden war. Jakob hatte, trotz aller Fürsprache, sowohl Johann
Hickes als Alice Lisle hinrichten lassen. Leute, welche die Stärke der
Grundsätze des Dechanten nicht kannten, dachten er könne deshalb
möglicherweise einigen Groll hegen, denn er war eben nicht von sanftem
und vergebendem Character, und konnte sich einer unbedeutenden Kränkung
viele Jahre lang mit bitteren Gefühlen erinnern. Aber er war fest in
seinem religiösen und politischen Glauben, er bedachte, daß die Dulder
Dissenters waren, und er unterwarf sich dem Willen des Gesalbten des
Herrn nicht nur mit Geduld, sondern mit Freudigkeit.
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Er wurde sogar von
dem Augenblicke an wo sein Bruder aufgehängt und die Wohlthäterin seines
Bruders enthauptet worden war, ein treuerer Unterthan als je. Während
fast alle anderen Geistlichen, durch die Indulgenzerklärung und durch
die Proceduren der Hohen Commission erschreckt, zu glauben begannen, daß
sie die Lehre vom Nichtwiderstande ein wenig zu weit getrieben hätten,
schrieb er eine Vertheidigung seines Lieblingsprinzips und bemühte sich
die bei Hounslow lagernden Truppen zu überzeugen, daß, wenn es Jakob
gefallen sollte, sie alle zu massakriren, wie Maximian die Thebanische
Legion massakrirt hatte, weil sie sich geweigert, Abgötterei zu treiben,
es ihre Pflicht sein würde, die Waffen auf einen Haufen zu werfen und
geduldig die Märtyrerkrone zu empfangen. Um Hickes Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, muß man sagen, daß sein ganzes Verhalten nach der
Revolution bewies, daß seine Servilität weder aus Furcht, noch aus
Habsucht, sondern lediglich aus Bigotterie entsprang.[92]
Collier. Jeremias Collier, der seiner Stelle als Prediger des Archivs entsetzt
worden, stand auf einer viel höheren Stufe. Er hat ein wohlbegründetes
Recht auf dankbare und achtungsvolle Erwähnung, denn seiner
Beredtsamkeit und seinem Muthe ist die Reinigung unsrer leichteren
Literatur von der unsauberen Färbung, die sie während der
antipuritanischen Reaction angenommen hatte, hauptsächlich
zuzuschreiben. Er war im vollen Umfange des Worts ein guter Mensch. Aber
er war auch ein Mann von eminenten Talenten, ein großer Meister des
Sarkasmus und ein ausgezeichneter Rhetoriker.[93] Desgleichen war seine
Belesenheit, wenn auch unverarbeitet, von großem Umfange. Sein Geist
aber war beschränkt; seine Logik, selbst wenn er so glücklich war, eine
gute Sache zu vertheidigen, höchst nichtssagend und unbündig und sein
Verstand war nicht durch persönlichen, aber durch Berufsstolz fast
verwirrt. In seinen Augen war ein Priester das höchste menschliche Wesen
nächst einem Bischofe. Der beste und vornehmste Laie war dem geringsten
Geistlichen Ehrerbietung und Unterwürfigkeit schuldig. Mochte ein
Mitglied des geheiligten Standes sich noch so lächerlich machen, so war
es gottlos über ihn zu lachen. Collier war in diesem Punkte so ungemein
empfindlich, daß er es für eine Profanation hielt, selbst über die
Diener einer falschen Religion sich aufzuhalten. Er stellte es als Regel
hin, daß auch Muftis und Auguren stets mit Achtung genannt werden
müßten. Er tadelte Dryden, weil er über die Hierophanten des Apis
gespöttelt. Er lobte Racine, weil er dem Character eines Priesters des
Baal Würde verliehen. Er lobte Corneille, weil er den gelehrten und
ehrwürdigen Gottesgelehrten Tiresias in seinem Oedipus nicht auf die
Bühne gebracht.
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Er gab zwar zu, daß die Weglassung den dramatischen
Effect des Stückes beeinträchtigte, aber das heilige Amt war viel zu
feierlich, als daß man eitles Spiel damit treiben durfte. Ja, er hielt
es sogar, so unglaublich dies scheinen mag, für unpassend, wenn ein Laie
über presbyterianische Prediger spöttelte. Allerdings war sein
Jakobitismus nicht viel mehr als eine von den Formen, in denen sich sein
Eifer für die Würde seines Standes äußerte. Er verabscheute die
Revolution weniger als einen Aufstand von Unterthanen gegen ihren König,
denn als einen Aufstand der Laienschaft gegen den Priesterstand. Die
seit dreißig Jahren von der Kanzel gepredigten Doctrinen, waren von der
Convention mit Verachtung behandelt worden. Eine neue Regierung war im
Widerspruch mit den Wünschen der geistlichen Peers im Hause der Lords
und der Priesterschaft des ganzen Landes eingesetzt worden. Eine
weltliche Versammlung hatte sich angemaßt, ein Gesetz zu erlassen, das
Erzbischöfen und Bischöfen, Rectoren und Vikaren bei Strafe der
Amtsentsetzung vorschrieb das abzuschwören, was sie Zeit ihres ganzen
Lebens gelehrt hatten. Was auch kleinmüthigere Geister thun mochten,
Collier war entschlossen, sich von den siegreichen Feinden seines
Standes nicht im Triumphe fortführen zu lassen. Bis zum letzten
Augenblicke wollte er mit der gebieterischen Haltung eines vom Himmel
Gesandten den Fürsten und Mächtigen der Erde Trotz bieten. Dodwell. In Bezug auf geistige Begabung war Collier der Hervorragendste unter den
Eidverweigerern. Hinsichtlich der Gelehrsamkeit muß die erste Stelle
Heinrich Dodwell zuerkannt werden, der wegen des unverzeihlichen
Verbrechens, in Mayo ein kleines Gut zu besitzen, von dem papistischen
Parlament zu Dublin verurtheilt worden war. Er war Camdenianischer
Professor der alten Geschichte an der Universität Oxford und hatte durch
chronologische und geographische Forschungen schon eine bedeutende
Celebrität erlangt; obgleich er aber nie dazu bewogen werden konnte,
sich ordiniren zu lassen, war doch die Theologie sein Lieblingsstudium. Er war unbestreitbar ein frommer und redlicher Mann. Er hatte zahllose
Werke in verschiedenen Sprachen gelesen und dadurch einen größeren
Schatz von Gelehrsamkeit gesammelt, als seine schwachen Geisteskräfte
festzuhalten vermochten. Der schwache geistige Funke, den er besaß,
wurde durch das Material, das ihn nähren sollte, erstickt. Einige seiner
Werke scheinen in einem Irrenhause geschrieben zu sein und ziehen ihn,
obgleich von Beweisen seiner ungeheuren Belesenheit strotzend, auf das
Niveau eines Jakob Naylor und Ludwig Muggleton herab. Er begann eine
Dissertation, welche beweisen sollte, daß das Völkerrecht eine göttliche
Offenbarung sei, welche der in der Arche geretteten Familie gemacht
wurde.
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Er veröffentlichte eine Abhandlung, in der er behauptete, daß
eine Ehe zwischen einem Mitgliede der englischen Kirche und einem
Dissenter ungültig und daß das Ehepaar in den Augen des Himmels des
Ehebruchs schuldig sei. Er vertheidigte den Gebrauch der
Instrumentalmusik beim öffentlichen Gottesdienste aus dem Grunde, weil
die Töne der Orgel die Macht hätten, den Einfluß der Teufel auf das
Rückenmark der Menschen zu paralysiren. In seiner Abhandlung über diesen
Gegenstand bemerkte er, man habe gewichtige Autoritäten für die Ansicht,
daß das Rückenmark, wenn es zersetzt würde, eine Schlange werde. Ob
diese Ansicht richtig war oder nicht, hielt er für unnöthig zu
entscheiden. Vielleicht, sagte er, hätten die ausgezeichneten Männer, in
deren Werken sie sich finde, nur die große Wahrheit figürlich
aussprechen wollen, daß die alte Schlange hauptsächlich durch das
Rückenmark auf uns einwirke.[94] Dodwell's Betrachtungen über den
Zustand der Menschen nach dem Tode sind womöglich noch wunderlicher. Er
sagt uns, daß unsere Seelen von Natur sterblich sind. Vernichtung ist
das Loos des größeren Theiles der Menschen, der Heiden, der Muhamedaner,
der ungetauften Kinder. Die Gabe der Unsterblichkeit wird in dem
Sakrament der Taufe mitgetheilt; zur Wirksamkeit des Sakraments aber ist
es durchaus nöthig, daß ein durch einen Bischof ordinirter Priester die
Taufhandlung verrichtet und die Einsetzungsworte spricht. Im natürlichen
Laufe der Dinge würden demnach alle Presbyterianer, Independenten,
Baptisten und Quäker aufhören zu existiren, wie die niederen Thiere. Dodwell war jedoch ein viel zu guter Hochkirchlicher, als daß er die
Dissenters so leichten Kaufs hätte davonkommen lassen sollen. Er sagt
ihnen, daß Gott, da sie Gelegenheit gehabt haben, das Evangelium
predigen zu hören, und die bischöfliche Taufe hätten empfangen können,
wenn sie nicht so verderbt wären, ihnen durch einen außerordentlichen
Machtspruch die Unsterblichkeit verleihen wird, damit sie bis in alle
Ewigkeit gequält werden können.[95]
Niemand verabscheute den zunehmenden Latitudinarismus mehr als Dodwell. Gleichwohl hatte Niemand mehr Ursache, sich darüber zu freuen, denn in
der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts würde ein Denker, der zu
behaupten gewagt hätte, die menschliche Seele sei von Natur sterblich
und höre in den meisten Fällen zugleich mit dem Körper auf zu existiren,
in Smithfield lebendig verbrannt worden sein.
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Noch zu einer Zeit, der
sich Dodwell wohl erinnern konnte, würden Ketzer wie er sich glücklich
geschätzt haben, wenn sie, mit zerfleischtem Rücken, abgeschnittenen
Ohren und aufgeschlitzter Nase, die Zunge mit einem glühenden Eisen
durchbohrt und die Augen mit Steinen ausgeschlagen, mit dem Leben davon
gekommen wären. In den Augen der Eidverweigerer aber war der Urheber
dieser Theorie noch immer der große Mr. Dodwell, und Einige, die es für
strafbare Nachsicht hielten, eine presbyterianische Versammlung zu
dulden, hielten es zu gleicher Zeit für eine grobe Illiberalität, einen
gelehrten und frommen Jakobiten zu tadeln, weil er eine vom religiösen
Gesichtspunkte so höchst unwichtige Lehre wie die von der
Unsterblichkeit der Seele, in Abrede stelle.[96]
Kettlewell. Fitzwilliam. Zwei andere Eidverweigerer verdienen weniger ihrer Talente und ihrer
Gelehrsamkeit, als ihrer seltenen Rechtschaffenheit und ihrer nicht
minder seltenen Aufrichtigkeit wegen specielle Erwähnung. Dies sind
Johann Kettlewell, Rector von Coleshill, und Johann Fitzwilliam,
Canonicus von Windsor. Es ist bemerkenswerth, daß diese Männer beide
viel mit Lord Russell verkehrt und daß beide, obgleich sie in
politischen Ansichten von ihm abwichen und den Antheil, den er an dem
whiggistischen Complot genommen, entschieden mißbilligten, eine hohe
Meinung von seinem Character gehabt und seinen Tod aufrichtig betrauert
hatten. Er hatte Kettlewell noch eine freundliche Botschaft vom Schaffot
in Lincoln's Inn Fields gesandt. Lady Russell liebte, vertraute und
verehrte Fitzwilliam, der in ihrer Jugend der Freund ihres Vaters, des
tugendhaften Southampton gewesen war, bis an ihr Ende. Die beiden
Geistlichen stimmten in der Verweigerung der Eide überein, schlugen aber
von diesem Augenblicke an verschiedene Richtungen ein. Kettlewell war
eines der thätigsten Mitglieder seiner Partei; er scheute sich keiner
Anstrengung zum Besten der gemeinschaftlichen Sache, vorausgesetzt daß
es keine solche war, die einem rechtschaffenen Mann Unehre machte, und
er vertheidigte seine Ansichten in mehreren Schriften, welche allerdings
eine viel höhere Meinung von seiner Aufrichtigkeit als von seiner
Urtheilsfähigkeit und seinem Scharfsinn begründen.[97] Fitzwilliam
glaubte genug gethan zu haben, indem er sein anmuthiges Wohnhaus mit
Garten im Schatten der St. Georgs-Kapelle verließ und mit seinen Büchern
eine kleine Entresolwohnung bezog. Er konnte Wilhelm und Marien mit
ruhigem Gewissen nicht anerkennen, aber er hielt sich auch nicht für
verpflichtet, beständig zur Widersetzlichkeit gegen sie aufzustacheln,
und er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens unter dem mächtigen
Schutze des Hauses Bedford in harmloser, den Studien gewidmeter
Ruhe.[98]
Allgemeiner Character des eidverweigernden Klerus.
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Unter den minder ausgezeichneten Geistlichen, welche ihre Pfründen
verloren, befanden sich zweifelsohne viele gute Menschen; soviel aber
ist gewiß, daß der sittliche Character der Eidverweigerer im allgemeinen
auf keiner hohen Stufe stand. Es scheint hart, Leuten, welche
unbestreitbar einem Prinzipe ein großes Opfer brachten, Lauheit der
Prinzipien vorzuwerfen. Allein die Erfahrung beweist mehr als genugsam,
daß Viele, die eines großen Opfers fähig sind, wenn ihr Blut vom Kampfe
erhitzt und die Blicke der Welt auf sie gerichtet sind, in der täglichen
Ausübung verborgener Tugenden nicht lange zu beharren vermögen. Es ist
durchaus nicht unwahrscheinlich, daß Zeloten ihr Leben für eine Religion
hingeben können, welche ihre rachsüchtigen oder ausschweifenden
Leidenschaften doch niemals wirksam gezügelt hatte. Wir erfahren sogar
von Kirchenvätern, welche das höchste Ansehen genießen, daß selbst in
den reinsten Zeiten der Kirche einige Bekenner, die sich standhaft
geweigert hatten, durch Streuen von Weihrauch auf den Altar Jupiters den
Qualen der Folter und dem Tode zu entgehen, später den christlichen
Namen durch Betrug und Ausschweifung schändeten.[99] Die
eidverweigernden Geistlichen haben indeß Anspruch auf große Nachsicht. Sie befanden sich unbestreitbar in einer sehr versuchungvollen Lage. Ein
Schisma, das eine religiöse Gemeinschaft spaltet, spaltet in der Regel
den Laienstand ebenso wie den Klerus. Die sich lostrennenden
Seelenhirten ziehen einen großen Theil ihrer Heerden mit sich fort und
sind in Folge dessen ihres Unterhalts gewiß. Aber das Schisma von 1689
erstreckte sich kaum weiter als auf den Klerus. Das Gesetz verlangte von
dem Rector, die Eide zu leisten, oder sein Amt niederzulegen; von dem
Gemeindemitgliede aber wurde kein Eid, keine Anerkennung des Titels des
neuen Herrscherpaares verlangt, um sich zur Theilnahme am Gottesdienste
oder zum Genusse des heiligen Abendmahls zu qualificiren. Daher hielt
sich von den Laien, welche die Revolution mißbilligten, noch nicht einer
unter fünfzig für verpflichtet, seinen Stuhl in der alten Kirche, wo
nach wie vor die alte Liturgie verlesen und die alten Gewänder getragen
wurden, zu verlassen und den ausgestoßenen Priester zu einem Conventikel
zu begleiten, das noch obendrein durch das Toleranzedict nicht geschützt
war. So war die neue Secte eine Secte von Predigern ohne Zuhörer und vom
Predigen konnten diese Prediger nicht leben.
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In London und in einigen
anderen großen Städten waren die heftigen Jakobiten, welche durch nichts
zu befriedigen waren, als wenn sie für König Jakob und den Prinzen von
Wales mit Namen beten hörten, allerdings zahlreich genug, um einige
kleine Gemeinden zu bilden, die sich im Geheimen und unter beständiger
Furcht vor den Constablern in Räumen versammelten, welche so beschränkt
waren, daß die Bethäuser der puritanischen Dissenters im Vergleich damit
Paläste genannt werden konnten. Selbst Collier, der alle die
Eigenschaften besaß, welche ein zahlreiches Auditorium herbeiziehen,
mußte sich damit begnügen, der Geistliche einer kleinen Schaar
Mißvergnügter zu sein, deren Betzimmer sich im zweiten Stock eines
Hauses der City befand. Aber die Zahl der nichtschwörenden Geistlichen,
die sich durch Gottesdiensthalten an solchen Orten auch nur einen
kümmerlichen Unterhalt zu erwerben vermochten, war sehr gering. Von den
übrigen konnten einige unabhängig von ihrem Vermögen leben, andere
ernährten sich durch literarische Arbeiten, ein paar praktizirten als
Aerzte. Thomas Wagstaffe zum Beispiel, der Kanzler von Lichfield gewesen
war, hatte viele Patienten und machte sich dadurch bemerkbar, daß er sie
stets im vollen Domherrnornat besuchte.[100] Doch dies waren Ausnahmen. Betriebsame Armuth ist ein der Tugendhaftigkeit keineswegs nachtheiliger
Zustand, gefährlich aber ist es, arm und zugleich unthätig zu sein, und
die Mehrzahl der Geistlichen, die sich geweigert hatten zu schwören,
sahen sich ohne Subsistenzmittel und ohne Beschäftigung in die Welt
hinausgestoßen. Natürlich wurden sie Bettler und Müßiggänger. Da sie
sich als Märtyrer für eine öffentliche Sache betrachteten, so schämten
sie sich nicht, den ersten besten guten Hochkirchlichen um eine Guinee
anzusprechen. Die Meisten von ihnen verbrachten ihr Leben damit, daß sie
aus einem Torykaffeehause ins andre gingen, die Holländer schmähten,
Gerüchte, nach denen Se. Majestät binnen einem Monate zuverlässig auf
englischem Boden sein würde, anhörten und verbreiteten, und sich die
Köpfe darüber zerbrachen, wer das Bisthum Salisbury bekommen würde, wenn
Burnet gehängt wäre. Während der Parlamentssession waren die Vorzimmer
und der Court of Requests mit abgesetzten Pfarrgeistlichen gefüllt, die
sich erkundigten, wer die Oberhand habe und wie die letzte Abstimmung
ausgefallen sei. Viele der vertriebenen Geistlichen fanden in den
Häusern reicher Jakobiten als Kaplane, Hauslehrer oder Seelsorger
Aufnahme. In einer derartigen Stellung kann ein Mann von reinem und
edlem Character, ein Mann wie Ken unter den Eidverweigerern und Watts
unter den Nonconformisten war, seine Würde behaupten und durch sein
Beispiel und seine Belehrungen die Wohlthaten, die er empfängt, mehr als
vergelten.
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In der That als Cibber es unternahm, dieses
herrliche Lustspiel für die englische Bühne zu bearbeiten, machte er aus
seinem Tartuffe einen Eidverweigerer, und Johnson, von dem man nicht
glauben kann, daß er gegen die Eidverweigerer eingenommen gewesen sei,
gestand offen, daß Cibber ihnen nicht Unrecht gethan habe.[101]
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das durch die Eide
herbeigeführte Schisma noch weit schlimmer gewesen sein würde, wenn in
dieser Krisis eine ausgedehnte Umgestaltung in der Verfassung oder dem
Ceremoniell der Staatskirche vorgenommen worden wäre. Es ist ein sehr
lehrreiches Factum, daß die aufgeklärten und toleranten Geistlichen,
welche eine solche Umgestaltung sehnlichst wünschten, nachher Grund
sahen, dankbar dafür zu sein, daß ihr Lieblingsplan gescheitert war. Der Comprehensionsplan. Tillotson. Whigs und Tories hatten sich während der vorigen Session vereinigt,
Nottingham's Comprehensionsbill zu beseitigen, indem sie eine Adresse
beschlossen, welche den König ersuchte, die ganze Angelegenheit an die
Convocation zu verweisen. Burnet sah die Wirkung dieses Beschlusses
voraus. Der ganze Plan, sagte er, ist gänzlich zerstört.[102] Viele von
seinen Freunden waren jedoch andrer Meinung, und zu ihnen gehörte auch
Tillotson. Von allen Mitgliedern der Niederkirchenpartei stand Tillotson
in der allgemeinen Achtung am höchsten. Als Kanzelredner übertraf er in
den Augen seiner Zeitgenossen alle lebenden und todten Rivalen. Die
Nachwelt hat dieses Urtheil nicht anerkannt; doch behauptet Tillotson
noch immer seinen Platz als ein legitimer englischer Classiker. Sein
höchster Gedankenflug stand zwar tief unter dem eines Taylor, eines
Barrow und eines South; aber sein Styl war correcter und fließender als
der ihrige. Keine wunderlichen Einfalle, keine pedantischen Citate aus
Talmudisten und Scholiasten, keine gemeinen Bilder, possenhaften
Geschichten oder unschicklichen Schmähungen beeinträchtigten die Wirkung
seiner ernsten und gemäßigten Reden. Seine Logik war gerade tief und
fein genug, damit ein volksthümliches Auditorium sie mit jenem leichten
Grade geistiger Anstrengung, der ein Genuß ist, verfolgen konnte. Sein
Styl ist nicht brillant, aber er ist rein, durchsichtig klar und ebenso
frei von der Flüchtigkeit, wie von der Schwerfälligkeit, welche die
Predigten mancher ausgezeichneten Geistlichen des 17. Jahrhunderts
verunzieren. Er ist immer ernst, und doch hat seine Ausdrucksweise eine
gewisse elegante Ungezwungenheit, die ihn als einen Mann kennzeichnet,
der die Welt kennt, der in volkreichen Städten und an glänzenden Höfen
gelebt und der sich nicht allein mit Büchern, sondern auch mit Juristen
und Kaufleuten, mit Literatur und Damen, mit Staatsmännern und Fürsten
unterhalten hat.
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Der Hauptreiz seiner Geistesproducte liegt jedoch in
der Herzensgüte und Offenheit, welche aus jeder Zeile sprechen und in
seinem Lebenswandel nicht minder sichtbar hervortreten wie in seinen
Schriften. Als Theolog war Tillotson gewiß nicht weniger latitudinarisch als
Burnet. Dennoch sprachen viele von den Geistlichen, für welche Burnet
ein Gegenstand unüberwindlicher Abneigung war, von Tillotson mit
Zuneigung und Achtung. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die beiden
Freunde sich ein verschiedenes Urtheil über die Gesinnung der
Priesterschaft gebildet hatten und von dem Zusammentritt der Convocation
ein verschiedenes Resultat erwarteten. Tillotson mißfiel der Beschluß
der Gemeinen nicht. Er war der Ansicht, daß Veränderungen, welche durch
eine rein weltliche Behörde in religiösen Institutionen vorgenommen
wurden, vielen Kirchenmännern unangenehm sein mußten, die gleichwohl in
einer kirchlichen Synode für noch umfassendere Aenderungen gestimmt
haben würden, und seine Meinung hatte großes Gewicht beim Könige.[103]
Es ward beschlossen, daß die Convocation zu Anfang der nächsten
Parlamentssession zusammentreten und daß inzwischen eine Verordnung
erlassen werden sollte, welche einige ausgezeichnete Geistliche
ermächtigte, die Liturgie, die Kirchengesetze und das ganze von den
christlichen Gerichtshöfen gehandhabte Rechtssystem zu prüfen und über
die sich als wünschenswerth herausstellenden Abänderungen Bericht zu
erstatten.[104]
Eine kirchliche Commission ernannt. Die Mehrzahl der Bischöfe, welche die Eide geleistet hatten, war in
dieser Commission, und ihnen waren zwanzig der angesehensten Priester
beigegeben. Der bedeutendste unter diesen Zwanzig war Tillotson, denn
man wußte, daß er die Ansicht des Königs und der Königin aussprach. Unter den Commissionsmitgliedern, welche Tillotson als ihr Oberhaupt
betrachteten, befanden sich Stillingfleet, Dechant von St. Paul, Sharp,
Dechant von Norwich, Patrick, Dechant von Peterborough, Tenison, Rector
von St. Martin, und Fowler, dessen verständiger Energie der Entschluß
der londoner Geistlichkeit, die Indulgenzerklärung nicht zu verlesen,
hauptsächlich zuzuschreiben war. Neben den genannten Männern standen einige der Hochkirchenpartei
angehörende Geistliche. Unter diesen zeichneten sich besonders zwei der
ersten Theologen von Oxford, Aldrich und Jane, aus. Aldrich war unlängst
zum Dechant von Christchurch ernannt worden, an Stelle des Papisten
Massey, den Jakob, in directem Widerspruch mit den Gesetzen, an die
Spitze dieses wichtigen Collegiums gestellt hatte. Der neue Dechant war
ein gebildeter, wenn auch nicht gründlicher Gelehrter und ein jovialer,
gastfreundlicher Herr. Er war der Verfasser einiger theologischer
Schriften, welche längst vergessen sind, und eines Compendiums der
Logik, das noch in Gebrauch ist; die besten Werke aber, die er der
Nachwelt hinterlassen hat, sind seine Kanons.
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Jane, der königliche
Professor der Theologie, war ein ernsterer, aber minder achtungswerther
Mann. Er hatte den Hauptantheil bei Abfassung des Decrets gehabt, durch
welches seine Universität befahl, daß die Werke Milton's und Buchanan's
in den Schulen öffentlich verbrannt werden sollten. Wenige Jahre später
hatte er sich, gereizt und beunruhigt durch die Verfolgung der Bischöfe
und durch die Confiscirung der Einkünfte des Magdalenencollegiums, von
dem Prinzip des Nichtwiderstandes losgesagt, hatte sich in das
Hauptquartier des Prinzen von Oranien begeben und Sr. Hoheit versichert,
daß Oxford bereitwillig sein Silbergeschirr zur Unterstützung des Kriegs
gegen seinen Unterdrücker in Geld verwandeln werde. Eine kurze Zeit lang
wurde Jane allgemein als ein Whig betrachtet und von einigen seiner
früheren Verbündeten in Schmähschriften arg mitgenommen. Er hatte das
Unglück einen Namen zu haben, der eine vortreffliche Zielscheibe für die
gelehrten Witzlinge seiner Universität war. Es erschienen mehrere
Epigramme auf den Janus mit dem Doppelgesicht, der durch Sehen nach der
einen Seite eine Professur erhalten, und der jetzt durch Sehen nach
einer andren Seite ein Bisthum zu erlangen hoffe. Daß er ein Bisthum zu
erlangen hoffte, war vollkommen wahr. Er verlangte den Sitz von Exeter
als den seinen Diensten gebührenden Lohn. Derselbe wurde ihm jedoch
abgeschlagen. Diese Verweigerung überzeugte ihn, daß er vom
Latitudinarismus eben so viel zu fürchten hatte wie vom Papismus, und er
wurde daher eiligst wieder ein Tory.[105]
Maßregeln der Commission. Zu Anfang des October versammelten sich die Mitglieder der Commission in
dem Jerusalemzimmer. Sie beschlossen in ihrer ersten Sitzung, darauf
anzutragen, daß beim öffentlichen Gottesdienste die aus den Apokryphen
entnommenen Vorlesekapitel durch Kapitel aus den kanonischen Büchern der
heiligen Schrift ersetzt werden sollten.[106] In der zweiten
Zusammenkunft wurde eine Frage aufgeworfen, und zwar von Demjenigen, der
sie zu allerletzt hätte in Anregung bringen sollen. Sprat, Bischof von
Rochester, war ohne den geringsten Gewissensskrupel zwei Jahre lang
Mitglied des verfassungswidrigen Tribunals gewesen, das unter der
vorigen Regierung die Kirche, zu deren Leitern er gehörte, unterdrückt
und geplündert hatte. Aber jetzt war er bedenklich geworden und äußerte
Zweifel an der Gesetzmäßigkeit der Commission. Seine Einwendungen müssen
jedem gesunden Verstande als hohle Sophismen erscheinen. Das
Ernennungsdecret gab weder Vollmacht, Gesetze zu machen, noch Gesetze
anzuwenden, sondern lediglich zu untersuchen und zu berichten.
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Selbst
ohne königliche Ermächtigung hätten Tillotson, Patrick und Stillingfleet
unbedenklich zusammentreten können, um den Zustand und die Zukunft der
Kirche zu berathen und zu erwägen, ob es wünschenswerth war oder nicht,
den Dissenters ein Zugeständniß zu machen. Wie konnte es ein Verbrechen
sein, wenn Unterthanen auf Verlangen ihres Souverains etwas thaten, was
unschuldig, ja lobenswerth gewesen wäre, wenn sie es unaufgefordert
gethan hätten? Sprat wurde jedoch durch Jane unterstützt. Es entspann
sich ein heftiger Wortwechsel, und Lloyd, Bischof von St. Asaph, der
neben vielen guten Eigenschaften ein reizbares Temperament besaß, ließ
sich so weit hinreißen, von Spionen zu sprechen. Sprat entfernte sich
und kam nicht wieder. Jane und Aldrich folgten bald seinem
Beispiele.[107] Die Commission ging hierauf zur Erörterung der Frage
wegen der Stellung beim Abendmahle über, und es wurde beschlossen
anzuempfehlen, daß ein Communikant, der nach Besprechung mit seinem
Seelsorger erklärte, sein Gewissen erlaube ihm nicht, das Brot und den
Wein kniend zu empfangen, dieselben sitzend empfangen dürfe. Mew,
Bischof von Winchester, ein braver Mann, aber ohne wissenschaftliche
Bildung, der selbst in seinen besten Jahren schwach gewesen war und
jetzt immer kindischer wurde, protestirte gegen dieses Zugeständniß und
verließ die Versammlung. Die anderen Mitglieder fuhren fort, sich emsig
mit ihrer Aufgabe zu beschäftigen, und es fand kein weiterer Austritt
statt, obgleich große Meinungsverschiedenheit herrschte und die Debatten
zuweilen ziemlich heiß waren. Die entschiedensten Hochkirchlichen unter
den Zurückbleibenden waren Doctor Wilhelm Beveridge, Archidiakonus von
Colchester, der viele Jahre später Bischof von St. Asaph wurde, und
Doctor Johann Scott, der Nämliche, der an Jeffreys' Sterbebett gebetet
hatte. Die Thätigsten unter den Latitudinariern waren Burnet, Fowler und
Tenison. Die Taufhandlung wurde wiederholt discutirt. In Bezug auf Formalitäten
waren die Commissionsmitglieder zur Nachsicht gestimmt. Sie waren
sämmtlich geneigt, Kinder ohne Pathen und ohne das Zeichen des Kreuzes
in den Schooß der Kirche aufzunehmen. Die Majorität aber weigerte sich
nach langer Debatte standhaft, die Worte zu entkräften oder
wegzuerklären, in denen nach der Ansicht aller unverdorbenen Gemüther
die regenerirende Kraft des Sakraments liegt.[108]
Hinsichtlich des Chorhemds beschloß die Commission zu empfehlen, daß den
Bischöfen ein weiter Spielraum gelassen werde. Es wurden Auswege
ersonnen, durch welche Jemand, der die presbyterianische Ordination
empfangen, ein Priester der englischen Kirche werden konnte, ohne weder
ausdrücklich noch stillschweigend die Ungültigkeit dieser Ordination
zuzugeben.[109]
Der kirchliche Kalender wurde einer sorgfältigen Revision unterworfen. Die großen Festtage wurden beibehalten. Aber es wurde nicht für
wünschenswerth erachtet, daß St. Valentin, St.
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Chad, St. Swithin, St. Eduard König der Westsachsen, St. Dunstan und St. Alphage die Ehren St. Johannes' und St. Paulus' theilten, oder daß es den Anschein bekäme, als
ob die Kirche die lächerliche Fabel von der Entdeckung des Kreuzes
Thatsachen von so hochwichtiger Bedeutung wie die Geburt, die
Leidensgeschichte, die Auferstehung und die Himmelfahrt des Herrn zur
Seite stellen wolle.[110]
Das Athanasische Glaubensbekenntniß machte viel zu schaffen. Die meisten
Mitglieder der Commission waren eben so wenig geneigt, die doctrinellen
Sätze aufzugeben, wie die damnatorischen Sätze beizubehalten. Burnet,
Fowler und Tillotson wünschten dieses berühmte Symbolum ganz aus der
Liturgie zu streichen. Burnet machte dafür ein Argument geltend, das ihm
wahrscheinlich selbst kein großes Gewicht zu haben schien, das aber
vortrefflich darauf berechnet war, seine Gegner, Beveridge und Scott, in
Verlegenheit zu setzen. Das Concil von Ephesus war von den
anglikanischen Geistlichen stets als eine Synode verehrt worden, welche
die Gesammtheit der Gläubigen wirklich repräsentirt hatte und von Gott
auf dem Wege der Wahrheit geleitet worden war. Die Stimme dieses Concils
war die Stimme der noch nicht durch Aberglauben verderbten oder durch
Spaltungen zerrissenen heiligen katholischen und apostolischen Kirche. Seit mehr als zwölf Jahrhunderten hatte die Welt keine kirchliche
Versammlung wieder gesehen, welche gleichen Anspruch auf die Achtung der
Gläubigen gehabt hätte. Das Concil von Ephesus hatte in den klarsten
Ausdrücken und unter Androhung der furchtbarsten Strafen den Christen
verboten, ihren Brüdern ein andres Glaubensbekenntniß aufzudringen als
das von den Nicäischen Vätern festgestellte. Man sollte daher denken,
daß, wenn das Concil von Ephesus wirklich unter der Leitung des heiligen
Geistes stand, jeder der sich des Athanasischen Glaubensbekenntnisses
bedient, in dem Augenblicke da er ein Anathema gegen seine Nebenmenschen
ausspricht, ein Anathema über sein eignes Haupt bringen müßte.[111]
Trotz der Autorität der ephesischen Väter beschloß die Majorität der
Commissionsmitglieder das Athanasische Glaubensbekenntniß im Gebetbuche
zu lassen, sie schlugen nur vor, eine von Stillingfleet entworfene
Rubrik beizufügen, welche erklärte, die damnatorischen Sätze seien so zu
verstehen, daß sie nur auf Diejenigen Anwendung fänden, welche das Wesen
des christlichen Glaubens hartnäckig leugneten. Orthodoxe Gläubige
durften daher hoffen, daß der Ketzer, der aufrichtig und demüthig nach
der Wahrheit gesucht, nicht zu ewiger Strafe verdammt werden würde, weil
es ihm nicht gelungen war, sie zu finden.[112]
Tenison wurde beauftragt, die Liturgie zu prüfen und alle diejenigen
Ausdrücke zu sammeln, gegen welche entweder von theologischen oder von
literarischen Kritikern Einwendungen gemacht worden waren.
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Einige
offenbare Mängel beschloß man zu beseitigen. Es wäre vernünftig gewesen,
wenn es die Commissionsmitglieder dabei hätten bewenden lassen;
unglücklicherweise aber beschlossen sie, einen großen Theil des
Gebetbuches umzuarbeiten. Dies war ein kühnes Unternehmen, denn im
allgemeinen ist der Styl des Buches so, daß er nicht verbessert werden
kann. Die englische Liturgie gewinnt in der That selbst bei einem
Vergleiche mit den schönen alten Liturgien, denen sie zum großen Theil
entlehnt ist. Die wesentlichen Eigenschaften der erbaulichen Eloquenz,
der Kürze, der majestätischen Einfachheit, der pathetischen Innigkeit
des Gebets, durch tiefe Ehrfurcht gemäßigt, sind den Uebersetzungen und
den Originalen gemeinschaftlich eigen. In den untergeordneten
Schönheiten der Diction aber stehen die Originale den Uebersetzungen
unleugbar nach. Der Grund davon liegt auf der Hand. Die technischen
Ausdrücke des Christenthums wurden erst ein Bestandtheil der
lateinischen Sprache, als diese Sprache das Alter der Reife
überschritten hatte und in Barbarismus versank. Aber die technischen
Ausdrücke des Christenthums fanden sich in dem angelsächsischen und
normännischen Französisch schon lange bevor die Verschmelzung dieser
beiden Dialecte einen dritten, beiden überlegenen Dialect erzeugt hatte. Das Latein, des römisch-katholischen Gottesdienstes ist daher Latein im
letzten Stadium des Verfalls, während das Englisch unsres Gottesdienstes
Englisch in der vollen Kraft und Eleganz der ersten Jugend ist. Den
großen lateinischen Schriftstellern Terenz und Lucrez, Cicero und Cäsar,
Tacitus und Quintilian würden die herrlichsten Compositionen Ambrosius'
und Gregor's nicht nur als schlecht geschrieben, sondern als sinnloses
Gewäsch erschienen sein.[113] Die Diction unsers allgemeinen Gebetbuches
hingegen hat direct oder indirect dazu beigetragen, die Sprache fast
jedes großen englischen Schriftstellers zu bilden und hat die
Bewunderung der gebildetsten Ungläubigen und der gebildetsten
Nonconformisten, die Bewunderung von Männern wie David Hume und Robert
Hall erweckt. Der Styl der Liturgie befriedigte jedoch die Doctoren des
Jerusalemzimmers nicht. Sie erklärten die Collecten für zu kurz und zu
trocken, und Patrick wurde beauftragt, sie zu erweitern und
auszuschmücken. In einer Hinsicht ließ sich gegen diese Wahl nichts
einwenden, denn wenn wir danach urtheilen, wie Patrick die erhabenste
hebräische Poesie paraphrasirte, werden wir wahrscheinlich zu der
Ueberzeugung gelangen, daß, mochte er sich nun dazu eignen, die
Collecten zu verbessern, oder nicht, wenigstens Niemand befähigter sein
konnte, sie zu erweitern.[114]
Die Convocation der Provinz Canterbury einberufen. Stimmung des Klerus. Es kam indeß wenig darauf an, ob die Empfehlungen der Commission gut
oder schlecht waren, denn verurtheilt waren sie alle, noch ehe man sie
kannte.
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Die Ausschreiben zur Einberufung der Convocation der Provinz
Canterbury waren erlassen und die Geistlichen waren allenthalben in
einem Zustande heftiger Aufregung. Sie hatten eben die Eide geleistet
und empfanden noch schmerzlich die harten Vorwürfe der Eidverweigerer,
die rücksichtslosen Schmähungen der Whigs und unzweifelhaft in vielen
Fällen auch die Mahnungen des Gewissens. Die Ankündigung, daß eine
Convocation zusammentreten solle, um einen Comprehensionsplan zu
berathen, erweckte die stärksten Leidenschaften des Priesters, der sich
so eben dem Gesetz gefügt hatte und der deshalb gar nicht oder nur halb
zufrieden mit sich war. Es bot sich ihm eine Gelegenheit, zur
Vereitelung eines Lieblingsplanes der Regierung beizutragen, welche bei
strenger Strafe eine Unterwerfung von ihm verlangt hatte, die sich mit
seinem Gewissen oder mit seinem Stolze schwer vereinigen ließ. Es bot
sich ihm eine Gelegenheit, seinen Eifer für die Kirche zu bethätigen,
deren characteristische Lehren er um materiellen Nutzens willen untreu
geworden zu sein beschuldigt war. Seiner Ansicht nach drohte ihr jetzt
eine eben so große Gefahr als die des vorhergehenden Jahres. Die
Latitudinarier von 1689 seien nicht minder eifrig bestrebt, sie zu
demüthigen und zu Grunde zu richten, wie die Jesuiten von 1688. Die
Toleranzacte habe für die Dissenters soviel gethan, als sich mit der
Würde und Sicherheit der Kirche vertrug, und es dürfe nichts weiter
zugestanden werden, nicht der Saum eines Gewandes, nicht eine Sylbe vom
Anfang bis zum Ende der Liturgie. Alle die Vorwürfe, welche der
kirchlichen Commission Jakob's gemacht worden waren, wurden auf die
kirchliche Commission Wilhelm's übertragen. Die beiden Commissionen
hatten zwar nichts als den Namen mit einander gemein; aber bei dem Namen
dachte Jedermann an Ungesetzlichkeit und Bedrückung, an Verletzung des
Hausrechts und Confiscation von Grundeigenthum, und die Böswilligen
riefen ihn daher unermüdlich und mit nicht geringem Erfolge in die Ohren
der Unwissenden. Die Geistlichkeit unzufrieden mit dem König. Auch dem König, sagte man, war nicht zu trauen. Er conformirte sich zwar
dem bestehenden Gottesdienste, aber es war bei ihm eine örtliche und
gelegentliche Conformität. Denn gegen einige Ceremonien, für welche die
Hochkirchlichen sehr eingenommen waren, empfand er einen Widerwillen,
den er gar nicht zu verhehlen suchte.
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Es war eine seiner ersten
Maßregeln gewesen, zu befehlen, daß der Gottesdienst in seiner
Privatkapelle gesprochen und nicht gesungen werden solle, und diese
Anordnung erregte viel Murren, obgleich die Rubrik sie guthieß.[115] Es
war bekannt, daß er so profan war, über einen durch hohe kirchliche
Autorität sanctionirten Gebrauch zu spötteln, über den Gebrauch des
Händeauflegens gegen die Skropheln. Diese Ceremonie hatte sich fast
unverändert seit dem grauesten Alterthum bis zu den Zeiten Newton's und
Locke's erhalten. Die Stuarts spendeten häufig die heilende Kraft im
Bankethause. Die Tage, an denen dieses Wunder verrichtet werden sollte,
wurden in Sitzungen des Geheimen Raths bestimmt, und dann in allen
Pfarrkirchen des Reichs von den Geistlichen feierlich verkündet.[116]
Wenn die bestimmte Zeit kam, standen mehrere Geistliche im vollen Ornate
um den Staatsbaldachin. Der königliche Leibarzt führte die Kranken
herein, und es wurde hierauf eine Stelle aus dem 16. Kapitel des
Evangeliums Marci vorgelesen. Nach den Worten: »Auf die Kranken werden
sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden,« wurde
innegehalten und einer der Kranken vor den König gebracht. Se. Majestät
berührte die Geschwüre und Beulen und hing ein weißes Band, an dem eine
Goldmünze befestigt war, um den Hals des Patienten. Die Uebrigen wurden
so alle nacheinander vorgeführt und wenn jeder berührt war, wiederholte
der Kaplan die Worte; »Auf die Kranken werden sie die Hände legen, so
wird's besser mit ihnen werden.« Dann kamen die Epistel, Gebete,
Wechselgesänge und ein Segen. Der Dienst findet sich noch in den
Gebetbüchern aus der Regierungszeit der Königin Anna. Erst einige Zeit
nach der Thronbesteigung Georg's I. hörte die Universität Oxford auf,
das feierliche Amt der Heilung mit der Liturgie zusammen drucken zu
lassen. Theologen von ausgezeichneter Gelehrsamkeit, Bildung und
Tugendhaftigkeit sanctionirten dieses Blendwerk durch ihre Autorität und
was noch auffälliger ist, hochberühmte Aerzte glaubten an die heilenden
Kräfte der königlichen Hand, oder stellten sich wenigstens als glaubten
sie daran. Wir dürfen wohl annehmen, daß jeder im Dienste Karl's II. stehende Arzt ein Mann von hoher Berufstüchtigkeit war, und mehr als
einer von den Aerzten Karl's II. hat uns das feierliche Bekenntniß
seines Glaubens an die Wunderkraft des Königs hinterlassen.
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Einer von
ihnen schämt sich nicht uns zu sagen, daß die Gabe durch die bei der
Krönung stattfindende Salbung mitgetheilt werde, daß die Heilungen so
zahlreich seien und zuweilen so rasch erfolgten, daß sie keiner
natürlichen Ursache zugeschrieben werden konnten, daß das Fehlschlagen
lediglich dem Mangel an Glauben auf Seiten des Kranken beigemessen
werden müsse; daß Karl einst einen skrophulösen Quäker berührt und ihn
in einem Augenblicke zu einem gesunden Menschen und wahren
Hochkirchenmann gemacht; daß, wenn die Geheilten das ihnen um den Hals
gehängte Goldstück verlören oder verkauften, die Geschwüre von neuem
aufbrächen und nur durch eine abermalige Berührung und durch einen
zweiten Talisman geheilt werden könnten. Wenn Männer der Wissenschaft
solchen Unsinn ernsthaft wiederholten, so dürfen wir uns nicht darüber
wundern, daß der große Haufe ihn glaubte. Noch weniger dürfen wir uns
wundern, daß Unglückliche, die von einer Krankheit gequält wurden, gegen
welche natürliche Heilmittel nichts vermochten, Geschichten von
übernatürlichen Kuren begierig verschlangen, denn nichts ist so
leichtgläubig als das Unglück. Die Volksmassen, die sich an den
Heilungstagen nach dem Palaste drängten, waren ungeheuer. Karl II. berührte im Laufe seiner Regierung nahe an hunderttausend Personen. Die
Zahl war größer oder geringer je nachdem die Popularität des Königs
stieg oder sank. Während der toryistischen Reaction, welche auf die
Auflösung des Oxforder Parlaments folgte, drängte sich das Volk
massenhaft in seine Nähe. Im Jahre 1682 verrichtete er die Ceremonie
achttausendfünfhundert Mal. Im Jahre 1684 war das Gedränge so arg, daß
sechs oder sieben Kranke todtgetreten wurden. Jakob berührte auf einer
seiner Reisen im Chore der Kathedrale von Chester achthundert Personen. Die Kosten der Ceremonie beliefen sich auf nicht viel weniger als
zehntausend Pfund jährlich und würden ohne die Wachsamkeit des
königlichen Leibarztes, der die Applikanten zu untersuchen und
Diejenigen, welche um der Heilung willen kamen, von Denen, welche des
Goldstücks wegen kamen, zu scheiden hatte, noch viel bedeutender gewesen
sein.[117]
Wilhelm war viel zu klug, als daß er hätte getäuscht werden können, und
viel zu rechtschaffen, um an einer Handlung Theil zu nehmen, von der er
wußte, daß es Betrug war. »Es ist ein kindischer Aberglaube,« rief er
aus, als er hörte, daß zu Ende der Fastenzeit sein Palast von einer
Menge Kranker belagert war; »man gebe den armen Leuten etwas Geld und
schicke sie fort.«[118] Einmal wurde er dringend gebeten, seine Hand auf
einen Patienten zu legen.
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»Gott schenke Euch bessere Gesundheit,« sagte
er, »und mehr Verstand.« Die Eltern skrophulöser Kinder schrien Zeter
über seine Grausamkeit; die Bigotten erhoben entsetzt über seine
Gottlosigkeit Hände und Augen zum Himmel; die Jakobiten lobten ihn
sarkastisch, daß er nicht so anmaßend sei, sich eine Kraft beizumessen,
die nur legitimen Souverainen zukomme, und selbst einige Whigs meinten,
es sei unklug von ihm, daß er einen im Volke tief eingewurzelten
Aberglauben mit so auffallender Geringschätzung behandle. Wilhelm aber
war nicht zu bewegen und wurde deshalb von vielen Hochkirchlichen als
entweder ein Ungläubiger oder ein Puritaner betrachtet.[119]
Der Klerus durch das Verhalten der schottischen Presbyterianer gegen die
Dissenters erbittert. Die Hauptursache jedoch, welche damals der Geistlichkeit selbst den
gemäßigtsten Comprehensionsplan verhaßt machte, ist noch nicht erwähnt
worden. Was Burnet vorhergesehen und vorhergesagt hatte, war
eingetroffen. Es herrschte in dem ganzen Priesterstande eine große
Geneigtheit, die Unbilden der schottischen Episkopalen die englischen
Presbyterianer entgelten zu lassen. Es ließ sich nicht leugnen, daß
selbst die Hochkirchlichen im Sommer des Jahres 1688 sich im allgemeinen
bereit erklärt hatten, Vieles im Interesse der Union aufzugeben. Allein
man sagte, und nicht ohne einen Anschein von Begründung, die Vorgänge
jenseit der Grenze bewiesen, daß eine Union unter billigen Bedingungen
unmöglich sei. Wie können, fragte man, Diejenigen, die uns keine
Concession machen wollen wo wir schwach sind, es uns verargen, daß wir
ihnen keine Concession machen wollen, wo wir stark sind? Wir können die
Grundsätze und Gesinnungen einer Secte nach den Erklärungen, die sie in
einem Augenblicke der Schwäche und der Leiden abgiebt, nicht richtig
beurtheilen. Wenn wir den puritanischen Geist in seiner wahren
Beschaffenheit kennen lernen wollen, müssen wir den Puritaner
beobachten, wenn er die Oberhand hat. Unter der vorigen Generation hatte
er hier die Oberhand, und sein kleiner Finger war stärker als die Lenden
der Prälaten. Er trieb Hunderte von friedlichen Studenten aus ihren
Collegien und Tausende von achtbaren Geistlichen aus ihren
Pfarrwohnungen, weil sie sich weigerten, seinen Covenant zu
unterschreiben. Weder Gelehrsamkeit, noch Genie, noch Frömmigkeit wurde
geschont. Männer wie Hall und Sanderson, Chillingworth und Hammond
wurden nicht allein ausgeplündert, sondern ins Gefängniß geworfen und
der ganzen Rohheit brutaler Kerkermeister preisgegeben. Es wurde für ein
Verbrechen erklärt, schöne Psalmen und Gebete zu lesen, welche Ambrosius
und Chrysostomus den Gläubigen hinterlassen hatten. Endlich ward die
Nation der Herrschaft der Frommen müde.
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Die gestürzte Dynastie und die
gestürzte Hierarchie wurden wieder eingesetzt, der Puritaner wurde
seinerseits Ausschließungen und Strafen unterworfen, und alsbald kam er
dahinter, daß es grausam sei, Jemanden zu bestrafen, weil er
Gewissensskrupel wegen eines Gewandes, wegen einer Ceremonie, wegen
geistlicher Amtsverrichtungen hegte. Seine jammervollen Klagen und seine
Argumente zu Gunsten der Toleranz hatten endlich auf viele Gutmüthige
Eindruck gemacht. Selbst eifrige Hochkirchliche hatten angefangen, sich
der Hoffnung hinzugeben, daß die harte Lehre, die er bekommen, ihn
aufrichtig, gemäßigt und nachsichtig gemacht habe. Wäre dem wirklich so
gewesen, so würde es allerdings unsre Pflicht sein, seine Bedenken mit
zarter Rücksicht zu behandeln. Aber während wir überlegten, was wir thun
könnten, um seinen Wünschen in England zu entsprechen, hatte er in
Schottland das Uebergewicht erlangt, und in einem Augenblicke war er
wieder ganz er selbst: bigott, insolent und grausam. Pfarrwohnungen
wurden geplündert, Kirchen geschlossen, Gebetbücher verbrannt, heilige
Gewänder zerrissen, andächtige Versammlungen auseinandergetrieben,
Priester gemißhandelt, mit Steinen geworfen, an den Schandpfahl gestellt
und mit Weib und Kind hinausgestoßen, um zu betteln oder zu verhungern. Daß diese Gewaltthätigkeiten nicht einigen wenigen ruchlosen
Herumtreibern, sondern der Gesammtheit der schottischen Presbyterianer
zur Last fielen, ging klar aus dem Umstande hervor, daß die Regierung es
weder gewagt hatte, die Uebelthäter zu bestrafen, noch den Betroffenen
Abhilfe zu verschaffen. Sei es da nicht gerathen, daß die englische
Kirche auf ihrer Hut sei? Könne man billigerweise von ihr verlangen, daß
sie ihre apostolische Verfassung und ihr schönes Ritual aufgebe, um
Diejenigen auszusöhnen, denen nichts als die Macht fehlte, um sie zu
mißhandeln, wie sie ihre Schwester gemißhandelt hatten? Diese Leute
hätten bereits eine Wohlthat erlangt, die sie nicht verdienten und die
sie niemals gewährt haben würden. Sie verehrten Gott in vollkommener
Sicherheit; ihre Bethäuser genössen eines eben so wirksamen Schutzes wie
die Chöre unserer Kathedralen. Während kein bischöflicher Geistlicher
ohne Lebensgefahr in Ayrshire oder Renfrewshire Gottesdienst halten
könne, predigten in Middlesex hundert presbyterianische Geistliche
ungestört jeden Sonntag. Die Legislatur habe mit einer vielleicht
unklugen Großmuth den intolerantesten Menschen Toleranz gewährt, und mit
der Toleranz zieme es ihnen sich zu begnügen. Einrichtung der Convocation. So vereinigten sich mehrere Ursachen, um die Parochialgeistlichen gegen
den Comprehensionsplan zu erbittern. Ihre Stimmung war von der Art, daß
der im Jerusalemzimmer entworfene Plan, wenn er ihnen unmittelbar
vorgelegt worden wäre, mit einer Majorität von Zwanzig gegen Eins
verworfen worden sein würde.
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In der Convocation aber stand ihr Gewicht
in keinem Verhältniß zu ihrer Zahl. Die Convocation ist zum Glück für
unser Vaterland seit langer Zeit so gänzlich ohne Bedeutung, daß sich
bis vor Kurzem nur wißbegierige Forscher um ihre Einrichtung gekümmert
haben, und doch glauben noch heutzutage sonst nicht ungebildete Leute,
sie sei ein die Kirche von England repräsentirendes Concil gewesen. Die
in unsrer Kirchengeschichte so häufig erwähnte Convocation ist jedoch
thatsächlich nichts weiter als die Synode der Provinz Canterbury und war
nie berechtigt, im Namen des gesammten Klerus zu sprechen. Die Provinz
York hatte ebenfalls ihre Convocation; aber tiefe Provinz war bis tief
ins 18. Jahrhundert im allgemeinen so arm, so uncultivirt und so dünn
bevölkert, daß sie hinsichtlich ihrer politischen Bedeutung kaum für ein
Zehntel des Reichs gerechnet werden konnte. Die Ansicht des südlichen
Klerus galt daher allgemein für die Ansicht des ganzen Standes. Wo die
formelle Beistimmung des nördlichen Klerus erforderlich war, wurde sie
als sich von selbst verstehend gegeben. Die von der Convocation von
Canterbury im Jahre 1604 erlassenen Kirchengesetze waren in der That
schon zwei Jahre bevor die Convocation von York die Formalität ihrer
Zustimmungsertheilung erfüllte, von Jakob I. bestätigt und ihre genaue
Beobachtung im ganzen Königreiche anbefohlen. Seitdem diese kirchlichen
Versammlungen bloße Namen geworden, hatte die Stellung der beiden
Erzbisthümer zu einander eine große Veränderung erfahren. In allen
Elementen der Macht repräsentirt die Gegend jenseit des Trent jetzt
mindestens ein Drittheil England's. Als in unsrer Zeit das
Representativsystem dem veränderten Zustande des Landes angepaßt wurde,
gehörten fast sämmtliche kleine Burgflecken, denen das Wahlrecht
entzogen werden mußte, dem Süden an. Zwei Drittel der neuen
Parlamentsmitglieder, welche den großen Provinzialstädten bewilligt
wurden, kamen auf den Norden. Wenn daher eine englische Regierung die
Convocationen in ihrer gegenwärtigen Einrichtung zur Erledigung von
Geschäften zusammentreten lassen wollte, so würden zwei von einander
unabhängige Synoden gleichzeitig für eine Kirche Gesetze geben, und es
ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die eine Versammlung
Kirchengesetze annähme, welche die andre verwerfen würde, und daß die
eine Versammlung Behauptungen als ketzerisch verdammen würde, welche die
andre für orthodox hielte.[120] Im 17. Jahrhundert war so etwas nicht zu
fürchten. Die Convocation von York wurde damals in der That so wenig
beachtet, daß die beiden Parlamentshäuser in ihrer Adresse an Wilhelm
nur von einer Convocation gesprochen hatten, die sie die Convocation der
Geistlichkeit des Königreichs nannten.
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Die Körperschaft, die sie eben nicht besonders richtig so bezeichneten,
zerfällt in zwei Häuser. Das Oberhaus besteht aus den Bischöfen der
Provinz Canterbury. Das Unterhaus bestand 1689 aus hundertvierundvierzig
Mitgliedern. Zweiundzwanzig Dechanten und vierundfunfzig Archidiakonen
saßen darin kraft ihrer Aemter; vierundzwanzig Geistliche saßen als
Vertreter von eben so vielen Kapiteln darin und nur vierundvierzig
Abgeordnete wurden von den achttausend Pfarrgeistlichen der
zweiundzwanzig Kirchspiele gewählt. Wahl der Convocationsmitglieder. Diese vierundvierzig Bevollmächtigten waren jedoch fast alle eines
Sinnes. Die Wahl derselben war in früheren Zeiten auf die ruhigste und
anständigste Weise vor sich gegangen. Bei dieser Gelegenheit aber fanden
starke Wahlumtriebe und heftige Wahlkämpfe statt; Rochester, das Haupt
der Partei, die sich im Hause der Lords der Comprehensionsbill
widersetzt hatte, und sein Bruder Clarendon, der sich geweigert hatte,
die Eide zu leisten, waren nach Oxford, dem Hauptquartier dieser Partei,
gegangen, um die Opposition zu animiren und zu organisiren.[121] Die
Vertreter der Parochialgeistlichen müssen Männer gewesen sein, deren
Hauptauszeichnung ihr Eifer war, denn in der ganzen Liste findet sich
nicht ein einziger berühmter Name und nur sehr wenige, die jetzt noch
dem eifrigen Geschichtsforscher bekannt sind.[122] Die officiellen
Mitglieder des Unterhauses, unter denen sich viele ausgezeichnete
Gelehrte und Kanzelredner befanden, scheinen nicht sehr ungleich
getheilt gewesen zu sein. Verleihung geistlicher Aemter. Während des Sommers 1689 kamen mehrere hohe kirchliche Aemter zur
Erledigung und wurden Geistlichen verliehen, welche im Jerusalemzimmer
saßen. Es ist bereits erwähnt worden, daß Thomas, Bischof von Worcester,
gerade vor dem zur Eidesleistung bestimmten Tage starb. Lake, Bischof
von Chichester, lebte eben noch lange genug, um sie zu verweigern, und
er erklärte mit seinem letzten Athemzuge, daß er selbst auf dem
Scheiterhaufen die Lehre von dem unveräußerlichen Erbrechte nicht
verleugnen würde. Der Bischofsstuhl von Chichester wurde mit Patrick,
der von Worcester mit Stillingfleet besetzt, und die Dechanei von St. Paul, welche Stillingfleet verließ, bekam Tillotson. Daß Tillotson nicht
auf die bischöfliche Bank erhoben wurde, erregte einige Verwunderung. Aber gerade deshalb, weil die Regierung seine Dienste besonders hoch
schätzte, ließ man ihn noch einige Zeit einfacher Pfarrgeistlicher
bleiben. Das wichtigste Amt in der Convocation war das des Wortführers
des Unterhauses. Den Wortführer hatten die Mitglieder zu wählen, und der
einzige gemäßigte Mann, der Aussicht hatte gewählt zu werden, war
Tillotson. Es war factisch bereits festgesetzt, daß er der nächste
Erzbischof von Canterbury werden sollte.
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Als er für seine neue Dechanei
zum Handkuß ging, dankte er dem Könige herzlich und sagte: »Eure
Majestät hat mich für den Rest meiner Tage zur Ruhe gesetzt.« -- »Nicht
doch, Herr Doctor, ich versichere es Ihnen,« entgegnete Wilhelm, worauf
er ihm sehr deutlich zu verstehen gab, daß, wenn Sancroft einmal
aufhören werde, das höchste kirchliche Amt zu verwalten, Tillotson sein
Nachfolger sein sollte. Tillotson war ganz bestürzt, denn sein Character
war sanft und frei von Ehrgeiz, er begann die Schwächen des
Greisenalters zu empfinden, fragte wenig nach Geld und Gut, und
diejenigen weltlichen Vortheile, auf die er den meisten Werth legte,
waren ein guter Ruf und die allgemeine Zuneigung seiner Nebenmenschen. Diese Vortheile besaß er schon, und er konnte sich nicht verhehlen, daß
er als Primas den unversöhnlichen Haß einer mächtigen Partei auf sich
ziehen und eine Zielscheibe für die Verleumdung werden würde, vor der
sein mildes und gefühlvolles Naturell zurückschauderte, wie vor der
Folter oder dem Rade. Wilhelm sprach ernst und entschieden. »Es ist
nothwendig im Interesse meiner Pläne,« sagte er, »und Sie würden es bei
Ihrem Gewissen nicht verantworten können, wenn Sie mir Ihren Beistand
verweigerten.« Hiermit endigte die Unterredung. Es war auch in der That
nicht nöthig, daß die Sache auf der Stelle entschieden wurde, denn es
sollten noch mehrere Monate verstreichen, ehe das Erzbisthum zur
Erledigung kam. Tillotson klagte seine Noth mit ungeheuchelter Sorge und Betrübniß Lady
Russell, der er unter allen menschlichen Wesen die höchste Achtung und
das meiste Vertrauen schenkte.[123] Er scheue zwar keinen Dienst der
Kirche, sagte er, aber er sei überzeugt, daß er in seiner gegenwärtigen
Stellung am meisten nützen könne. Wenn er gezwungen werden sollte, einen
so hohen und verhaßten Posten wie das Primat anzunehmen, würde er der
für seine Kräfte so schweren Last der Pflichten und Sorgen bald
erliegen. Es würde ihm an Muth dazu und mithin auch an der nöthigen
Befähigung fehlen. Er beschwerte sich dann mild über Burnet, der ihn mit
einer wahrhaft hochherzigen Innigkeit liebte und verehrte und der sich
bemüht hatte, den König und die Königin zu überzeugen, daß es in ganz
England nur einen einzigen Mann gebe, der sich für die höchste
kirchliche Würde eigne. »Der Bischof von Salisbury,« sagte Tillotson,
»ist einer meiner besten und zugleich schlimmsten Freunde.«
Compton ist unzufrieden. Was Burnet kein Geheimniß war, konnte Niemandem lange ein Geheimniß
bleiben.
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Man begann sich sehr bald zuzuflüstern, daß der König Tillotson
zum Nachfolger Sancroft's bestimmt habe. Die Nachricht verdroß Compton
heftig, denn er hatte nicht ohne Grund geglaubt, daß er in seinen
Ansprüchen keinen Rivalen habe. Er hatte die Königin und ihre Schwester
erzogen, und der Erziehung, die sie von ihm empfangen, dürfte sicherlich
wenigstens zum Theil die Festigkeit zugeschrieben, werden, mit der sie
trotz des Einflusses ihres Vaters der Landesreligion treu geblieben
waren. Compton war außerdem der einzige Prälat, der unter der vorigen
Regierung im Parlament seine Stimme gegen das Dispensationsrecht
erhoben, der einzige Prälat, der von der Hohen Commission suspendirt
worden war, der einzige Prälat, der die Einladung an den Prinzen von
Oranien unterzeichnet, der einzige Prälat, der wirklich die Waffen gegen
Papismus und Willkürgewalt ergriffen, der einzige Prälat, der mit noch
einem andren gegen eine Regentschaft gestimmt hatte. Unter den
Geistlichen der Provinz Canterbury, welche die Eide geleistet hatten,
war er dem Range nach der Erste. Er hatte daher einige Monate lang als
Stellvertreter des Primas fungirt; er hatte die neuen Souveraine
gekrönt, er hatte die neuen Bischöfe geweiht, und er stand auf dem
Punkte, der Convocation zu präsidiren. Dazu kam noch, daß er der Sohn
eines Earls war und daß kein Mann von gleich vornehmer Geburt damals auf
der Bank der Bischöfe saß, noch jemals seit der Reformation auf
derselben gesessen hatte. Daß die Regierung einen Priester seiner
eigenen Diöcese über ihn stellen wollte, der der Sohn eines Tuchmachers
aus Yorkshire war und der sich durch nichts als durch Talente und
Tugenden auszeichnete, war kränkend, und Compton, obgleich er durchaus
kein schlechtes Herz hatte, fühlte sich tief gekränkt. Vielleicht wurde
sein Verdruß durch den Gedanken noch vermehrt, daß er im Interesse
Derer, die ihn so zurücksetzten, Manches gethan, was sein Gewissen
gedrückt und seinen Ruf befleckt hatte, daß er einmal die Winkelzüge
eines Diplomaten ausgeübt und ein andermal seinen Amtsbrüdern, durch
Tragen des Büffelwamses und der Reiterstiefeln Aergerniß gegeben hatte. Maßlosen Ehrgeizes konnte er Tillotson nicht beschuldigen. Aber obgleich
Tillotson selbst an dem Erzbisthum gar nichts gelegen war, bot er doch
seinen Einfluß nicht zu Gunsten Compton's auf, sondern empfahl dringend
Stillingfleet als das geeignetste Oberhaupt der englischen Kirche.
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Die
Folge davon war, daß am Vorabend des Zusammentritts der Convocation der
Bischof, der an der Spitze des Oberhauses stehen sollte, der persönliche
Feind des Pfarrgeistlichen wurde, den die Regierung an der Spitze des
Unterhauses zu sehen wünschte. Dieser Streit häufte neue Schwierigkeiten
auf Schwierigkeiten, welche keiner Vermehrung bedurften.[124]
Zusammentritt der Convocation. Erst am 20. November versammelte sich die Convocation zur Erledigung von
Geschäften. Das Versammlungslokal war gewöhnlich die Paulskirche
gewesen. Aber diese Kathedrale erhob sich nur langsam aus ihren
Trümmern, und wenn auch ihre Kuppel die hundert Kirchthürme der City
bereits hoch überragte, so waren doch die inneren Räume dem
Gottesdienste noch nicht geöffnet. Die Versammlung hielt daher ihre
Zusammenkünfte in Westminster.[125] In die schöne Kapelle Heinrich's
VII. war ein Tisch gestellt und Compton nahm den Präsidentenstuhl ein. Zu seiner Rechten und Linken saßen in prunkenden Gewändern von Scharlach
und Grauwerk diejenigen Suffragane von Canterbury, welche die Eide
geleistet hatten, und am unteren Ende der Tafel war die Schaar der
Pfarrgeistlichen versammelt. Beveridge hielt eine lateinische Rede, in
der er das bestehende System zwar warm lobte, sich aber doch einer
gemäßigten Reform zugethan erklärte. Die Kirchengesetze, sagte er, seien
zweierlei Art. Einige Gesetze seien fundamental und ewig, ihre Autorität
stamme von Gott, und keine religiöse Gemeinschaft könne sie umstoßen,
ohne aufzuhören, einen Theil der Universalkirche zu bilden. Andere
Gesetze seien örtlich und temporär. Diese seien von menschlicher
Weisheit gemacht, und menschliche Weisheit könne sie daher abändern. Allerdings dürften sie nicht ohne triftige Gründe abgeändert werden,
aber an solchen Gründen fehle es in diesem Augenblicke sicherlich nicht. Eine zerstreute Heerde in eine Hürde und unter einen Schäfer zu bringen,
Steine des Anstoßes vom Pfade des Schwachen zu entfernen, lange
entfremdete Herzen mit einander auszusöhnen, die geistliche Zucht in
ihrer ursprünglichen Kraft wiederherzustellen, der besten und reinsten
der christlichen Gesellschaften eine Basis zu geben, breit genug, um
allen Angriffen der Erde und der Hölle zu widerstehen: dies seien
Zwecke, die wohl einige Modifikationen, nicht der katholischen
Institutionen, aber nationaler oder provincialer Gebräuche
rechtfertigten.[126]
Die Hochkirchlichen im Unterhause der Convocation überwiegend. Nachdem das Unterhaus diese Rede angehört, schritt es zur Wahl eines
Sprechers. Sharp, der wahrscheinlich von den einer Comprehension
günstigen Mitgliedern als einer der Hochkirchlichsten unter ihnen
vorgeschoben worden war, schlug Tillotson vor. Jane, der sich geweigert
hatte, kraft der königlichen Vollmacht zu handeln, wurde von der andren
Seite vorgeschlagen.
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Nach einer lebhaften Discussion ward Jane mit
fünfundfünfzig gegen achtundzwanzig Stimmen gewählt.[127]
Der Wortführer wurde dem Bischof von London förmlich vorgestellt und
hielt nach altem Brauch eine lateinische Rede. In dieser Rede wurde die
anglikanische Kirche als die vollkommenste aller Institutionen gerühmt. Der Redner deutete sehr verständlich an, daß weder in ihrer Doctrin,
noch in ihrer Disciplin, noch in ihrem Ritual eine Abänderung nöthig
sei, und er schloß seinen Vortrag mit einem bedeutungsvollen Satze. Als
Compton einige Monate früher die etwas ungeistliche Rolle eines
Reiterobersten spielte, hatte er in die Fahnen seines Regiments die
wohlbekannten Worte sticken lassen: »^Nolumus leges Angliae mutari^«,
und mit diesen Worten schloß Jane seine Rede.[128]
Die Niederkirchlichen gaben indeß noch nicht alle Hoffnung auf. Sie
beschlossen wohlweislich, mit dem Vorschlage zu beginnen, daß Kapitel
aus den kanonischen Büchern an die Stelle der aus den Apokryphen
entnommenen zum Vorlesen beim Gottesdienste bestimmt werden sollten. Man
sollte meinen, daß dieser Vorschlag, selbst wenn es nicht einen einzigen
Dissenter im Königreiche gegeben hätte, wohl günstig hätte aufgenommen
werden müssen. Denn die Kirche hatte in ihrem sechsten Artikel erklärt,
daß die kanonischen Bücher berechtigt seien, heilige Schriften genannt
und als Richtschnur des Glaubens betrachtet zu werden, die
apokryphischen Bücher aber nicht. Die Hochkirchlichen aber waren
entschlossen, sich selbst dieser Reform zu widersetzen. Sie fragten in
Flugschriften, welche die Ladentische von Paternoster Row und Little
Britain bedeckten, warum die Landgemeinden des Genusses beraubt werden
sollten, von der Pechkugel, mit welcher Daniel den Drachen erblickte,
und von dem Fische zu hören, dessen Leber einen Geruch verbreitete, vor
welchem der Teufel von Ekbatana bis nach Egypten floh. Und gebe es nicht
Kapitel von der Weisheit des Sohnes Sirach's, welche viel interessanter
und erbaulicher seien als die Genealogien und Namensverzeichnisse,
welche einen großen Theil der Chroniken der jüdischen Könige und der
Erzählung Nehemia's füllten? Kein ernster Geistlicher würde jedoch in
der Kapelle Heinrich's VII. zu behaupten gewagt haben, daß es unmöglich
sei, in vielen hundert vom heiligen Geist eingegebenen Seiten funfzig
oder sechzig Kapitel zu finden, welche erbaulicher wären als irgend
etwas, was aus den Werken der angesehensten nicht inspirirten Moralisten
oder Historiker extrahirt werden könnte. Die Häupter der Majorität
beschlossen daher, einer Debatte auszuweichen, in der sie in eine
unangenehme Alternative hätten versetzt werden müssen.
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Ihr Plan war,
nicht die Vorschläge der Commissionsmitglieder zu verwerfen, sondern
einer Discussion über dieselben vorzubeugen, und zu dem Ende wurde ein
System der Taktik adoptirt, das sich als erfolgreich erwies. Das Gesetz, so wie es seit einer langen Reihe von Jahren interpretirt
worden war, verbot der Convocation, irgend welche kirchliche Verordnung
ohne vorherige Ermächtigung seitens der Krone auch nur in Berathung zu
nehmen. Diese Ermächtigung, mit dem großen Siegel versehen, brachte
Nottingham in aller Form in die Kapelle Heinrich's VII. Zu gleicher Zeit
überreichte er eine Botschaft vom Könige. Seine Majestät ermahnte die
Versammlung, ruhig und vorurtheilsfrei die Vorschläge der Commission zu
prüfen, und erklärte, daß er nur die Ehre und die Vortheile der
protestantischen Religion im allgemeinen und der englischen Kirche im
besonderen im Auge habe.[129]
Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Häusern der Convocation. Die Bischöfe einigten sich schnell über eine Dankadresse für die
königliche Botschaft und forderten das Unterhaus zum Beitritt auf. Jane
und seine Anhänger erhoben Einwendungen über Einwendungen dagegen. Zuerst beanspruchten Sie das Recht eine Separatadresse zu überreichen. Als sie gezwungen wurden, darauf zu verzichten, verweigerten sie ihre
Zustimmung zu irgend einem Ausdrucke, mit welchem gesagt werde, daß die
englische Kirche mit irgend einer andren protestantischen
Glaubensgesellschaft etwas gemein habe. Es wurden Amendements und
Beweisgründe hin und her geschickt, Conferenzen gehalten, bei denen
Burnet für die eine und Jane für die andre Seite die Hauptwortführer
waren, und endlich mit großer Mühe ein Uebereinkommen zu Stande
gebracht, dessen Resultat eine, im Vergleich zu der von den Bischöfen
entworfenen, kalte und unfreundliche Adresse war, welche dem Könige im
Bankethause überreicht wurde. Er verbiß seinen Unmuth, gab eine
freundliche Antwort und sprach die Hoffnung aus, die Versammlung werde
nun endlich zur Berathung der wichtigen Comprehensionsfrage
schreiten.[130]
Das Unterhaus der Convocation erweist sich als unlenksam. Damit waren jedoch die Führer des Unterhauses nicht einverstanden. Sobald sie sich wieder in der Kapelle Heinrich's VII. befanden,
veranlaßte einer von ihnen eine Debatte über die eidverweigernden
Bischöfe. Trotz des bedauerlichen Gewissensbedenkens, den diese Prälaten
hegten, seien sie doch gelehrte und heilige Männer, und ihr Rath könne
unter den gegenwärtigen Umständen der Kirche von größtem Nutzen sein. Das Oberhaus sei in Abwesenheit des Primas und vieler seiner
angesehensten Suffragane kaum ein Oberhaus. Könne nichts geschehen, um
diesen Uebelstand zu beseitigen?[131] Ein andres Mitglied beklagte sich
über einige unlängst erschienene Pamphlets, in denen nicht mit der
gebührenden Achtung von der Convocation gesprochen werde.
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Die
Versammlung fing Feuer. Sei es nicht empörend, daß dieses ketzerische
und schismatische Zeug in den Straßen öffentlich ausgeboten und in den
Läden von Westminsterhall, hundert Schritt von dem Stuhle des
Wortführers, verkauft werden dürfe? Das Werk der Verstümmelung der
Liturgie und der Verwandlung der Kathedralen in Conventikel könne gewiß
so lange aufgeschoben werden, bis die Synode Maßregeln zum Schutze ihrer
eignen Freiheit und Würde getroffen habe. Es wurde nun darüber
debattirt, wie das Drucken solcher anstößiger Bücher verhindert werden
könne. Einige waren für Klagerhebung, Andere für eine geistliche
Censur.[132] Unter solchen Berathungen verstrich Woche auf Woche. Nicht
ein einziger auf eine Comprehension bezüglicher Vorschlag war auch nur
discutirt worden. Weihnachten rückte heran, und zu dieser Zeit sollten
die Sitzungen unterbrochen werden. Die Bischöfe wünschten, daß während
der Ferien ein Ausschuß beisammen bleibe, um die Geschäfte
vorzubereiten. Das Unterhaus verweigerte seine Einwilligung.[133] Es war
jetzt augenscheinlich, daß dieses Haus sich fest vorgenommen hatte,
nicht einmal einen Theil des von den Königlichen Beauftragten
entworfenen Planes in Berathung zu nehmen. Die Abgeordneten der Diöcesen
waren in schlechterer Stimmung als bei ihrer ersten Ankunft in
Westminster. Viele von ihnen hatten wahrscheinlich noch niemals eine
Woche in der Hauptstadt zugebracht und hatten nicht geahnet, wie groß
der Unterschied zwischen einem Stadtgeistlichen und einem
Landgeistlichen war. Der Anblick des Luxus und der Bequemlichkeiten,
welche die beliebten Prediger der Hauptstadt, genossen, mußte in einem
Vikar aus Lincolnshire oder Caernarvonshire, der gewohnt war, so einfach
wie ein kleiner Farmer zu leben, nothwendig einige wehmüthige
Empfindungen erwecken. Gerade weil der Londoner Klerus durchgehends für
eine Comprehension war, wollten die Vertreter der Landgeistlichkeit
nichts davon wissen.[134] Die Prälaten als Gesammtheit wünschten
aufrichtig, daß den Nonconformisten ein Zugeständniß gemacht werden
möchte. Aber die Prälaten waren durchaus nicht im Stande, die aufsässige
Demokratie zu beugen. Ihre Zahl war gering, einige von ihnen waren dem
Parochialklerus im höchsten Grade zuwider, der Präsident hatte nicht die
volle Autorität eines Primas, und überdies war es ihm gar nicht unlieb,
die Männer, die ihn seiner Meinung nach übel behandelt hatten, in ihren
Plänen behindert und gekränkt zu sehen. Die Convocation prorogirt. Man mußte nachgeben. Die Convocation wurde auf sechs Wochen prorogirt. Nach Verlauf dieser sechs Wochen wurde sie aufs neue prorogirt und viele
Jahre vergingen, ehe sie ihre Thätigkeit wieder beginnen durfte.
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So endete, und zwar für immer, die Hoffnung, daß die englische Kirche
bewogen werden könnte, den Bedenken der Nonconformisten ein Zugeständniß
zu machen. Eine gelehrte und ehrenwerthe Minorität des Priesterstandes
gab diese Hoffnung mit tiefem Bedauern auf. Sehr bald jedoch fanden
selbst Burnet und Tillotson Grund zu glauben, daß ihre Niederlage
thatsächlich ein glückliches Entrinnen war und daß der Sieg ein Unglück
gewesen sein würde. Eine Reform, wie sie zu den Zeiten der Königin
Elisabeth die große Gesammtheit der englischen Protestanten vereinigt
haben würde, würde zu Wilhelm's Zeiten mehr Herzen einander entfremdet
als versöhnt haben. Das Schisma, welches die Eide herbeigeführt hatten,
war bis jetzt noch ohne Bedeutung. Neuerungen wie die von der
Königlichen Commission vorgeschlagenen würden ihm eine gefährliche
Wichtigkeit gegeben haben. Bis jetzt saß ein Laie, mochte er auch das
Verfahren der Convention für unverantwortlich halten und die
Tugendhaftigkeit des eidverweigernden Klerus preisen, nach wie vor unter
der gewohnten Kanzel und kniete an dem gewohnten Altare. Wenn aber in
diesem Augenblicke, während seine Gemüthsstimmung durch das seinen
Lieblingsgeistlichen zugefügte vermeintliche Unrecht gereizt und er
vielleicht in Zweifel war, ob er ihrem Beispiele folgen solle oder
nicht, seine Augen und Ohren durch Aenderungen in dem Gottesdienste, dem
er innig zugethan war, beleidigt worden, wenn die Compositionen der
Doctoren des Jerusalemszimmers an die Stelle der alten Collecten
getreten wären, wenn er Geistliche ohne Chorhemd Kelch und Hostienteller
sitzenden Communicanten hätte darreichen sehen, so würde das Band, das
ihn an die Landeskirche knüpfte, zerrissen sein. Er würde sich in eine
Versammlung von Eidverweigerern begeben haben, wo der Gottesdienst, den
er liebte, ohne Verstümmelungen abgehalten wurde, die neue Secte, welche
für jetzt noch fast ausschließlich aus Priestern bestand, würde bald
durch viele und zahlreiche Gemeinden verstärkt worden sein, und diese
Gemeinden würden eine verhältnißmäßig größere Menge Reicher, Vornehmer
und Gebildeter aufzuweisen gehabt haben, als irgend eine andre
Dissentergemeinde. Die so verstärkten episkopalen Schismatiker würden
dem neuen Könige und seinen Nachfolgern wahrscheinlich eben so furchtbar
gewesen sein, wie die puritanischen Schismatiker es jemals den Fürsten
des Hauses Stuart waren. Es ist eine unbestreitbare und höchst
lehrreiche Thatsache, daß wir die bürgerliche und religiöse Freiheit,
deren wir uns jetzt erfreuen, zum großen Theil der Beharrlichkeit
verdanken, mit der die hochkirchliche Partei in der Convocation von 1689
sich weigerte, irgend einen Comprehensionsplan auch nur in Berathung zu
nehmen.[135]
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[Fußnote 1: Siehe die Verhandlungen der Lords vom 5. Febr.
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1688/89 und
mehreren darauffolgenden Tagen; Braddon's Pamphlet betitelt: ^The Earl
of Essex's Memory and Honour Vindicated, 1690^, und die London Gazette
vom 31. Juli und 4. und 7. August 1690, worin Lady Essex und Burnet
öffentlich Braddon widersprachen.]
[Fußnote 2: Ob die Verurtheilung Lord Russel's, wenn sie nicht
umgestoßen worden wäre, für seinen Sohn ein Hinderniß gewesen sein
würde, ihm im Earlthum Bedford nachzufolgen, ist eine schwer zu
entscheidende Frage. Der alte Earl holte darüber die Gutachten der
größten Juristen der damaligen Zeit ein, die man noch in den Archiven zu
Woburn sehen kann. Bemerkenswerth ist, daß eines dieser Gutachten von
Pemberton herrührt, der bei dem Prozesse den Vorsitz geführt hatte. Dieser Umstand beweist, daß die Familie ihn keiner Ungerechtigkeit oder
Grausamkeit beschuldigte, und er hatte sich auch in der That so gut
benommen, wie irgend ein andrer Richter sich vor der Revolution in einem
ähnlichen Falle benommen hatte.]
[Fußnote 3: ^Grey's Debates, March 1688/89.^]
[Fußnote 4: Die Edicte, welche die Todesurtheile Russell's, Sidney's,
Cornish's und der Alice Lisle umstießen, waren Geheim-Edicte. In die
Gesetzsammlung sind daher nur die Titel derselben aufgenommen, die
Edicte selbst aber findet man in Howell's ^Collection of State Trials^.]
[Fußnote 5: ^Commons' Journals, June 24. 1689.^]
[Fußnote 6: Johnson erzählt diese Geschichte selbst in seinem
sonderbaren Pamphlet, betitelt: ^Notes upon the Phoenix Edition of the
Pastoral Letter, 1694^.]
[Fußnote 7: Einige Nota des Ehrwürdigen Samuel Johnson, der Folioausgabe
seiner 1710 erschienenen Werke vorangestellt.]
[Fußnote 8: ^Lords' Journals, May 15. 1689.^]
[Fußnote 9: ^North's Examen, 224.^ North's Zeugniß wird durch mehrere
zeitgenössische Pasquille in Prosa und in Versen bestätigt. Siehe auch
das [Griechisch: eikôn brotoloigou], 1697.]
[Fußnote 10: Halifax-Manuscript im Britischen Museum.]
[Fußnote 11: Dedicationsepistel zu Oates' [Griechisch: eikôn basilikê].]
[Fußnote 12: In einer Ballade aus der damaligen Zeit kommen folgende
Zeilen vor:
»Kommt her, Ihr Whigs, und leiht mir Eure Ohren,
Habt Ihr nicht, wie der Doctor, sie verloren.«
Diese Zeilen müssen Mason vorgeschwebt haben, als er das Couplet
schrieb:
»Merkt auf Ihr Hills, Ihr Johnsons, Scots, Shebbeares,
Hört meinen Ruf, denn mancher unter Euch hat Ohren.«]
[Fußnote 13: ^North's Examen, 224, 234.^ North spricht von sechshundert
Pfund. Aber ich habe nach der unverschämten Petition, welche Oates
unterm 25. Juli 1689 an die Gemeinen richtete, die größere Summe
angenommen. Siehe die Verhandlungen.]
[Fußnote 14: Van Citters bedient sich dieses Spottnamens ganz ernsthaft
in seinen Depeschen an die Generalstaaten.]
[Fußnote 15: ^Lords' Journals, May 30.
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1689.^]
[Fußnote 16: ^Lords' Journals, May 31. 1689; Commons' Journals, Aug. 2.;
North's Examen, 224; Narcissus Luttrell's Diary.^]
[Fußnote 17: Sir Robert war der ursprüngliche Held der »Rehearsal« und
wurde Bilboa genannt. In die umgearbeitete »Dunciade« setzte Pope die
Zeilen:
»Und hochgeborner Howard, majestät'scher Sire. Ergänzt den Chorus mit den Narr'n von Stande.«
Pope's hochgeborner Howard war Eduard Howard, der Autor der ^British
Princes^.]
[Fußnote 18: ^Key to the Rehearsal; Shadwell's Sullen Lovers; Pepys May
5., 8. 1668; Evelyn, Februar 16. 1684/85.^]
[Fußnote 19: ^Grey's Debates und Commons' Journals, June 4., 11. 1689.^]
[Fußnote 20: ^Lords' Journals, June 6. 1689.^]
[Fußnote 21: ^Commons' Journals, August 2. 1689^; die außerordentlichen
holländischen Gesandten an die Generalstaaten vom 30. Juli (9. August).]
[Fußnote 22: ^Lords' Journals, July 30. 1689; Narcissus Luttrell's
Diary; Clarendon's Diary, July 31. 1689.^]
[Fußnote 23: ^Commons' Journals, July 31., August 13. 1689.^]
[Fußnote 24: ^Commons' Journals, August 20.^]
[Fußnote 25: Oldmixon klagt die Jakobiten, Burnet die Republikaner an. Obwohl Burnet regen Antheil an der Discussion dieser Frage nahm, so ist
doch sein Bericht über die dabei stattgehabten Vorgänge sehr ungenau. Er
sagt, die Klausel sei von den Gemeinen lebhaft debattirt worden und
Hampden habe nachdrücklich für dieselbe gesprochen. Wir erfahren aber
aus den Protokollen (19. Juni 1689), daß sie ^nemine contradicente^
verworfen wurde. Die holländischen Gesandten bezeichnen sie als »^een
propositie 'twelck geen ingressie schynt te sullen vinden.^«]
[Fußnote 26: ^London Gazette, August 1. 1689; Narcissus Luttrell's
Diary.^]
[Fußnote 27: Die Geschichte dieser Bill findet man in den Protokollen
der beiden Häuser und in Grey's ^Debates^.]
[Fußnote 28: Siehe ^Grey's Debates^ und die ^Commons' Journals^ vom März
bis Juli. Die zwölf Kategorien findet man in den Protokollen vom 23. und
29. Mai und vom 8. Juni.]
[Fußnote 29: Halifax-Manuscript im Britischen Museum.]
[Fußnote 30: ^The Life and Death of George Lord Jeffreys^; Finch's Rede
in Grey's ^Debates^, 1.
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März 1688/89.]
[Fußnote 31: Siehe unter vielen anderen Schriften ^Jeffreys's Elegy;
Letter to the Lord Chancellor exposing to him the sentiments of the
people; Elegy of Dangerfield; Dangerfield's Ghost to Jeffreys; Humble
Petition of Widows and fatherless Children in the West; The Lord
Chancellors Discovery and Confession made in the time of his sickness in
the Tower; Hickeringill's Ceremonymonger;^ ein Flugblatt betitelt: »^O
rare show! O rare sight! O strange monster! The like not in Europe! To
be seen near Tower Hill, a few doors beyond the Lion's den.^«]
[Fußnote 32: ^Life and Death of George Lord Jeffreys.^]
[Fußnote 33: Tutchin erzählt dies selbst in den ^Bloody Assizes^.]
[Fußnote 34: Siehe die Biographie des Erzbischofs Sharp von seinem
Sohne. Was zwischen Scott und Jeffreys vorging, erzählte Ersterer Sir
Joseph Jockyl. Siehe auch Tindal's Geschichte und Echard III. 932. Echard's Berichterstatter, der nicht genannt ist, der aber gute
Gelegenheit gehabt zu haben scheint, die Wahrheit zu erfahren, sagte,
Jeffreys sei nicht, wie man allgemein glaube, an den Folgen der
Trunksucht, sondern am Stein gestorben. Diese Meinungsverschiedenheit
ist von geringer Bedeutung. Soviel ist gewiß, daß Jeffreys sehr unmäßig
war, und seine Krankheit war eine von denjenigen, welche durch
Unmäßigkeit notorisch verschlimmert werden.]
[Fußnote 35: Siehe ^A Full and True Account of the Death of George Lord
Jeffreys, licensed on the day of his death^. Der erbärmliche Le Noble
wurde nicht müde zu wiederholen, Jeffreys sei durch den Usurpator
vergiftet worden. Ich will eine kurze Stelle als Probe von den
Verleumdungen anführen, deren Gegenstand König Wilhelm war. »^Il
envoya,^« sagt Pasquin, »^ce fin ragoût de champignons au Chancelier
Jeffreys, prisonnier dans la Tour, qui les trouva du même goust et du
même assaisonnement que furent les derniers dont Agrippine regala le
bonhomme Claudius, son époux, et que Néron appella depuis la viande des
Dieux.^« Marforio fragt: »^Le Chancelier est donc mort dans la Tour?^«
Pasquin antwortet: »^Il estoit trop fidèle à son Roi légitime et trop
habile dans les loix du royaume, pour échapper à l'Usurpateur qu'il ne
vouloit point reconnoistre. Guillemot prit soin de faire publier que ce
malheureux prisonnier estoit attaqué d'une fièvre maligne: mais, à
parler franchement, il vivroit peutestre encore, s'il n'avoit rien mangé
que de la main de ses anciens cuisiniers.^« -- ^Le Festin de Guillemot,
1689.^ Dangeau (7. Mai) erwähnt eines Gerüchts, daß Jeffreys sich selbst
vergiftet habe.]
[Fußnote 36: ^Grey's Debates, June 12.
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1689.^]
[Fußnote 37: Siehe ^Commons' Journals^ und ^Grey's Debates, June 1., 3.,
4. 1689; Life of William 1704.^]
[Fußnote 38: ^Burnet MS. Harl. 6584^; Avaux an de Croissy, 16. (26.)
Juni 1689.]
[Fußnote 39: Bezüglich der Protokolle des Geheimen Raths siehe die
^Commons' Journals^ vom 22. und 28. Juni und vom 3., 5., 13. und 16. Juli.]
[Fußnote 40: Der Brief von Halifax an Lady Russell ist vom 23. Juli
1689, etwa vierzehn Tage nach dem Angriffe auf ihn bei den Lords und
etwa acht Tage vor dem Angriffe bei den Gemeinen, datirt.]
[Fußnote 41: Siehe die ^Lords' Journals^ vom 10. Juli 1689 und einen
Brief aus London vom 11. (21.) Juli, den Croissy an Avaux sendete. Don
Pedro de Ronquillo erwähnt des Angriffs der whiggistischen Lords auf
Halifax in einer Depesche, deren Datum ich nicht angeben kann.]
[Fußnote 42: Dies geschah Sonnabend den 3. August. Da die Abstimmung im
Comité stattfand, sind die Zahlen nicht in die Protokolle aufgenommen. Clarendon sagt in seinem Tagebuche, die Majorität habe elf Stimmen
betragen. Aber Narcissus Luttrell, Oldmixon und Tindal geben sie
übereinstimmend auf vierzehn an. Der größte Theil des Wenigen was ich
über diese Debatte gefunden habe, ist in einer Depesche von Don Pedro de
Ronquillo enthalten. »^Se resolvio,^« sagt er, »^que el sabado, en
comity de toda la casa, se tratasse del estado de la nation para
representarle al Rey. Emperose por acusar al Marques de Olifax; y
reconociendo sus emulos que no tenian partido bastante, quisieron
remitir para otro dia esta motion: pero el Conde de Elan, primogenito
del Marques de Olifax, miembro de la casa, les dijo que su padre no era
hombre para andar peloteando con el, y que se tubiesse culpa lo acabasen
de castigar, que el no havia menester estar en la corte para portarse
conforme á su estado, pues Dios le havia dado abundamente para poderlo
hazer; con que por pluralidad de voces vencio su partido.^« Ich
vermuthe, daß Lord Eland auf die Armuth einiger von den Feinden seines
Vaters und auf die Habgier anderer anspielen wollte.]
[Fußnote 43: Diese Veränderung in der Stimmung, welche unmittelbar auf
die Debatte über den Antrag auf Halifax' Entlassung folgte, wird von
Ronquillo erwähnt.]
[Fußnote 44: Ueber Ruvigny siehe Sir Simon's Memoiren vom Jahre 1697 und
Burnet I. 366.
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Einige interessante Angaben über Ruvigny und über die
hugenottischen Regimenter findet man auch in einer Erzählung aus der
Feder eines französischen Refugiés Namens Dumont. Diese Erzählung, ein
Manuscript, das ich bei Gelegenheit als das Dumont-Manuscript citiren
werde, wurde mir vom Dechanten von Ossory freundlichst geliehen.]
[Fußnote 45: Siehe das ^Abrègé de la Vie de Fréderic Duc de Schomberg^,
von Lunancy, 1690, die Memoiren des Grafen Dohna und die Anmerkung St. Simon's zu Dangeau's Journal, 30. Juli 1690.]
[Fußnote 46: Siehe die Protokolle der Gemeinen vom 16. Juli 1689 und vom
1. Juli 1814.]
[Fußnote 47: Protokolle der Lords, und der Gemeinen vom 20. August 1689;
London Gazette vom 22. August.]
[Fußnote 48: »^J'estois d'avis qu', après que la descente seroit faite,
si on apprenoit que des Protestans se fussent soulevez en quelques
endroits du royaume, on fit main basse sur tous généralement.^« --
Avaux, 31. Juli (10. Aug.) 1689.]
[Fußnote 49: »^Le Roy d'Angleterre m'avoit écouté assez paisiblement la
première fois que je luy avois proposé ce qu'il avoit à faire contre les
Protestans.^« -- Avaux, 4. (14.) Aug.]
[Fußnote 50: Avaux, 4. (14.) Aug. Er schreibt: »^Je m'imnagine qu'il est
persuadé que, quoiqu'il ne donne point d'ordre sur cela, la plupart des
Catholiques de la campagne se jetteront sur les Protestans.^«]
[Fußnote 51: Ludwig tadelte unterm 22. Aug. (6. Sept.) Avaux, obwohl
viel zu mild, wegen seines Vorschlags, die ganze protestantische
Bevölkerung von Leinster, Connaught und Munster niederzumetzeln. »^Je
n'approuve pas cependant la proposition que vous faites de faire main
basse sur tous les Protestans du royaume, du moment qu', en quelque
endroit que ce soit, ils se seront soulevez: et, outre que la punition
d'une infinité d'innocens pour peu de coupables ne seroit pas juste,
d'ailleurs les represailles contre les Catholiques seroient d'autant
plus dangereuses, que les premiers se trouveront mieux armez et soutenus
de toutes les forces d'Angleterre.^«.]
[Fußnote 52: Ronquillo drückt unterm 9. (19.) Aug., wo er von der
Belagerung von Londonderry spricht, sein Erstaunen aus, »^que una plaza
sin fortificazion y sin gentes de guerra aya hecho una defensa tan
gloriosa, y que los sitiadores al contrario ayan sido tan poltrones.^«]
[Fußnote 53: Diese Angaben über die irische Armee sind aus zahlreichen
Briefen von Avaux an Ludwig und an dessen Minister zusammengestellt. Ich
will einige der interessantesten Stellen anführen. »^Les plus beaux
hommes,^« sagt Avaux von den Irländern, »^qu'on peut voir.
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Il n'y en a
presque point au dessous de cinq pieds cinq à six pouces.^« Der
französische Fuß ist bekanntlich länger als der unsrige. »^Ils sont très
bien faits: mais ils ne sont ny disciplinez ny armez, et de surplus sont
de grands voleurs.« -- »La plupart de ces régimens sont levez par des
gentilhommes qui n'ont jamais esté à l'armée. Ce sont des tailleurs, des
bouchers, des cordonniers, qui ont formé les compagnies et qui en sont
les Capitaines.« -- »Jamais troupes n'ont marché comme font celles-cy. Ils vont comme des bandits, et pillent tout ce qu'ils trouvent en
chemin.« -- »Quoiqu'il soit vrai que les soldats paroissent fort résolus
à bien faire, et qu'ils soient fort animez contre les rebelles,
néantmoins il ne suffit pas de cela pour combattre ... Les officiers
subalternes sont mauvais, et, à la reserve d'un très petit nombre, il
n'y en a point qui ayt soin des soldats, des armes, et de la
discipline.« -- »On a beaucoup plus de confiance en la cavalerie, dont
la plus grande partie est assez bonne.^« -- Einige Reiterregimenter lobt
Avaux ganz besonders. Von zweien derselben sagt er: »^On ne peut voir de
meilleur régiment.^« Die Richtigkeit des Urtheils, das er sich über die
Infanterie wie über die Cavallerie gebildet, zeigte sich nach seiner
Abreise deutlich am Boyne.]
[Fußnote 54: Ich will ein Paar Stellen aus den damals von Avaux
geschriebenen Depeschen anführen. Unterm 7. (17.) September schreibt er:
»^De quelque costé qu'on se tournât, on ne pouvoit rien prevoir que de
désagréable. Mais dans cette extrémité chacun s'est évertué. Les
officiers ont fait leur recrues avec beaucoup de diligence.^« Drei Tage
später sagt er: »^Il y a quinze jours que nous n'espérions guère de
pouvoir mettre les choses en si bon estat: mais my Lord Tyrconnel et
tous les Irlandais ont travaillé avec tant d'empressement qu'on s'est
mis en estat de deffense.^«]
[Fußnote 55: Avaux, 20. (30. Aug.), 25. Aug. (4. Sept.), 26. Aug. (5. Sept.); ^Life of James II. 373^; Melfort's Selbstvertheidigung unter den
^Nairne Papers^. Avaux sagt: »^Il pourra partir ce soir à la nuit: car
je vois biens qu'il apprehende qu'il ne sera pas sur pour luy de partir
en plein jour.^«]
[Fußnote 56: ^Story's Impartial History of the Wars of Ireland, 1693;
Life of James, II. 374.^; Avaux, 7. (17.) Sept.
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Ein französischer Offizier sagt in
einem bald nach Schomberg's Landung an Avaux geschriebenen Briefe: »^Les
Huguenots font plus de mal que les Anglois, et tuent force Catholiques
pour avoir fait résistance.^«]
[Fußnote 63: Story; Erzählung, welche Avaux unterm 26. Nov. (6. Dec.)
1689 Seignelay übersandte; London Gazette vom 14. Oct. 1689. Merkwürdig
ist es, daß, obgleich Dumont sich im Lager bei Dundalk befand, in seinem
Manuscripte von der Verschwörung unter den Franzosen nichts erwähnt
ist.]
[Fußnote 64: ^Story's Impartial History^; Dumont-Manuscript. Die
Gottlosigkeit und Unsittlichkeit, welche während der Krankheit im Lager
herrschten, werden in vielen damaligen Pamphlets in Versen wie in Prosa
erwähnt. Man sehe insbesondere eine Satyre betitelt: ^Reformation of
Manners^, Theil II.]
[Fußnote 65: ^Story's Impartial History.^]
[Fußnote 66: Avaux, 11. (21.) Oct., 14. (24.) Nov. 1689; ^Story's
Impartial History; Life of James, II. 382, 383. Orig. Mem.; Nihell's
Journal.^]
[Fußnote 67: ^Story's Impartial History^; Schomberg's Depeschen;
^Nihell's Journal^ und ^Life of James; Burnet II. 20.^; Dangeau's
Tagebuch während dieses Herbstes; die Erzählung, welche Avaux an
Seignelay einsandte, und das Dumont-Manuscript. Die Lügen der London
Gazette sind haarsträubend. Während des ganzen Herbstes sollen die
Truppen beständig in guter Verfassung gewesen sein. In dem albernen
Drama, betitelt: ^The Royal Voyage^, welches zur Belustigung des
Londoner Pöbels im Jahre 1689 aufgeführt wurde, werden die Irländer
dargestellt, wie sie einige von den kranken Engländern angreifen. Die
Engländer schlagen die Angreifenden in die Flucht und fallen dann todt
nieder.]
[Fußnote 68: Siehe seine Depeschen im Anhange zu Dalrymple's Memoiren.]
[Fußnote 69: London Gazette vom 20. Mai 1689.]
[Fußnote 70: Bleib' in der Stadt. -- D. Uebers.]
[Fußnote 71: ^Commons' Journals, Nov. 13. 23. 1689; Grey's Debates, Nov. 13. 14. 18. 23. 1689.^ Siehe unter vielen Schmähschriften die ^Parable
of the Bearbaiting; Reformation of Manners, a Satire; The Mock Mourners,
a Satire.^ Außerdem auch ^Pepys's Diary, Kept at Tangier, Oct. 15. 1683.^]
[Fußnote 72: Die beste Uebersicht über diese Verhandlungen findet man in
Wagenaar, 61. Er hat die Witsen'schen Papiere zur Hand gehabt und
denselben zahlreiche Citate entnommen. Witsen war es, der in heftiger
Bewegung unterschrieb, »^zo als,^« sagt er, »^myne beevende hand
getuigen kan.^« Die Verträge findet man in Dumont's ^Corps
Diplomatique^. Sie wurden im August 1689 unterzeichnet.]
[Fußnote 73: Der Vertrag zwischen dem Kaiser und den Generalstaaten ist
vom 12. Mai 1689 datirt.
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Er befindet sich in Dumont's ^Corps
Diplomatique^.]
[Fußnote 74: Siehe die Depesche Waldeck's in der London Gazette vom 26. Aug. 1689. ^Historical Records of the First Regiment of Foot;^ Dangeau,
28. Aug.; Monthly Mercury, September 1689.]
[Fußnote 75: Siehe den ^Dear Bargain^, ein im Jahr 1690 heimlich
gedrucktes jakobitisches Pamphlet. »Ich habe keine Geduld mehr,« sagt
der Verfasser, »nach diesem Schurken (Marlborough) noch einen andren zu
erwähnen. Alle sind im Vergleich zu ihm unschuldig, selbst Kirke.«]
[Fußnote 76: Siehe den Monthly Mercury vom September 1689 und von den
vier folgenden Monaten; auch Welwood's ^Mercurius Reformatus^ vom 18.,
25. Sept. und 8. Oct. 1689. Melfort's Instructionen und seine
Denkschriften für den Papst und den Cardinal von Este finden sich in den
^Nairne Papers^; einige Auszüge hat Macpherson abgedruckt.]
[Fußnote 77: Siehe die Antwort eines Eidverweigerers auf die
Aufforderung des Bischofs von Sarum im Anhange zu ^The Life of
Kettlewell^. Unter den Tanner'schen Manuscripten in der Bodlejanischen
Bibliothek befindet sich ein Aufsatz, den ich anzuführen wage, da
Sancroft ihn der Aufbewahrung werth gehalten hat. Der Verfasser, ein
entschiedener Eidverweigerer, sagt, nachdem er durch allerhand leere
Ausflüchte den von einem fügsameren Geistlichen aus der Praxis der
primitiven Kirche entlehnten Argumente auszuweichen versucht hat:
»Angenommen die ersten Christen hätten fortwährend, seit den Zeiten der
Apostel, ihre früheren Fürsten geleisteten Eide so wenig beachtet, als
er behauptet, wird er deshalb sagen wollen, daß ihre Verfahrungsweise
als Regel gelten müsse? Leute von übrigens sehr orthodoxen Grundsätzen
haben Böses gethan und allgemein dazu aufgemuntert.« Die aus der Praxis
der ersten Christen hergeleitete Beweisführung ist sehr gut
zusammengestellt in einer Schrift, betitelt: ^The Doctrine of
Non-resistance or Passive Obedience No Way concerned in the
Controversies now depending between die Williamites and the Jacobites,
by a Lay Gentleman of the Communion of the Church of England, as by Law
establish'd, 1689.^]
[Fußnote 78: Eine der unterwürfigsten Adressen, welche je eine
Convocation votirt hat, war eine an Richard III. gerichtete. Sie findet
sich in Wilkin's ^Concilia^. Dryden stellt in seinem schönen
^Rifacimento^, einer der schönsten Stellen seiner ^Canterbury Tales^,
den »guten Pfarrer« dar, wie er lieber seine Pfründe aufgiebt als den
Herzog von Lancaster als König von England anerkennt. Für diese
Darstellung findet sich weder in Chaucer's Gedicht noch anderswo ein
Rechtfertigungsgrund. Dryden wollte etwas schreiben, was die
Geistlichen, welche die Eide geleistet hatten, verdroß und deshalb
dichtete er einem katholischen Priester des 14.
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Jahrhunderts einen
Aberglauben an, der erst bei den anglikanischen Priestern des 17. Jahrhunderts entstanden ist.]
[Fußnote 79: Siehe die Vertheidigung des Bekenntnisses, welches der
Ehrwürdige Vater in Gott, Johann Lake, Lord Bischof von Chichester, in
Bezug auf den passiven Gehorsam und die neuen Eide auf seinem Sterbebett
abgab. 1690.]
[Fußnote 80: ^London Gazette, June 30. 1689. Narcissus Luttrell's
Diary.^ »Die ausgezeichnetsten Männer,« sagt Luttrell.]
[Fußnote 81: Siehe in Kettlewell's Leben, III. 72., den Widerruf, den er
für einen Geistlichen aufgesetzt hatte, welcher die Eide geleistet hatte
und es nachher bereuete.]
[Fußnote 82: Siehe den Bericht über Dr. Dove's Verhalten in Clarendon's
^Diary^, und den Bericht über Dr. Marsh's Verhalten in Kettlewell's
Leben.]
[Fußnote 83: ^The Anatomy of a Jacobite Tory, 1690.^]
[Fußnote 84: ^Dialogue between a Whig and a Tory.^]
[Fußnote 85: ^Narcissus Luttrell's Diary, Nov. 1691, Feb. 1692.^]
[Fußnote 86: ^Life of Kettlewell III. 4.^]
[Fußnote 87: Siehe Turner's Brief an Sancroft vom Himmelfahrtstage 1689. Das Original befindet sich unter den Tannerschen Manuscripten in der
Bodlejanischen Bibliothek. Der Brief ist jedoch nebst vielen andrem
interessanten Material in dem unlängst erschienenen ^Life of Ken, by a
Layman^, abgedruckt. Siehe auch ^The Life of Kettlewell, III. 95.^ und
Ken's Brief an Burnet vom 5. October 1689 in Hawkin's ^Life of Ken^. »Ich bin überzeugt,« schrieb Lady Russel an Dr. Fitzwilliam, »daß der
Bischof von Bath und Wells Andere dazu aufmunterte, sich zu fügen;
während er selbst es nicht über sich gewinnen konnte, freute er sich,
wenn Andere es thaten.« Ken erklärte, daß er Niemandem gerathen, die
Eide zu leisten, und Diejenigen, welche seinen Rath erbaten, auf ihre
eigenen Studien und Gebete verwiesen habe. Man wird finden, daß Lady
Russell's Behauptung und Ken's Verwahrung ziemlich auf Eins hinaus
laufen, wenn man diejenigen Rücksichten nimmt, welche selbst bei
Beurtheilung der Aussagen der wahrheitliebendsten Zeugen auf Stellung
und Gesinnung genommen werden müssen. Nachdem Ken sich endlich
entschlossen hatte, auf Seite der Eidverweigerer zu treten, versuchte er
es natürlich, seine Consequenz in so weit zu rechtfertigen, als er dies
ehrenhafterweise konnte, und Lady Russel, welche ihren Freund zur
Leistung der Eide bewegen wollte, legte natürlich auf seine Geneigtheit,
sich zu fügen, soviel Gewicht als sie dies ehrenhafterweise thun durfte. Sie ging indeß zu weit, indem sie das Wort »aufmunterte« ^(excited)^
brauchte.
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Auf der andren Seite ist es klar, daß Ken, indem er
Diejenigen, die ihn um Rath fragten, auf ihre eigenen Studien und Gebete
verwies, ihnen zu verstehen geben wollte, daß seiner Ansicht nach die
Eidesleistung Denen gestattet sei, die sie nach reiflicher Erwägung als
statthaft erkannten. Hatten ihn die Leute gefragt, ob es ihnen gestattet
sei, einen Meineid zu schwören oder Ehebruch zu begehen, so würde er
ihnen gewiß nicht geantwortet haben, daß sie die Sache reiflich erwägen
und die göttliche Entscheidung erflehen, sondern daß sie bei Gefahr
ihres Seelenheils davon abstehen sollten.]
[Fußnote 88: Siehe das Gespräch vom 9. Juni 1784 in Boswell's ^Life of
Johnson^, und die Anmerkung. Boswell ist mit seiner gewohnten
Verkehrtheit Überzeugt, daß Johnson nicht daran gedacht haben könne,
»daß die wegen ihres hochherzigen Widerstandes gegen Willkürgewalt mit
Recht so hoch gefeierten sieben Bischöfe, dennoch Eidverweigerer waren.«
Nur fünf von den Sieben waren Eidverweigerer, und jeder Andre als
Boswell würde gewußt haben, daß man sich der Willkürgewalt widersetzen
und dabei doch kein guter Logiker sein kann. Der Widerstand, den
Sancroft und die anderen nichtschwörenden Bischöfe der Willkürgewalt
entgegensetzten, während sie nach wie vor an der Lehre vom
Nichtwiderstande festhielten, ist gerade der entscheidendste Beweis, daß
sie unfähig waren, zu raisonniren. Man darf nicht vergessen, daß sie
bereit waren, die ganze königliche Macht Jakob zu entziehen und auf
Wilhelm mit dem Titel eines Regenten zu übertragen. Ihr Skrupel hatte
nur das Wort König zum Gegenstande. Ich bin erstaunt, daß Johnson Wilhelm Law für keinen Logiker erklärte. Law verfiel allerdings in große Irrthümer, aber es waren Irrthümer,
gegen welche die Logik keinen Schutz gewährt. In rein dialektischer
Gewandtheit übertrafen ihn sehr Wenige. Daß er mehr als einmal über
Hoadley den Sieg davon trug, wird kein aufrichtiger Whig leugnen. Doch
Law gehört nicht der Generation an, mit der ich es jetzt zu thun habe.]
[Fußnote 89: Ware's ^History of the Writers of Ireland^, fortgesetzt von
Harris.]
[Fußnote 90: ^Letter to a member of the Convention 1689.^]
[Fußnote 91: ^Johnson's Notes on the Phoenix Edition of Burnet's
Pastoral Letter, 1692.^]
[Fußnote 92: Das beste Urtheil über Hickes' Character kann man sich aus
seinen zahlreichen polemischen Schriften bilden, besonders aus seinem
^Jovian^, geschrieben 1684, seinem ^Thebaean Legion no Fable^,
geschrieben 1687, aber erst 1714 erschienen, und seinen Abhandlungen
über Dr. Burnet und Dr. Tillotson, 1695.
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Sein literarischer Ruhm gründet
sich auf Werke ganz andrer Art.]
[Fußnote 93: Collier's Abhandlungen über die Bühne sind im Ganzen
genommen seine besten Geistesproducte. Doch auch in seinen politischen
Flugschriften findet sich viel Treffendes. Seine »^Persuasive to
Consideration, tendered to the Royalists, particularly those of the
Church of England^« scheint mir eines der besten Erzeugnisse der
jakobitischen Presse.]
[Fußnote 94: Siehe Brokesby's ^Life of Dodwell^. Ich muß bemerken, daß
ich die Abhandlung gegen gemischte Ehen nur aus Brokesby's ausführlichem
Extract kenne. Diese Abhandlung ist sehr selten. Sie wurde ursprünglich
als Vorrede zu einer von Leslie gehaltenen Predigt gedruckt. Als Leslie
seine Werke sammelte, ließ er die Abhandlung weg, wahrscheinlich weil er
sich derselben schämte. Die Abhandlung über die Statthaftigkeit der
Instrumentalmusik habe ich gelesen, und sie ist unglaublich absurd.]
[Fußnote 95: Dodwell sagt uns, daß der Titel des Werkes, in welchem er
zuerst diese Theorie aufstellte, mit großer Sorgfalt und Präcision
abgefaßt worden sei. Ich will daher die Titelseite hier anführen: »^An
Epistolary Discourse proving from Scripture and the First Fathers, that
the Soul is naturally Mortal, but Immortalized actually by the Pleasure
of God to Punishment or to Reward, by its Union with the Divine
Baptismal Spirit wherein is proved that none have the Power of giving
this Divine Immortalizing Spirit since the Apostles but only the
Bishops. By H. Dodwell.^« Dr. Clarke sagt in einem Briefe an Dodwell
(1706) daß dieser ^Epistolary Discourse^ ein Buch sei, »das alle guten
Menschen betrübe und alle profanen Menschen erfreue.«]
[Fußnote 96: Siehe Leslie's ^Rehearsals, No. 286, 287.^]
[Fußnote 97: Siehe seine Werke und seine höchst interessante Biographie,
welche aus den Papieren seiner Freunde Hickes und Nelson
zusammengetragen worden ist.]
[Fußnote 98: Siehe Fitzwilliam's Korrespondenz mit Lady Russell und
seine Zeugenaussage in Ashton's Prozesse in den ^State Trials^. Das
einzige Werk, welches Fitzwilliam, soweit ich es habe entdecken können,
je veröffentlichte, war eine Predigt über das Ryehousecomplot, die er
einige Wochen nach Russell's Hinrichtung gehalten. Es kommen in dieser
Predigt einige Stellen vor, bei denen ich mich ein wenig wundern muß,
daß die Wittwe und die Familie Russell's sie verzeihen konnten.]
[Fußnote 99: Cyprian spricht in einer seiner Episteln folgendermaßen zu
den Bekennern: »^Quosdam audio inficere numerum vestrum, et laudem
praecipui nominis prava sua conversatione destruere ...
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Cum quanto
nominis vestri pudore delinquitur quando alius aliquis temulentus et
lasciviens demoratur; alius in eam patriam unde extorris est regreditur,
ut deprehensus non jam quasi Christianus, sed quasi nocens pereat.^« In
dem Buche: ^De Unitate Ecclesiae^ führt er eine noch stärkere Sprache:
»^Neque enim confessio immunem facit ab insidiis diaboli, aut contra
tentationes et pericula et incursus atque impetus saeculares adhuc in
saeculo positum perpetua securitate defendit; caeterum nunquam in
confessoribus fraudes et stupra et adulteria postmodum videremus, quae
nunc in quibusdam videntes ingemiscimus et dolemus.^«]
[Fußnote 100: Viele interessante Mittheilungen über die Eidverweigerer
findet man in den ^Biographical Memoirs^ des Buchdruckers Wilhelm
Bowyer, welche den ersten Band von Nichols' ^Literary Anecdotes of the
Eighteenth Century^ bilden. Eine Probe von Wagstaffe's Recepten befindet
sich in der Bodlejanischen Bibliothek.]
[Fußnote 101: Cibber's Stück, so wie er es schrieb, verlor seine
Popularität, als die Jakobiten aufhörten mächtig zu sein, und ist jetzt
nur nach den Forschern bekannt. Im Jahre 1768 arbeitete Bickerstaffe es
zu dem »Heuchler« um und setzte an die Stelle des Eidverweigerers Dr. Wolff den Methodisten Dr. Cantwell. »Ich halte den Character des
Heuchlers,« sagt Johnson, »nicht für ganz passend auf die Methodisten;
auf die Eidverweigerer aber paßte er sehr gut.« Boswell fragte ihn, ob
es wahr sei, daß die eidverweigernden Geistlichen mit den Frauen ihrer
Gönner intriguirten. »Ich fürchte sehr,« antwortete Johnson, »daß viele
von ihnen es getan haben.« Dieses Gespräch fand am 27. März 1775 statt. Aber nicht nur in gleichgültiger Unterhaltung sprach Johnson eine
ungünstige Meinung über die Eidverweigerer aus. In seiner Biographie
Fenton's, der ein Eidverweigerer war, kommen die bedeutsamen Worte vor:
»Ich muß daran erinnern, daß er seinen Namen unbefleckt erhielt und sich
niemals, wie nur zu Viele von der nämlichen Klasse, zu gemeinen Ränken
und ehrlosen Kunstgriffen erniedrigte.« Siehe ^The Character of a
Jacobite, 1690.^ Selbst in Kettlewell's Biographie, aus den Papieren
seiner Freunde Hickes und Nelson zusammengetragen, findet man
Einräumungen, welche beweisen, daß sehr bald nach dem Schisma einige der
eidverweigernden Geistlichen in Gewohnheiten des Müßigganges, der
Abhängigkeit und des Bettelns verfielen, welche den ganzen Stand in
Mißcredit brachten. »Mehrere Unwürdige, welche immer die
zuversichtlichsten sind, schadeten durch ihr Umhertreiben den wahrhaft
Würdigen, denen es die Bescheidenheit nicht zuließ für sich zu bitten
... Mr.
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Kettlewell empfand es ebenfalls schmerzlich, daß manche von
seinen Collegen viel zu viel Zeit an Vergnügungs- und Unterhaltungsorten
zubrachten, und sich wegen ihres Fortkommens auf Diejenigen verließen,
deren Bekanntschaft sie dort machten.«]
[Fußnote 102: ^Reresby's Memoirs 344.^]
[Fußnote 103: ^Birch's Life of Tillotson.^]
[Fußnote 104: Siehe den ^Discourse concerning the Ecclesiastical
Commission, 1689.^]
[Fußnote 105: ^Birch's Life of Tillotson; Life of Prideaux; Gentleman's
Magazine,^ Juni und Juli 1745.]
[Fußnote 106: ^Diary of the Proceedings of the Commissioners, taken by
Dr. Williams, afterwards Bishop of Chichester, one of the Commissioners,
every night after he went home from the several meetings.^ Dieses höchst
interessante Tagebuch wurde 1854 auf Befehl des Hauses der Gemeinen
gedruckt.]
[Fußnote 107: ^Williams's Diary.^]
[Fußnote 108: ^Williams's Diary.^]
[Fußnote 109: ^Williams's Diary.^]
[Fußnote 110: Siehe die ^Alterations in the Book of Common Prayer
prepared by the Royal Commissioners for the revision of the Liturgy in
1689, and printed by order of the House of Commons in 1854.^]
[Fußnote 111: Es läßt sich kaum eine stärkere oder klarere Sprache
denken als die, deren sich das Concil bediente: [Griechisch: Toutôn
toinun anagnôsthentôn, hôrisên hê agia sunodos, heteran pistin mêdeni
exeinai prospherein, êgoun suggraphein, ê suntithenai, para tên
horistheisan para tôn hagiôn paterôn tôn en tê Nikaeôn sunelthontôn sun
hagiô pneumati· tous de tolmôntas ê suntithenai pistin heteran, êgoun
prokomizein, ê prospherein tois ethelousin epistrephein eis epignôsin
tês alêtheias, ê ex Hellênismou, ê ex Ioudaismou, ê ex ahireseôs
ohiasdêpotoun, toutous, ei men eien episkopoi ê klêrikoi, allotrious
einai tous episkopous tês episkopês, kai tous klêrikous tou klêrou, ei
de laikoi eien, anathematizesthai.] ^Concil. Ephes. Actio VI.^]
[Fußnote 112: ^Williams's Diary; Alterations in the Book of Common
Prayer.^]
[Fußnote 113: Ich möchte das Erstaunen gesehen haben, in welches die
Großmeister der lateinischen Sprache, die mit Mäcenas und Pollio zu
speisen pflegten, durch das »^Tibi Cherubim et Seraphim incessabili voce
proclamant, Sanctus, Sanctus, Dominus Deus Sabaoth,^« oder durch das
»^Ideo cum angelis et archangelis, cum thronis et dominationibus^«
versetzt worden wären.]
[Fußnote 114: Ich will zwei Proben von Patrick's Schreibweise anführen.
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»Er macht mich niederlegen auf einer grünen Aue,« sagt David, »und
führet mich zu den stillen Wassern.« Patrick's Version lautet: »Denn wie
ein guter Hirt seine Schafe bei heftiger Hitze an schattige Orte führt,
wo sie sich niederlegen und (nicht an verdorrter sondern) an frischer
und grüner Weide laben können, und sie am Abend (nicht zu schlammigen
und aufgerührten, sondern) zu klaren und ruhigen Wassern leitet: so hat
er bereits zweckmäßige und reichliche Vorsorge für mich getroffen, die
ich in Frieden und ohne Störung genieße.«
Im hohen Liede kommt ein wunderschöner Vers vor: »Ich beschwöre Euch,
Ihr Töchter Jerusalems, findet Ihr meinen Freund, so saget ihm, daß ich
vor Liebe krank liege.« Patrick's Version lautet: »So wendete ich mich
an Diejenigen meiner Nachbarn und vertrauten Bekannten, die durch mein
Geschrei geweckt worden waren und herbeikamen, um zu sehen was es gebe,
und beschwor sie, wie sie es vor Gott verantworten könnten, meinem
Geliebten, wenn sie mit ihm zusammenträfen, mitzutheilen -- Was soll ich
sagen? -- Was sollt Ihr ihm Andres sagen, als daß ich jetzt, da ich
seinen Umgang entbehre, meines Lebens nicht froh werde, daß mir nicht
eher wieder wohl sein wird, als bis ich seine Liebe wieder gewinne.«]
[Fußnote 115: Wilhelm's Mißfallen an dem Gottesdienste in der Kathedrale
wird von Leslie in ^No. 7.^ des ^Rehearsal^ erwähnt. Siehe auch ^A
Letter from a Member of the House of Commons to his Friend in the
Country 1689,^ und ^Bisset's Modern Fanatic 1710.^]
[Fußnote 116: Siehe ^Collier's Desertion discussed, 1689.^ Thomas Carte,
der ein Schüler und eine Zeit lang Assistent Collier's war, setzte noch
im Jahre 1747 in eine voluminöse Geschichte eine höchst alberne
Anmerkung, in der er der Welt versicherte, er wisse ganz bestimmt, daß
der Prätendent die Skrophelkrankheit geheilt habe, und ganz ernsthaft
behauptete, die heilende Kraft sei erblich und von der Salbung ganz
unabhängig. Siehe Carte's ^History of England, vol. I. p. 291^.]
[Fußnote 117: Siehe die Vorrede zu ^A Treatise in Wounds, by Richard
Wiseman, Sergeant Chirurgeon to His Majesty, 1676.^ Den vollständigsten
Nachweis über diesen interessanten Gegenstand aber findet man in der
^Charisma Basilicon, by John Browne, Chirurgeon in ordinary to His
Majesty, 1684.^ Siehe auch ^The Ceremonies used in the Time of King
Henry VII. for the Healing of them that be Diseased with the King's
Evil, published by His Majesty's Command, 1686; Evelyn's Diary, March
28. 1684^ und ^Bishop Cartwright's Diary, Aug.
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28, 29, 30. 1687.^ Es ist
unglaublich, daß ein so großer Theil der Bevölkerung wirklich skrophulös
gewesen sein sollte. Ohne Zweifel wurden viele mit leichten und
vorübergehenden Krankheiten behaftete Personen zum Könige gebracht, und
die Genesung dieser Leute hielt den allgemein verbreiteten Glauben an
die Wirksamkeit seiner Berührung aufrecht.]
[Fußnote 118: Pariser Gazette vom 23. April 1689.]
[Fußnote 119: Siehe Whiston's ^Life of himself.^ Der gute Whiston, der
an Alles glaubte, nur nicht an die Dreieinigkeit, erzählt uns ganz
ernsthaft, die einzige Person, welche Wilhelm berührt habe, sei trotz
der Ungläubigkeit Sr. Majestät genesen. Siehe auch den ^Athenian
Mercury^ vom 16. Januar 1691.]
[Fußnote 120: In verschiedenen neueren Schriften ist die Befürchtung,
daß Meinungsverschiedenheiten zwischen der Convocation von York und der
Convocation von Canterbury entstehen könnten, mit Geringschätzung für
chimärisch erklärt worden. Aber es ist schwer zu begreifen, warum es
minder wahrscheinlich sein soll, daß zwei selbstständige Convocationen
von einander abweichen, als zwei Häuser der nämlichen Convocation, und
es ist notorisch, daß unter der Regierung Wilhelm's III. und Anna's die
beiden Häuser der Convocation von Canterbury fast niemals
übereinstimmten.]
[Fußnote 121: ^Birch's Life of Tillotson; Life of Prideaux.^ Aus
Clarendon's Tagebuche ergiebt sich, daß er und Rochester am 23. Sept. in
Oxford waren.]
[Fußnote 122: Siehe die Liste in dem historischen Bericht über die
gegenwärtige Convocation im Anhang zur zweiten Ausgabe der ^Vox Cleri,
1690.^ Der bedeutendste Name, den ich in der Liste der von dem
Parochialklerus gewählten Beauftragten finde, ist der des Dr. Mill, des
Herausgebers des griechischen Testaments.]
[Fußnote 123: Tillotson an Lady Russell, 19. April 1690.]
[Fußnote 124: ^Birch's Life of Tillotson.^ Was Birch darin über die
Gespanntheit zwischen Compton und Tillotson sagt, hatte er den
Manuscripten Heinrich Wharton's entlehnt, und wird durch viele Umstände
bestätigt, die man aus anderen Quellen kennt.]
[Fußnote 125: ^Chamberlayne's State of England,^ 18. Ausgabe.]
[Fußnote 126: ^Concio ad Synodum per Gulielmum Beveregium, 1689.^]
[Fußnote 127: ^Narcissus Luttrell's Diary; Historical Account of the
present Convocation.^]
[Fußnote 128: ^Kennet's History, III. 552.^]
[Fußnote 129: ^Historical Account of the Present Convocation, 1689.^]
[Fußnote 130: ^Historical Account of the Present Convocation; Burnet II.
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58.; Kennet's History of the Reign of William and Mary.^]
[Fußnote 131: ^Historical Account of the Present Convocation; Kennet's
History.^]
[Fußnote 132: ^Historical Account of the Present Convocation; Kennet.^]
[Fußnote 133: ^Historical Account of the Present Convocation.^]
[Fußnote 134: Daß eine solche Eifersucht, wie ich sie geschildert habe,
wirklich herrschte, bestätigt das Pamphlet betitelt: ^Vox Cleri.^
»Einige gegenwärtig der Convocation angehörende Landgeistliche sahen
jetzt, in welcher großen Behaglichkeit und Fülle die Stadtgeistlichen
leben, die ihre Lectoren und Hülfsprediger haben, häufig Zuschüsse
bekommen, zuweilen bis zum Schlusse des Gottesdienstes in der Sakristei
zubringen und außer ihren reichen Pfarreien in der Stadt auch noch hohe
kirchliche Würden bekleiden.« Der Verfasser dieser einst weit berühmten
Schrift war Thomas Long, Vertreter des Klerus der Diöcese Exeter. Nach
einer andren damals erschienenen Flugschrift sollen die Landgeistlichen
mit großem Mißvergnügen bemerkt haben, daß ihre Londoner Collegen sich
nach der Predigt mit Sect erfrischten. In mehreren Flugschriften jenes
Winters findet man Anspielungen auf die Fabel von der Stadtmaus und der
Landmaus.]
[Fußnote 135: ^Burnet II. 33, 34.^ Die besten Darstellungen der Vorgänge
in dieser Convocation geben der der zweiten Ausgabe der ^Vox Cleri^
angehängte historische Bericht und die Stelle in Kennet's Geschichte,
auf die ich den Leser schon verwiesen habe. Erstere Erzählung ist von
einem eifrigen Hochkirchlichen, letztere von einem eifrigen
Niederkirchlichen. Wer Ausführlicheres darüber erfahren wünscht, muß die
gleichzeitigen Flugschriften nachlesen, unter ihnen besonders folgende:
^Vox Populi; Vox Laici; Vox Regis and Regni; The Healing Attempt; Letter
to a Friend, by Dean Prideaux; Letter from a Minister in the Country to
a Member of the Convocation; Answer to the Merry; Answer to Vox Cleri;
Remarks from the Country upon Two Letters relating to the Convocation;
Vindication of the Letters in answer to Vox Cleri; Answer to the Country
Minister's Letter.^ Alle diese Schriften erschienen Ende 1689 oder
Anfang 1690.]
Stereotypie und Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig. Anmerkungen zur Transkription
Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Hervorhebungen, die im Original
g e s p e r r t sind, wurden mit Unterstrichen wie _hier_
gekennzeichnet. Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt waren,
wurden ^so^ markiert. Die variierende Schreibweise und Grammatik der Vorlage wurden weitgehend
beibehalten. Lediglich offensichtliche Fehler wurden berichtigt wie hier
aufgeführt (vorher/nachher):
[S. XIII.5]:
... In Schotttland war der Gang der Ereignisse ganz anders. Dort ... ... In Schottland war der Gang der Ereignisse ganz anders. Dort ... [S. XIII.14]:
...
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machten, ihnen irgendwie nützlich zu sein. Sie mußen sich
klar ... ... machten, ihnen irgendwie nützlich zu sein. Sie mußten sich
klar ... [S. XIII.20]:
... Smaragdohringe getragen, welche ihr Vetter, der Prinz, ihr
zum Geschenk ... ... Smaragdohrringe getragen, welche ihr Vetter, der Prinz, ihr
zum Geschenk ... [S. XIII.21]:
... Ueber das frühere Verhältniß zwischen Wilhelm und Dundee
haben einige Jakobieten ... ... Ueber das frühere Verhältniß zwischen Wilhelm und Dundee
haben einige Jakobiten ... [S. XIII.33]:
... die Verantwortlichkeit für außerordenliche
Vertheidigungsmittel auf ... ... die Verantwortlichkeit für außerordentliche
Vertheidigungsmittel auf ... [S. XIII.34]:
... nicht stattgefunden, so ist es wahrscheinlich, daß das
schotttische Gesetz bezüglich ... ... nicht stattgefunden, so ist es wahrscheinlich, daß das
schottische Gesetz bezüglich ... [S. XIII.39]:
... Ein solcher Mann war Sir Patrik Hume. Er war aus ... ... Ein solcher Mann war Sir Patrick Hume. Er war aus ... [S. XIII.40]:
... Siehe The Life and Correspondance of Carstairs und die
interessanten ... ... Siehe The Life and Correspondence of Carstairs und die
interessanten ... [S. XIII.57]:
... »Coll der Kühne« gegeben hatte. Endlich zwangen seine frechen ... ... »Coll der Kühe« gegeben hatte. Endlich zwangen seine frechen ... [S. XIII.60]:
... Mac Callum More's. Sie lagen nicht im Steit mit ihm,
schuldeten ... ... Mac Callum More's. Sie lagen nicht im Streit mit ihm,
schuldeten ... [S. XIII.71]:
... Telepraphen, vermittelst dessen sie sich über die Linien der
Schildwachen ... ... Telegraphen, vermittelst dessen sie sich über die Linien der
Schildwachen ... [S. XIII.80]:
... Mitterweile wurde auf beiden Seiten ein Kleingewehrfeuer
unterhalten, ... ... Mittlerweile wurde auf beiden Seiten ein Kleingewehrfeuer
unterhalten, ... [S. XIII.83]:
... Einbildungkraft zu einem Heere celtischer Krieger vergrößert. Einige der ... ... Einbildungskraft zu einem Heere celtischer Krieger
vergrößert. Einige der ... [S. XIII.83]:
... den Bericht über die Schlache in einem von Burt's Briefen. Macpherson druckte einen ... ... den Bericht über die Schlacht in einem von Burt's Briefen. Macpherson druckte einen ... [S. XIV.26]:
... war indessen eine vorteffliche holländische Brigade unter dem
Commando ... ... war indessen eine vortreffliche holländische Brigade unter
dem Commando ... [S. XIV.26]:
... waren vier Regimenter, ein Cavalerieregiment und drei
Infanterieregimenter, ... ... waren vier Regimenter, ein Cavallerieregiment und drei
Infanterieregimenter, ... [S. XIV.34]:
... Infanterie, die er vom bothnischen Meerbusen bis zum
atlanischen Ocean ... ...
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Infanterie, die er vom bothnischen Meerbusen bis zum
atlantischen Ocean ... [S. XIV.36]:
... ihren französchen Verbündeten unterhalten werden. ... ... ihren französischen Verbündeten unterhalten werden. ... [S. XIV.42]:
... über seine Parteilichkeit für sein Adoptivvaterland murrte. Die holländschen ... ... über seine Parteilichkeit für sein Adoptivvaterland murrte. Die holländischen ... [S. XIV.42]:
... sei; daß er perremptorisch auf einem Artikel bestehe, der
allen Handelsverkehr ... ... sei; daß er peremtorisch auf einem Artikel bestehe, der allen
Handelsverkehr ... [S. XIV.43]:
... Aliirten gaben einer großen deutschen Truppenmacht in Serbien ... ... Alliirten gaben einer großen deutschen Truppenmacht in
Serbien ... [S. XIV.49]:
... der göttlichen Wahrheit unterrrichtet und durch göttliche
Gnade beschützt ... ... der göttlichen Wahrheit unterrichtet und durch göttliche
Gnade beschützt ... [S. XIV.62]:
... Auditorum herbeiziehen, mußte sich damit begnügen, der
Geistliche ... ... Auditorium herbeiziehen, mußte sich damit begnügen, der
Geistliche ... [S. XIV.63]:
... dies waren Ausnahmen. Betriebsame Armuth ist ein der
Tugenhaftigkeit ... ... dies waren Ausnahmen. Betriebsame Armuth ist ein der
Tugendhaftigkeit ... [S. XIV.67]:
... Hochkirchlichen unter den Zurückleibenden waren Doctor
Wilhelm Beveridge, ... ... Hochkirchlichen unter den Zurückbleibenden waren Doctor
Wilhelm Beveridge, ... [S. XIV.73]:
... die Regierung es weder gewagt hatte, die Uebelhäter zu
bestrafen, noch ... ... die Regierung es weder gewagt hatte, die Uebelthäter zu
bestrafen, noch ... [S. XIV.81]:
... Stande, die aufsätzige Demokratie zu beugen. Ihre Zahl war
gering, ... ... Stande, die aufsässige Demokratie zu beugen. Ihre Zahl war
gering, ... Updated editions will replace the previous one--the old editions
will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no
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zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg2000.de erreichbar. Kater Martinchen
Ernst Moritz Arndt
Einundzwanzig vorpommersche Sagen
Inhalt:
Geschichte von den sieben bunten Mäusen
Prinzessin Svanvithe
Der Riese Balderich
Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin
Abenteuer des Johann Dietrich
Das Silberglöckchen
Der gläserne Schuh
Der Alte von Granitz
Der Falscheid
Rattenkönig Birlibi
Das brennende Geld
Kater Martinchen
Thrin Wulfen
De Kröger van Poseritz
De Brügg bi Slemmin
Schipper Gau un sin Puk
De witte Fru to Löbnitz
De Prester un de Düwel
De Wewer un de Steen
Die alte Burg bei Löbnitz
Der Rabenstein
Geschichte von den sieben bunten Mäusen
Vor langer, langer Zeit wohnte in Puddemin ein Bauer, der hatte eine
schöne und fromme Frau, die fleißig betete und alle Sonntage und
Festtage zur Kirche ging, auch den Armen, die vor ihre Türe kamen,
gern gab. Es war überhaupt eine freundliche und mitleidige Seele und
im ganzen Dorfe und Kirchspiele von allen Leuten geliebt. Nie hat
man ein hartes Wort von ihr gehört, noch ist ein Fluch und Schwur
oder andere Ungebühr je aus ihrem Munde gegangen. Diese Frau hatte
sieben Kinder, lauter kleine Dirnen, von welchen die älteste zwölf
und die jüngste zwei Jahr alt war: hübsche, lustige Dingelchen. Diese gingen alle übereins gekleidet, mit bunten Röckchen und bunten
Schürzen und roten Mützchen; Schuhe aber und Strümpfe hatten sie
nicht an, denn das hätte zuviel gekostet, sondern gingen barfuß. Die
Mutter hielt sie nett und reinlich, wusch und kämmte sie morgens früh
und abends spät, wann sie aufstanden und zu Bett gingen, lehrte sie
lesen und singen und erzog sie in aller Freundlichkeit und
Gottesfurcht. Wann sie auf dem Felde was zu tun hatte oder weit
ausgehen mußte, stellte sie die älteste, welche Barbara hieß, über
die andern; diese mußte auf sie sehen, ihnen was erzählen, auch wohl
etwas vorlesen.
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Nun begab es sich einmal, daß ein hoher Festtag war
(ich glaube, es war der Karfreitag), da ging die Bauerfrau mit ihrem
Manne zur Kirche und sagte den Kindern, sie sollten hübsch artig sein;
der Barbara aber und den nächst älteren gab sie ein paar Lieder auf
aus dem Gesangbuche, die sie auswendig lernen sollten. So ging sie
weg. Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig;
die älteren nahmen die Bücher und lasen, und die kleinsten saßen
still auf dem Boden und spielten. Als sie so saßen, da erblickte das
eine Kind etwas hinter dem Ofen und rief: "O seht! Seht! Was ist
das für ein schöner und weißer Beutel!" Es war aber ein Beutel mit
Nüssen und Äpfeln, den die Mutter des Morgens da hingehängt hatte
und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen wollte. Die meisten Kinder sprangen nun alsbald auf und guckten danach, und
auch Barbara, die älteste, stand auf und guckte mit. Und die Kinder
flüsterten und sprachen dies und das über den schönen Beutel und was
wohl darin sein möchte. Und es gelüstete sie so sehr, es zu wissen,
und da riß eines den Beutel von dem Nagel, und Barbara öffnete die
Schnur, womit er zugebunden war, und es fielen Äpfel und Nüsse
heraus. Und als die Kinder die Äpfel und Nüsse auf dem Boden
hinrollen sahen, vergaßen sie alles, und daß es Festtag war, und was
die Mutter ihnen befohlen und aufgegeben hatte; sie setzten sich hin
und schmausten Äpfel und knackten Nüsse und aßen alles rein auf. Als nun Vater und Mutter um den Mittag aus der Kirche zu Hause kamen,
sah die Mutter die Nußschalen auf dem Boden liegen, und sie schaute
nach dem Beutel und fand ihn nicht. Da erzürnte sie sich und ward
böse zum ersten Male in ihrem Leben und schalt die Kinder sehr und
rief: "Der Blitz! Ich wollte, daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen
würdet!" Der Schwur war aber eine große Sünde, besonders weil es ein
so heiliger und hoher Festtag war; sonst hätte Gott es der Bäuerin
wohl vergeben, weil sie doch so fromm und gottesfürchtig war.
| 1,999 |
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Kaum
hatte die Frau das schlimme Wort aus ihrem Munde gehen lassen, so
waren alle die sieben niedlichen Kinderchen weg, als hätte sie ein
Wind weggeblasen, und sieben bunte Mäuse liefen in der Stube herum
mit roten Köpfchen, wie die Röcke und Mützen der Kinder gewesen waren. Und Vater und Mutter erschraken so sehr, daß sie hätten zu Stein
werden mögen. Da kam der Knecht herein und öffnete die Türe, und die
sieben bunten Mäuse liefen alle zugleich hinaus und über die Flur auf
den Hof hin; sie liefen aber sehr geschwind. Und als die Frau das
sah, konnte sie sich nicht halten, denn es war ihr im Herzen, als
wären die Mäuse ihre Kinder gewesen; und sie stürzte sich aus der
Türe hinaus und mußte den Mäusen nachlaufen. Die sieben bunten Mäuse aber liefen den Weg entlang aus dem Dorfe
heraus, immer sporenstreichs; und so liefen sie über das Puddeminer
Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld und durch die Krewe
und die Dumsevitzer Koppel. Und die Mutter lief ihnen außer Atem
nach und konnte weder schreien noch weinen und wußte nicht mehr, was
sie tat. So liefen die Mäuse über das Dumsevitzer Feld hin und in
einen kleinen Busch hinein, wo einige hohe Eichen standen und in der
Mitte ein spiegelhellen Teich war. Und der Busch steht noch da mit
seinen Eichen und heißt der Mäusewinkel. Und als sie in den Busch
kamen und an den Teich im Busche, da standen sie alle sieben still
und guckten sich um, und die Bauerfrau stand dicht bei ihnen. Es war
aber, als wenn sie ihr Adje sagen wollten. Denn als sie die Frau so
ein Weilchen angeguckt hatten, plump! Und alle sieben sprangen
zugleich ins Wasser und schwammen nicht, sondern gingen gleich unter
in der Tiefe. Es war aber der helle Mittag, als dies geschah. Und
die Mutter blieb stehen, wo sie stand, und rührte keine Hand und
keinen Fuß mehr, sie war auch kein Mensch mehr. Sie ward stracks zu
einem Stein, und der Stein liegt noch da, wo sie stand und die
Mäuslein verschwinden sah; und das ist dieser große runde Stein, an
welchem wir sitzen.
| 2,014 |
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| 360 |
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| 9,979 |
Und nun höre mal, was nach diesem geschehen ist
und noch alle Nacht geschieht! Glocke zwölf, wann alles schläft und
still ist und die Geister rundwandeln, da kommen die sieben bunten
Mäuse aus dem Wasser heraus und tanzen eine ganze ausgeschlagene
Stunde, bis es eins schlägt, um den Stein herum. Und sie sagen, dann
klingt der Stein, als wenn er sprechen könnte. Und das ist die
einzige Zeit, wo die Kinder und die Mutter sich verstehen können und
voneinander wissen; die übrige Zeit sind sie wie tot. Dann singen
die Mäuse einen Gesang, den ich dir sagen will, und der bedeutet ihre
Veränderung, oder daß sie wieder in Menschen verwandelt werden können. Und dies ist der Gesang:
Herut! herut! Du junge Brut! Din Brüdegam schall kamen;
Se hebben di
Doch gar to früh
Din junges Leben namen. Sitt de recht up'n Steen,
Wat he Flesch un Been,
Und wi gan mit dem Kranze:
Säven Junggesell'n
Uns führen schäl'n
Juchhe! to'm Hochtidsdanze. Und nun will ich dir sagen von dem Gesange, was er bedeutet. Die
Mäuse tanzen nun wohl schon tausend Jahre und länger um den Stein,
wann es die Mitternacht ist, und der Stein liegt ebensolange. Es
geht aber die Sage, daß sie einmal wieder verwandelt werden sollen,
und das kann durch Gottes Gnade nur auf folgende Weise geschehen:
Es muß eine Frau sein gerade so alt, als die Bäuerin war, da sie aus
der Kirche kam, und diese muß sieben Söhne haben gerade so alt, als
die sieben kleinen Mädchen waren. Sind sie eine Minute älter oder
jünger, so geht es nicht mehr. Diese Frau muß an einem Karfreitage
gerade um die Mittagszeit, als die Frau zu Stein ward, mit ihren
sieben Söhnen in den Busch kommen und sich auf den Stein setzen. Und
wenn sie sich auf den Stein setzt, so wird der Stein lebendig und
wird wieder in einen Menschen verwandelt, und dann steht die
Bauerfrau wieder da, leibhaftig und in eben den Kleidern, die sie
getragen, als sie den Mäusen nachgelaufen zu diesem Mausewinkel. Und
die sieben bunten Mäuse werden wieder zu sieben kleinen Mädchen in
bunten Röcken und mit roten Mützen auf dem Kopf. Und jedes kleine
Mädchen geht zu dem kleinen Knaben hin, der sein Alter hat, und sie
werden Braut und Bräutigam. Und wann sie groß werden, so halten sie
Hochzeit an einem Tage und tanzen ihre Kränze ab.
| 2,251 |
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Und es sollen die
schönsten Jungfrauen werden auf der ganzen Insel, sagen die Leute,
und auch die glücklichsten und reichsten, denn alle diese Güter und
Höfe hier umher sollen ihnen gehören. Aber ach, du lieber Gott, wann
werden sie verwandelt werden? Prinzessin Svanvithe
Du hast wohl von der Sage gehört, daß hier bei Garz, wo jetzt der
Wall über dem See ist, vor vielen tausend Jahren ein großes und
schönes Heidenschloß gewesen ist mit herrlichen Häusern und Kirchen,
worin sie ihre Götzen gehabt und angebetet haben. Dieses Schloß
haben vor langer, langer Zeit die Christen eingenommen, alle Helden
totgeschlagen und ihre Kirchen umgeworfen und die Götzen, die darin
standen, mit Feuer verbrannt; und nun ist nichts mehr übrig von all
der großen Herrlichkeit als der alte Wall und einige Leuschen, welche
die Leute sich erzählen, besonders von dem Mann mit Helm und Panzer
angetan, der auf dem weißen Schimmel oft über die Stadt und den See
hinreitet. Einige, die ihn nächtlich gesehen haben, erzählen, es sei
der alte König des Schlosses, und er habe eine güldene Krone auf. Das ist aber alles nichts. Daß es aber um Weihnachten und Johannis
in der Nacht aus dem See klingt, als wenn Glocken in den Kirchen
geläutet werden, das ist wahr, und viele Leute haben es gehört, und
auch mein Vater. Das ist eine Kirche, die in den See versunken ist,
andere sagen, es ist der alte Götzentempel. Das glaub' ich aber
nicht; denn was sollten die Helden an christlichen Festtagen läuten? Aber das Klingen und Läuten im See ist dir gar nichts gegen das, was
im Wall vorgeht, und davon will ich dir eine Geschichte erzählen. Da
sitzt eine wunderschöne Prinzessin mit zu Felde geschlagenen Haaren
und weinenden Augen und wartet auf den, der sie erlösen soll; und
dies ist eine sehr traurige Geschichte. In jener alten Zeit, als das Garzer Heidenschloß von den Christen
belagert ward und die drinnen in großen Nöten waren, weil sie sehr
gedrängt wurden, als schon manche Türme niedergeworfen waren und sie
auch nicht recht mehr zu leben hatten und die armen Leute in der
Stadt hin und wieder schon vor Hunger starben, da war drinnen ein
alter, eisgrauer Mann, der Vater des Königs, der auf Rügen regierte.
| 2,198 |
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Dieser alte Mann war so alt, daß er nicht recht mehr hören und sehen
konnte; aber es war doch seine Lust, unter dem Golde und unter den
Edelsteinen und Diamanten zu kramen, welche er und seine Vorfahren im
Reiche gesammelt hatten und welche tief unter der Erde in einem
schönen, aus eitel Marmelsteinen und Kristallen gebauten Saale
verwahrt wurden. Davon waren dort ganz große Haufen aufgeschüttet,
viel größere als die Roggen- und Gerstenhaufen, die auf deines Vaters
Kornboden aufgeschüttet sind. Als nun das Schloß zu Garz von den
Christen in der Belagerung so geängstet ward und viele der tapfersten
Männer und auch der König, des alten Mannes Sohn, in dem Streite auf
den Wällen und vor den Toren der Stadt erschlagen waren, da wich der
Alte nicht mehr aus der marmornen Kammer, sondern lag Tag und Nacht
darin und hatte die Türen und Treppen, die dahin führten, dicht
vermauern lassen; er aber wußte noch einen kleinen heimlichen Gang,
der unter der Erde weglief, viele hundert Stufen tiefer als das
Schloß, und jenseits des Sees einen Ausgang hatte, den kein Mensch
wußte als er, und wo er hinausschlüpfen und sich draußen bei den
Menschen Speise und Trank kaufen konnte. Als nun das Schloß von den
Christen erobert und zerstört ward und die Männer und Frauen im
Schlosse getötet und alle Häuser und Kirchen verbrannt wurden, daß
kein Stein auf dem andern blieb, da fielen die Türme und Mauern
übereinander, und die Türe der Goldkammer ward gar verschüttet; auch
blieb kein Mensch lebendig, der wußte, wo der tote König seine
Schätze gehabt hatte. Der alte König aber saß drunten bei seinen
Haufen Goldes und hatte seinen heimlichen Gang offen und hat noch
viele hundert Jahre gelebt, nachdem das Schloß zerstört war; denn sie
sagen, die Menschen, welche sich zu sehr an Silber und Gold hängen,
können vom Leben nicht erlöst werden und sterben nicht, wenn sie Gott
auch noch so sehr um den Tod bitten. So lebte der alte, eisgraue
Mann noch viele, viele Jahre und mußte sein Gold bewachen, bis er
ganz dürr und trocken ward wie ein Totengerippe. Da ist er denn
gestorben und auch zur Strafe verwandelt worden und muß nun als ein
schwarzer magerer Hund unter den Goldhaufen liegen und sie bewachen,
wenn einer kommt und den Schatz holen will.
| 2,249 |
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Des Nachts aber zwischen
zwölf und ein Uhr, wann die Gespensterstunde ist, muß er noch immer
rundgehen als ein altes graues Männlein mit einer schwarzen
Pudelmütze auf dem Kopf und einem weißen Stock in der Hand. So haben
die Leute ihn oft gesehen im Garzer Holze am Wege nach Poseritz; auch
geht er zuweilen um den Kirchhof herum. Denn da sollen vor alters
Heidengräber gewesen sein, und die Helden haben immer viel Silber und
Gold mit sich in die Erde genommen. Das will er holen, darum
schleicht er dort, kann es aber nicht kriegen, denn er darf die
geweihte Erde nicht berühren. Das ist aber seine Strafe, daß er so
rundlaufen muß, wann andere Leute in den Betten und Gräbern schlafen,
weil er so geizig gewesen ist. Nun begab es sich lange nach diesen Tagen, daß in Bergen ein König
von Rügen wohnte, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß
Svanvithe; und sie war die schönste Prinzessin weit und breit, und es
kamen Könige und Fürsten und Prinzen aus allen Landen, die um die
schöne Prinzessin warben. Und der König, ihr Herr Vater, wußte sich
kaum zu lassen vor allen den Freiern und hatte zuletzt nicht Häuser
genug, daß er die Fremden beherbergte, noch Ställe, wohin sie und
ihre Knappen und Staller ihre Pferde zögen; auch gebrach es fast an
Hafer im Lande und Raum für alle die Kutscher und Diener, die mit
ihnen kamen, und war Rügen so voll von Menschen, als es nie gewesen
seit jenen Tagen. Und der König wäre froh gewesen, wenn die
Prinzessin sich einen Mann genommen hätte und die übrigen Freier
weggereist wären. Das läßt sich aber bei den Königen nicht so leicht
machen als bei andern Leuten, und muß da alles mit vieler
Zierlichkeit und Langsamkeit hergehen. Die Prinzessin, nachdem sie
wohl ein ganzes halbes Jahr in ihrer einsamen Kammer geblieben war
und keinen Menschen gesehen, auch kein Sterbenswort gesagt hatte,
fand endlich einen Prinzen, der ihr wohl gefiel, und den sie gern zum
Mann haben wollte, und der Prinz gefiel auch dem alten Könige, daß er
ihn gern als Eidam wollte. Und sie hatten einander Ringe geschenkt,
und war große Freude im ganzen Lande, daß die schöne Svanvithe
Hochzeit halten sollte, und hatten alle Schneider und Schuster die
Fülle zu tun, die schönen Kleider und Schuhe zu machen, die zur
Hochzeit getragen werden sollten.
| 2,280 |
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Der verlobte Prinz aber und
Svanvithens Bräutigam hieß Herr Peter von Dänemarken und war ein über
die Maßen feiner und stattlicher Mann, daß seinesgleichen wenige
gesehen wurden. Da, als alles in lieblicher Hoffnung und Liebe grünete und blühete
und die ganze Insel in Freuden stand und nur noch ein paar Tage bis
zur Hochzeit waren, kam der Teufel und säete sein Unkraut aus, und
die Luft ward in Traurigkeit verwandelt. Es war nämlich allda an des
Königs Hofe auch ein Prinz aus Polen, ein hinterlistiger und
schlechter Herr, sonst schön und ritterlich an Gestalt und Gebärde. Dieser hatte manches Jahr um die Prinzessin gefreit und sie geplagt
Tag und Nacht; sie hatte aber immer nein gesagt, denn sie mochte ihn
nicht leiden. Als dieser polnische Prinz nun sah, daß es wirklich
eine Hochzeit werden sollte und daß Herr Peter von Dänemarken zum
Treuliebsten der schönen Svanvithe erkoren war, sann er in seinem
bösen Herzen auf arge Tücke und wußte es durch seine Künste so zu
stellen, daß der König und alle Menschen glaubten, Svanvithe sei
keine züchtige Prinzessin und habe manche Nächte bei dem polnischen
Prinzen geschlafen. Das glaubte auch Herr Peter und reiste plötzlich
weg; und der polnische Prinz war zuerst weggereist, und alle Könige
und Prinzen reisten weg. Und das Schloß des Königs in Bergen stand
wüst und leer da, und alle Freude war mit weggezogen und alle Geiger
und Pfeifer und alles Saitenspiel, die sich auf Turniere und Feste
gerüstet hatten. Und die Schande der armen Prinzessin klang über das
ganze Land; ja in Schweden und Dänemark und Polen hörten sie es, wie
die Hochzeit sich zerschlagen hatte. Sie aber war gewiß unschuldig
und rein wie ein Kind, das aus dem Mutterleibe kommt, und war es
nichts als die greuliche Bosheit des verruchten polnischen Prinzen,
den sie als Freier verschmäht hatte. So ging es der armen Svanvithe, und der König, ihr Vater, war einige
Tage nach diesen Geschichten wie von Sinnen und wußte nicht von sich,
und ihm war so zumute, daß er sich hätte ein Leid antun können von
wegen seiner Tochter und von wegen des Schimpfes, den sie auf das
ganze königliche Haus gebracht hatte.
| 2,138 |
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Und als er sich besann und
wieder zu sich kam und die ganze Schande bedachte, worein er geraten
war durch seine Tochter, da ergrimmte er in seinem Herzen, und er
ließ die schöne Svanvithe holen und schlug sie hart und zerraufte ihr
Haar und stieß sie dann von sich und befahl seinen Dienern, daß sie
sie hinausführten in ein verborgenes Gemach, daß seine Augen sie
nimmer wiedersähen. Darauf ließ er in einen mit dichten Mauern
eingeschlossenen und mit dunklen Bäumen beschatteten Garten hinter
seinem Schlosse einen düstern Turm bauen, wo weder Sonne noch Mond
hineinschien, da sperrte er die Prinzessin ein. Der Turm, den er
hatte bauen lassen, war aber fest und dicht und hatte nur ein
einziges kleines Loch in der Türe, wodurch ein wenig Licht hineinfiel
und wodurch der Prinzessin die Speise gereicht ward. Es war auch
weder Bett noch Tisch oder Bank in dem traurigen Gefängnis; auf
harter Erde mußte die liegen, die sonst auf Sammet und Seiden
geschlafen hatte, und barfuß mußte die gehen, die sonst in goldenen
Schuhen geprangt hatte. Und Svanvithe hätte sterben müssen vor
Jammer, wenn sie nicht gewußt hätte, daß sie unschuldig war, und wenn
sie nicht zu Gott hätte beten können. Sie aber war ein sehr junges
Kind, als sie eingesperrt ward, erst sechzehn Jahre alt, schön wie
eine Rose und schlank und weiß wie eine Lilie, und die Menschen, die
sie liebhatten, nannten sie nicht anders als des Königs
Lilienstengelein. Und dieses süße Lilienstengelein sollte so
jämmerlich verwelken in der kalten und einsamen Finsternis. Und sie hatte wohl drei Jahre so gesessen zwischen den kalten Steinen,
und auch der alte König war nicht mehr froh gewesen seit jenem Tage,
als der polnische Prinz sie in die große Schande gebracht hatte,
sondern sein Kopf war schneeweiß geworden vor Gram wie der Kopf einer
Taube; aber vor den Leuten gebärdete er sich stolz und aufgerichtet
und tat, als wenn seine Tochter tot und lange begraben wäre. Sie
aber saß von der Welt ungewußt in ihrem Elende und tröstete sich
allein Gottes und dachte, daß er ihre Unschuld wohl einmal an den Tag
bringen würde.
| 2,089 |
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Weil sie aber in ihren einsamen Trauerstunden Zeit
genug hatte, hin und her zu denken, so fiel ihr die Sache ein von dem
Königsschatze unter dem Garzer Walle, die sie in ihrer Kindheit oft
gehört hatte, und sie gedachte damit ihre Unschuld, und daß der
polnische Prinz sie unter einem falschen Schein schändlich belogen
hatte, sonnenklar zu beweisen. Und als darauf ihr Wächter kam und
ihr die Speise durch das Loch reichte, sprach sie zu ihm: "Lieber
Wächter, gehe zu dem Könige, meinem und deinem Herrn, und sage ihm,
daß seine arme einzige Tochter ihn nur noch ein einziges Mal zu sehen
und zu sprechen wünscht in ihrem Leben und daß er ihr diese letzte
Gunst nicht versagen mag."
Und der Wächter sagte ja und lief und dachte bei sich: "Wenn der alte
König ihre Bitte nur erhört!" Denn es jammerte ihn die arme
Prinzessin unaussprechlich, und sie jammerte alle Menschen; denn sie
war immer freundlich gewesen gegen jedermann, auch hatten die meisten
von Anfang an geglaubt, daß sie fälschlich verklagt war und daß der
polnische Prinz einen argen Lügenschein auf sie gebracht hatte; denn
sie hatte sich immer aller Zucht und Jungfräulichkeit beflissen vor
jedermann. Und als ihr Wächter vor den König trat und ihm die Bitte der
Prinzessin anbrachte, da war der alte Herr sehr zornig und schalt ihn
und drohete ihm, ihn selbst in den Turm zu werfen, wenn er den Namen
der Prinzessin vor ihm je wieder über seine Lippen laufen lasse. Und
der erschrockene Wächter ging weg. Der König aber legte sich hin und
schlief ein. Da soll er einen wunderbaren Traum gehabt haben, den
kein Mensch zu deuten verstanden hat, und er ist früh erwacht und
sehr unruhig gewesen und hat viel an seine Tochter denken müssen, bis
er zuletzt befohlen hat, daß man sie aus dem Turm heraufbrächte und
vor ihn führte. Als Svanvithe nun vor den König trat, war sie bleich und mager, auch
waren ihre Kleider und Schuhe schon abgerissen, und sie stand fast
nackt und barfuß da und sah einer Bettlertochter ähnlicher als einer
Königstochter. Und der alte König ist bei ihrem Anblick blaß
geworden vor Jammer wie der Kalk an der Wand, aber sonst hat er sich
nichts merken lassen.
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Und Svanvithe hat sich vor ihm verneigt und
also zu ihm gesprochen:
"Mein König und Herr! Ich erscheine nur als eine arme Sünderin vor
dir, als eine, die an der göttlichen Gnade und an dem Lichte des
Himmels kein Recht mehr haben soll. Also hast du mich von deinem
Angesicht verstoßen und von allem Lebendigen weggesperrt. Ich
beteure aber vor dir und vor Gott, daß ich unschuldig leide und daß
der polnische Prinz aus eitel Tücke und Arglist all den schlimmen
Schein auf mich gebracht hat. Und nun hat Gott, der sich mein
erbarmen will, mir einen Gedanken ins Herz gegeben, wodurch ich meine
unbefleckte Jungfrauschaft beweisen und dich und mich und dein ganzes
Reich zu Reichtum und Ehren bringen kann. Du weißt, es geht die Sage,
unter dem alten Schloßwalle zu Garz, wo unsere heidnischen Ahnen
weiland gewohnt haben, liege ein reicher Schatz vergraben. Diese
Sage, die mir in meiner Kindheit oft erzählt ist, meldet ferner,
dieser Schatz könne nur von einer Prinzessin gehoben werden, die von
jenen alten Königen herstamme und noch eine reine Jungfrau sei: wenn
nämlich diese den Mut habe, in der Johannisnacht zwischen zwölf und
ein Uhr nackt und einsam diesen Wall zu ersteigen und darauf
rückwärts so lange hin und her zu treten, bis es ihr gelinge, die
Stelle zu treffen, wo die Tore und Treppen verschüttet sind, die zu
der Schatzkammer hinabführen. Sobald sie diese mit ihren Füßen
berühre, werde es sich unter ihr öffnen, und sie werde sanft
heruntersinken mitten in das Gold und könne sich von den
Herrlichkeiten dann auslesen, was sie wolle, und bei Sonnenaufgang
wieder herausgehen. Was sie aber nicht tragen könne, werde der alte
Geist, der den Schatz bewacht, nebst seinen Gehilfen nachtragen. Hierauf habe ich nun meine Hoffnung eines neuen Glückes gestellt, ob
es mir etwa aufblühen wolle; laß mich denn, Herr König, mit Gott
diese Probe machen. Ich bin ja doch einer Toten gleich, und ob ich
hier begraben bin oder dort begraben werde, kann dir einerlei sein."
Sie hatte die Gebärde, als wolle sie noch mehr sagen; aber bei diesen
Worten stockte sie und konnte nicht mehr, sondern schluchzete und
weinte bitterlich. Der König aber winkte dem Wächter leise zu, der
sie hereingeführt hatte, und alsbald kamen Frauen und Dienerinnen
herbei und trugen sie hinaus von dem Könige weg in ein Seitengemach.
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Und nicht lange, so ward der Wächter wieder zu dem Könige gerufen,
und er brachte ihr Speise und Trank, daß sie sich stärkte und
erquickte, und zugleich die Botschaft, daß der König ihr die gebetene
mitternächtliche Fahrt erlaube. Bald trugen Dienerinnen ihr ein Bad
herein nebst zierlichen Kleidern, daß sie sich bedecken konnte, denn
sie war fast nackend. Und sie lebte nun wieder in Freuden, obgleich
sie ganz einsam saß und gegen niemand den Mund auftat--auch den
Dienern und Dienerinnen war das Sprechen zu ihr verboten, sie wußten
auch nicht, wer sie war, noch wie sie in das Schloß gekommen, denn
von denen, die sie kannten, ward niemand zu ihr gelassen denn allein
der Wächter, der ihr immer die Speise gebracht hatte im Turme. Und
ihre Schöne fing wieder an aufzublühen, wie blaß und elend sie auch
aus dem Turm gekommen war; und alle, die sie sahen, entsetzten sich
über ihre Huld und Lieblichkeit, und sie deuchte ihnen fast einem
Engel gleich, der vom Himmel in das Schloß gekommen sei. Und als vierzig Tage vergangen waren und der Tag vor Johannis da war,
da ging sie zu dem Könige, ihrem Vater, ins Gemach und sagte ihm
Lebewohl. Und der alte Herr neigte noch einmal wieder seinen weißen
Kopf über sie und weinte sehr, und sie sank vor ihm hin und umfaßte
seine Knie und weinte noch mehr. Und darauf ging sie hinaus und
verkleidete sich so, daß niemand sie für eine Prinzessin gehalten
hätte, und trat ihre Reise an. Die Reise war aber nicht weit von
Bergen nach Garz, und sie ging in der Tracht eines Reiterbuben einher. Und in der Nacht, als es vom Garzer Kirchturm zwölf geschlagen
hatte, betrat sie einsam den Wall, tat ihre Kleider von sich, also
daß sie da stand, wie Gott sie erschaffen hatte, und nahm eine
Johannisrute in die Hand, womit sie hinter sich schlug. Und so
tappte sie stumm und rücklings fort, wie es geschehen mußte. Und
nicht lange war sie geschritten, so tat sich die Erde unter ihren
Füßen auf, und sie fiel sanft hinunter, und es war ihr, als würde sie
in einem Traum hinabgewiegt; und sie fiel hinab in ein gar großes und
schönes und von tausend Lichtern und Lampen erleuchtetes Gemach,
dessen Wände von Marmor und diamantenen Spiegeln blitzten und dessen
Boden ganz mit Gold und Silber und Edelsteinen beschüttet war, daß
man kaum darauf gehen konnte.
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Sie aber sank so weich auf einen
Goldhaufen herab, daß es ihr gar nicht weh tat. Und sie besah sich
alle die blitzende Herrlichkeit in dem weiten Saale, wo die Schätze
und Kostbarkeiten ihrer Ahnherren von vielen Jahrhunderten gesammelt
und aufgehängt waren; und da sah sie in der hintersten Ecke in einem
goldenen Lehnstuhl das kleine graue Männchen sitzen, das ihr
freundlich zunickte, als wolle es mit der Urenkelin sprechen. Sie
aber sprach kein Wort zu ihm, sondern winkte ihm nur leise mit der
Hand. Und auf ihren Wink hob der Geist sich hinweg und verschwand,
und statt seiner kam eine lange Schar prächtig gekleideter Diener und
Dienerinnen, welche sich in stummer Ehrfurcht hinter sie stellten,
als erwarteten sie, was die Herrin befehlen würde. Svanvithe aber
säumte nicht lange, bedenkend, wie kurz die Mittsommersnacht ist, und
sie nahm die Fülle der Edelsteine und Diamanten und winkte den
Dienern und Dienerinnen hinter ihr, daß sie ebenso täten; auch diese
füllten Hände und Taschen und Zipfel und Geren der Kleider mit Gold
und edlen Steinen und kostbaren Geschirren. Und noch ein Wink, und
die lange Reihe wandelte, und die Prinzessin schritt voran der Treppe
zu, als wenn sie herausgehen wollte; jene aber folgten ihr. Und
schon hatte sie viele Stufen vollendet und sah schon das dämmernde
Morgenlicht und hörte schon den Lerchengesang und den Hahnenkrei, die
den Tag verkündeten--da ward es ihr bange, ob die Diener und
Dienerinnen ihr auch nachträten mit den Schätzen. Und sie sah sich
um, und was erblickte sie? Sie sah den kleinen grauen Mann sich
plötzlich in einen großen schwarzen Hund verwandeln, der mit,
feurigem Rachen und funkelnden Augen gegen sie hinaufsprang. Und sie
entsetzte sich sehr und rief: "Oh Herr je!" Und als sie das Wort
ausgeschrien hatte, da schlug die Tür über ihr mit lautem Knalle zu,
und die Treppe versank, und die Diener und Dienerinnen verschwanden,
und alle Lichter des Saales erloschen, und sie war wieder unten am
Boden und konnte nicht heraus. Der alte König aber, da sie nicht
wiederkam, grämte sich sehr; denn er dachte, sie sei entweder
umgekommen bei dem Hinabsteigen zu dem Schatze durch die Tücke der
bösen Geister, die unter der Erde ihre Gewalt haben, oder sie habe
sich der Sache überhaupt nicht unterstanden und laufe nun wie eine
arme, verlassene Streunerin durch die Welt.
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| 9,979 |
Und er lebte nur noch
wenige Wochen nach ihrem Verschwinden; dann starb er und ward
begraben. Der Prinzessin Svanvithe war dieses Unglück aber geschehen, weil sie
sich umgesehen hatte, als sie weggehen wollte, und weil sie
gesprochen hatte. Denn über die Unterirdischen hat man keine Gewalt,
wenn man sich umsieht oder spricht, sondern es gerät dann fast immer
unglücklich, wovon man viele Beispiele und Geschichten weiß. Und es waren viele Jahre vergangen, vielleicht hundert Jahre und mehr,
und alle die Menschen waren gestorben und begraben, welche zu der
Zeit des alten Königs und der schönen Svanvithe gelebt hatten, und
schon ward hie und da von ihnen erzählt wie von einem alten, alten,
längst verschollenen Märchen; da hörte man hin und wieder, die
Prinzessin lebe noch und sitze unter dem Garzer Wall in der
Schatzkammer und müsse nun mit dem alten, grauen Urgroßvater die
Schätze hüten helfen. Und kein Mensch weiß zu sagen, wie dies hier
oben bekannt geworden ist. Vielleicht hat der kleine graue Mann, der
zuzeiten rundgeht, es einem verraten, oder es hat es auch einer der
hellsichtigen Menschen gesehen, die an hohen Festtagen in besonderen
Stunden geboren sind und die das Gras und das Gold in der Erde
wachsen sehen und mit ihren Augen durch die dicksten Berge und Mauern
dringen können. Und es war viel erschollen von der Geschichte und
von dem wundersamen Versinken der Prinzessin unter die Erde, und daß
sie in der dunkeln Kammer sitze und noch lebe und einmal erlöst
werden solle. Sie kann aber, sagen sie, erlöst werden, wenn einer es
wagt, auf dieselbe Weise, wie sie einst in der Johannisnacht getan
hat, in die verbotene Schatzkammer hinabzufallen. Dieser muß sich
dann dreimal vor ihr verneigen, ihr einen Kuß geben, sie an die Hand
fassen und sie still herausführen; denn kein Wort darf er beileibe
nicht sprechen. Wer sie herausbringt, der wird mit ihr in
Herrlichkeit und in Freuden leben und so viele Schätze haben, daß er
sich ein Königreich kaufen kann. Darin wird er dann fünfzig Jahre
als König auf dem Throne sitzen und sie als seine Königin neben ihm,
und werden gar liebliche Kinder zeugen; der kleine graue Spuk wird
dann aber auf immer verschwinden, wann sie ihm die Schätze weggehoben
haben.
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Nun hat es wohl so kühne und verwegene Prinzen und schöne
Knaben gegeben, die mit der Johannisrute in der Hand zu ihr
hinabgekommen sind; aber sie haben es immer in etwas versehen, und
die Prinzessin ist noch nicht erlöst. Ja, wenn das ein so leichtes
Ding wäre, wieviele würden Lust haben, eine so schöne Prinzessin zu
freien und Könige zu werden! Die Leute erzählen aber, der greuliche
schwarze Hund ist an allem schuld; keiner hat es mit ihm aushalten
können, sondern wenn sie ihn sehen, so müssen sie aufschreien, und
dann schlägt die Türe zu, und die Treppe versinkt, und alles ist
wieder vorbei. So sitzt denn die arme Svanvithe da in aller ihrer Unschuld und muß
da unten frieren und das kalte Gold hüten, und Gott weiß, wann sie
erlöst werden wird. Sie sitzt da über Goldhaufen gebeugt; ihr langes
Haar hängt ihr über die Schultern herab, und sie weint unaufhörlich. Schon sitzen sechs junge Gesellen um sie herum, die auch mithüten
müssen. Das sind die, denen die Erlösung nicht gelungen ist. Wem es
aber gelingt, der heiratet die Prinzessin und bekommt den ganzen
Schatz und befreit zugleich die andern armen Gefangenen. Sie sagen,
der letzte ist vor zwanzig Jahren darin versunken, ein
Schuhmachergesell, der Jochim Fritz hieß. Das war ein junges,
schönes Blut und ging immer viel auf dem Wall spazieren. Der ist mit
einem Male verschwunden, und keiner hat gewußt, wo er gestoben und
geflogen war, und seine Eltern und Freunde haben ihn in der ganzen
Welt suchen lassen, aber nicht gefunden! Er mag nun auch wohl
dasitzen bei den andern. Der Riese Balderich
In der westlichen Spitze der Insel Rügen in der Ostsee an der
Feldscheide der Dörfer Rothenkirchen und Götemitz, etwa eine
Viertelmeile von dem Kirchdorfe Rambin, liegen auf flachem Felde neun
kleine Hügel oder Hünengräber, welche gewöhnlich die Neun Berge oder
die Neun Berge bei Rambin genannt werden, und von welchen das Volk
allerlei Märchen erzählt. Diese entstanden weiland durch die
Kühnheit eines Riesen, und seitdem die Riesen tot sind, treiben die
Zwerge darin ihr Wesen. Vor langer Zeit lebte auf Rügen ein gewaltiger Riese (ich glaube, er
hieß Balderich), den verdroß es, daß das Land eine Insel war und daß
er immer durch das Meer waten mußte, wenn er nach Pommern auf das
feste Land wollte.
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Er ließ sich also eine ungeheure Schürze machen,
band sie um seine Hüften und füllte sie mit Erde; denn er wollte sich
einen Erddamm aufführen von der Insel bis zur Feste. Als er mit
seiner Tracht bis über Rothenkirchen gekommen war, riß ein Loch in
die Schürze, und aus der Erde, die herausfiel, wurden die Neun Berge. Er stopfte das Loch zu und ging weiter; aber als er bis Gustow
gekommen war, riß wieder ein Loch in die Schürze, und es fielen
dreizehn kleine Berge heraus. Mit der noch übrigen Erde ging er ans
Meer und goß sie hinein. Da ward der Prosnitzer Hafen und die
niedliche Halbinsel Drigge. Aber es blieb noch ein schmaler
Zwischenraum zwischen Rügen und Pommern, und der Riese ärgerte sich
darüber so sehr, daß er plötzlich von einem Schlagfluß hinstürzte und
starb. Und so ist denn sein Damm leider nie fertig geworden. Von demselben Riesen Balderich erzählt man ein Kraftstück, das er bei
Putbus bewiesen hat. Er hatte schon mehrmals mit Ärger gesehen, daß
dem Christengotte zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine
Kirche erbaut ward, und da hat er bei sich gesprochen: "Laß die
Würmer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen; den werfe ich nieder, wann
er fertig ist." Als nun die Kirche fertig und der Turm aufgeführt war,
nahm der Riese einen gewaltigen Stein, stellte sich auf dem
Putbusser Tannenberge hin und schleuderte ihn mit so ungeheurer
Gewalt, daß der Stein wohl eine Viertelmeile über die Kirche wegflog
und bei Nadelitz niederfiel, wo er noch diesen Tag liegt am Wege, wo
man nach Posewald fährt, und der Riesenstein genannt wird. Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin
In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die kleinen
Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Büschen und Feldern herum
und führen ihre Reigen und ihre Musiken auf im mitternächtlichen
Mondschein, besonders in der schönen und lustigen Sommerzeit und im
Lenze, wo alles in Blüte steht; denn nichts lieben die kleinen
Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit. Sie haben auch
viele schöne Knaben und Mädchen bei sich; diese aber lassen sie nicht
heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den Bergen, denn sie
haben die meisten gestohlen oder durch einen glücklichen Zufall
erwischt und fürchten, daß sie ihnen wieder weglaufen möchten.
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Denn
vormals haben sich viele Kinder des Abends und des Morgens locken
lassen von der süßen Musik und dem Gesange, der durch die Büsche
klingt, und sind hingelaufen und haben zugehorcht; denn sie meinten,
es seien kleine singende Waldvögelein, die mit solcher Lustigkeit
musizierten und Gott lobeten--und dabei sind sie gefangen worden von
den Zwergen, die sie mit in den Berg hinabgenommen, daß sie ihnen
dort als Diener und Dienerinnen aufwarteten. Seitdem die Menschen
nun Wissens daß es da so hergeht und nicht recht geheuer ist, hüten
sie sich mehr, und geht keiner dahin. Doch verschwindet von Zeit zu
Zeit noch manches unschuldige Kind, und die Leute sagen dann wohl, es
hab's einer der Zwerge mitgenommen; und oft ist es auch wohl durch
die Künste der kleinen braunen Männer eingefangen und muß da unten
sitzen und dienen und kann nicht wiederkommen. Das ist aber ein
uraltes Gesetz, das bei den Unterirdischen gilt, daß sie je alle
fünfzig Jahre wieder an das Licht lassen müssen, was sie eingefangen
haben. Und das ist gut für die, welche so gefangen sitzen und da
unten den kleinen Leuten dienen müssen, daß ihnen diese Jahre nicht
gerechnet werden, und daß keiner da älter werden kann als zwanzig
Jahre, und wenn er volle fünfzig Jahre in den Bergen gesessen hätte. Und es kommen auf die Weise alle, die wieder herauskommen, jung und
schön heraus. Auch haben die meisten Menschen, die bei ihnen gewesen
sind, nachher auf der Erde viel Glück gehabt: entweder, daß sie da
unten so klug und witzig und anschlägisch werden, oder daß die
kleinen Leute, wie einige erzählen, ihnen unsichtbar bei der Arbeit
helfen und Gold und Silber zutragen. Die Unterirdischen, welche in den Neun Bergen wohnen, gehören zu den
braunen, und die sind nicht schlimm. Es gibt aber auch schwarze, das
sind Tausendkünstler und Kunstschmiede, geschickt und fertig in
allerlei Werk, aber auch arge Zauberer und Hexenmeister, voll
Schalkheit und Trug, und ist ihnen nicht zu trauen. Sie sind auch
Wilddiebe, denn sie essen gern Braten. Sie dürfen aber das Wild mit
keinem Gewehr fällen, sondern sie stricken eigene Netze, die kein
Mensch sehen kann; darin fangen sie es. Darum sind sie auch Feinde
der Jäger und haben schon manchem Jäger sein Gewehr behext, daß er
nicht treffen kann.
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Das glauben aber bis diesen Tag viele Leute, daß
nichts eine größere Gewalt über diese Schwarzen hat als Eisen,
worüber gebetet worden, oder was in Christenhänden gewesen ist. Solche Schwarzen wohnen hier aber gar nicht. In zwei Bergen wohnen von den weißen, und das sind die freundlichsten,
zartesten und schönsten aller Unterirdischen, fein und anmutig von
Gliedern und Gebärden und ebenso fein und liebenswürdig drinnen im
Gemüte. Diese Weißen sind ganz unschuldig und rein und necken
niemand, auch nicht einmal im Scherze, sondern ihr Leben ist licht
und zart, wie das Leben der Blumen und Sterne, mit welchen sie auch
am meisten Umgang halten. Diese niedlichen Kleinen sitzen den Winter,
wann es auf der Erde rauh und wüst und kalt ist, ganz still in ihren
Bergen und tun da nichts anders, als daß sie die feinste Arbeit
wirken aus Silber und Gold, daß die Augen der meisten Sterblichen zu
grob sind, sie zu sehen; die sie aber sehen können, sind besonders
feine und zarte Geister. So leben sie den trüben Winter durch, wann
es da draußen unhold ist, in ihren verborgenen Klausen. Sobald es
aber Frühling geworden und den ganzen Sommer hindurch, leben sie hier
oben im Sonnenschein und Sternenschein sehr fröhlich und tun dann
nichts als sich freuen und andern Freude machen. Sobald es auch im
ersten Lenze zu sprossen und zu keimen beginnt an Bäumen und Blumen,
sind sie husch aus ihren Bergen heraus und schlüpfen in die Reiser
und Stengel und von diesen in die Blüten und Blumenknospen, worin sie
gar anmutig sitzen und lauschen. Des Nachts aber, wann die Menschen
schlafen, spazieren sie heraus und schlingen ihre fröhlichen
Reihentänze im Grünen um Hügel und Bäche und Quellen und machen die
allerlieblichste und zarteste Musik, welche reisende Leute so oft
hören und sich verwundern, weil sie die Spieler nicht sehen können. Diese kleinen Weißen dürfen auch bei Tage immer heraus, wann sie
wollen, aber nicht in Gesellschaft, sondern einzeln, und sie müssen
sich dann verwandeln. So fliegen viele von ihnen umher als bunte
Vögelein oder Schmetterlinge oder als schneeweiße Täubchen und
bringen den kleinen Kindern oft Schönes und den Erwachsenen zarte
Gedanken und himmlische Träume, von welchen sie nicht wissen, wie sie
ihnen kommen. Das ist bekannt, daß sie sich häufig in Träume
verwandeln, wenn sie in geheimer Botschaft reisen. So haben sie
manchen Betrübten getröstet und manchen Treuliebenden erquickt.
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Wer
ihre Liebe gewonnen hat, der ist im Leben besonders glücklich, und
wenn sie nicht so reich machen an Schätzen und Gütern als die andern
Unterirdischen, so machen sie reich an Liedern und Träumen und
fröhlichen Gesichten und Phantasien. Und das sind wohl die besten
Schätze, die ein Mensch gewinnen kann. Abenteuer des Johann Dietrich
In Rambin lebte einst ein Arbeitsmann, der hieß Jakob Dietrich, ein
Mann schlecht und recht und gottesfürchtig, und der auch eine gute
und gottesfürchtige Frau hatte. Die beiden Eheleute besaßen dort ein
Häuschen und ein Gärtchen und nährten sich redlich von der Arbeit
ihrer Hände; denn andere Künste kannten sie nicht. Sie hatten viele
liebe Kinder, von welchen das jüngste, Johann Dietrich genannt, ihnen
fast das liebste war. Denn es war ein schöner und munterer Junge,
aufgeweckt und quick, fleißig in der Schule und gehorsam zu Hause,
und behielt alle Lehren und Geschichten sehr gut, welche die Eltern
ihm versagten. Auch von vielen andern Leuten lernte er und hielt
jeden fest, der Geschichten wußte, und ließ ihn nicht eher los, als
bis er sie erzählt hatte. Johann war acht Jahre alt geworden und lebte den Sommer bei seines
Vaters Bruder, der Bauer in Rothenkirchen war, und mußte nebst andern
Knaben Kühe hüten, die sie ins Feld gegen die Neun Berge
hinaustrieben, wo damals noch viel mehr Wald war als jetzt. Da war
ein alter Kuhhirt aus Rothenkirchen, Klas Starkwolt genannt, der
gesellte sich oft zu den Knaben, und sie trieben die Herden zusammen
und setzten sich hin und erzählten Geschichten. Der alte Klas wußte
viele und erzählte sie sehr lebendig; er war bald Johann Dietrichs
liebster Freund. Besonders aber wußte er viele Märchen von den Neun
Bergen und von den Unterirdischen aus der allerfrühesten Zeit, als
die Riesen im Lande untergegangen und die Kleinen in die Berge
gekommen waren, und Johann hörte sie immer mit dem innigsten
Wohlgefallen und plagte den alten Mann jeden Tag um neue Geschichten,
obgleich ihm dieser das Herz zuweilen so in Flammen setzte, daß er
des Abends spät und des Morgens früh, wenn er hier zuweilen heraus
mußte, mit sausendem Haar über das Feld hinstrich, als hätte er alle
Unterirdischen als Jäger hinter sich gehabt, die ihn fangen wollten.
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Der kleine Johann Dietrich hatte sich so vertieft und verliebt in
diese Märchen von den Unterirdischen, daß er nichts anders sah und
hörte, von nichts anderm sprach und fabelte als von goldenen Bechern
und Kronen, gläsernen Schuhen, Taschen voll Dukaten, goldenen Ringen,
diamantenen Kränzen, schneeweißen Bräuten und klingenden Hochzeiten. Wenn er nun so ganz darin war und in kindischer Freude aufjauchzte
und umhersprang, dann pflegte der alte Starkwolt wohl den Kopf zu
schütteln und ihm zuzurufen: "Johann! Johann! Wo willst du hin? Spaten und Sense, das sind dein Zepter und deine Krone, und deine
Braut wird ein Kränzel von Rosmarin und einen bunten Rock von Drell
tragen." Johann ließ sich das aber nicht anfechten und träumte immer
lustig fort. Und obwohl er herzlich graulich war und in der
Dunkelheit um alles in der Welt nicht über den Kirchhof gegangen wäre,
hatte er sich das Leben da in dem Berge und die Schätze und
Herrlichkeiten darin doch so ausgemalt, daß ihn fast gelüstete,
einmal hinabzusteigen; denn der alte Klas hatte gesagt, wie man es
anfangen müsse, damit man da unten Herr werde und nicht Diener, und
damit sie einen nicht fünfzig Jahre festhalten und die Becher spülen
und das Estrich kehren lassen könnten. Wer nämlich so klug oder so
glücklich sei, die Mütze eines Unterirdischen zu finden oder zu
erhaschen, der könne sicher hinabsteigen, dem dürfen sie nichts tun
noch befehlen, sondern müssen ihm dienen, wie er wolle, und derjenige
Unterirdische, dem die Mütze gehöre, müsse sein Diener sein und ihm
schaffen, was er wolle. Das hatte Johann sich hinters Ohr
geschrieben und seinen Teil dabei gedacht; ja, er hatte wohl
hinzugesetzt, so etwas unterstehe er sich auch wohl zu wagen. Die
Leute glaubten ihm das aber nicht, sondern lachten ihn aus; und doch
hat er es getan, und sie haben genug geweint, als er nicht
wiedergekommen ist. Es war nun die Zeit des Johannisfestes, wo die Tage am längsten sind
und die Nächte am kürzesten, und wo die Jahreszeit am schönsten ist. Die Alten und die Kinder hatten die Festtage fröhlich gelebt und
gespielt und allerlei Geschichten erzählt; da konnte Johann sich
nicht länger halten, sondern den Tag nach Johannis schlich er sich
heimlich weg, und als es dunkel ward, legte er sich auf dem Gipfel
des höchsten der Neun Berge hin, wo die Unterirdischen, wie Klas ihm
erzählt, ihren vornehmsten Tanzplatz hatten.
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Und wahrlich, er legte
sich nicht ohne Angst hin, und hätte er nicht einmal dagelegen,
vielleicht wäre nimmer was daraus geworden; denn sein Herz schlug ihm
wie ein Hammer, und sein Atem ging wie ein frischer Wind. So
lauschte er in Furcht und Hoffnung von zehn Uhr abends bis zwölf Uhr
Mitternacht. Und als es zwölf schlug, sieh, da fing es an zu klingen
und zu singen in den Bergen; und bald wisperte und lispelte und pfiff
und säuselte es um ihn her; denn die kleinen Leute dreheten sich
jetzt in Tänzen rund, und andere spielten und tummelten sich im
Mondschein und machten tausend lustige Schwänke und Possen. Ihn
überlief bei diesem Gewispel und Gesäusel ein geheimer Schauder (denn
sehen konnte er nichts von ihnen, da ihre Mützchen, die sie tragen,
sie unsichtbar machen); er aber lag ganz still, das Gesicht ins Gras
gedrückt und die Augen fest zugeschlossen und leise schnarchend, als
schliefe er. Doch konnte er es nicht lassen, zuweilen ein wenig
umher zu blinzeln, damit er etwa seinen Vorteil ersähe, einen der
kleinen Leute finge und ein Herr würde, denn dazu hatte er gar große
Lust; aber wie heller Mondschein es auch war, er konnte auch nicht
das geringste von ihnen erblicken. Und siehe, es währte nicht lange, so kamen drei der Unterirdischen
dahergesprungen, wo er lag, gaben aber nicht acht auf ihn, warfen
ihre braunen Mützchen in die Luft und fingen sie einander ab. Da riß
der eine dem andern in Schalkheit die Mütze aus der Hand und warf sie
weg. Und die Mütze flog dem Johann gerade auf den Kopf, und er fühlte
sie, griff zu und richtete sich sogleich auf und ließ Schlaf Schlaf
sein. Er schwang mit Freuden seine Mütze, daß das silberne Glöcklein
daran klingelte, und setzte sie sich dann auf den Kopf, und (o Wunder! ) in demselben Augenblicke sah er das zahllose und lustige Gewimmel
der kleinen Leute, und sie waren ihm nicht mehr unsichtbar. Die drei
kleinen Männer kamen listig herbei und wollten mit Behendigkeit die
Mütze wieder gewinnen; er aber hielt seine Beute fest, und sie sahen
wohl, daß sie auf diese Weise nichts von ihm gewinnen würden; denn
Johann war ein Riese gegen sie an Größe und Stärke, und sie reichten
ihm kaum bis ans Knie.
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Da kam derjenige, dem die Mütze gehörte, und
trat ganz demütig vor den Finder hin und bat flehentlich, als hänge
sein Leben dran, ihm die Mütze wiederzugeben. Johann aber antwortete
ihm: "Nein, du kleiner, schlauer Schelm, die Mütze bekommst du nicht
wieder; das ist nichts, was man für ein Butterbrot weggibt! Ich wäre
schlimm daran mit euch, wenn ich nichts von euch hätte; jetzt aber
habt ihr kein Recht an mir, sondern müßt mir, was ich nur will, zu
Gefallen tun. Und ich will mit euch hinabfahren und sehen, wie ihr
es da unten treibt; du aber sollst mein Diener sein, denn du mußt
wohl. Das weiß ich so gut als ihr, daß es nicht anders sein kann,
denn Klas Starkwolt hat mir es alles erzählt." Der kleine Mensch aber
gebärdete sich, als ob er dies alles nicht gehört noch verstanden
hätte; er fing seine Quälerei und Winselei und Plinselei wieder von
vorn an, klagte und jammerte und heulte erbärmlich um sein verlornes
Mützchen; aber als Johann ihm kurzweg sagte: "Es bleibt dabei, du
bist der Diener, und ich will eine Fahrt mit euch machen", da fand er
sich endlich drein, zumal da auch die andern ihm zuredeten, daß es so
sein müsse. Johann aber warf seinen schlechten Hut nun weg und
setzte sich die Mütze an seiner Stelle auf und befestigte sie wohl
auf seinem Kopfe, damit sie ihm nicht abgleiten oder abfliegen könnte;
denn in ihr trug er die Herrschaft. Und er versuchte es sogleich und befahl seinem neuen Diener, ihm
Speise und Trank zu bringen, denn ihn hungerte. Und der Diener lief
wie der Wind davon, und in einem Hui war er wieder da und trug Wein
in Flaschen herbei und Brot und köstliche Früchte. Und Johann aß und
trank und sah dem Spiele und den Tänzen der Kleinen zu, und es gefiel
ihm sehr wohl. Und er führte sich in allen Dingen mit ihnen beherzt
und klug auf, als wäre er ein geborner Herr gewesen.
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Und als der Hahn seinen dritten Krei getan hatte und die kleinen
Lerchen in der Luft die ersten Wirbel anschlugen und das junge Licht
in einzelnen weißen Streifen im Osten aufdämmerte, da ging es husch
husch husch durch die Büsche und Blumen und Halme fort, und die Berge
klangen wieder und taten sich auf, und die kleinen Menschen fuhren
hinab; und Johann gab wohl acht auf alles und fand es wirklich so,
wie sie ihm erzählt hatten. Siehe, auf dem Wipfel der Berge, wo sie
eben noch getanzt hatten, und wo alles eben voll Gras und Blumen
stand, wie die Menschen es bei Tage sehen, hob sich, als es zum
Abzuge blies, plötzlich eine glänzende gläserne Spitze hervor; auf
diese trat, wer hinein wollte, sie öffnete sich, und er glitt sanft
hinab, und sie tat sich wieder hinter ihm zu; als sie aber alle
hinein waren, verschwand sie und war auch keine Spur mehr von ihr zu
sehen. Die aber durch die gläserne Spitze fielen, sanken gar sanfte
in eine weite silberne Tonne, die sie alle aufnahm und wohl tausend
solcher Leutlein beherbergen konnte. In eine solche fiel auch Johann
mit seinem Diener und mit mehreren hinab, und sie alle schrien und
baten ihn, daß er sie nicht treten möge, denn sie wären des Todes
gewesen von seiner Last. Er aber hütete sich und war sehr freundlich
gegen sie. Es gingen aber mehrere solcher Tonnen nebeneinander hin,
immer hinauf und hinab, bis alle hinunter waren. Sie hingen an
langen silbernen Ketten, die unten gezogen und gehalten wurden. Johann erstaunte beim Hinabfahren über den wunderbaren Glanz der
Wände, zwischen welchen das Tönnchen fortglitt. Es war alles wie mit
Perlen und Diamanten besetzt, so blitzte und funkelte es; unter sich
aber hörte er die lieblichste Musik aus der Ferne klingen. So ward
er auf das anmutigste hinabgewiegt, daß er nicht wußte, wie ihm
geschah, und vor lauter Lust in einen tiefen Schlaf fiel. Er mochte wohl lange geschlafen haben. Als er erwachte, fand er sich
in dem allerweichsten und allernettesten Bette, wie er es in seines
Vaters Hause nimmer gesehen hatte, und dieses Bett stand in dem
allerniedlichsten Zimmer; vor ihm aber stand ein kleiner Brauner mit
dem Fliegenwedel in der Hand, womit er Mücken und Fliegen abwehrte,
daß sie seines Herrn Schlummer nicht stören konnten.
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Johann tat kaum
die Augen auf, so brachte der kleine Diener ihm schon das Handtuch
mit dem Waschwasser und hielt ihm zugleich die nettesten neuen
Kleider zum Anziehen hin, aus brauner Seide sehr niedlich gemacht,
und ein Paar neue schwarze Schuh mit roten Bandschleifchen, wie
Johann sie in Rambin und Rothenkirchen nie gesehen hatte; auch
standen dort einige Paare der niedlichsten und glänzendsten gläsernen
Schuhe, die nur bei großen Festlichkeiten gebraucht zu werden pflegen. Es gefiel dem kleinen Knaben sehr, daß er so leichte und saubere
Kleider tragen sollte, und er ließ sie sich gern anziehen. Und als
Johann angekleidet war, flugs flog der Diener fort und war geschwind
wie der Blitz wieder da. Er trug aber auf einer goldenen Schüssel
eine Flasche süßen Wein und ein Töpfchen Milch und schönes Weißbrot
und Früchte und andere köstliche Speisen, wie kleine Knaben sie gern
essen. Und Johann sah immer mehr, daß Klas Starkwolt, der alte
Kuhhirt, es wohl gewußt habe; denn so herrlich und prächtig, als er
hier alles fand, hatte er es sich doch nicht geträumt. Auch war sein
Diener der allergehorsamste und tat alles von selbst, was er ihm nur
an den Augen absehen konnte. Der Worte bedurfte es nie, sondern nur
leichter Blicke und Winke; denn er war klug wie ein Bienchen, wie
alle diese kleinen Leute von Natur sind. Und nun muß ich Johanns Zimmer beschreiben. Sein Bettchen war
schneeweiß mit den weichsten Polstern und mit den weißesten Laken
überzogen, mit Kissen aus Atlas und einer solchen gesteppten Decke. Ein Königssohn hätte darin schlafen können. Neben und vor diesem
Bette standen die niedlichsten Stühle, auf das netteste gearbeitet
und mit allerlei bunten Vögeln und Tieren verziert, welche
kunstreiche Hände eingeschnitten hatten; einige waren auch von edlen
Steinen bunt eingelegt. An den Wänden standen weiße Marmortische und
ein paar kleinere aus grünen Smaragden, und zwei blanke Spiegel
glänzten an den beiden Enden des Zimmers, deren Rahmen mit blitzenden
Edelgesteinen eingefaßt waren. Die Wände des Zimmers waren mit
grünen Smaragden getäfelt, und hatte einen solchen Glanz nie ein
Mensch auf Erden gesehen und wird ihn auch keiner dort sehen, auch
nicht in des größten Kaisers Hause. Und in solchem Zimmer wohnte nun
der kleine Johann Dietrich, eines Tagelöhners Sohn aus Rambin, daß
man wohl sagen mag: Das Glück fängt, wem es von Gott beschert ist.
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Hier unter der Erde sah man nun freilich nie Sonne, Mond und Sterne
leuchten, und das schien allerdings ein großer Fehler zu sein. Aber
sie brauchten hier solche Lichter nicht, auch bedurften sie weder der
Wachslichter noch der Talglichter, noch der Kerzen und Öllampen und
Laternen; sie hatten andern Lichtes genug. Denn die Unterirdischen
wohnen recht eigentlich mitten unter den Edelgesteinen und sind die
Meister des reinsten Silbers und Goldes, das in der Erde wächst, und
sie haben die Kunst wohl gelernt, wie sie es hell bei sich haben
können bei Tage und bei Nacht. Eigentlich muß man hier von Tag und
Nacht nicht reden, denn die unterscheiden sie hier unten nicht, weil
keine Sonne hier auf- und untergeht, welche die Scheidung macht,
sondern sie rechnen hier nur nach Wochen. Sie setzen aber ihre
Wohnungen und die Wege und Gänge, welche sie unter der Erde
durchwandern, und die Orte, wo sie ihre großen Säle haben und ihre
Reigen und Feste halten, mit den allerkostbarsten Edelgesteinen aus,
daß es funkelt, als wäre es der ewige Tag. Einen solchen Stein hatte
der kleine Johann auch in seinem Zimmer. Das war ein auserlesener
Diamant, ganz rund und wohl so groß als eine Kugel, womit man Kegel
zu werfen pflegt. Dieser war oben in der Decke des Zimmers befestigt
und leuchtete so hell, daß er keiner andern Lampen und Lichter
bedurfte. Als Johann Frühstück gegessen hatte, öffnete der Diener ein Türchen
in der Wand, und Johanns Augen fielen hinein, und er sah die
zierlichsten goldenen und silbernen Becher und Schalen und Gefäße und
viele Körbchen voll Dukaten und Kästchen voll Kleinodien und
kostbarer Steine. Auch waren da viele liebliche Bilder und die
allersaubersten Märchenbücher mit Bildern, die er in seinem Leben
gesehen hatte. Und er wollte diesen Vormittag gar nicht ausgehen,
sondern betastete und besah sich alles und blätterte und las in den
schönen Bilderbüchern und Märchenbüchern. Und als es Mittag geworden, da klang eine helle Glocke, und der
Diener rief: "Herr, willst du allein essen oder in der großen
Gesellschaft?" Und Johann antwortete: "In der großen Gesellschaft."
Und der Diener führte ihn hinaus.
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Johann sah aber nichts als
einzelne von Edelsteinen erleuchtete Hallen und einzelne kleine
Männer und Frauen, die ihm aus Felsritzen und Steinklüften
herauszuschlüpfen schienen, und verwunderte sich, woher die Glocke
klänge, und sprach zu dem Diener: "Aber wo ist denn die
Gesellschaft?" Und als er noch fragte, so öffnete sich die Halle,
worin sie gingen, zu einer großen Weite und ward ein unendlicher Saal,
über welchen eine weite, gewölbte und mit Edelsteinen und Diamanten
geschmückte Decke gezogen war. Und in demselben Augenblick sah er
auch ein unendliches Gewimmel von zierlich gekleideten kleinen
Männern und Frauen durch viele geöffnete Türen hineinströmen, und tat
sich der Boden an vielen Stellen auf, und die niedlichsten, mit den
köstlichsten Gefäßen und schmackhaftesten Speisen und Früchten und
Weinen besetzten Tische stellten sich aneinander hin, und die Stühle
und Polster reiheten sich von selbst um die Tische, und die Männer
und Frauen nahmen Platz. Und die Vornehmsten des kleinen Völkchens
kamen und verneigten sich vor Johann und führten ihn mit sich an
ihren Tisch und setzten ihn zwischen ihre schönsten Jungfrauen, daß
er seine Lust hatte, mit den lieblichen Kindern zu sein, und es ihm
da über die Maßen wohlgefiel. Es war auch eine sehr fröhliche Tafel,
denn die Unterirdischen sind ein sehr lebendiges und lustiges
Völkchen und können nicht lange still sein. Dazu klang die
allerlieblichste Musik aus den Lüften, und die buntesten Vögel flogen
umher und sangen in gar anmutigen Tönen, die einem die Seele aus der
Brust holen konnten. Es waren aber keine lebendige Vögel, die da
sangen, sondern künstliche Vögel und künstliche Töne und von den
kleinen Männern so sinnreich gemacht, daß sie fliegen und singen
konnten. Und Johann erstaunte und entsetzte sich sehr über alle die
Wunder, die er sah, und freuete sich gewaltig. Die Diener und
Dienerinnen aber, welche bei Tische aufwarteten und Blumen streueten
und die Flur mit Rosenöl und andern Düften besprengten und die
goldenen Schalen und Becher herumtrugen und die silbernen und
kristallenen Körbe mit Früchten, waren Kinder der Menschen da droben,
welche aus Neugier oder von ungefähr unter die Kleinen geraten und
hier hinabgestiegen waren, ohne sich vorher eines Pfandes zu
bemeistern, und die also in die Gewalt der Kleinen gekommen waren,
oder die sich nächtlich und mitternächtlich unter ihre Sternenspiele
auf dem gläsernen Berge verirrt hatten. Diese waren anders gekleidet
als sie.
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So saßen sie ungefähr zwei Stunden lustig beisammen und aßen und
tranken und horchten auf die liebliche Musik, die aus den Lüften
erklang. Da klingelte der Vornehmste mit einem Glöckchen, und in
einem Hui versanken die Tische und die Stühle wieder, und alle Männer
und Frauen und Jünglinge und Jungfrauen standen da wieder auf den
Füßen. Und wieder ein zweiter Klang mit einem zweiten Glöckchen, und
wo eben die Tafeln gestanden, erhoben sich grüne Orangen- und Palmen-
und Lorbeerbäume mit Blüten und Früchten, und andere, lustigere und
klangreichere Vögel als die vorher durch die Luft geflattert hatten,
saßen in ihren Zweigen und sangen. Und sie sangen alle wie in einer
Weise und in einem Maße, und Johann sah bald, woher dies kam; denn am
Ende des Saales hoch oben an der Decke saß in einer hohlen Wand ein
eisgrauer Greis und gab den Ton an, nach welchem sie singen mußten. Sie nannten ihn ihren großen Ballmeister. Er war aber so ernst, als
er weise war, und verschwiegen wie die graue Zeit und sprach nie ein
Sterbenswort, da die andern alle wohl oft zuviel plapperten und
schwätzelten. Der alte Eisgraue droben strich nun die Geige zum Tanze, und alle die
bunten Vögel klangen den Strich nach. Es war aber ein recht
fliegender Strich, denn ihr Tanz geht immer äußerst geschwind und
lebendig. Als nun der Reigen angeklungen war, siehe, da bewegten
sich die leichten und fröhlichen Scharen und sprangen und hüpften und
drehten sich, als wenn die Welt im Wirbel auseinanderfliegen sollte. Und die kleinen hübschen und feinen unterirdischen Dirnen, die sich
neben Johann gesetzt hatten, faßten ihn auch und drehten ihn mit rund. Und er ließ es gern geschehen und tanzte mit ihnen rund wohl zwei
Stunden lang. Und diesen lustigen Tanz hat er jeden Nachmittag
mitgehalten, solange er da unten geblieben ist, und in seinem
spätesten Alter noch immer mit vielem Vergnügen davon erzählt. Er
pflegte dann zu sagen, die himmlische Freude und der Gesang und das
Saitenspiel der Engel, welche die Seligen im Himmel einst zu hoffen
hätten, mögen wohl überschwenglich schön sein; er aber könne sich
nichts Schöneres und Lieblicheres denken als die Musik dieses
unterirdischen Reigens, die schönen und beseelten kleinen Menschen,
die wunderbaren Vögel in den Zweigen mit den allerzauberischesten
Tönen und die klingenden Silberglöckchen an den Mützen. Ein Mensch,
der das nicht gesehen und gehört, könne sich gar keine Vorstellung
davon machen.
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Als die Musik schwieg und der Tanz geendigt war (das mochte wohl die
Zeit sein, die wir vier Uhr nachmittag nennen), verschwand das kleine
lustige Völkchen, die einen hiehin, die andern dahin, und jeder ging
wieder an sein Werk und seine Lust. Des Abends ward nach dem Essen
gewöhnlich ebenso gejubelt und getanzt. Des Nachts aber schlüpften
alle heraus aus den Bergen, besonders in schönen, sternhellen Nächten,
und wenn sie auf Erden etwas Besonderes zu tun hatten. Da ging aber
der kleine Johann immer ruhig schlafen und hielt, wie es einem
frommen christlichen Knaben geziemte, andächtig sein Abendgebet, und
auch des Morgens vergaß er nie zu beten. Doch nun muß ich noch mehr erzählen von den Unterirdischen, ehe ich
weiter melde, wie es unserm kleinen Johann Dietrich da unten die
folgenden Wochen und Jahre ergangen ist. Daß solche kleine Unterirdische, die man mit vielen Namen auch wohl
Braunchen, Weißchen, Elfen, Weißelfen, Schwarzelfen, Kobolde, Puke,
Heinzlein, Trolle nennt, seit uralten Zeiten unter den Bergen und
Hügeln wohnen und ihre wunderbaren kristallenen und gläsernen Häuser
haben, ist gewiß. Aber wie sie dahingekommen sind, und was es denn
eigentlich für Geister sind, und wozu der liebe Gott sie eigentlich
geschaffen hat, das hat uns bisher noch keiner sagen können. Sie
sind wohl gleich den Seelen und Herzen der Menschen von sehr
verschiedener Art, einige bös, andere gut, einige freundlich, andere
neckisch; das wird aber von allen ohne Unterschied gesagt, daß sie
sehr sinnreich und geschickt sind und die künstlichsten Werke und
Geschmeide machen können, die ihnen kein Mensch nachmachen kann, und
die von den Menschen deswegen oft für Zauberwerk und Hexenwerk
gehalten werden. Alles, was ich hier erzähle, hat Johann Dietrich
mitgebracht und es seinen Freunden erzählt und seinen Kindern so
hinterlassen. Von diesen haben es wieder andere gehört, und so hat
sich's weitererzählt bis diesen Tag. Die Unterirdischen, zu welchen Johann hinabgestiegen war, gehörten zu
den Braunen. Sie hatten auch kleine Schelmstreiche im Herzen, waren
aber im ganzen doch gutmütiger und fröhlicher Art. Die Braunen
hießen sie, weil sie braune Jäckchen und Röckchen trugen und braune
Mützen auf dem Kopf mit silbernen Glöckchen; einige trugen schwarze
Schuh mit roten Bändern, die meisten aber feine gläserne, und beim
Tanze trugen sie alle keine anderen. Sie hatten ihre Häuschen in den
Bergen; aber damit waren sie sehr geheim, und Johann Dietrich,
solange er bei ihnen gewesen, hat keine einzige ihrer Kammern gesehen.
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Er und der Diener hatten ihre Kammer hart bei der Stelle, wo der
herrliche Speise- und Tanzsaal immer kam und verschwand; er hat auch
an vielen andern Stellen schöne Hallen und offene Plätze und
liebliche Anger und Auen gesehen, aber nirgends Wohnungen; sondern
die Kleinen waren immer nur einzeln oder scharweise da, entweder daß
sie tanzten, lustwandelten oder auch geschwind vorübergingen. Und
wie sie aus den Steinen, worin sie wohnen, herauskamen und wieder
hinschwanden, das hat er mit seinen Augen nie sehen können, wie sehr
er auch oft darauf gelauscht hat; sondern sie kamen vor seinen Augen
und verschwanden wie Blitze und Scheine. Einige kleine Dirnen aber,
die ihn lieb hatten, haben ihm zugeflüstert: jeder habe sein eignes
Häuschen tief im Gestein, ein liebliches, helles, gläsernes Häuschen;
auch sei der ganze Berg durchsichtig von Anfang bis zu Ende und
eigentlich rings mit Glas umwachsen; das sei aber seinen Augen zu
sehen nicht möglich. Von diesen kleinen Unterirdischen waren die größten kaum einer Elle
lang und die Knaben und Mädchen also gar klein; aber sie waren von
Gestalt und Gebärde freundlich und schön, mit hellen, lichten Augen
und mit gar feinen und anmutigen Händchen und Füßchen. Und eben
durch diese Lieblichkeit und Freundlichkeit haben sie manches
Menschenkind verführt, daß es zu ihnen heruntergekommen ist ohne
irgend ein Pfand und Zeichen und lange Jahre da hat bleiben und
dienen müssen. Denn wenn man ein Pfand von ihnen hat, schadet es
nichts, daß man mit in dem silbernen Tönnchen hinabsteigt, und sie
müssen einen immer wieder herauslassen. Sie geben aber nicht gern
ein Pfand. Das klügste und richtigste ist, daß man mit Listen ein
Pfand von ihnen nimmt; denn dann müssen sie einem dienen, da sie
sonst gern herrschen wollen. Denn sie sind sehr herrschsüchtig, und
das ist eigentlich ihr Hauptfehler; vorzüglich herrschen sie gern
über die Menschen und bilden sich etwas darauf ein, weil die soviel
stärker und größer sind, daß sie sie mit Listen zu ihren Dienern und
Knechten machen. Das beste Pfand, das man von ihnen gewinnen kann
und wodurch man am meisten Macht über sie bekommt, ist eine braune
Mütze mit dem Glöckchen; sehr gut ist auch ein gläserner Schuh oder
eine silberne Spange, womit sie ihren Leibgürtel zu schließen pflegen. Wer die hat, der hat aller Freuden Fülle bei ihnen und ist ein
großer Gebieter.
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Ob sie auch sterben, das weiß man nicht, oder ob sie, wie einige
erzählen, wann sie alt werden wollen, sich in Steine und Bäume
verkriechen und so sich verwachsen und zu wundersamen Klängen,
Ächzern und Seufzern werden, die sich zuweilen hören lassen, ohne daß
man weiß, woher sie kommen, oder zu abenteuerlichen Knorren und
verflochtenen Schlingen, wodurch die Hexen schlüpfen sollen, wann sie
von dem wilden Jäger gejagt werden. Eine Leiche von ihnen hat keiner
gesehen, und wenn man sie darnach gefragt hat, haben sie immer so
geantwortet, als verstanden sie das Wort gar nicht. Das ist gewiß,
daß manche von ihnen über zweitausend Jahre alt sind. Da ist es denn
kein Wunder, daß man so weise Leute unter ihnen findet. Sie haben einen großen Vorteil voraus vor uns Menschenkindern, daß
sie nicht nötig haben, für das tägliche Brot zu sorgen und zu
arbeiten, denn Speise und Trank kommt ihnen von selber oder Gott weiß
durch welche wundersame Kunst, und es fehlt nie Brot und Wein und
Braten auf ihrem Tische. Auch sieht man dort unten, wo sie wohnen,
und wo hin und wieder auch weite Fluren und Felder sind, nirgends
Korn wachsen oder Vieh weiden oder Wild laufen, sondern bloß das
Allerlustigste ist zum Genuß da, nämlich die schönsten Bäume und
Reben, die mit den auserlesensten Früchten und Trauben prangen; auch
die lieblichsten Blumen in Menge, worauf so bunte Schmetterlinge
flattern, als man in dem Lande der Sonne und des Mondes nimmer sieht;
und die allerschönsten und schimmerndsten Vögel, die alle wie
Paradiesvögel und wie der Vogel Phönix aussehen, wiegen sich in den
Zweigen und singen süße Lieder. Anderes Lebendiges sieht man dort
nicht, wenn man das nicht etwas Lebendiges nennen will, daß hie und
da aus den Kristallwänden Quellen von Wein und Milch sich ergießen. So scheint dies Völkchen denn sehr glücklich zu sein und bloß für die
Freude und Lust geboren, und sie verstehen sich sehr wohl auf die
Kunst, vergnügt zu sein und ihr Leben lustig zu gebrauchen. Doch muß
man nicht glauben, daß sie nichts weiter tun als Tafel, Spiel und
Tanz halten, dann in ihre Kammern schlüpfen und schlafen und etwa die
Mitternächte über der Erde verspielen--nein, sie sind wohl die
allerregsamsten und allerfleißigsten Wesen, die man je gesehen hat.
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Gutenberg
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Niemand versteht so gut als sie das Innere der Erde und die geheimen
Kräfte der Natur und was in Bergen und Steinen und Metallen wächst,
und was in den Farben der Blumen und den Wurzeln der Bäume für Triebe
lauschen. Denn ihre Sinne sind die allerklarsten und die
allerfeinsten, viel feiner als des heitersten und hellesten Kindes,
von Menschen geboren; denn auch unsere kleinen Kindlein haben wohl
recht feine Sinne und Gedanken, welche die Erwachsenen nur nicht
immer verstehen, weil diese meistens schon wieder durch Stein und
Erde verhärtet und vergröbert sind. Die Unterirdischen haben viel
Freude an Silber und Gold und edlen Steinen und machen die
allerkünstlichsten Arbeiten daraus, so daß die besten Meister hier
oben erstaunen, wenn ein solches unterirdisches Werk hier mal gesehen
wird. Deswegen nennen viele sie auch wohl Hüter des Goldes und des
Silbers und meinen, daß sie von schlimmer Gier besessen und böse
metallische Geister sind. Die meisten, die das sagen, tun ihnen aber
unrecht, denn die weißen und braunen Unterirdischen sind wohl nicht
so gierig. Sie verschenken ja soviel Schönes an die Menschenkinder;
das würden sie aber nicht tun, wenn sie das Gold und die Edelsteine
zu lieb hätten. Sie haben es nur lieb wegen des Glanzes, denn Glanz
und Licht lieben sie über alles in der Welt. Die mit den schwarzen
Jacken und Mützen sind aber wohl geizig und überhaupt von schlimmerer
Natur als diese. Wie die Unterirdischen des Nachts aus ihren gläsernen Bergen
schlüpfen und im Mondschein und Sternenschein tanzen und sich
erlustigen, habe ich schon erzählt. Sie können sich aber auch
unsichtbar in die Häuser der Menschen schleichen; denn wenn sie ihre
Mützen aufhaben, kann sie kein Mensch sehen, er habe denn selbst eine
solche Mütze. Da sagen die Leute denn, daß sie allerlei Schalkereien
treiben, die Kinder in den Wiegen vertauschen, ja gar wegstehlen und
mitnehmen. Das ist aber gewiß nicht wahr von den Weißen und Braunen. Auch hat ihnen Gott über die Häuser und Wohnungen der Menschen keine
Gewalt gegeben, solcherlei schlimme Schalkerei zu treiben. Sie
kommen wohl in die Häuser der Menschen, sie können sich auch
verwandeln, so daß kein Schlüsselloch so klein ist, daß sie nicht
hindurchschlüpfen; aber sie tun den Menschen nichts Böses, sondern
wollen nur zuweilen sehen, was sie machen. Meistens bringen sie
ihnen was Schönes mit, besonders den Kindern, die sie sehr lieb haben.
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