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Einige von ihnen
waren wegen des Verbrechens der Widerspenstigkeit gegen seine
gesetzmäßigen Befehle wirklich unter Hörnerklang proscribirt worden und
würden ohne Besinnen jeden seiner Beamten, der sich über die
Gebirgspässe hinaus gewagt hätte, um seinen Befehl zu vollziehen, in
Stücke zerrissen haben. Die englischen Whigs wurden von ihren Gegnern
beschuldigt, daß sie bezüglich des dem Staatsoberhaupte gebührenden
Gehorsams gefährlich lockeren Prinzipien huldigten. Indessen hat kein
ehrenwerther englischer Whig jemals den Aufruhr vertheidigt, außer als
ein seltenes und extremes Mittel gegen seltene und extreme Uebel. Aber
unter den celtischen Häuptlingen, deren Loyalität das Thema so vieler
feuriger Lobpreisungen gewesen ist, gab es mehrere, deren ganze Existenz
vom Knabenalter an ein einziger langer Aufruhr war. Von solchen Männern
durfte man offenbar nicht erwarten, daß sie die Revolution in dem Lichte
betrachten würden, in welchem dieselbe einem oxforder Eidverweigerer
erschien. Auf der andren Seite wurden sie nicht, wie die eingebornen
Irländer, durch Widerwillen gegen die sächsische Oberherrschaft zur
Ergreifung der Waffen gedrängt; der schottische Celte war dieser
Herrschaft niemals unterworfen gewesen. Er bewohnte sein eignes wildes
und unfruchtbares Gebiet und beobachtete seine eigenen nationalen
Gebräuche. In seinem Verkehr mit den Sachsen war er eher der Bedrücker
als der Bedrückte. Er erpreßte Räubertribut von ihnen, entführte ihre
Schaf- und Rinderheerden, und selten wagten sie es, ihn in seine
heimathliche Wildniß zu verfolgen. Sie hatten nie sein ödes Moos- und
Kiesland unter sich vertheilt. Er hatte nie den Thurm seiner erblichen
Häuptlinge von einem Usurpator in Besitz nehmen sehen, der nicht gälisch
sprach und der auf Alle die es sprachen, wie auf rohes Sklavenvolk
herabsah, auch waren seine nationalen und religiösen Gefühle nie durch
die Macht und durch den Glanz einer Kirche beleidigt worden, die er als
eine ausländische und zugleich ketzerische betrachtete. Der wahre Grund der Bereitwilligkeit, mit der ein großer Theil der
Bevölkerung der Hochlande im Laufe des 17. Jahrhunderts zweimal für die
Stuarts das Schwert zog, ist in den inneren Zwistigkeiten zu suchen,
welche die Republik der Clans spaltete. Denn es gab eine Republik der
Clans, das verkleinerte Ebenbild der großen Republik der europäischen
Nationen. In der kleineren von diesen beiden Republiken, wie in der
größeren, gab es Kriege, Verträge, Alliancen, Streitigkeiten wegen
Gebiet und Vorrang, ein System des öffentlichen Rechts und ein
Gleichgewicht der Macht. Dabei existirte eine unerschöpfliche Quelle der
Unzufriedenheit und Zwietracht.
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Einige Jahrhunderte früher war das
Feudalsystem in das Gebirgsland eingeführt worden, hatte aber das
patriarchalische System weder vernichtet, noch sich vollständig mit
demselben amalgamirt. Gewöhnlich war Derjenige, der nach der
normännischen Verfassung Lord war, auch Häuptling nach der celtischen
Verfassung, und in diesem Falle war kein Streit. Waren aber die beiden
Charactere getrennt, so concentrirte sich der ganze willige und loyale
Gehorsam auf den Häuptling. Der Lord hatte nur das, was er durch Gewalt
erlangen und behaupten konnte. Wenn er mit Hülfe seines eignen Stammes
Pächter, die einem andren Stamme angehörten, sich unterthan zu erhalten
vermochte, so herrschte eine Tyrannei von Clan gegen Clan, vielleicht
die heftigste von allen Formen der Tyrannei. Eifersucht auf den Einfluß der Campbells. Verschiedene Stämme hatten sich zu verschiedenen Zeiten zu einem Ansehen
erhoben, das allgemeine Furcht und Neid erweckt hatte. Die Macdonalds
hatten früher einmal auf den Hebriden und in dem ganzen Gebirgslande von
Argyleshire und Inverneßshire ein Uebergewicht besessen ähnlich dem,
welches das Haus Oesterreich einst in der Christenheit besaß. Aber das
Uebergewicht der Macdonalds war, wie das des Hauses Oesterreich,
verschwunden, und die Campbell's, die Kinder Diarmid's, waren in den
Hochlanden das geworden, was die Bourbons in Europa geworden waren. Der
Vergleich könnte noch weiter fortgeführt werden. Aehnliche
Beschuldigungen wie man sie der französischen Regierung zur Last zu
legen pflegte, wurden den Campbells zur Last gelegt. Eine besondere
Gewandtheit, ein besonderer äußerer Schein von Eleganz, eine besondere
Verachtung aller eingegangenen Verpflichtungen wurden mit oder ohne
Grund dem gefürchteten Stamme zugeschrieben. »Schön und falsch wie ein
Campbell« wurde ein Sprichwort. Es hieß, ein Mac Callum More nach dem
andren habe mit unermüdlichem, gewissenlosem und unbeugsamem Ehrgeize
Berg auf Berg und Insel auf Insel zu den ursprünglichen Besitzungen
seines Hauses gehäuft. Einige Stämme waren aus ihrem Gebiet vertrieben,
andere zur Zahlung eines Tributs gezwungen, noch andere den Eroberern
einverleibt worden. So war endlich die Zahl der waffenfähigen Männer,
welche den Namen Campbell führten, stark genug, um den vereinten
Streitkräften aller übrigen weltlichen Clans im Felde die Spitze zu
bieten.[64] Während der bürgerlichen Unruhen, welche im Jahre 1638
begannen, erreichte die Macht dieser ehrgeizigen Familie ihren
Höhepunkt. Der Marquis von Argyle war ebensowohl das Oberhaupt einer
Partei wie der Häuptling eines Stammes. Im Besitze zweier verschiedenen
Arten von Autorität, bediente er sich jeder derselben in solcher Weise,
daß er damit die andre erweiterte und verstärkte.
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Der notorische
Umstand, daß er die Claymores von fünftausend halbheidnischen
Gebirgsbewohnern ins Feld bringen konnte, vermehrte seinen Einfluß bei
den strengen Presbyterianern, welche den Geheimen Rath und die
Generalversammlung von Edinburg füllten, und sein Einfluß in Edinburg
vermehrte wieder den Schrecken, den sein Name im Gebirge verbreitete. Von allen Fürsten der schottischen Hochlande, deren Geschichte uns näher
bekannt ist, war er der mächtigste und gefürchtetste. Während seine
Nachbarn die Zunahme seiner Macht mit einer Wuth beobachteten, welche
die Furcht kaum niederzuhalten vermochte, rief Montrose sie zu den
Waffen. Dem Aufrufe ward bereitwilligst Folge geleistet und eine
mächtige Coalition von Clans zog in den Krieg, dem Namen nach für König
Karl, in Wirklichkeit aber gegen Mac Callum More. Wer die Geschichte
dieses Kampfes studirt hat, wird nicht leicht zweifeln können, daß, wenn
Argyle die Sache der Monarchie unterstützt hätte, seine Nachbarn sich
gegen dieselbe erklärt haben würden. Achtbare Schriftsteller erzählen
von dem Siege, den die Royalisten bei Inverlochy über die Rebellen
erfochten. Aber die in der Nähe des Ortes wohnenden Landleute stellen
die Sache richtiger dar. Sie sprechen von der großen Schlacht, welche
dort die Macdonalds gegen die Campbells gewannen. Die Gesinnungen, welche die Koalition gegen den Marquis von Argyle
hervorgerufen hatten, bestanden noch lange nach seinem Tode in ihrer
ganzen Stärke fort. Sein Sohn, der Earl Archibald, erbte, obwohl er ein
Mann von vielen ausgezeichneten Tugenden war, mit der Macht seiner
Vorfahren zu gleicher Zeit auch die Unpopularität, die eine fast
unausbleibliche Folge einer solchen Macht war. Im Jahre 1675 bildeten
mehrere kriegslustige Stämme eine Conföderation gegen ihn, mußten sich
aber der überlegenen Macht fügen, die ihm zu Gebote stand. Es herrschte
daher von einer Meeresküste bis zur andren große Freude, als er im Jahre
1681 auf eine geringfügige Anschuldigung hin vor Gericht gestellt, zum
Tode verurtheilt, ins Exil getrieben und seiner Titel beraubt wurde. Groß war der Schrecken, als er 1685 aus der Verbannung zurückkehrte und
das feurige Kreuz aussandte, um seine Stammesgenossen unter seine Fahne
zu rufen, und wieder war große Freude, als sein Unternehmen gescheitert,
als seine Armee zusammengeschmolzen, als sein Kopf auf das Tolbooth von
Edinburg gesteckt worden war und als die Häuptlinge, die ihn als einen
Unterdrücker betrachtet, unter leichten Bedingungen von der Krone
Erlassung alter Verbindlichkeiten und Verleihung neuer Titel erlangt
hatten.
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Während England und Schottland allgemein Jakob's Tyrannei
verabscheuten, wurde er in Appin und Lochaber, in Glenroy und Glenmore
als ein Befreier verehrt.[65] Der durch die Macht und den Ehrgeiz des
Hauses Argyle erregte Haß war selbst dann noch nicht gekühlt, als das
Oberhaupt dieses Hauses hingeopfert, als seine Kinder landesflüchtig
waren, als fremde Truppen die Besatzung des Schlosses Inverary bildeten
und als das ganze Ufer des Fynesees durch Feuer und Schwert verwüstet
war. Man sagte, der schreckliche Präcedenzfall mit den Macgregors müsse
wiederholt und es als ein Verbrechen erklärt werden, den verhaßten Namen
Campbell zu tragen. Da änderte sich plötzlich Alles. Die Revolution kam und der Erbe
Argyle's kehrte triumphirend zurück. Er war, wie seine Vorgänger es
gewesen, das Oberhaupt nicht nur eines Stammes, sondern auch einer
Partei. Der Richterspruch, der ihn seines Eigenthums und seiner Titel
beraubt hatte, wurde von der Majorität der Convention für null und
nichtig angesehen. Die Thüren des Parlamentshauses wurden ihm geöffnet,
er wurde unter dem ganzen schottischen Hochadel dazu auserwählt, den
neuen Soverainen den Amtseid abzunehmen, und dazu ermächtigt, auf seinen
Besitzungen eine Armee für den Dienst der Krone auszuheben. Jetzt war er
unzweifelhaft so mächtig wie der mächtigste seiner Vorfahren. Unterstützt durch die Kraft der Regierung, verlangte er nun gewiß die
Entrichtung aller der langjährigen schweren Zins- und Tributrückstände,
die seine Nachbarn ihm schuldeten und übte Rache für alle Beleidigungen
und Schmähungen, die seine Familie erduldet hatte. Die Stewarts und Macnaghtens. Angst und Unruhe herrschte in den Schlössern von zwanzig
Miniaturkönigen. Groß war die Besorgniß der Stewarts von Appin, deren
Gebiet auf der einen Seite vom Meere und auf der andren vom Stamme
Diarmid's eingezwängt war. Noch größer war die Bestürzung bei den
Macnaghtens. Sie waren einst die Herren der schönen Thäler gewesen,
durch welche die Ara und die Shira dem Fynesee zuströmen. Aber die
Campbells hatten die Oberhand behalten. Die Macnaghtens waren zur
Unterwerfung gezwungen worden und hatten von Geschlecht zu Geschlecht
mit Furcht und Abscheu zu dem benachbarten Schlosse Inverary
emporgeblickt. Neuerdings war ihnen eine vollkommene Emancipation
versprochen worden. Eine Urkunde, kraft welcher ihrem Häuptlinge seine
Besitzungen als unmittelbares Kronlehen zugeschrieben wurden, war
ausgefertigt und harrte nur noch der königlichen Siegel, als die
Revolution plötzlich eine Hoffnung zertrümmerte, welche nahe an
Gewißheit grenzte.[66]
Die Macleans.
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Die Macleans erinnerten sich, daß die Campbells vor nicht mehr als
vierzehn Jahren in ihr Gebiet eingefallen, den Stammsitz ihres
Häuptlings genommen und eine Besatzung in denselben gelegt hatten.[67]
Noch ehe Wilhelm und Marie in Edinburg proklamirt worden, war ein
Maclean, ohne Zweifel vom Oberhaupte seines Stammes abgesandt, über das
Meer nach Dublin gekommen und hatte Jakob versichert, daß, wenn einige
Bataillone aus Irland in Argyleshire landen sollten, sich ihnen sofort
viertausendvierhundert Claymores anschließen würden.[68]
Die Camerons; Lochiel. Ein ähnlicher Geist beseelte die Camerons. Ihr Oberhaupt, Sir Ewan
Cameron von Lochiel, mit dem Beinamen der Schwarze, hatte in Bezug auf
persönliche Eigenschaften unter den celtischen Fürsten nicht seines
Gleichen. Er war ein leutseliger Gebieter, ein zuverlässiger
Bundesgenosse und ein furchtbarer Feind. Sein Gesicht und seine Haltung
waren von seltenem Adel. Einige Personen, die in Versailles gewesen
waren, darunter der kluge und beobachtende Simon Lord Lovat, meinten,
daß in Bezug auf Persönlichkeit und Manieren eine auffallende
Aehnlichkeit zwischen Ludwig XIV. und Lochiel stattfinde, und wer die
Portraits Beider mit einander vergleicht, wird bemerken, daß in der That
einige Aehnlichkeit vorhanden war. In der Statur war jedoch ein großer
Unterschied. Ludwig erreichte trotz seiner Schuhe mit hohen Absätzen und
trotz einer mächtig hohen Perrücke kaum die Mittelgröße. Lochiel war
lang und kräftig gebaut. In Behendigkeit und Geschicklichkeit im
Gebrauche der Waffen kamen ihm wenige unter den Gebirgsbewohnern gleich. Er hatte mehr als einmal im Einzelkampfe gesiegt und war ein weit und
breit berühmter Jäger. Er führte einen energischen Krieg gegen die
Wölfe, welche bis zu seiner Zeit das Hochwild der Grampians zerrissen,
und von seiner Hand fiel der letzte des blutdürstigen Gezüchts, das
bekanntermaßen über unsre ganze Insel verbreitet war. Auch zeichnete
sich Lochiel nicht weniger durch geistige wie durch körperliche Kräfte
aus. Einem gebildeten und vielgereisten Engländer, der in Westminster
unter Busby und in Oxford unter Aldrich die Classiker studirt, der im
Umgange mit Mitgliedern der königlichen Societät etwas von den
Wissenschaften und in den Galerien von Florenz und Rom etwas von den
schönen Künsten gelernt hatte, würde er allerdings wohl unwissend
erschienen sein. Aber obwohl Lochiel wenig Bücherkenntnisse besaß, so
war er doch ungemein verständig bei Berathungen, beredtsam in der
Debatte, erfinderisch in Auskunftsmitteln und geschickt in der Leitung
des menschlichen Characters. Sein Verstand bewahrte ihn vor den
Thorheiten, zu denen sich seine Bruderhäuptlinge oftmals durch Stolz und
Zorn hinreißen ließen.
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Daher nannten Viele, die seine Bruderhäuptlinge
als bloße Barbaren betrachteten, seinen Namen mit Achtung. Selbst bei
der holländischen Gesandtschaft am St. James Square sprach man von ihm
als von einem Manne, der an Einsicht und Muth nicht leicht seines
Gleichen finden dürfte. Als Beschützer der Literatur kann er dem
freigebigen Dorset zur Seite gestellt werden. Wie Dorset aus seiner
Tasche Dryden eine Pension aussetzte, die seinem Einkommen als Hofpoet
gleichkam, so soll Lochiel einem berühmten Barden, der von Räubern
ausgeplündert worden und der in einer rührenden gälischen Ode um Almosen
bat, drei Kühe und die kaum glaubliche Summe von fünfzehn Pfund Sterling
geschenkt haben. Der Character dieses großen Häuptlings war in der That
schon zweitausendfünfhundert Jahre vor seiner Geburt geschildert worden,
und zwar -- so groß ist die Macht des Genies -- mit Farben, welche eben
so viele Jahre nach seinem Tode noch frisch sein werden. Er war der
Ulysses der Hochlande.[69]
Er war Herr über ein großes Gebiet, bevölkert von einem Stamme, der
keinen andren Gebieter, keinen andren Gott verehrte als ihn. Für dieses
Gebiet war er jedoch dem Hause Argyle lehnspflichtig. Er war
verpflichtet, seinem Lehnsherrn im Kriege beizustehen und ihm einen
hohen Grundzins zu bezahlen. Diese Vasallenschaft hatte er allerdings
schon in früher Jugend als erniedrigend und ungerecht betrachten
gelernt. Während seiner Minderjährigkeit hatte er unter der
Vormundschaft des klugen Marquis gestanden und war auf dem Schlosse
Inverary erzogen worden. Mit dem achtzehnten Jahre aber riß sich der
Knabe von der Autorität seines Vormundes los und focht tapfer für Karl
I. wie für Karl II. Er wurde daher von den Engländern als ein Cavalier
betrachtet, nach der Restauration in Whitehall gut aufgenommen und von
Jakob's Hand zum Ritter geschlagen. Das Compliment jedoch, welches ihm
bei einem seiner Besuche am englischen Hofe gemacht wurde, würde einem
Sachsen nicht sehr schmeichelhaft erschienen sein. »Nehmen Sie Ihre
Taschen in Acht, Mylords,« rief Se. Majestät, »hier kommt der König der
Diebe.« Die Loyalität Lochiel's ist fast sprichwörtlich, aber sie war
dem was man in England Loyalität nannte, ganz unähnlich. In den
Protokollen des schottischen Parlaments war er zu den Zeiten Karl's II. als ein gesetzloser und rebellischer Mann geschildert, der aus eigner
Machtvollkommenheit und mit souverainer Verachtung der königlichen
Autorität Ländereien besitze.[70] Einmal erhielt der Sheriff von
Inverneßshire von König Jakob Befehl, in Lochaber einen Gerichtstag zu
halten.
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Lochiel, eifersüchtig auf diese Einmischung in seinen
patriarchalischen Despotismus, erschien bei der Gerichtsverhandlung an
der Spitze von vierhundert bewaffneten Camerons. Er affectirte große
Achtung vor dem königlichen Befehl, ließ aber einige Worte fallen,
welche von den Pagen und Waffenträgern, die jeden seiner Blicke scharf
beobachteten, vollkommen verstanden wurden. »Ist keiner meiner Burschen
so gut, diesen Richter zum Teufel zu jagen? Ich habe sie schon Händel
anfangen sehen, wo es weniger nöthig war.« Im nächsten Augenblicke
begann ein Zanken und Streiten unter der Menge, man wußte nicht wie oder
wo. Hunderte von Dolchen blitzten, das Geschrei »Hülfe!« und »Mörder!«
ertönte von allen Seiten, es kamen zahlreiche Verwundungen vor, zwei
Menschen wurden getödtet, die Sitzung wurde in tumultuarischer
Verwirrung aufgehoben und der geängstigte Sheriff mußte sich unter den
Schutz des Häuptlings stellen, der ihn mit einem plausiblen Anschein von
Achtung und Theilnahme sicher nach seiner Wohnung geleitete. Man muß
lachen, wenn man daran denkt, daß der Mann, der diese That verübte, von
Schriftstellern, welche Somers und Burnet als Verächter der legitimen
Autorität der Landesherren tadeln, beständig als der zuverlässigste und
pflichtgetreueste Unterthan gerühmt wird. Lochiel würde allerdings die
Lehre vom Nichtwiderstande höhnend verlacht haben. Aber es gab kaum
einen andren Häuptling in Inverneßshire, der durch den Sturz des Hauses
Argyle mehr als er gewonnen oder triftigeren Grund gehabt hätte, die
Restauration dieses Hauses zu fürchten. Die Maßnahmen der Convention
konnten daher kaum einen andren Häuptling in Inverneßshire mehr
beunruhigen und ärgern als ihn. Die Macdonalds. Doch unter allen den Hochländern, welche die neueste Wendung des
Geschicks mit peinlicher Besorgniß betrachteten, waren die Macdonalds
die heftigsten und mächtigsten. Mehr als einer von den Magnaten, welche
diesen weitverbreiteten Namen führten, machte Anspruch auf die Ehre, der
rechtmäßige Nachfolger der Lords der Inseln zu sein, die noch im 15. Jahrhundert den Königen von Schottland den Vorrang streitig gemacht
hatten. Dieser genealogische Streit, der bis auf unsre Zeit gewährt hat,
verursachte viel Hader unter den Betheiligten. Alle aber stimmten darin
überein, daß sie den früheren Glanz ihrer Dynastie zurückwünschten und
das emporgekommene Geschlecht Campbell verabscheuten. Die alte Fehde
hatte niemals geruht.
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Noch fortwährend wurde in Versen wie in Prosa
wiederholt, daß der schönste Theil des den ehemaligen Oberhäuptern der
gälischen Nation gehörenden Gebiets, Islay, wo sie mit königlicher
Pracht gewohnt hatten, Jona, wo sie mit religiösem Pomp bestattet worden
waren, die Berge von Jura, die reiche Halbinsel Kintyre, von den
rechtmäßigen Besitzern auf den unersättlichen Mac Callum More
übergegangen seien. Seit dem Sturze des Hauses Argyle konnten die
Macdonalds, wenn sie auch ihre sonstige Macht nicht wiedererlangt
hatten, sich wenigstens rühmen, daß gegenwärtig ihnen Niemand überlegen
war. Von der Furcht vor ihrem mächtigen Feinde im Westen befreit, hatten
sie ihre Waffen gegen schwächere Feinde im Osten, gegen den Clan
Mackintosh und gegen die Stadt Inverneß gerichtet. Fehde zwischen den Macdonalds und den Mackintoshs. Inverneß. Der Clan Mackintosh, ein Zweig eines alten und berühmten Stammes, der
seinen Namen und sein Wappen von der wilden Katze der Wälder entlehnte,
hatte einen Streit mit den Macdonalds, der sich, wenn man der Tradition
glauben darf, aus den finsteren Zeiten herschrieb, wo die dänischen
Seeräuber die Küsten Schottland's verwüsteten. Inverneß war eine
sächsische Colonie unter den Celten, ein Bienenstock von Kaufleuten und
Handwerkern inmitten einer Bevölkerung von Müßiggängern und Plünderern,
ein einsamer Posten der Civilisation in einer Region von Barbaren. Obgleich die Gebäude nur einen kleinen Theil des Flächenraumes
bedeckten, den sie gegenwärtig einnehmen; obgleich die Ankunft einer
Brigg im Hafen ein seltenes Ereigniß war; obgleich die Börse den
Mittelpunkt einer schmutzigen Straße bildete, in der ein Marktkreuz
stand, das große Aehnlichkeit mit einem zerbrochenen Meilenzeiger hatte;
obgleich die Sitzungen des Gemeinderaths in einem armseligen Gebäude mit
schmucklosen Wänden gehalten wurden; obgleich die besten Häuser von der
Art waren, daß sie jetzt bloße Hütten genannt werden würden; obgleich
die besten Dächer von Stroh waren; obgleich die besten Zimmerdecken aus
rohem Gebälk bestanden; obgleich die besten Fenster wegen mangelnder
Scheiben bei schlechtem Wetter mit Läden verschlossen wurden; obgleich
die geringeren Wohnungen bloße Erdhütten waren, in denen Fässer mit
ausgeschlagenem Boden die Stelle der Kamine vertraten, so war doch diese
Stadt in den Augen des Gebirgsbewohners der Grampians wie ein Babylon
oder Tyrus. Nirgend anderwärts hatte er mehrere hundert Häuser, zwei
Kirchen und ein Dutzend Malzdarren beisammengesehen. Nirgend anderwärts
war er durch den Glanz von Budenreihen geblendet worden, wo Messer,
Hornlöffel, zinnerne Kessel und bunte Bänder zum Verkauf ausgestellt
waren.
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Nirgend anderwärts war er an Bord eines der gewaltigen Schiffe
gewesen, welche Wein und Zucker aus Ländern brachten, die weit über die
Grenzen seiner Geographie hinaus lagen.[71] Es kann nicht Wunder nehmen,
daß die stolzen und kriegerischen Macdonalds, welche zwar die friedliche
Industrie verachteten, denen aber nach den Früchten dieser Industrie
gelüstete, mit den Bewohnern von Inverneß eine Reihe von Händeln
anfingen. Unter der Regierung Karl's II. hatte man gefürchtet, daß die
Stadt von diesen rohen Nachbarn erstürmt und geplündert werden würde. Die Friedensbedingungen, welche sie anboten, bewiesen, wie wenig sie
nach der Autorität des Fürsten und des Gesetzes fragten. Sie verlangten,
daß ihnen ein schwerer Tribut bezahlt werden, daß die Municipalbehörden
sich eidlich verpflichten sollten, jeden Bürger, der das Blut eines
Macdonald vergösse, der Rache des Clans auszuliefern, und daß jeder
Bürger, sobald er irgendwo Jemandem begegnete, der den Tartan der
Macdonalds trüge, zum Zeichen seiner Unterwerfung die Waffen strecken
solle. Nie hatte Ludwig XIV., selbst nicht als er zwischen Utrecht und
Amsterdam lagerte, die Generalstaaten mit so despotischem Uebermuthe
behandelt.[72] Durch die Vermittelung des schottischen Geheimraths kam
ein Vergleich zu Stande; aber die alte Feindschaft verminderte sich
nicht. Inverneß wird von Macdonald von Keppoch bedroht. Gemeinsame Feindschaften und gemeinsame Befürchtungen erzeugten ein
gutes Einvernehmen zwischen der Stadt und dem Clan Mackintosh. Der
Feind, den Beide am meisten haßten und fürchteten, war Colin Macdonald
von Keppoch, ein Musterexemplar von ächtem hochländischen Jakobiten. Keppoch hatte Zeit seines Lebens die Autorität der Krone verhöhnt und
sich derselben widersetzt. Er war zu wiederholten Malen bei seiner
Unterthanenpflicht aufgefordert worden, von seinem gesetzwidrigen
Treiben abzulassen, hatte aber jede solche Ermahnung mit Verachtung
behandelt. Die Regierung wollte jedoch nicht zu extremen Maßregeln gegen
ihn greifen, und er herrschte noch lange ungestört über die stürmischen
Berggipfel von Coryarrick und über die gigantischen Terrassen, welche
noch jetzt die Grenzen des einstigen Sees von Glenroy bezeichnen. Er war
berühmt wegen seiner Kenntniß aller Schluchten und Höhlen dieser
traurigen Gegend, und seine Geschicklichkeit, eine Viehheerde bis in die
entlegensten Schlupfwinkel zu verfolgen, war so groß, daß man ihm den
Beinamen »Coll der Kühe« gegeben hatte.[73] Endlich zwangen seine
frechen Verletzungen des Gesetzes den Geheimrath, energische Maßregeln
gegen ihn zu ergreifen.
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Er wurde für einen Rebellen erklärt, Androhungen
von Feuer und Schwert wurden unter dem Siegel Jakob's gegen ihn
erlassen, und wenige Wochen vor der Revolution rückte ein königliches
Truppencorps, unterstützt durch die gesammte Streitmacht der
Mackintoshs, in Keppoch's Gebiet ein. Er lieferte den Eingedrungenen
eine Schlacht und siegte. Die Truppen des Königs wurden in die Flucht
geschlagen, ihr Anführer wurde getödtet, und zwar durch einen Helden,
dessen Loyalität gegen den König viele Schriftsteller sehr wohlgefällig
dem factiösen Ungestüm der Whigs gegenübergestellt haben.[74]
Wenn Keppoch jemals die geringste Ehrfurcht vor der Regierung gehabt
hatte, so wurde dieses Gefühl durch die allgemeine Anarchie, welche auf
die Revolution folgte, völlig in ihm erstickt. Er verwüstete das Gebiet
Mackintosh's, marschirte gegen Inverneß und drohte der Stadt mit
Zerstörung. Die Gefahr war groß. Die Häuser waren nur von einer Mauer
umgeben, auf welche Zeit und Wetter so verderblich eingewirkt hatten,
daß sie bei jedem Sturme wankte. Dennoch zeigten die Einwohner einen
kecken Trotz und ihr Muth wurde durch ihre Prediger angefeuert. Sonntag
der 28. April war ein Tag der Angst und Verwirrung. Die Wilden streiften
um die kleine sächsische Colonie herum wie eine Heerde hungriger Wölfe
um eine Schafhürde. Keppoch drohte und bramarbasirte, er werde mit allen
seinen Leuten in die Stadt dringen und sie plündern. Inzwischen
versammelten sich die Bürger bewaffnet auf dem Marktplatze, um die Reden
ihrer Geistlichen anzuhören. Der Tag verging, ohne daß ein Sturm
erfolgte, und der Montag und Dienstag verstrichen unter großer Angst. Da
erschien ein unerwarteter Vermittler. Dundee erscheint in Keppoch's Lager. Dundee hatte sich nach seiner Flucht von Edinburg auf seinen Landsitz in
dem Thale zurückgezogen, durch welches der Glamis dem ehemaligen
Schlosse Macbeth's zuströmt. Dort blieb er einige Zeit ruhig. Er
betheuerte, daß er nicht die Absicht habe, sich der neuen Regierung zu
widersetzen, er erklärte sich bereit nach Edinburg zurückzukehren, wenn
er nur gewiß sein dürfe, gegen ungesetzliche Gewalt geschützt zu werden,
und er erbot sich, sein Ehrenwort zu geben, oder, wenn dies nicht
genüge, Caution zu erlegen, daß er sich ruhig verhalten wolle. Einige
von seinen alten Soldaten hatten ihn begleitet und bildeten eine
Besatzung von hinreichender Stärke, um sein Haus gegen die
Presbyterianer der Umgegend zu beschützen.
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Hier hätte er möglicherweise
unbehelligt und harmlos bleiben können, wenn nicht ein Vorfall, für den
er nicht verantwortlich war, seine Feinde unversöhnlich gemacht und ihn
zur Verzweiflung getrieben hätte.[75]
Ein Emissär Jakob's war mit Briefen an Dundee und Balcarras von Irland
nach Schottland hinübergefahren. Dies erweckte Verdacht. Der Bote wurde
festgenommen, verhört und durchsucht und die Briefe bei ihm gefunden. Einige davon gingen von Melfort aus und waren seiner würdig. Jede Zeile
verrieth die Eigenschaften, die ihn zu einem Gegenstande des Abscheus
für sein Vaterland und zum Liebling seines Gebieters gemacht hatten. Er
verkündete jubilirend den nahen Anbruch des Tages der Rache und der
Beraubung, des Tages, an welchem das Eigenthum der Rebellen unter die
Loyalen vertheilt und wo Viele, welche angesehen und reich gewesen,
Verbannte und Bettler sein würden. Der König, sagte Melfort, sei
entschlossen, Strenge zu üben. Die Erfahrung habe Seine Majestät endlich
zu der Ueberzeugung gebracht, daß Milde Schwäche sein würde. Selbst die
Jakobiten ersahen mit Entrüstung aus den Briefen, daß eine Restauration
Confiscationen und Proscriptionen zur unmittelbaren Folge haben würde. Einige von ihnen nahmen keinen Anstand es auszusprechen, daß Melfort ein
Schurke sei, daß er Dundee und Balcarras hasse, daß er sie verderben
wolle und daß er zu dem Ende diese abscheulichen Depeschen geschrieben
und sich eines Boten bedient habe, der es sehr geschickt einzurichten
gewußt, daß er ergriffen wurde. Es ist jedoch ausgemacht, daß Melfort
auch nach der Veröffentlichung dieser Papiere so hoch als je zuvor in
Jakob's Gunst stand. Daher kann es kaum einem Zweifel unterliegen, daß
der Sekretär selbst in den Stellen, welche die eifrigen Vertheidiger des
erblichen Rechts empörten, nur die Gesinnungen und Absichten seines
Gebieters treulich wiedergab.[76] Hamilton befahl kraft der Vollmachten,
welche die Stände vor ihrer Vertagung ihm ertheilt hatten, Balcarras und
Dundee zu verhaften. Balcarras wurde festgenommen und zuerst in seinem
eigenen Hause und dann in dem Tolbooth von Edinburg internirt. Aber
Dundee's habhaft zu werden war nicht so leicht. Sobald er erfuhr, daß
Verhaftsbefehle gegen ihn erlassen waren, ging er mit seinen Anhängern
über den Dee und blieb kurze Zeit auf den unwirthbaren Besitzungen des
Hauses Gordon. Von hier aus setzte er sich mit den Macdonalds und
Camerons wegen eines Aufstandes in Communication. Er scheint jedoch
damals von den Hochländern wenig gewußt und sich wenig um sie gekümmert
zu haben.
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Gegen ihren Nationalcharacter empfand er wahrscheinlich die
Abneigung des Sachsen und gegen ihren militärischen Character die
Geringschätzung des Soldaten von Profession. Er kehrte bald in das
Niederland zurück und blieb dort bis er erfuhr, daß ein starkes
Truppencorps ausgesandt war, um sich seiner zu bemächtigen.[77] Jetzt
zog er sich in die Gebirgsgegend, als seine letzte Zufluchtsstätte,
eilte nordwärts durch Strathdon und Strathbogie, ging über den Spey und
kam am Morgen des 1. Mai mit einem kleinen Reitertrupp in Keppoch's
Lager vor Inverneß an. Die neue Lage, in welche Dundee jetzt versetzt war, die neuen
Aussichten, die sich ihm eröffneten, weckten in seinem erfinderischen
und unternehmenden Kopfe natürlich neue Pläne. Die Hunderte von
athletischen Celten, die er in ihrer nationalen Schlachtordnung sah,
waren offenbar keine zu verachtenden Bundesgenossen. Wenn er eine große
Koalition von Clans bilden, wenn er zehn- oder zwölftausend dieser
entschlossenen Krieger unter eine Fahne bringen, wenn er sie überreden
konnte, sich dem Zügel der Disciplin zu unterwerfen, welch' eine
Laufbahn stand ihm dann bevor! Ein Patent von König Jakob war, selbst als König Jakob fest auf dem
Throne saß, vom Coll der Kühe niemals sonderlich respectirt worden. Dieser Häuptling haßte jedoch die Campbells mit der ganzen Gluth eines
Macdonald und erklärte sofort seinen Anschluß an die Sache des Hauses
Stuart. Dundee nahm es auf sich, den Streit zwischen Keppoch und
Inverneß zu schlichten. Die Stadt willigte ein, zweitausend Dollars zu
bezahlen, eine Summe, die, so klein sie in den Augen der Goldschmiede
von Lombard Street erscheinen mochte, wahrscheinlich jeden Schatz
überstieg, der je in die Einöden von Coryarrick gebracht worden war. Die
Hälfte der Summe wurde nicht ohne Mühe von den Einwohnern
zusammengebracht und für den Rest soll Dundee sein Wort verpfändet
haben.[78]
Er versuchte nun zunächst, die Macdonalds mit den Mackintoshs
auszusöhnen und schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß die beiden
kriegerischen Stämme, welche noch unlängst einander feindlich
gegenübergestanden hatten, geneigt sein würden, unter seinem Commando
nebeneinander zu kämpfen. Doch er überzeugte sich bald, daß es kein
leichtes Ding war, eine Fehde zwischen Hochländern zu schlichten. Von
den Rechten der streitenden Könige wußte keiner der beiden Clans etwas,
noch kümmerte er sich darum. Das Benehmen beider muß örtlichen
Leidenschaften und Interessen zugeschrieben werden. Was Argyle für
Keppoch war, das war Keppoch für die Mackintoshs. Die Mackintoshs
blieben daher neutral, und ihrem Beispiele folgten die Macphersons, ein
andrer Zweig des Stammes der wilden Katze.
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Dies war nicht Dundee's
einzige Enttäuschung. Die Mackenzies, die Frasers, die Grants, die
Munros, die Mackays, die Macleods wohnten in großer Entfernung von dem
Gebiete Mac Callum More's. Sie lagen nicht im Streit mit ihm, schuldeten
ihm nichts und hatten keinen Grund, die Vergrößerung seiner Macht zu
fürchten. Daher sympathisirten sie nicht mit seinen beunruhigten und
aufgebrachten Nachbarn und konnten nicht dazu bewegen werden, dem
Bündnisse gegen ihn sich anzuschließen.[79]
Aufstand der den Campbells feindlichen Clans. Diejenigen Häuptlinge hingegen, welche näher bei Inverary wohnten und
die den Namen Campbell seit langer Zeit fürchteten und haßten, hießen
Dundee freudig willkommen und versprachen, am 18. Mai an der Spitze
ihrer Leute zu ihm zu stoßen. Während der letzten zwei Wochen vor diesem
Tage durchzog er Badenoch und Athol und forderte die Bewohner dieser
Districte zur bewaffneten Erhebung auf. Dann stürmte er mit seinen
Reitern in das Niederland hinab, überrumpelte Perth und führte einige
Whiggentlemen als Gefangene mit sich ins Gebirge. Unterdessen waren die
Feuerkreuze von Ort zu Ort über alle Haiden und Berge dreißig Meilen im
Umkreise von Ben Nevis gewandert, und als er den Sammelplatz in Lochaber
erreichte, sah er, daß der Zuzug bereits begonnen hatte. Das
Hauptquartier war nahe bei Lochiel's Hause aufgeschlagen, einem großen,
ganz aus Tannenholz gezimmerten Gebäude, das in den Hochlanden für einen
prächtigen Palast galt. Hier empfing Lochiel, umgeben von sechshundert
Kriegern, seine Gäste. Macnaghten von Macnaghten und Stewart von Appin
hatten sich mit ihren kleinen Clans eingefunden. Macdonald von Keppoch
führte die Krieger, welche einige Monate vorher unter seinem Commando
die Musketiere König Jakob's in die Flucht geschlagen hatten. Macdonald
von Clanronald stand noch in zartem Alter, aber sein Oheim, der während
seiner Minderjährigkeit die Regentschaft führte, hatte ihn ins Lager
gebracht. Der Jüngling war von einer auserlesenen Leibgarde begleitet,
bestehend aus seinen Vettern, lauter stattlichen Leuten und kräftigen
Fäusten. Macdonald von Glengarry, der sich durch seine dunklen Brauen
und durch seine hohe Gestalt auszeichnete, kam aus dem großen Thale, wo
eine Kette von Seen, welche außerhalb des Landes damals noch unbekannt
und auf keiner Karte angegeben waren, gegenwärtig die tägliche Straße
für die Dampfschiffe bildet, die zwischen dem atlantischen und dem
deutschen Ocean hin und her fahren. Keiner von den Beherrschern der
Berge hatte eine höhere Meinung von seiner persönlichen Wichtigkeit und
lag häufiger mit anderen Häuptlingen in Streit als dieser.
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Er pflegte in
seinen Manieren und in seinem Hauswesen eine Rohheit zur Schau zu
tragen, welche die seiner rohen Nachbarn noch übertraf, und erklärte,
daß er die wenigen Luxusgegenstände, welche aus den civilisirten Theilen
der Erde ihren Weg in die Hochlande gefunden, als Zeichen der
Verweichlichung und Entartung der gälischen Race betrachte. Diesmal
hatte er es für gut befunden, den Glanz der sächsischen Krieger
nachzuahmen, denn er ritt an der Spitze seiner vierhundert mit Plaids
bekleideten Clansleute in einem stählernen Küraß und einem mit Gold
gestickten Rocke. Ein andrer Macdonald, der ein beklagenswerthes und
entsetzliches Ende nehmen sollte, hatte einen Trupp verwegener
Freibeuter aus dem traurigen Gebirgspasse Glencoe herbeigeführt. Etwas
später kamen die großen Potentaten von den Hebriden. Macdonald von
Sleat, der reichste und mächtigste von allen Großen, welche auf den
hohen Titel des Lords der Inseln Anspruch machten, kam von Sky an der
Spitze von siebenhundert Streitern. Eine Flotte von langen Böten brachte
fünfhundert Macleans von Mull unter dem Commando ihres Häuptlings Sir
Johann von Duart. In alten Zeiten hatte eine weit stärkere Streitmacht
seine Vorfahren in die Schlacht begleitet. Aber die Macht, wenn auch
nicht der Muth des Clans war durch die Arglist und durch die Waffen der
Campbells gebrochen worden. Eine andre Schaar Macleans kam unter einem
tapferen Anführer, der sich nach dem Lochbuy nannte, was so viel heißt
als gelber See.[80]
Tarbet's Rath für die Regierung. Es scheint nicht, daß ein einziger Häuptling, der keinen speciellen
Grund hatte, das Haus Argyle zu fürchten und zu hassen, Dundee's Aufruf
Folge leistete. Man hat sogar starken Grund zu glauben, daß selbst die
Häuptlinge, welche kamen, ruhig zu Haus geblieben sein würden, wenn die
Regierung die Politik der Hochlande verstanden hätte. Nur ein
talentvoller und erfahrener Staatsmann, welcher der vornehmen
hochländischen Familie der Mackenzie entsprossen war, der Viscount
Tarbet, verstand diese Politik gründlich. Er setzte damals Melville
brieflich und Mackay mündlich nicht nur die Ursachen der krankhaften
Zustände auseinander, welche die Calamitäten des Bürgerkriegs über
Schottland zu bringen drohten, sondern gab auch die Heilmittel dagegen
an. Die Gälen, sagt Tarbet, seien keineswegs allgemein für einen
Aufstand eingenommen. Selbst von denjenigen papistischen Clans, welche
keinen Grund hätten, die Unterwerfung unter das Joch der Campbells zu
fürchten, sei wenig zu besorgen. Es sei notorisch, daß auch die
talentvollsten und rührigsten unter den mißvergnügten Häuptlingen sich
um die zwischen den Whigs und Tories obschwebenden Streitfragen gar
nicht kümmerten.
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Lochiel insbesondere, den seine ausgezeichneten
persönlichen Eigenschaften zu dem bedeutendsten Manne unter den
Gebirgsbewohnern machten, frage nach Jakob eben so wenig etwas wie nach
Wilhelm. Wenn die Camerons, die Macdonalds und die Macleans überzeugt
werden könnten, daß ihre Güter und Ehrenstellen ihnen unter der neuen
Regierung gesichert blieben, wenn Mac Callum More einige Zugeständnisse
mache und Ihre Majestäten die Bezahlung einiger Pachtrückstände
übernähmen, so würde Dundee die Clans mit wenig Erfolg zu den Waffen
rufen. Fünftausend Pfund Sterling, meinte Tarbet, würden hinreichen, um
alle celtischen Magnaten zu beschwichtigen, und in der That, obgleich
diese Summe den Politikern von Westminster lächerlich klein vorkommen
mochte, obgleich sie nicht größer war als der jährliche Gehalt des
Oberkammerherrn oder des Kriegszahlmeisters, war sie doch enorm für
einen rohen Potentaten, der zwar über Hunderte von Quadratmeilen
herrschte und Hunderte von Kriegern ins Feld stellen konnte, aber
vielleicht niemals fünfzig Guineen auf einmal in seiner Geldkasse gehabt
hatte.[81]
Obwohl Tarbet von den schottischen Ministern der neuen Souveraine für
einen sehr zweifelhaften Freund gehalten wurde, so verschmähte man
seinen Rath doch nicht ganz. Es wurde beschlossen, den Mißvergnügten
Propositionen zu machen, welche er angerathen hatte. Viel hing dabei von
der Wahl eines Agenten ab, und leider bewies die getroffene Wahl, wie
wenig die Vorurtheile der wilden Gebirgsstämme in Edinburg verstanden
wurden. Ein Campbell wurde dazu ausersehen, für die Sache des Königs
Wilhelm Männer zu gewinnen, deren Groll gegen den König Wilhelm einzig
und allein den Grund hatte, daß er die Campbells begünstigte. Anerbietungen, welche durch eine solche Mittelsperson gemacht wurden,
mußten natürlich als Schlinge und zugleich als Beleidigungen betrachtet
werden. Unter solchen Umständen war es unnütz, daß Tarbet an Lochiel und
Mackay an Glengarry schrieb. Lochiel antwortete Tarbet gar nicht, und
Glengarry gab Mackay eine zwar artige, aber kalte Antwort, in welcher er
dem General rieth, das Beispiel Monk's nachzuahmen.[82]
Unentschiedener Feldzug in den Hochlanden. Inzwischen vergeudete Mackay einige Wochen mit Märschen, Contremärschen
und unentschiedenen Scharmützeln. Späterhin gestand er ehrlich ein, daß
die Kenntnisse, die er sich während seiner dreißigjährigen
Militärdienste auf dem Continent erworben, ihm in seiner damaligen neuen
Stellung nichts nützten. Es war schwer, in einem solchen Lande den Feind
zu verfolgen, und unmöglich war es, ihn dahin zu bringen, daß er eine
offene Schlacht annahm.
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Nahrung für ein Invasionsheer war in der
waldigen und steinigen Wildniß nicht zu finden; eben so wenig konnten
Lebensmittel für viele Tage weit über weiche Sümpfe und steile Anhöhen
transportirt werden. Der General überzeugte sich, daß er seine Leute und
ihre Pferde fast zu Tode ermüdet und doch nichts erreicht hatte. Hochländische Hülfstruppen würden ihm von großem Nutzen gewesen sein;
allein er hatte wenig solche Hülfstruppen. Der Häuptling der Grants, den
die vorige Regierung verfolgt und der Conspiration mit dem unglücklichen
Earl von Argyle angeklagt hatte, war zwar ein warmer Freund der
Revolution. Zweihundert Mackay's kamen, wahrscheinlich unter dem
Einflusse von verwandtschaftlichen Gefühlen, aus dem äußersten Norden
unsrer Insel, wo es in der Mitte des Sommers keine Nacht giebt, um unter
einem Anführer ihres Namens zu kämpfen; im Allgemeinen aber erwarteten
die Clans, die sich nicht an dem Aufstande betheiligten, den Ausgang mit
kalter Gleichgültigkeit und schmeichelten sich mit der Hoffnung, daß es
ihnen leicht werden würde, sich mit den Siegern auszusöhnen und daß sie
an der Plünderung der Besiegten würden Theil nehmen dürfen. Eine Erfahrung von wenig mehr als einem Monat überzeugte Mackay, daß es
nur ein Mittel gab, durch welches die Hochlande unterworfen werden
konnten. Es war nutzlos, die Gebirgsbewohner Berg auf Berg ab zu
verfolgen. Eine Reihe von Festungen mußte an den wichtigsten Punkten
errichtet und mit starken Besatzungen versehen werden. Der Ort, mit dem
der General vorschlug den Anfang zu machen, war Inverlochy, wo die
gewaltigen Ueberreste eines alten Schlosse standen und noch stehen. Dieser Posten lag nahe an einem Meeresarme und im Herzen des von den
mißvergnügten Clans bewohnten Landes. Ein dort stationirtes und
nöthigenfalls durch Kriegsschiffe unterstütztes starkes Truppencorps
hätte zu gleicher Zeit die Macdonalds, die Camerons und die Macleans
wirksam in Schach halten können.[83]
Während Mackay in seinen Briefen an den Staatsrath zu Edinburg die
Nothwendigkeit vorstellte, auf diesen Plan einzugehen, hatte Dundee mit
Schwierigkeiten zu kämpfen, welche all' seine Energie und
Geschicklichkeit nicht völlig zu bewältigen vermochte. Militärischer Character der Hochländer. So lange die Hochländer noch eine Nation waren, die ihre eigenthümliche
Verfassung hatte, waren sie in einem Sinne brauchbarer und in einem
andren Sinne unbrauchbarer für militärische Zwecke als irgend eine andre
Nation in Europa. Der Celte als Individuum eignete sich moralisch und
physisch trefflich für den Krieg, und ganz besonders für den Krieg in
einem so wilden und rauhen Lande wie das seine.
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Er war unerschrocken,
kräftig, leichtfüßig und ertrug ohne Murren Kälte, Hunger und
Anstrengungen. Ueber steile Felsen und verrätherische Sümpfe bewegte er
sich eben so leicht wie die französischen Haustruppen auf der Straße von
Versailles nach Marly. Er war an den Gebrauch der Waffen und an den
Anblick des Blutes gewöhnt; er war ein geübter Fechter und Schütze, und
bevor er jemals in Reih' und Glied gestanden, war er schon mehr als ein
halber Soldat. Wie der einzelne Celte leicht in einen Soldaten zu verwandeln war,
ebenso war ein ganzer Stamm von Celten leicht in ein Bataillon Soldaten
zu verwandeln. Es bedurfte dazu nichts weiter, als daß die militärische
Organisation mit der patriarchalischen Organisation in Einklang gebracht
wurde. Der Häuptling mußte Oberst, sein Oheim oder sein Bruder mußte
Major, die Pächter, welche gleichsam die Peerschaft des kleinen Staates
bildeten, mußten die Hauptleute sein und die Compagnie jedes Hauptmanns
mußte aus denjenigen Bauern bestehen, die auf seinem Grund und Boden
wohnten und deren Namen, Gesichter, Verwandten und Charactere er genau
kannte; die Unteroffiziere mußten aus den auf die Adlerfeder stolzen
Duinhe Wassels gewählt sein, der Waffenträger war eine vortreffliche
Ordonnanz, der Erbpfeifer und seine Söhne bildeten die Musikbande, und
der Clan wurde so mit einem Male ein Regiment. In einem solchen Regiment
herrschte vom ersten Augenblicke an die strenge Ordnung und der
pünktliche Gehorsam, worin die Stärke regulärer Armeen besteht. Jeder
Mann, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, war an seinem geeigneten Platze
und kannte diesen Platz vollkommen. Es war nicht nöthig, den
neueingerichteten Truppen erst durch Drohungen oder Strafen die Pflicht
einzuschärfen, den Mann als ihr Oberhaupt zu betrachten, den sie von
jeher, so lange sie denken konnten, als ihr Oberhaupt betrachtet hatten. Jeder Gemeine hatte von Kindheit an seinen Korporal sehr, seinen
Hauptmann noch mehr geachtet und seinen Obersten fast angebetet. An
Meuterei war daher nicht zu denken, ebenso wenig an Desertion, denn
gerade diejenigen Gefühle, welche andere Soldaten am mächtigsten
antreiben zu desertiren, hielten den Hochländer bei seiner Fahne. Wohin
sollte er gehen, wenn er sie verließ? Alle seine Verwandten, alle seine
Freunde waren um dieselbe versammelt. Trennte er sich also von ihr, so
trennte er sich zugleich für immer von seiner Familie und brachte den
ganzen Jammer des Heimwehs über sich, das in regulären Armeen so viele
Rekruten antreibt, auf die Gefahr von körperlicher Züchtigung und Tod
hin zu entlaufen.
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Wenn man diese Umstände erwägt, wird man sich nicht
darüber wundern, daß die hochländischen Clans zuweilen große
Kriegsthaten vollbracht haben. Was aber diese Institutionen, welche einen Stamm von Hochländern, die
alle dieselben Namen führten und alle demselben Oberhaupte unterthan
waren, im Kampfe so furchtbar machten, machte die Nation ungeeignet für
den Krieg im Großen. Nichts war leichter als Clans in tüchtige
Regimenter zu verwandeln; aber nichts war schwieriger als diese
Regimenter dergestalt zu vereinigen, daß sie eine tüchtige Armee
bildeten. Von den Schäfern und Hirten, welche in den Reihen fochten, bis
hinauf zu den Häuptlingen war Alles Harmonie und Ordnung. Jeder Mann
blickte empor zu seinem unmittelbaren Vorgesetzten und Alle blickten
empor zu dem gemeinsamen Oberhaupte. Aber mit dem Häuptling schloß diese
Subordinationskette. Er verstand nur zu gebieten und hatte nicht gelernt
zu gehorchen. Selbst königlichen Erlassen, selbst Parlamentsedicten
pflegte er nur dann Gehorsam zu bezeigen, wenn sie in vollkommenem
Einklang mit seinen Neigungen standen. Man durfte nicht erwarten, daß er
einer delegirten Autorität eine Achtung zollen werde, die er der
höchsten Autorität zu verweigern gewohnt war. Er hielt sich für
berechtigt, über die Zweckmäßigkeit jedes ihm zukommenden Befehls zu
entscheiden. Von seinen Bruderhäuptlingen waren einige seine Feinde,
andere seine Nebenbuhler. Es war kaum möglich, ihn abzuhalten, sie zu
beleidigen, oder ihn zu überzeugen, daß sie ihn nicht beleidigten. Alle
seine Untergebenen sympathisirten mit allen seinen Animositäten,
betrachteten seine Ehre wie ihre eigene und waren bereit auf seinen Ruf
sich um ihn gegen den Oberbefehlshaber zu schaaren. Es war daher sehr
wenig Aussicht, daß durch irgend welche Mittel fünf Clans bewogen werden
konnten, während eines langen Feldzugs herzlich mit einander zu
cooperiren. Die meiste Hoffnung dazu war noch in dem Falle, wenn sie von
einem Sachsen angeführt wurden. Es ist bemerkenswerth, daß keine der
großen Thaten, welche die Hochländer während unserer Bürgerkriege
vollbrachten, unter dem Commando eines Hochländers vollbracht wurde. Einige Schriftsteller haben es als einen Beweis für das außerordentliche
Genie Montrose's und Dundee's erwähnt, daß diese Feldherren, obgleich
nicht gälischen Stammes oder gälischer Sprache, im Stande gewesen waren,
Bündnisse gälischer Stämme zu bilden und zu leiten. Aber gerade weil
Montrose und Dundee keine Hochländer waren, vermochten sie Armeen
anzuführen, welche aus hochländischen Clans zusammengesetzt waren. Wäre
Montrose Häuptling der Camerons gewesen, so würden die Macdonalds sich
niemals seiner Autorität gefügt haben. Wäre Dundee Häuptling des
Clanronald gewesen, so würde der Glengarry ihm nie gehorcht haben.
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Stolze und empfindliche Männer, welche kaum den König als ihren
Vorgesetzten anerkannten, würden niemals die Superiorität eines
Nachbarn, eines von ihres Gleichen, eines Nebenbuhlers, ertragen haben. Viel leichter konnten sie die Obergewalt eines ausgezeichneten Fremden
ertragen. Doch selbst einem solchen Fremden gestanden sie nur eine sehr
beschränkte und sehr prekäre Autorität zu. Einen Häuptling vor ein
Kriegsgericht zu stellen, ihn zu erschießen, ihn zu cassiren, ihn zu
degradiren, ihm öffentlich einen Verweis zu geben, war unmöglich. Macdonald von Keppoch oder Maclean von Duart würde jeden Offizier
todtgeschlagen haben, der ihm sein Schwert abverlangt und ihm gesagt
hätte, daß er sich als Arrestanten zu betrachten habe, und Hunderte von
Claymores würden augenblicklich aufgebrochen sein, um den Mörder zu
beschützen. Es blieb dem Befehlshaber, unter dem diese Potentaten zu
dienen sich herabließen, nichts Andres übrig als mit ihnen zu
berathschlagen, sie zu bitten, ihnen zu schmeicheln, sie zu bestechen,
und selbst durch diese Mittel vermochte menschliche Geschicklichkeit nur
auf kurze Zeit die Eintracht zu erhalten. Denn jeder Häuptling glaubte
Anspruch auf besondere Berücksichtigung zu haben, und man durfte daher
keinem besondere Artigkeit erweisen, ohne die anderen zu verletzen. Der
General war nichts weiter als der Präsident eines Congresses kleiner
Könige. Er wurde beständig aufgefordert, Streitigkeiten wegen
Stammbäumen, wegen Vorrang, oder wegen Theilung von Beute anzuhören und
zu schlichten. Mochte sein Ausspruch lauten wie er wollte, Jemand mußte
dadurch verletzt werden. Jeden Augenblick konnte er erfahren, daß sein
rechter Flügel in Folge eines zweihundert Jahre alten Streites auf sein
Centrum gefeuert habe, oder daß ein ganzes Bataillon nach seinem
heimathlichen Thale zurückgekehrt sei, weil ein andres Bataillon auf den
Ehrenposten gestellt worden war. Ein hochländischer Barde würde in der
Geschichte des Jahres 1689 leicht Sujets gefunden haben, ganz ähnlich
denen, welche der trojanische Krieg den großen Dichtern des Alterthums
lieferte. Heute ist Achilles mißmuthig, hütet sein Zelt und kündigt die
Absicht an, mit allen seinen Leuten abzuziehen. Morgen stürmt Ajax im
Lager umher und droht dem Ulysses den Hals abzuschneiden. Daher kam es, daß, obgleich die Hochländer in den Bürgerkriegen des 17. Jahrhunderts einige große Thaten vollbrachten, diese Thaten keine nach
wenigen Wochen noch erkennbare Spuren hinterließen. Siege von seltenem
und fast ungeheuerlichem Glanze zogen alle Folgen einer Niederlage nach
sich. Kriegsveteranen und Soldaten waren ganz erstaunt über diese
plötzlichen Glückswechsel. Es war unglaublich, daß undisciplinirte Leute
solche Waffenthaten vollbracht haben sollten.
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Eben so unglaublich war
es, daß solchen Waffenthaten, nachdem sie vollbracht waren, der Triumph
der Besiegten und die Unterwerfung der Sieger auf dem Fuße gefolgt sein
sollte. Nachdem Montrose rasch hintereinander Sieg auf Sieg erfochten,
sah er sich mitten auf der Bahn des Glücks plötzlich von seinen
Untergebenen verlassen. Lokale Eifersüchteleien und lokale Interessen
hatten seine Armee zusammengebracht. Lokale Eifersüchteleien und lokale
Interessen lösten sie auf. Die Gordons verließen ihn, weil sie sich
gegen die Macdonalds zurückgesetzt glaubten. Die Macdonalds verließen
ihn, weil sie die Campbells plündern wollten. Die Streitmacht, die man
früher für stark genug gehalten hatte, um das Schicksal eines
Königreichs zu entscheiden, schmolz binnen wenigen Tagen zusammen, und
auf die Siege von Tippermuir und Kilsyth folgte die Niederlage von
Philiphaugh. Dundee lebte nicht lange genug, um einen ähnlichen
Glücksumschlag zu erfahren, aber man hat allen Grund zu glauben, daß,
wenn er nur vierzehn Tage länger gelebt hätte, seine Geschichte ein
Seitenstück zu der Geschichte Montrose's gewesen sein würde. Bald nachdem die Clans sich in Lochaber gesammelt hatten, machte Dundee
einen Versuch sie zu überreden, daß sie sich der Disciplin einer
regulären Armee unterwarfen. Er berief einen Kriegsrath zusammen, um
diese Frage zu erörtern. Seine Ansicht wurde von allen denjenigen
Offizieren unterstützt, welche aus dem Niederlande zu ihm gestoßen
waren. Unter ihnen zeichneten sich Jakob Seton, Earl von Dunfermline,
und Jakob Galloway, Lord Dunkeld, aus. Die celtischen Häuptlinge
vertraten die entgegengesetzte Meinung. Lochiel, der talentvollste unter
ihnen, war ihr Wortführer und verfocht die Sache mit großem Scharfsinn
und natürlicher Beredtsamkeit. »Unser System,« -- so lautete der
Hauptinhalt seines Raisonnements -- »mag nicht das beste sein; aber wir
sind von Kindheit auf dazu erzogen worden, wir verstehen es vollkommen
und es steht mit unseren eigenthümlichen Institutionen, Gefühlen und
Sitten im Einklange. Wenn wir auf unsre Art Krieg führen, so haben wir
die Erfahrung und die Kaltblütigkeit von Veteranen. Führen wir auf andre
Art Krieg, so werden wir rohe und unbeholfene Rekruten sein. Soldaten
aus uns zu machen, wie die eines Cromwell und Turenne waren, dazu würden
Jahre gehören, und wir haben nicht Wochen übrig. Wir haben hinreichend
Zeit, unsre Disciplin zu verlernen, aber nicht Zeit genug, die eurige zu
erlernen.« Dundee erklärte sich unter großen Schmeicheleien für Lochiel
überzeugt, und er war es vielleicht auch, denn die Gründe des
verständigen alten Häuptlings waren durchaus nicht ohne Gewicht.[84]
Zwistigkeiten in der hochländischen Armee.
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Einige celtische Kriegsgebräuche waren jedoch von der Art, daß Dundee
sie nicht dulden konnte. So grausam er auch war, seine Grausamkeit hatte
immer eine Methode und einen Zweck. Er hoffte noch immer, daß es ihm
gelingen werde, einige neutral gebliebene Häuptlinge zu gewinnen und er
vermied daher sorgfältig Alles was sie zu offener Feindseligkeit hätte
aufstacheln können. Dies war allerdings ein Verfahren, von dem sich
erwarten ließ, daß es dem Interesse Jakob's förderlich sein würde; aber
Jakob's Interesse war den wilden Räubern, welche einzig und allein zu
dem Zwecke ersprießliche Raubzüge unternehmen und alten Groll rächen zu
können, seinen Namen gebrauchten und sich um sein Banner schaarten, sehr
gleichgültig. Keppoch insbesondere, der die Mackintoshs weit mehr haßte,
als er die Stuarts liebte, plünderte das Gebiet seiner Feinde nicht nur,
sondern verbrannte auch Alles was er nicht mit fortnehmen konnte. Dundee
gerieth beim Anblick der brennenden Wohnungen in heftigen Zorn. »Lieber
möchte ich,« sagte er, »in einem anständigen Regiment die Muskete
tragen, als Anführer einer solchen Räuberbande sein.« Von Bestrafung war
natürlich keine Rede. Es darf in der That schon als ein auffallender
Beweis von dem Einflusse des Generals angesehen werden, daß der Coll der
Kühe es der Mühe werth hielt, sich wegen eines Benehmens zu
entschuldigen, um dessentwillen er in einer wohldisciplinirten Armee
erschossen worden wäre.[85]
Da die Grants für den König Wilhelm die Waffen ergriffen hatten, so
wurde ihr Eigenthum als gute Prise betrachtet. Eine Abtheilung der
Camerons fiel in ihr Gebiet ein, es kam zu einem Gefecht, es floß etwas
Blut, und eine Menge Vieh wurde in Dundee's Lager getrieben, wo man
Lebensmittel sehr gut brauchen konnte. Dieser Streifzug gab Anlaß zu
einem Streite, dessen Geschichte den Character einer Armee von
Hochländern im richtigsten Lichte zeigt. Unter Denen, welche im Kampfe
mit den Camerons fielen, befand sich ein Macdonald von der Seitenlinie
der Glengarries, der lange unter den Grants gelebt hatte, in Gesinnungen
und Ansichten ein Grant geworden und beim Aufgebot seines Stammes nicht
erschienen war. Obgleich er sich gegen den gälischen Codex der Ehre und
Moral schwer vergangen hatte, erinnerten sich doch seine Stammesgenossen
der geheiligten Bande, die er vergessen. Mochte er gut oder schlecht
sein, er war von ihrem Fleisch und Blut und er hätte daher ihrer Justiz
aufgespart werden sollen. Der Name, den er trug, das Blut der Lords von
den Inseln hätte ihn schützen sollen.
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Glengarry begab sich wüthend zu
Dundee und verlangte Rache an Lochiel und dem ganzen Geschlecht Cameron. Dundee erwiederte, der unglückliche Gentleman, der gefallen sei, habe
den Clan wie auch den König verrathen. Sei es im Kriege wohl erhört, daß
die Person eines Feindes, eines unter den Waffen Kämpfenden wegen eines
Namens und seiner Abkunft für unantastbar gehalten werden müsse? Und
selbst wenn ein Unrecht geschehen sei, wie solle es wieder gut gemacht
werden? Die halbe Armee müsse erst die andre Hälfte erschlagen, ehe
Lochiel ein Haar gekrümmt werden könne. Glengarry entfernte sich wieder,
tobend wie ein Besessener. Da seine Klagen von Denen, die ihm Recht
verschaffen sollten, nicht beachtet würden, so wolle er sich selbst
Recht verschaffen; er wolle seine Leute aufbieten und mit dem Schwert in
der Hand über die Mörder seines Vetters herfallen. Eine Zeit lang wollte
er auf keine Vorstellungen hören. Als man ihm zu bedenken gab, daß
Lochiel's Anhänger den Glengarryleuten an Zahl um das Doppelte überlegen
seien, rief er aus: »Das thut nichts; ein Glengarry ist soviel werth als
zwei Camerons.« Wäre Lochiel eben so heftig und großsprecherisch
gewesen, so ist es wahrscheinlich, daß die hochländische Insurrection
der Regierung wenig mehr zu schaffen gemacht und daß die Rebellen ohne
viel Aufhebens einander gegenseitig in ihren Wildnissen erschlagen haben
würden. Aber die Natur hatte ihm in reichem Maße die Eigenschaften eines
Staatsmannes verliehen, obwohl das Schicksal diese Eigenschaften in
einem unbekannten Winkel der Erde verborgen hatte. Er sah ein, daß jetzt
keine Zeit zur Zwietracht sei; sein Muth war längst anerkannt und sein
Temperament verstand er vollkommen zu beherrschen. Glengarry's Wuth,
durch keine neuen Provokationen gereizt, legte sich bald. Allerdings
vermutheten Manche, daß er niemals ganz so kampflustig gewesen sei, als
er sich gestellt habe und daß er mit seinem Toben nichts weiter
beabsichtigt habe, als sein eignes Ansehen in den Augen seiner Anhänger
aufrecht zu erhalten. Wie dem auch sein möge, der Streit wurde
geschlichtet und die beiden Häuptlinge begrüßten sich mit dem äußeren
Schein von Artigkeit an der Tafel des Generals.[86]
Dundee sucht bei Jakob um Unterstützung nach. Die Erfahrungen, welche Dundee an seinen celtischen Bundesgenossen
machte, mußten es ihm wünschenswerth erscheinen lassen, in seiner Armee
einige Truppen zu haben, auf deren Gehorsam er sich verlassen konnte und
welche nicht auf einen Wink von ihrem Obersten die Waffen gegen ihren
General und ihren König kehren würden.
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In Folge dessen schrieb er
während der Monate Mai und Juni mehrere Briefe nach Dublin, worin er
dringend um Beistand bat. Wenn sechstausend, viertausend, dreitausend
reguläre Soldaten jetzt nach Lochaber geschickt würden, könne Se. Majestät darauf rechnen, daß er bald in Holyrood ein Hoflager halten
werde. Daß ein solches Truppencorps entbehrlich war, unterlag kaum einem
Zweifel. Jakob's Autorität war damals in allen Theilen Irland's
anerkannt, außer an den Ufern des Ernesees und hinter den Mauern von
Londonderry. Er hatte in diesem Königreiche eine Armee von
vierzigtausend Mann. Ein Achtel von dieser Armee wäre dort kaum vermißt
worden und hätte in Verbindung mit den aufständischen Clans in
Schottland große Dinge ausrichten können. Die Antworten, welche Dundee auf seine Ansuchen erhielt, berechtigten
ihn zu der Hoffnung, daß ihm bald ein starkes und wohlausgerüstetes
Corps aus Ulster zugeschickt werden würde. Vor der Ankunft dieser
Verstärkungen wollte er nicht das Glück einer Schlacht versuchen.[87]
Mackay auf der andren Seite war es müde, in einer Wildniß
umherzumarschiren. Seine Leute waren erschöpft und entmuthigt; er hielt
es für wünschenswerth, daß sie die Gebirgsgegend verließen, und Wilhelm
war der nämlichen Meinung. Unterbrechung des Kriegs in den Hochlanden. So wurde im Juni der Bürgerkrieg wie auf Verabredung zwischen den
beiderseitigen Generälen völlig eingestellt. Dundee blieb in
ungeduldiger Erwartung der Truppen und Zufuhren aus Irland in Lochaber. Es war ihm indessen unmöglich, seine Hochländer in einem Zustande der
Unthätigkeit beisammenzuhalten, denn es bedurfte eines großen Gebiets
von Sumpf- und Gebirgsland, um eine so zahlreiche Mannschaft zu
unterhalten. Die Clans kehrten daher in ihre Schluchten zurück, nachdem
sie versprochen hatten, sich auf den ersten Aufruf wieder zu sammeln. Inzwischen erholten sich die durch harte Strapatzen und Entbehrungen
erschöpften Soldaten Mackay's in Quartieren, welche über das ganze
Niederland von Aberdeen bis Stirling zerstreut waren. Mackay selbst war
in Edinburg und drang in die dortigen Minister, ihm die Mittel zur
Errichtung einer Fortifikationskette in den Grampians zu bewilligen. Die
Minister hatten sich, wie es scheint, in ihren militärischen
Hülfsmitteln verrechnet. Man hatte erwartet, daß die Campbells eine
Streitmacht ins Feld stellen würden, welche hinreichend war, um die
ganze Stärke der unter Dundee marschirenden Clans aufzuwiegen. Ebenso
hatte man erwartet, daß die westlichen Covenanters sich beeilen würden,
die Reihen der Armee König Wilhelm's zu verstärken. Beide Erwartungen
wurden getäuscht. Argyle hatte sein Fürstenthum verwüstet und seinen
Stamm entwaffnet und desorganisirt gefunden.
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Es mußte eine beträchtliche
Zeit darüber hingehen, ehe sein Banner von einer Streitmacht umgeben
sein würde, wie seine Väter sie in den Kampf geführt hatten. Bedenklichkeiten der Covenanters, für König Wilhelm die Waffen zu
ergreifen. Die Covenanters des Westens waren im allgemeinen nicht geneigt, sich
einreihen zu lassen. An Muth fehlte es ihnen sicherlich nicht, und sie
haßten Dundee mit tödtlicher Erbitterung. Seine Grausamkeit war in ihrem
Theile des Landes noch in frischem Andenken. Jedes Dorf hatte seine
blutige Geschichte. In dem einen Hause fehlte der greise Vater, in dem
andren der hoffnungsvolle Sohn. Man erinnerte sich nur zu gut, wie die
Dragoner in die Hütte des Landmanns eingedrungen waren, bei jedem Worte
ihn, sich selbst und Einer den Andren verfluchend und verwünschend, wie
sie die achtzigjährige Großmutter hinter dem warmen Ofen hervorgerissen
und mit roher Hand den Busen seiner sechzehnjährigen Tochter betastet
hatten; wie ihm die Abschwörungsformel vorgehalten worden war, wie er
die Arme über der Brust gekreuzt und gesagt hatte: »der Wille Gottes
geschehe;« wie der Oberst ein Piket mit geladenen Gewehren herbeigerufen
und wie drei Minuten später der brave Hausvater vor seiner eigenen Thür
in einer Blutlache gelegen hatte. Der Platz des Märtyrers am Herde war
noch leer und jedes Kind konnte seinen noch grünen Grabhügel auf der
Haide zeigen. Wenn die Leute dieser Gegend ihren Unterdrücker einen
Diener des Teufels nannten, so sprachen sie nicht in bildlichem Sinne;
sie glaubten wirklich, daß zwischen dem bösen Menschen und dem bösen
Geiste ein enges Bündniß mit bestimmten Bedingungen bestehe, daß Dundee
sich verpflichtet habe, das Werk der Hölle auf Erden zu verrichten und
daß die Hölle zu höheren Zwecken ihren Sklaven beschützen dürfe, bis das
Maß seiner Schuld voll sein würde. Aber so gründlich diese Leute auch
Dundee verabscheuten, so erhoben doch die meisten von ihnen Bedenken
dagegen, für Wilhelm das Schwert zu ziehen. Es wurde in der Pfarrkirche
zu Douglas ein großes Meeting gehalten und die Frage vorgelegt, ob es zu
einer Zeit, wo Krieg im Lande wüthe und eine irische Invasion erwartet
werde, nicht Pflicht sei, zu den Waffen zu greifen. Die Debatte war
heftig und tumultuarisch. Die Redner der einen Seite beschworen ihre
Brüder, nicht den Fluch auf sich zu laden, der gegen die Bewohner von
Meros geschleudert worden, weil sie dem Herrn nicht gegen den Mächtigen
zu Hülfe kamen. Die Redner der andren Seite donnerten gegen sündige
Bündnisse.
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Es seien Schlechtgesinnte in Wilhelm's Heere, Mackay's eigne
Rechtgläubigkeit sei problematisch; mit solchen Kameraden und unter
einem solchen General Kriegsdienste zu leisten, würde ein sündiges
Bündniß sein. Nach langem Hin- und Herstreiten und unter großer
Verwirrung wurde endlich eine Abstimmung vorgenommen und die Majorität
erklärte sich dahin, das es ein sündiges Bündniß sein würde,
Kriegsdienste zu nehmen. Aushebung des Cameron'schen Regiments. Es gab jedoch eine starke Minorität und aus den Mitgliedern dieser
Minorität gelang es dem Earl von Angus ein Infanteriecorps zu bilden,
das noch heute, nach Verlauf von mehr als hundertsechzig Jahren, unter
dem Namen des Cameron'schen Regiments bekannt ist. Der erste
Oberstleutnant desselben war Cleland, der unerbittliche Bluträcher, der
Dundee aus der Convention getrieben hatte. Es machte keine geringe
Schwierigkeit, die Reihen zu füllen, denn viele westländische Whigs, die
es nicht für absolut sündhaft hielten, einzutreten, stellten
Bedingungen, welche alle militärische Disciplin untergraben mußten. Einige wollten nicht unter einem Obersten, Major, Hauptmann, Sergeanten
oder Korporal dienen, der nicht bereit sei, den Covenant zu
unterschreiben. Andere bestanden darauf, daß, wenn es durchaus nöthig
befunden würde, den und jenen Offizier anzustellen, welcher die unter
der vorigen Regierung vorgeschriebenen Testeide geleistet habe, er sich
wenigstens durch öffentliches Eingeständniß seiner Sünde vor der Fronte
des Regiments zum Commando qualificiren sollte. Die Mehrzahl der
Enthusiasten, welche diese Bedingungen gestellt hatten, wurde durch
geschickte Bearbeitung bewogen, ihre Forderungen bedeutend
herabzustimmen. Doch hatte das Regiment immerhin einen ganz
eigenthümlichen Character. Die Soldaten waren sämmtlich strenge
Puritaner. Einer ihrer ersten Schritte war eine Petition an das
Parlament, daß alle Trunksucht, Ausschweifung und Gottlosigkeit streng
bestraft werden möchte. Ihr eignes Verhalten muß musterhaft gewesen
sein, denn das schlimmste Verbrechen, das die überspannteste Bigotterie
ihnen zur Last legen konnte, bestand darin, daß sie dem Könige zu seinem
Geburtstage Hurrahs brachten. Man hatte ursprünglich beabsichtigt, mit
der militärischen Organisation des Corps die Organisation einer
presbyterianischen Gemeinde zu verweben. Jede Compagnie sollte einen
Aeltesten liefern und die Aeltesten sollten mit dem Kaplan ein
geistliches Tribunal zur Unterdrückung der Unsittlichkeit und Ketzerei
bilden. Es wurden indeß keine Aeltesten ernannt; aber ein angesehener
Bergprediger, Alexander Shields, wurde zu dem Amte eines Kaplans
berufen. Es läßt sich schwer denken, daß der Fanatismus eine höhere
Gluth erreichen könnte, als er aus den Schriften Shields'
hervorleuchtet.
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Nach seinen Ansichten würde es die erste Pflicht jedes
christlichen Herrschers sein, jeden heterodoxen Unterthan bis zum Tode
zu verfolgen, und ebenso die erste Pflicht jedes christlichen
Unterthanen, einen heterodoxen Fürsten zu ermorden. Doch es herrschte
damals in Schottland eine fanatische Begeisterung, im Vergleich zu
welcher selbst die Begeisterung dieses Mannes noch lau war. Die extremen
Covenanters protestirten gegen seinen Abfall eben so heftig als sie
gegen die Schwarze Indulgenz und gegen den Suprematseid protestirt
hatten und erklärten Jeden, der in Angus' Regiment eintrat, eines
ruchlosen Bündnisses mit Uebelgesinnten schuldig.[88]
Uebergabe des Schlosses von Edinburg. Mittlerweile war das Edinburger Schloß gefallen, nachdem es sich länger
als zwei Monate gehalten hatte. Die Vertheidigung sowohl wie der Angriff
waren sehr lau betrieben worden. Der Herzog von Gordon, der keine Lust
hatte, sich den tödtlichen Haß Derer zuzuziehen, in deren Gewalt seine
Besitzungen und sein Leben bald sein konnten, fand es nicht für
gerathen, die Stadt zu beschießen. Auf der andren Seite betrieben die
Belagerer ihre Operationen mit so wenig Energie und Umsicht, daß die
Jakobiten in der Citadelle mit den draußen befindlichen Jakobiten in
fortwährender Communication standen. Man erzählte sich sonderbare
Geschichten von den artigen und kurzweiligen Botschaften, welche
zwischen den Belagerten und den Belagerern gewechselt wurden. Einmal
ließ Gordon den städtischen Behörden sagen, daß er wegen einiger ihm aus
Irland zugekommenen Nachrichten eine Geschützsalve geben werde, daß aber
die gute Stadt sich nicht zu beunruhigen brauche, denn er werde seine
Kanonen nicht mit Kugeln laden. Ein andermal wirbelten seine Trommeln
das Zeichen zum Parlamentiren; die weiße Fahne wurde ausgesteckt, es
fand eine Unterredung statt und er benachrichtigte den Feind ganz
ernsthaft, daß alle seine Spielkarten bis zum Zerfallen abgegriffen
seien und daß er ihm doch einige frische Packete zukommen lassen möchte. Seine Freunde errichteten einen Telegraphen, vermittelst dessen sie sich
über die Linien der Schildwachen hinweg mit ihm unterhielten. An einem
Fenster im obersten Stock eines der höchsten der gigantischen Häuser,
von denen noch jetzt einige wenige High Street verdunkeln, wurde, wenn
Alles gut ging, ein weißes Tuch, und wenn die Sachen schlecht standen,
ein schwarzes Tuch ausgehangen. Hatte man ausführlichere Meldungen zu
machen, so wurde eine Tafel emporgehalten, auf der die Nachricht mit so
großen Buchstaben geschrieben stand, daß sie mit Hülfe eines Fernrohrs
von den Wällen der Citadelle aus gelesen werden konnte.
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Der Knall einer Muskete auf einem bestimmten Außenwerke
war das Signal, welches den Freunden des Hauses Stuart anzeigte, daß
wieder einer ihrer Emissäre glücklich den Felsen erklettert hatte. Endlich aber waren die Vorräthe erschöpft und man mußte kapituliren. Vortheilhafte Bedingungen wurden bereitwillig zugestanden, die Garnison
zog ab und die Schlüssel wurden unter den Acclamationen einer großen
Menge Bürger übergeben.[89]
Parlamentssession in Edinburg. Doch die Regierung hatte im Parlamentshause viel erbittertere und
hartnäckigere Feinde als im Schlosse. Als die Stände nach ihrer
Vertagung wieder zusammentraten, wurden die Krone und das Scepter
Schottland's als Symbole des abwesenden Souverains mit gewohntem Pomp im
Saale ausgestellt. Hamilton ritt als Lord Obercommissar mit großem
Gepränge von Holyrood aus durch High Street, und Crawford nahm seinen
Sitz als Präsident ein. Zwei Edicte, von denen das eine die Convention
in ein Parlament verwandelte, das andre Wilhelm und Marien als König und
Königin anerkannte, wurden rasch angenommen und mit dem Scepter berührt,
und nun begann der Kampf der Parteien.[90]
Einfluß des Clubs. Es zeigte sich bald, daß die von Montgomery organisirte Opposition
unüberwindlich stark war. Obgleich aus vielen heterogenen Elementen, aus
Republikanern, Whigs, Tories, eifrigen Presbyterianern und bigotten
Prälatisten zusammengesetzt, agirte sie eine Zeit lang wie ein Mann und
zog eine Menge jener unbedeutenden und kleinmüthigen Politiker an sich,
welche sich naturgemäß zu der stärkeren Partei hinneigen. Die Freunde
der Regierung waren gering an Zahl und nicht verbunden. Hamilton ging
nur mit halbem Herzen an die Erfüllung seiner Pflichten. Unbeständig war
er jederzeit gewesen; jetzt war er auch noch unzufrieden. Er bekleidete
zwar den höchsten Posten, den ein Unterthan erreichen konnte; aber er
bildete sich ein, daß er nur den Schein der Macht habe, während Andere
die wirkliche Macht besäßen, und es war ihm daher nicht unlieb, wenn er
Diejenigen, auf die er eifersüchtig war, belästigt und beunruhigt sah. Er hinterging den Fürsten, den er repräsentirte, nicht geradezu, aber er
intriguirte zuweilen mit den Führern des Clubs und spielte Denen, die
ihm im Dienste der Krone zur Seite standen, mitunter arglistige
Streiche. Seine Instructionen schrieben ihm vor, Gesetze zur Milderung oder
Beseitigung zahlreicher Mißstände und besonders einem die Macht des
Artikelausschusses beschränkenden und die Verfassung desselben
reformirenden Gesetze, sowie ferner einem das presbyterianische
Kirchenregiment einführenden Gesetze die königliche Genehmigung zu
ertheilen.[91] Doch es war gleichgültig, wie seine Instructionen
lauteten. Die Führer des Clubs legten es darauf an, eine Ursache zur
Uneinigkeit zu finden.
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Die Vorschläge der Regierung bezüglich der
Artikellords wurden verächtlich zurückgewiesen. Hamilton schrieb um neue
Instructionen nach London und bald wurde ihm ein zweiter Plan, welcher
dem einst despotischen Ausschusse nicht viel mehr als den Namen ließ,
zugeschickt. Aber auch dieser zweite Plan theilte das Schicksal des
ersten, obgleich er von der Art war, daß er vernünftige und gemäßigte
Reformers hätte befriedigen können. Unterdessen legten die Oberhäupter
des Clubs ein Gesetz vor, welches dem Könige verbot, jemals irgend
Jemanden in einem öffentlichen Amte anzustellen, der an irgend einer mit
der Rechtsforderung unverträglichen Maßregel Antheil gehabt oder irgend
einem guten Plan der Stände hindernd oder verzögernd entgegengetreten
sei. Dieses Gesetz, das in einem sehr kleinen Rahmen fast alle Fehler
vereinigte, die ein Gesetz nur haben kann, war, wie man sehr wohl wußte,
auf den neuen Lordpräsidenten des Court of Session und auf seinen Sohn,
den neuen Lord Advokaten, abgesehen. Ihr Glück und ihre Macht hatte
ihnen den Neid jedes in seinen Hoffnungen getäuschten Amtscandidaten
zugezogen. Daß sie Neulinge waren, die Ersten ihres Geschlechts, die
sich zur Auszeichnung emporgeschwungen, und daß sie dessenungeachtet
lediglich durch die Kraft der Befähigung eben so wichtige Personen im
Staate geworden waren wie der Herzog von Hamilton oder der Earl von
Argyle, war ein Gedanke, der vielen bedürftigen und stolzen Patriziern
das Herz zernagte. In den Augen der schottischen Whigs waren die
Dalrymple das was Halifax und Caermarthen in den Augen der englischen
Whigs waren. Weder die Verbannung Sir Jakob's, noch der Eifer, mit dem
Sir Johann die Revolution unterstützt hatte, wurden als eine Sühne für
alte Vergehen angenommen. Sie hatten Beide dem blutdürstigen und
götzendienerischen Hause gedient. Sie hatten Beide das Volk Gottes
unterdrückt. Ihre späte Reue konnte ihnen vielleicht einen billigen
Anspruch auf Verzeihung geben, gab ihnen aber gewiß kein Recht auf Ehren
und Belohnungen. Die Freunde der Regierung versuchten es vergebens, die Aufmerksamkeit
des Parlaments von der Verfolgung der Familie Dalrymple auf die wichtige
und dringliche Frage der Kirchenverfassung zu lenken. Sie sagten, das
alte System sei abgeschafft, es sei noch kein andres System an dessen
Stelle gesetzt, man wisse nicht mehr, welches eigentlich die
Staatsreligion des Landes sei, und es sei die erste Pflicht der
Legislatur, einer Anarchie ein Ende zu machen, welche täglich Unheil und
Verbrechen hervorrufe. Die Führer des Clubs ließen sich damit nicht von
ihrem Ziele abbringen.
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Es wurde beantragt und beschlossen, daß die
Inbetrachtnahme der kirchlichen Angelegenheiten so lange aufgeschoben
werden solle, bis die weltlichen Angelegenheiten geordnet seien. Die
ungerechte und absurde Incapacitätsacte wurde mit vierundsiebzig gegen
vierundzwanzig Stimmen angenommen. Ein andrer noch augenscheinlicher auf
das Haus Stair abzielender Beschluß folgte unmittelbar darauf. Das
Parlament machte Anspruch auf ein Veto bei der Ernennung von Richtern
und maßte sich die Befugniß an, die Untersiegelung zu verhindern, mit
anderen Worten, die ganze Justizverwaltung zu suspendiren, bis dieser
Anspruch zugestanden wäre. Aus dem Verlaufe der Debatte ging klar
hervor, daß, wenn die Führer des Clubs auch mit dem Court of Session
begonnen hatten, sie nicht damit aufzuhören gedachten. Die von Sir
Patrick Hume und Anderen angeführten Argumente führten direct zu dem
Schlusse, daß dem Könige die Ernennung keines wichtigen Staatsbeamten
zustehen solle. Sir Patrick sprach in der That in Rede wie in Schrift
seine Meinung dahin aus, daß das ganze Ernennungsrecht im Reiche von der
Krone auf die Stände übertragen werden sollte. Wenn die Stelle des
Schatzmeisters, des Kanzlers, des Sekretärs erledigt sei, müsse das
Parlament Sr. Majestät einige Namen vorlegen, und Se. Majestät solle
verbunden sein von diesen Namen einen zu wählen.[92]
Während dieser ganzen Zeit verweigerten die Stände beharrlich jede
Geldbewilligung, bis ihre Acte mit dem Scepter berührt sein würden. Der
Lord Obercommissar ward endlich über ihre Verkehrtheit so aufgebracht,
daß er nach langem Temporisiren selbst solche Acte zu berühren
verweigerte, gegen die an sich nichts einzuwenden war, und welche zu
genehmigen ihn seine Instructionen ermächtigten. Dieser Stand der Dinge
würde mit einer großen Erschütterung geendigt haben, wenn der König von
Schottland nicht zugleich König eines viel größeren und reicheren Landes
gewesen wäre. Karl I. hatte nie irgend ein Parlament zu Westminster
unlenksamer gefunden, als Wilhelm während dieser Session das Parlament
zu Edinburg fand. Aber es lag nicht in der Macht des Parlaments von
Edinburg, einen solchen Zwang auf Wilhelm auszuüben, wie das Parlament
von Westminster ihn auf Karl ausgeübt hatte. Eine Verweigerung von
Geldern war zu Westminster eine ernsthafte Sache und ließ dem Souverain
keine andre Wahl als nachzugeben, oder durch verfassungswidrige Mittel
Geld zu erheben. In Edinburg brachte ihn eine derartige Verweigerung in
kein solches Dilemma. Die größte Summe, die er aus Schottland in einem
Jahre zu erhalten hoffen konnte, betrug weniger, als was er aus England
alle vierzehn Tage bezog.
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Er hatte sich daher nur in die Grenzen seiner
unbestreitbaren Prärogative einzuschließen und hier in der Defensive zu
verharren, bis eine günstige Conjunctur eintrat.[93]
Unruhen in Athol. Während diese Dinge im Parlamentshause vorgingen, brach der Bürgerkrieg
in den Hochlanden, der einige Wochen unterbrochen gewesen war, heftiger
als zuvor wieder aus. Seit der Glanz des Hauses Argyle verblichen war,
konnte kein gälischer Häuptling an Macht sich mit dem Marquis von Athol
messen. Der Bezirk, von dem er seinen Titel herleitete und dessen
Souverain er fast genannt werden konnte, war an Flächenraum größer als
eine gewöhnliche Grafschaft, und war fruchtbarer, besser angebaut und
dichter bevölkert als der größere Theil der Hochlande. Die Männer, die
seinem Banner folgten, wurden für nicht minder zahlreich gehalten als
sämmtliche Macdonalds und Macleans zusammengenommen, und standen an
Kraft und Muth keinem Stamme im Gebirge nach. Aber der Clan war durch
die Unbedeutendheit des Häuptlings unbedeutend gemacht worden. Der
Marquis war der falscheste, unbeständigste, kleinmüthigste Mensch von
der Welt. In dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten war er bereits
mehrere Male ein Jakobit und mehrere Male Wilhelmit gewesen. Sowohl
Jakobiten als Wilhelmiten betrachteten ihn mit Verachtung und Mißtrauen,
welche sie nur aus Respect vor seiner ungeheuren Macht nicht rückhaltlos
äußerten. Nachdem er zu wiederholten Malen beiden Parteien Treue gelobt
und zu wiederholten Malen Beide verrathen hatte, begann er zu überlegen,
daß er am besten für seine Sicherheit sorgen werde, wenn er sowohl die
Functionen eines Peers, als die eines Häuptlings niederlegte, wenn er
sich sowohl von dem Parlamentshause zu Edinburg, als von seinem Schlosse
im Gebirge fern hielte, und wenn er das Land verließe an das er gerade
bei dem Wendepunkte seines Geschickes durch alle Bande der Pflicht und
der Ehre gekettet war. Während ganz Schottland mit Ungeduld und
ängstlicher Spannung zu sehen erwartete, in welches Heer seine
zahlreichen Anhänger eintreten würden, schlich er sich fort nach
England, nahm seinen Aufenthalt in Bath und gab vor die dortige Kur zu
brauchen.[94] Sein Fürstenthum, somit ohne Oberhaupt, war gegen sich
selbst gespalten. Die Leute von Athol waren im allgemeinen König Jakob
zugethan. Denn er hatte sich ihrer noch vor vier Jahren als Diener
seiner Rache gegen das Haus Argyle bedient.
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Sie hatten Inverary besetzt;
sie hatten Lorn verwüstet; sie hatten Häuser demolirt, Obstbäume
umgehauen, Fischerböte verbrannt, Mühlsteine zerschlagen, Campbells
aufgehängt, und es war daher nicht zu erwarten, daß sie sich über die
Aussicht auf Mac Callum More's Restauration freuen würden. Ein Wort von
dem Marquis würde zweitausend Claymores ins jakobitische Lager gesendet
haben. Dieses Wort aber wollte er nicht aussprechen, und in Folge dessen
war die Haltung seiner Anhänger ebenso unentschlossen und inconsequent
wie seine eigene. Während sie auf eine Andeutung seiner Wünsche warteten, wurden sie
gleichzeitig von zwei Führern zu den Waffen gerufen, von denen jeder mit
einem Schein von Grund darauf Anspruch machen konnte, als Repräsentant
des abwesenden Häuptlings betrachtet zu werden. Lord Murray, des Marquis
ältester Sohn, der mit einer Tochter des Herzogs von Hamilton vermählt
war, erklärte sich für König Wilhelm. Stewart von Ballenach, der
vertraute Agent des Marquis, erklärte sich für König Jakob. Das Volk
wußte nicht, welcher Aufforderung es folgen sollte. Der, dessen
Autorität die höchste Achtung gezollt worden sein würde, hatte beiden
Parteien sein Wort verpfändet, und war dann aus Furcht sich einer von
beiden anschließen zu müssen davongelaufen; auch war es nicht leicht zu
sagen, ob der Platz, den er leer gelassen, seinem Haushofmeister oder
seinem muthmaßlichen Erben gebührte. Der wichtigste militärische Posten in Athol war Blair Castle. Das Haus,
welches gegenwärtig diesen Namen führt, unterscheidet sich durch nichts
Auffallendes von anderen Landsitzen der Aristokratie. Das alte Gebäude
war ein hoher Thurm von roher Bauart, der ein vom Garry bewässertes Thal
beherrschte. Die Mauern würden einer Geschützbatterie nicht lange
widerstanden haben, waren aber vollkommen stark genug, um die Hirten der
Grampians in Schach zu halten. Ungefähr fünf Meilen südlich von dieser
Veste verengerte sich das Thal des Garry zu der berühmten Schlucht von
Killiecrankie. Gegenwärtig führt eine Heerstraße so eben wie irgend eine
Straße in Middlesex in sanfter Steigung aus dem Niederlande zu dem
Gipfel des Gebirgspasses hinauf. Weiße Villas blicken durch den
Birkenwald, und an einem schönen Sommertage giebt es kaum eine Krümmung
des Passes, wo man nicht einen Angler, der seine Fliege in den Schaum
des Flusses wirft, einen Künstler, der eine Felsenspitze zeichnet, oder
eine auf einer Landpartie begriffene Gesellschaft sähe, die auf dem
Rasen in Schatten und Sonnenschein schmauset. Zu den Zeiten Wilhelm's
III. aber wurde Killiecrankie von den friedlichen und betriebsamen
Bewohnern des Niederlands von Perthshire nur mit Schaudern genannt.
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Sie
galt für die gefährlichste der finsteren Schluchten, durch welche die
Räuber aus dem Gebirge hervorzustürzen pflegten. Das für moderne Ohren
so wohlklingende Rauschen des an den bemoosten Felsen und über die
glatten Kiesel dahin strömenden Flusses, die des Pinsel's eines Wilson
würdigen dunklen Fels- und Laubmassen, die phantastischen Bergspitzen,
bei Sonnenauf- und Untergang in ein Meer von Licht gebadet, wie es auf
Claude's Bildern glüht, erweckten in unseren Vorfahren nur Gedanken von
mörderischen Hinterhalten und von ausgeplünderten, verstümmelten und den
Raubvögeln preisgegebenen Leichnamen. Der einzige Pfad war schmal und
rauh; nur mit Mühe konnte ein Pferd hinaufgeführt werden; zwei Menschen
konnten kaum neben einander gehen, und an einigen Stellen lief der Weg
so dicht am Abhange hin, daß der Reisende eines sicheren Auges und Fußes
dringend bedurfte. Viele Jahre später erbaute der erste Herzog von Athol
eine Straße, die eben gut genug war, damit er sie mit seinem Wagen
befahren konnte. Aber selbst diese Straße war so steil und so schmal,
daß eine Handvoll entschlossener Männer sie gegen eine Armee hätte
vertheidigen können.[95] Kein Sachse betrachtete denn auch einen Besuch
in Killiecrankie als ein Vergnügen, bis die Erfahrung die englische
Regierung gelehrt hatte, daß die Spitzhacke und der Spaten diejenigen
Waffen waren, durch welche die Hochländer am wirksamsten unterworfen
werden konnten. Der Krieg bricht in den Hochlanden wieder aus. Die Gegend, welche gerade über diesem Passe lag, war jetzt der
Schauplatz eines Krieges, wie ihn die Hochlande nicht häufig gesehen
hatten. Männer, die den nämlichen Tartan trugen und dem nämlichen Herrn
unterthan waren, standen einander gegenüber. Der Name des abwesenden
Häuptlings wurde, mit einem Anschein von Grund, auf beiden Seiten
gebraucht. Ballenach hielt an der Spitze einer Anzahl Vasallen, die ihn
als den Vertreter des Marquis betrachteten, Blair Castle besetzt. Murray
erschien mit zwölfhundert Mann vor den Mauern und verlangte, in das
Schloß seiner Familie, das Schloß, das dereinst sein Eigen werden
sollte, eingelassen zu werden. Die Besatzung weigerte sich die Thore zu
öffnen. Die Belagerer sandten Boten nach Edinburg, die Belagerten nach
Lochaber.[96] An beiden Orten rief die Nachricht große Aufregung hervor. Mackay und Dundee waren beide der Ansicht, daß die Krisis rasches und
kräftiges Einschreiten erfordere. Von dem Schicksal von Blair Castle
hing wahrscheinlich das Schicksal von ganz Athol ab, und von dem
Schicksal Athol's konnte das Schicksal Schottland's abhängen.
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Mackay
eilte nach dem Norden und befahl seinen Truppen, sich in dem Niederlande
von Perthshire zu sammeln. Einige von ihnen lagen an so entfernten
Orten, daß sie nicht zeitig genug anlangten. Er hatte jedoch bald die
drei schottischen Regimenter bei sich, welche in Holland gedient hatten
und die Namen ihrer Obersten, Mackay's selbst, Balfour's und Ramsay's,
führten. Auch ein tapferes Infanterieregiment aus England war da,
welches damals das Regiment Hastings hieß, aber jetzt als das dreizehnte
der Linie bekannt ist. Zu diesen alten Truppen kamen dann noch zwei im
Niederlande neu angeworbene Regimenter. Das eine davon wurde von Lord
Kenmore, das andre, das im Grenzlande ausgehoben worden und das noch
jetzt des Königs Leibgrenzer genannt wird, von Lord Leven befehligt. Zwei Reitertrupps, commandirt von Lord Annandale und Lord Belhaven,
brachten die Armee wahrscheinlich auf die Zahl von über dreitausend
Mann. Belhaven ritt an der Spitze seines Trupps; aber Annandale, der
factiöseste von allen Anhängern Montgomery's, zog den Club und das
Parlamentshaus dem Felde vor.[97]
Dundee hatte mittlerweile alle Clans, die seine Ernennung anerkannten,
aufgefordert, sich zu einer Expedition nach Athol zu versammeln. Seine
Bemühungen wurden von Lochiel kräftig unterstützt. Die Feuerkreuze
wurden wieder in aller Eile durch Appin und Ardnamurchan, nach Glenmore
hinauf und den Levensee entlang ausgesandt. Aber der Aufruf kam so
unerwartet und die verstattete Frist war so kurz, daß das Aufgebot kein
ganz vollständiges war. Die ganze Streitmacht scheint nicht dreitausend
Mann stark gewesen zu sein. Mit diesem Corps rückte Dundee aus. Auf
seinem Marsche zog er Verstärkungen an sich, die eben aus Ulster
angekommen waren. Sie bestanden aus wenig mehr als dreihundert schlecht
bewaffneten, schlecht gekleideten und schlecht disciplinirten irischen
Fußsoldaten. Ihr Anführer war ein Offizier, Namens Cannon, der in den
Niederlanden gedient hatte und der vielleicht auf einem untergeordneten
Posten und in einer regulären Armee an seinem Platze gewesen sein würde,
aber der ihm jetzt übertragenen Rolle durchaus nicht gewachsen war.[98]
Er hatte sich bereits so lange zwischen den Hebriden aufgehalten, daß
einige mit ihm zugleich abgeschickte und mit Vorräthen befrachtete
Schiffe von englischen Kreuzern genommen worden waren. Er und seine
Soldaten waren mit Mühe dem nämlichen Schicksale entgangen. Trotz dieses
Mangels an Befähigung bekleidete er eine Stelle, die ihm in Schottland
den höchsten militärischen Rang nächst Dundee einräumte. Die Enttäuschung war bitter.
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Jakob hätte in der That besser gethan, wenn
er den Hochländern allen Beistand verweigert hätte, anstatt daß er sie
gleichsam zum Besten hatte, indem er ihnen an Stelle der erbetenen und
erwarteten wohlorganisirten Armee ein an Zahl und Aussehen
verachtungswerthes Gesindel schickte. Es war nun klar, daß alles was für
ihn in Schottland geschah, durch schottische Hände geschehen mußte.[99]
Während Mackay von der einen und Dundee von der andren Seite gegen Blair
Castle vorrückte, hatten wichtige Ereignisse daselbst stattgefunden. Murray's Anhänger fingen bald an, in ihrer Treue für ihn zu wanken. Sie
sahen eine große Zahl ihrer Stammesgenossen, unter der Anführung eines
Gentleman, von dem man vermuthete, daß er das Vertrauen des Marquis
besitze, sich gegenübergestellt. Die Belagerungsarmee schmolz daher
rasch zusammen. Viele kehrten unter dem Vorgeben heim, daß sie ihre
Familien und ihr Vieh in Sicherheit bringen müßten, da die Nachbarschaft
auf dem Punkte stehe, der Schauplatz eines Kriegs zu werden. Andere
erklärten freimüthiger, daß sie in einem solchen Kampfe nicht fechten
mochten. Eine starke Truppe ging an einen Bach, füllte die Mützen mit
Wasser, trank auf die Gesundheit König Jakob's und zerstreute sich
dann.[100]
Ihr Eifer für König Jakob bewog sie jedoch nicht, sich der Fahne seines
Generals anzuschließen. Sie legten sich unter den Felsen und Dickichten
längs des Garry auf die Lauer, in der Hoffnung, daß es bald eine
Schlacht geben werde und daß, welchen Ausgang dieselbe auch nehmen
möchte, Flüchtlinge und Leichname zu plündern sein würden. Murray war in arger Bedrängniß. Seine Streitmacht war auf einige hundert
Mann geschmolzen, selbst diesen Leuten konnte er nicht recht trauen, und
die Macdonalds und Camerons rückten rasch vor. Er hob daher die
Belagerung von Blair Castle auf und zog sich mit wenigen Anhängern in
den Engpaß von Killiecrankie zurück. Hier stieß bald eine Abtheilung von
zweihundert Füselieren zu ihm, welche Mackay vorausgeschickt hatte, um
den Paß zu besetzen. Das Hauptcorps der Armee vom Niederlande folgte
bald nach.[101]
Am frühen Morgen des 27. Juli, einem Sonnabend, kam Dundee bei Blair
Castle an. Hier erfuhr er, daß Mackay's Truppen bereits in der Schlucht
von Killiecrankie waren. Man mußte rasch zu einem Entschluß kommen. Es
wurde Kriegsrath gehalten. Die sächsischen Offiziere waren allgemein
dagegen eine Schlacht zu wagen; die celtischen Häuptlinge aber waren
andrer Meinung. Glengarry und Lochiel waren jetzt beide eines Sinnes.
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»Schlagen Sie los, Mylord,« sagte Lochiel mit seiner gewohnten Energie;
»schlagen Sie unverzüglich los, wenn Sie auch nur Einer gegen Drei sind. Unsere Leute sind guten Muthes, sie fürchten weiter nichts, als daß der
Feind entkommen möchte. Lassen Sie ihnen ihren Willen und sein Sie
versichert, daß sie entweder umkommen, oder einen vollständigen Sieg
erfechten werden. Wenn Sie sie aber zurückhalten, wenn Sie sie nöthigen
in der Defensive zu verharren, so stehe ich für nichts. Wenn wir nicht
kämpfen, so thäten wir besser, wir brächen auf und zögen uns in unsere
Berge zurück.[102]«
Dundee's Züge heiterten sich auf. »Sie hören es, Gentlemen,« sagte er zu
seinen Offizieren; »Sie hören die Meinung eines Mannes, der den
hochländischen Krieg besser versteht als irgend Einer von uns.« Keine
Stimme erhob sich dagegen. Es wurde beschlossen zu kämpfen, und die
verbündeten Clans rückten guten Muthes vorwärts dem Feinde entgegen. Der Feind hatte inzwischen den Engpaß erstiegen. Der Marsch bergauf war
langwierig und mühsam gewesen; denn selbst die Fußsoldaten konnten nur
zwei bis drei Mann hoch marschiren und die Bagagepferde, zwölfhundert an
Zahl, mußten einzeln hintereinander gehen. Kein Wagen war jemals diesen
steilen Pfad hinaufgezogen worden. Die Spitze der Colonne war bereits
oben angelangt und befand sich auf dem Plateau, während die Nachhut noch
in der Ebene war. Endlich war der Uebergang bewerkstelligt, und die
Truppen befanden sich in einem Thale von nicht bedeutender Ausdehnung. Ermüdet von der Anstrengung des Morgens warfen sie sich ins Gras, um
einige Ruhe und Erfrischung zu genießen. Früh am Nachmittag wurden sie durch den Alarmruf aufgeschreckt, daß die
Hochländer sich näherten. Ein Regiment nach dem andren stand auf und
ordnete sich. In einer kleinen Weile war der Gipfel einer Anhöhe, die
etwa einen Büchsenschuß vor ihnen lag, mit schottischen Mützen und
Plaids bedeckt. Dundee ritt in der Absicht vor, die Stärke der
Streitmacht, mit der er es zu thun haben sollte, zu recognosciren, und
stellte dann seine Leute mit so viel Geschick auf, als ihr
eigenthümlicher Charakter ihm zu bethätigen gestattete. Es war
wünschenswerth, die Clans getrennt zu halten. Jeder Stamm, ob groß oder
klein, bildete eine Colonne, welche von der nächsten durch einen weiten
Zwischenraum geschieden war. Das eine dieser Bataillone mochte
siebenhundert Mann stark sein, während ein andres bloß aus
hundertzwanzig Mann bestand.
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Lochiel hatte vorgestellt, daß es unmöglich
sei, Männer von verschiedenen Stämmen zu vermischen, ohne Alles zu
zerstören, was die eigenthümliche Stärke eines Hochlandsheeres
bilde.[103]
Auf der rechten Flanke, dicht am Garry standen die Macleans. Ihnen
zunächst Cannon mit seinem irischen Fußvolke. Dann kamen die Macdonalds
von Clanronald, von dem Vormunde ihres jungen Fürsten befehligt. Auf der
Linken standen andere Schaaren von Macdonalds. An der Spitze eines
starken Bataillons erhob sich die stattliche Figur Glengarry's, der die
königliche Standarte König Jakob's VII. trug.[104] Noch weiter links
stand die Reiterei, eine kleine Schwadron, bestehend aus einigen
jakobitischen Gentlemen, die aus dem Niederlande ins Gebirge geflüchtet
waren, und aus etwa vierzig von Dundee's alten Reitern. Jenseit
derselben kam Lochiel mit seinen Camerons, und die äußerste Linke
bildeten die Männer von Sky unter Anführung Macdonald's von Sleat.[105]
In den Hochlanden wie in allen Ländern, wo der Krieg nicht zu einer
Wissenschaft geworden ist, hielt man es für die wichtigste Pflicht eines
Befehlshabers, das Beispiel persönlichen Muthes und körperlicher
Anstrengung zu geben. Lochiel war besonders berühmt wegen seiner
physischen Tapferkeit. Seine Clansleute erzählten mit Stolz, wie er
feindliche Reihen selbst durchbrochen und riesenhafte Krieger
niedergehauen habe. Er verdankte diesen Thaten vielleicht einen eben so
großen Theil seines Einflusses wie den ausgezeichneten Eigenschaften,
die ihn, hätte das Schicksal ihn in das englische Parlament oder an den
französischen Hof versetzt, zu einem der hervorragendsten Männer seines
Jahrhunderts gemacht haben würden. Er war jedoch verständig genug, um
einzusehen, wie irrig die Meinung war, welche seine Landsleute gefaßt
hatten. Er wußte, daß es nicht das Amt eines Generals war, Schläge
auszutheilen und zu empfangen. Er wußte, wie schwer es Dundee geworden
war, nur wenige Tage ein aus verschiedenen Clans bestehendes Heer
zusammenzuhalten, und er wußte, daß das was einem Dundee Mühe gekostet
hatte, einem Cameron geradezu unmöglich sein würde. Ein Leben, von dem
so viel abhing, durfte nicht einem barbarischen Vorurtheile geopfert
werden. Lochiel beschwor daher Dundee, sich nicht unnöthiger Gefahr
auszusetzen. »Ew. Lordschaft Amt ist es,« sagte er, »Alles zu
beaufsichtigen und Ihre Befehle zu ertheilen, und an uns ist es, diese
Befehle auszuführen.« Dundee erwiederte mit ruhiger Hochherzigkeit, daß
in den Worten seines Freundes Sir Ewan viel Wahres liege, daß aber kein
General etwas Großes vollbringen könne, ohne das Vertrauen seiner Leute
zu besitzen. »Ich muß mir den Ruf der persönlichen Tapferkeit erwerben.
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Ihre Leute erwarten ihre Anführer im dichtesten Kampfgewühl zu sehen,
und heute sollen sie mich da sehen. Ich verspreche Ihnen jedoch bei
meiner Ehre, daß ich in künftigen Gefechten mich mehr schonen werde.«
Mittlerweile wurde auf beiden Seiten ein Kleingewehrfeuer unterhalten,
von den regulären Soldaten aber geschickter und nachhaltiger als von den
Gebirgsleuten. Der Raum zwischen den beiden Heeren war eine einzige
Rauchwolke. Nicht wenige Hochländer fielen, und die Clans wurden
ungeduldig. Die Sonne stand jedoch schon tief im Westen, als Dundee
endlich den Befehl gab, sich kampffertig zu machen. Seine Leute erhoben
ein großes Jubelgeschrei. Der Feind, wahrscheinlich erschöpft durch die
Anstrengungen des Tages, antwortete mit einem nur schwachen und
vereinzelten Hurrah. »Jetzt frisch ans Werk!« sagte Lochiel. »Das ist
nicht der Ruf von Männern, die zum Siege gehen.« Er war durch alle seine
Reihen gegangen, hatte an jeden Cameron einige Worte gerichtet, und
jedem das Versprechen abgenommen, zu siegen oder zu sterben.[106]
Es war sieben Uhr vorüber. Dundee gab das Losungswort. Die Hochländer
ließen ihre Plaids fallen. Die Wenigen, die so luxuriös waren, rohe
Socken von ungegerbter Haut zu tragen, warfen sie weg. Man erinnerte
sich noch lange in Lochaber, daß Lochiel seine Schuhe, wahrscheinlich
das einzige Paar in seinem Clan, auszog und barfuß an der Spitze seiner
Leute kämpfte. Die ganze Linie rückte feuergebend vor. Der Feind
erwiederte das Feuer mit guter Wirkung. Als nur noch ein kleiner Raum
zwischen den beiden Heeren war, warfen die Hochländer plötzlich ihre
Gewehre weg, zogen ihre Breitschwerter und stürzten mit einem
furchtbaren Geschrei vorwärts. Die Niederländer machten sich bereit, den
Angriff zurückzuweisen; doch dies war damals eine langwierige und
schwerfällige Procedur, und die Soldaten hanthierten noch an den
Mündungen ihrer Gewehre und an den Griffen ihrer Bajonette herum, als
der ganze Strom der Macleans, Macdonalds und Camerons auf sie anstürmte. In zwei Minuten war die Schlacht verloren und gewonnen. Die Reihen von
Balfour's Regiment öffneten sich. Er wurde niedergehauen, während er im
Gedränge kämpfte. Ramsay's Leute machten kehrt und warfen die Waffen
weg. Mackay's eignes Fußvolk wurde durch den wüthenden Angriff der
Camerons auseinandergesprengt. Sein Bruder und sein Neffe bemühten sich
vergebens, die Leute zu sammeln. Ersterer wurde durch einen Hieb mit
einem Claymore todt zu Boden gestreckt. Der Andre arbeitete sich, mit
acht Wunden bedeckt, durch das Getümmel und Blutvergießen bis an die
Seite seines Oheims. Selbst in dieser äußersten Bedrängniß behielt
Mackay seine ganze Geistesgegenwart.
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Er hatte noch eine Hoffnung. Ein
Reiterangriff konnte das Kriegsglück wenden, denn vor Reitern fürchteten
sich, wie man glaubte, selbst die tapfersten Hochländer. Doch er rief
umsonst nach den Reitern. Belhaven benahm sich zwar als ein tapferer
Gentleman; aber seine Reiter, über die Niederlage des Fußvolks
erschrocken, sprengten in Verwirrung davon; Annandale's Leute folgten;
Alles war vorüber und der wirre Strom von Rothröcken und Tartans wälzte
sich das Thal hinunter in die Schlucht von Killiecrankie. Mackay, von einem treuen Diener begleitet, sprengte muthig durch das
dichteste Gewühl der Claymores und Tartschen und erreichte einen Punkt,
von wo er einen Ueberblick über das Schlachtfeld hatte. Seine ganze
Armee war verschwunden, mit Ausnahme einiger Grenzer, welche Leven
zusammengehalten hatte, und des Regiments Hastings, das ein mörderisches
Feuer in die celtischen Reihen gesandt hatte und das noch in
ungebrochener Ordnung Stand hielt. Die Leute welche gesammelt werden
konnten, beliefen sich auf nur wenige Hunderte. Der General beeilte
sich, sie über den Garry zu führen, und nachdem er diesen Fluß zwischen
sie und den Feind gebracht hatte, machte er einen Augenblick Halt, um
über seine Lage nachzudenken. Er konnte kaum begreifen, wie die Sieger so unklug sein konnten, ihm
auch nur diesen Augenblick zur Ueberlegung zu lassen. Sie hätten mit
Leichtigkeit seine ganze Mannschaft niederhauen oder gefangen nehmen
können, bevor die Nacht einbrach. Aber die Energie der celtischen
Krieger hatte sich in einem wüthenden Angriff und einem kurzen Kampfe
erschöpft. Der Engpaß war von den zwölfhundert Lastthieren, welche die
Lebensmittel und das Gepäck der besiegten Armee trugen, verstopft. Eine
solche Beute war eine unwiderstehliche Versuchung für Leute, die
ebensowohl durch das Verlangen nach Raub, wie durch das Verlangen nach
Ruhm zum Kriege getrieben wurden. Es ist wahrscheinlich, daß sogar
wenige Häuptlinge geneigt waren um König Jakob's willen eine so reiche
Beute im Stich zu lassen. Dundee selbst würde in diesem Augenblicke
nicht im Stande gewesen sein, seine Anhänger dazu zu bewegen, daß sie
von den Beutehaufen abließen und das große Werk des Tages vollendeten,
und Dundee war nicht mehr. Dundee's Tod. Beim Beginn des Gefechts hatte er seinen Platz vor der Fronte seiner
kleinen Reiterschaar genommen. Er befahl ihr ihm zu folgen und ritt
vorwärts. Doch es schien beschlossen zu sein, daß an diesem Tage die
Schotten des Niederlandes in beiden Armeen sich in nachtheiligem Lichte
zeigen sollten. Die Reiter zögerten.
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Dundee wendete sich um, erhob sich
in den Steigbügeln und forderte sie seinen Hut schwenkend auf,
herbeizukommen. Als er seinen Arm erhob, lüftete sich sein Harnisch und
entblößte den unteren Theil seiner linken Seite. Eine Musketenkugel traf
ihn, sein Pferd sprang vorwärts und stürzte sich in eine Wolke von Rauch
und Staub, welche beiden Armeen den Fall des siegreichen Generals
verbarg. Ein Mann, Namens Johnstone, war in seiner Nähe und fing ihn
auf, als er aus dem Sattel herabsank. »Wie steht die Schlacht?« fragte
Dundee. »Gut für König Jakob,« antwortete Johnstone, »aber ich bin
besorgt um Ew. Lordschaft.« -- »Wenn die Schlacht gut für ihn steht,«
erwiederte der Sterbende, »so ist an mir um so weniger gelegen.« Dies
waren seine letzten Worte; als aber eine halbe Stunde darauf Lord
Dunfermline und einige andere Freunde zur Stelle kamen, glaubten sie
noch einige schwache Lebenszeichen zu erkennen. Der in zwei Plaids
gehüllte Leichnam wurde nach Blair Castle gebracht.[107]
Mackay's Rückzug. Mackay, der von Dundee's Schicksal nichts wußte, wohl aber Dundee's
Geschicklichkeit und Thätigkeit kannte, erwartete augenblicklich und
heftig verfolgt zu werden, und machte sich wenig Hoffnung, auch nur die
spärlichen Ueberreste der besiegten Armee retten zu können. Durch den
Engpaß konnte er sich nicht zurückziehen, denn die Hochländer waren
bereits dort. Er beschloß daher, über die Berge in das Thal des Tay
vorzudringen. Er holte bald einige Hundert seiner Ausreißer ein, welche
dieselbe Richtung eingeschlagen hatten. Die meisten von ihnen gehörten
zu Ramsay's Regiment und mußten gediente Soldaten sein. Aber sie waren
ohne Waffen, durch die erlittene Niederlage demoralisirt, und der
General konnte bei ihnen keinen Ueberrest von militärischer Disciplin
ober kriegerischem Muthe entdecken. Seine Lage war von der Art, daß sie
auch den Stärksten auf eine harte Probe stellen mußte. Die Nacht war
hereingebrochen; er befand sich ohne Führer in einer Wüste; ein
siegreicher Feind war ihm aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Fersen,
und er hatte für die Sicherheit eines Haufens von Menschen zu sorgen,
welche Kopf und Herz verloren hatten. Er hatte eben die schmerzlichste
und demüthigendste Niederlage erlitten. Seine Privatgefühle waren nicht
weniger tief verwundet worden als seine Berufsgefühle. Ein theurer
Verwandter war eben vor seinen Augen todt niedergestreckt worden. Ein
andrer bewegte sich, aus vielen Wunden blutend, nur noch schwach neben
ihm. Doch der Muth des unglücklichen Generals wurde durch einen festen
Glauben an Gott und durch ein hohes Pflichtgefühl für den Staat
aufrechterhalten.
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Bei all' seinem Elend und Mißgeschick trug er das
Haupt noch stolz erhoben und fand Muth nicht allein für sich, sondern
für Alle die ihn umgaben. Seine erste Sorge war, des Weges gewiß zu
sein. Ein einsames Licht, das durch die Dunkelheit schimmerte, führte
ihn zu einer kleinen Hütte. Die Bewohner sprachen nur gälisch, und waren
anfangs durch das Erscheinen von Uniformen und Waffen geängstigt. Doch
Mackay's Leutseligkeit zerstreute ihre Besorgniß. Ihre Sprache war ihm
in der Jugend geläufig gewesen, und er hatte genug davon behalten, um
sich mit ihnen verständigen zu können. Nach ihren Anweisungen und mit
Hülfe einer Taschenkarte, auf welcher die Straßen jenes wilden Landes
oberflächlich angegeben waren, gelang es ihm sich zurecht zu finden. Er
marschirte die ganze Nacht. Als der Tag anbrach, war seine Aufgabe
schwieriger als je. Hasting's und Leven's Leute benahmen sich zwar noch
wie Soldaten. Aber die Ramsay'schen Ausreißer waren ein bloßer
Pöbelhaufen. Sie hatten ihre Musketen weggeworfen, und die
Breitschwerter, vor denen sie geflohen waren, blitzten beständig vor
ihren Augen. Jeder neue Gegenstand jagte ihnen einen neuen Schrecken
ein. Ein Häuflein Hirten in Plaids, welche ihr Vieh trieben, wurde durch
die Einbildungskraft zu einem Heere celtischer Krieger vergrößert. Einige der Ausreißer verließen das Hauptcorps und entflohen ins Gebirge,
wo ihre Feigheit die verdiente Strafe fand. Sie wurden um ihrer Röcke
und Schuhe willen erschlagen, und ihre nackten Leichname den Adlern von
Ben Lawers preisgegeben. Die Desertion würde noch viel ärger gewesen
sein, hätten nicht Mackay und seine Offiziere mit dem Pistol in der Hand
jeden Mann niederzuschießen gedroht, den sie bei dem Versuche sich
fortzustehlen betreffen würden. Endlich kamen die ermüdeten Flüchtlinge vor Weems Castle an. Der
Besitzer des Schlosses war ein Freund der neuen Regierung und er erwies
ihnen soviel Gastfreundschaft als in seinen Kräften stand. Sein Vorrath
von Hafermehl wurde herbeigebracht, es wurden einige Rinder geschlachtet
und den zahlreichen Gästen eine eilig zubereitete kunstlose Mahlzeit
vorgesetzt. So gestärkt brachen sie wieder auf und marschirten den
ganzen Tag über Sumpf, Moor und Berg. So dünn bevölkert die Gegend auch
war, konnten sie doch deutlich sehen, daß die Nachricht von ihrem
Mißgeschick sich schon weit verbreitet hatte und daß die Bevölkerung
allenthalben in großer Aufregung war.
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Spät in der Nacht erreichten sie
das Schloß Drummond, das durch eine kleine Besatzung für König Wilhelm
vertheidigt wurde, und am folgenden Tage marschirten sie unter
geringeren Beschwerden weiter nach Stirling.[108]
Eindruck der Schlacht von Killiecrankie. Das Gerücht von ihrer Niederlage war ihnen vorausgeeilt. Ganz Schottland
war in Gährung. Der Schlag war allerdings hart, aber er wurde durch die
hochfliegenden Hoffnungen der einen und durch die maßlosen Befürchtungen
der andren Partei übertrieben. Man glaubte anfangs, daß die ganze Armee
König Wilhelm's umgekommen, daß Mackay selbst gefallen, daß Dundee an
der Spitze eines siegberauschten und beutegierigen zahlreichen
Barbarenheeres bereits vom Gebirge herabgekommen, daß er Herr des ganzen
Landes jenseits des Forth, daß Fife aufgestanden sei, um sich ihm
anzuschließen, daß er in drei Tagen in Stirling und in acht Tagen in
Holyrood sein werde. Es wurden Booten ausgesandt, um ein in
Northumberland liegendes Regiment aufzufordern, eiligst über die Grenze
zu rücken. Andere Boten brachten das dringende Gesuch an Seine Majestät
nach London, sofort alle entbehrlichen Soldaten zu schicken und am
liebsten selbst mitzukommen, um sein nordisches Reich zu retten. Vertagung des schottischen Parlaments. Die Factionen im Parlamentshause vergaßen in ihrem Schrecken über die
gemeinsame Gefahr allen Streit. Die Anhänger des Hofes wie die
Mißvergnügten beschworen einstimmig den Lordstatthalter, die Session zu
schließen und sie von einem Orte zu entlassen, wo ihre Berathungen bald
durch die Gebirgsbewohner unterbrochen werden könnten. Es wurde
ernstlich in Erwägung gezogen, ob es nicht rathsam sei, Edinburg
aufzugeben, die im Schlosse und im Tolbooth befindlichen zahlreichen
Staatsgefangenen auf ein vor Leith liegendes Kriegsschiff zu bringen und
den Sitz der Regierung nach Glasgow zu verlegen. Der Nachricht von Dundee's Sieg folgte aller Orten sehr bald die
Nachricht von seinem Tode, und es ist ein schlagender Beweis für den
Umfang und das Maß seiner Fähigkeiten, daß sein Tod überall als ein
Ereigniß betrachtet wurde, das seinen Sieg vollständig aufwog. Ehe
Hamilton die Stände vertagte, theilte er ihnen mit, daß er gute
Nachrichten für sie habe, daß Dundee wirklich todt sei und daß daher die
Rebellen im Grunde eine Niederlage erlitten hätten. In verschiedenen
Briefen, welche damals von einsichtsvollen und erfahrenen Staatsmännern
geschrieben wurden, spricht sich eine gleiche Ansicht aus. Dem Boten,
der mit der Nachricht von der Schlacht an den englischen Hof eilte,
folgte ein andrer auf dem Fuße, der eine Depesche für den König brachte
und, da er Se. Majestät im St.
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Jamespalaste nicht anwesend fand, nach
Hampton Court sprengte. Niemand in der Hauptstadt wagte es das Siegel zu
erbrechen; glücklicherweise aber hatte eine befreundete Hand, nachdem
der Brief verschlossen war, auf die Außenseite desselben die tröstenden
Worte geschrieben: »Dundee ist gefallen, Mackay ist in Stirling
angelangt,« und diese Worte beruhigten die Gemüther der Londoner.[109]
Aus dem Engpasse von Killiecrankie hatten sich die Hochländer, stolz auf
ihren Sieg und mit Beute beladen, nach dem Schlosse Blair zurückgezogen. Sie rühmten sich, daß das Schlachtfeld mit Haufen gefallener sächsischer
Soldaten bedeckt sei, und daß das Aussehen der Leichname deutlich
beweise, was ein gutes gälisches Breitschwert in einer guten gälischen
Hand auszurichten vermöge. Man habe Köpfe gefunden, welche bis an den
Hals gespalten, und Hirnschädel, welche dicht über den Ohren glatt
abgehauen gewesen seien. Indessen hatten auch die Sieger ihren Sieg
theuer erkauft. Auf ihrem Marsche waren sie durch das Feuer des Feindes
sehr beunruhigt worden, und selbst nach dem entscheidenden Angriffe
hatten Hastings' Engländer und ein Theil von Leven's Grenzern noch immer
ein wohlgenährtes Feuer unterhalten. Hundertzwanzig Camerons waren
getödtet worden; der Verlust der Macdonalds war noch bedeutender und
mehrere vornehme und angesehene Gentlemen waren geblieben.[110]
Dundee ward in der Kirche von Blair Athol beigesetzt, aber kein Denkmal
über seiner Gruft errichtet, und die Kirche selbst existirt schon lange
nicht mehr. Ein roher Stein auf dem Schlachtfelde bezeichnet, wenn
anders man der lokalen Ueberlieferung glauben darf, die Stelle wo er
fiel.[111] In den letzten drei Monaten seines Lebens hatte er sich als
ein großer Feldherr und Staatsmann gezeigt, und sein Name wird daher von
der zahlreichen Klasse von Leuten, welche der Ansicht sind, daß es kein
auch noch so großes Maß von Schlechtigkeit giebt, welches durch Muth und
Talent nicht aufgewogen werden könnte, mit Achtung genannt. Es ist merkwürdig, daß die beiden bedeutendsten Schlachten, welche
vielleicht jemals irreguläre Truppen über reguläre gewannen: die
Schlacht von Killiecrankie und die Schlacht von Newton Butler, in einer
und der nämlichen Woche stattfanden. In beiden Schlachten war der Sieg
der irregulären Truppen ungemein rasch und vollständig. In beiden
Schlachten war der panische Schrecken der regulären Truppen, trotz des
glänzenden Beispiels von Muth, das ihre Generäle gaben, ganz besonders
schimpflich. Auch ist zu bemerken, daß der eine dieser beiden
außerordentlichen Siege von Celten über Sachsen, der andre von Sachsen
über Celten erfochten wurde.
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Allerdings ist der Sieg von Killiecrankie,
obgleich er weder glänzender noch wichtiger war als der von Newton
Butler, in viel weiteren Kreisen berühmt, und der Grund davon liegt auf
der Hand. In Schottland sind die Angelsachsen und die Celten ausgesöhnt
worden, in Irland sind sie nie ausgesöhnt worden. In Schottland werden
alle Großthaten beider Racen ohne Unterschied zusammengeworfen und
werden als den Ruhm des ganzen Landes bildend betrachtet. Die alte
Antipathie ist so vollkommen verschwunden, daß es etwas ganz
Gewöhnliches ist, einen Bewohner des Niederlandes mit Selbstgefälligkeit
und sogar mit Stolz von der demüthigendsten Niederlage sprechen zu
hören, die seine Vorfahren je erlitten. Es dürfte schwer sein, einen
berühmten Mann zu nennen, bei welchem das Nationalgefühl und das
Clansgefühl stärker gewesen waren als bei Sir Walter Scott. Wenn jedoch
Sir Walter Scott Killiecrankie erwähnte, schien er gänzlich zu
vergessen, daß er ein Sachse, daß er von demselben Blute war und die
nämliche Sprache sprach wie Ramsay's Fußvolk und Annandale's Reiter. Sein Herz schwoll von Siegesstolz, wenn er erzählte, wie seine
Stammverwandten gleich Hasen vor einer geringen Anzahl Krieger eines
andren Stammes und einer andren Zunge die Flucht ergriffen hatten. In Irland ist die Fehde heute noch nicht getilgt. Der von einer
Minderzahl in höhnender Weise wiederholte Name Newton Butler ist der
großen Mehrheit der Bevölkerung verhaßt. Wenn man ein Denkmal auf dem
Schlachtfelde errichtete, würde es wahrscheinlich verstümmelt werden;
wenn man in Cork oder Waterford den Jahrestag der Schlacht feiern
wollte, so würde die Feier wahrscheinlich gewaltsam gestört werden. Der
berühmteste irische Dichter unsrer Zeit würde es als einen Verrath an
seinem Vaterlande betrachtet haben, das Lob der Sieger zu singen. Einer
der gelehrtesten und eifrigsten irischen Alterthumsforscher unsrer Zeit
hat, allerdings nicht mit besonderem Glück, zu beweisen versucht, daß
der Ausgang der Schlacht durch einen reinen Zufall entschieden worden
sei, aus welchem kein Ruhm für die Engländer hervorgehen könne. Wir
dürfen uns nicht wundern, daß der Sieg der Hochländer mehr gefeiert wird
als der Sieg der Enniskillener, wenn wir bedenken, daß der Sieg der
Hochländer ein Gegenstand des Ruhmes für ganz Schottland, der Sieg der
Irländer aber ein Gegenstand der Schmach für drei Viertheile von Irland
ist. So weit die großen Interessen des Staats dabei in Betracht kamen, war es
ganz gleichgültig, ob die Schlacht von Killiecrankie gewonnen oder
verloren wurde.
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Es ist sehr unwahrscheinlich, daß selbst Dundee, wenn er
den glorreichsten Tag seiner Laufbahn überlebt hätte, die
Schwierigkeiten überwunden haben würde, welche aus dem eigenthümlichen
Character seiner Armee entsprangen und die sich verzehnfacht haben
würden, sobald der Krieg auf das Niederland übertragen worden wäre. Die hochländische Armee verstärkt. Gewiß ist jedoch, daß sein Nachfolger der Aufgabe durchaus nicht
gewachsen war. Einige Tage lang konnte sich der neue General zwar mit
der Hoffnung schmeicheln, daß Alles gut gehen werde, denn seine Armee
hatte sich rasch um fast die doppelte Anzahl Claymores verstärkt, welche
Dundee befehligt. Die Stewarts von Appin, welche, obgleich voll Eifers,
nicht zur rechten Zeit hatten eintreffen können, um an der Schlacht
Theil zu nehmen, waren unter den Ersten, die jetzt ankamen. Mehrere
Clans, welche bisher gewartet hatten, um erst zu sehen, welcher Theil
der stärkere sein würde, wünschten jetzt sehnlichst unter dem Banner
König Jakob's VII. ins Niederland hinab zu ziehen. Die Grants hielten
zwar treu zu Wilhelm und Marien und die Mackintosh's blieben wegen ihrer
unüberwindlichen Abneigung gegen die Keppochs neutral. Aber Macphersons,
Farquharsons und Frasers kamen massenhaft ins Lager bei Blair. Jetzt war
die Unschlüssigkeit der Männer von Athol zu Ende. Viele von ihnen
hatten während des Kampfes hinter den Felsen und Birken der
Killiecrankieschlucht auf der Lauer gelegen und kamen, sobald der
Ausgang der Schlacht entschieden war, aus ihren Schlupfwinkeln hervor,
um die Flüchtlinge, welche durch den Engpaß zu entkommen versuchten,
auszuplündern und niederzumachen. Die Robertsons, ein gälischer Stamm,
obgleich er einen sächsischen Namen führte, erklärten damals ihren
Beitritt zur Sache des verbannten Königs. Ihr Häuptling Alexander, der
sich nach seiner Herrschaft Struan nannte, war ein noch sehr junger Mann
und Student auf der St. Andreas Universität. Dort hatte er sich eine
oberflächliche wissenschaftliche Bildung angeeignet, war aber desto
tiefer in die Torypolitik eingeweiht worden. Jetzt schloß er sich der
hochländischen Armee an und blieb während seines langen Lebens der
jakobitischen Sache unwandelbar treu. Er spielte jedoch eine so
unbedeutende Rolle bei den öffentlichen Angelegenheiten, daß sein Name
jetzt vergessen sein würde, hätte er nicht einen Band durchgehends
abgeschmackter und oft höchst unsittlicher Gedichte hinterlassen. Wäre
dieses Buch in Grub Street fabricirt worden, so würde es in der
»Dunciade« kaum mit einer Viertelzeile beehrt worden sein.
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Wegen der
Stellung seines Autors aber machte es einiges Aufsehen, denn vor
hundertzwanzig Jahren war eine Ekloge oder ein Schmähgedicht aus der
Feder eines hochländischen Häuptlings ein literarisches Wunder.[112]
Obgleich indessen die numerische Stärke von Cannon's Truppen zunahm,
verminderte sich dennoch ihre Wirksamkeit. Jeder neue Stamm, der im
Lager ankam, brachte eine neue Ursache zu Zwietracht mit. In der Stunde
der Gefahr fügen sich oftmals die übermüthigsten und widerspenstigsten
Köpfe der Leitung eines überlegenen Genies. Die celtischen Häuptlinge
aber hatten selbst in der Stunde der Gefahr und selbst dem Genie
Dundee's nur einen sehr prekären und unvollkommenen Gehorsam
zugestanden. Sie zu zügeln, wenn sie vom Kriegsglück berauscht waren und
sich auf ihre Stärke verlassen zu können glaubten, würde wahrscheinlich
auch für Dundee eine eben so schwere Aufgabe gewesen sein, als sie es
unter der vorhergehenden Generation für Montrose gewesen war. Der neue
General war fortwährend unschlüssig und machte nichts als Fehler. Eine
seiner ersten Maßregeln war, daß er ein starkes Truppencorps,
hauptsächlich aus Robertsons bestehend, ins Niederland schickte, um
Lebensmittel herbeizuschaffen. Er glaubte wahrscheinlich, daß dieses
Detachement ohne Schwierigkeit Perth besetzen werde. Aber Mackay hatte
die Ueberreste seiner Armee schon wieder geordnet, hatte außerdem einige
Truppen an sich gezogen, welche die Schmach der kürzlichen Niederlage
nicht getheilt, und war wieder kampfgerüstet. So schmerzlich er auch den
erlittenen Schlag empfunden, hatte er doch mit weiser Großmuth
beschlossen, das Vergangene nicht zu bestrafen. Es war nicht leicht, die
verschiedenen Grade der Schuld zu unterscheiden, und die Schuldigen zu
decimiren wäre eine grausame Schlächterei gewesen. In Folge seiner
gewohnten Frömmigkeit erblickte er in dem beispiellosen Schrecken, der
sich seiner Soldaten bemächtigt hatte, auch weniger einen Beweis von
Feigheit ihrerseits, als vielmehr von göttlichem Unwillen. Mit
heroischer Demuth erkannte er an, daß die außerordentliche Festigkeit,
die er selbst inmitten der Verwirrung und des Gemetzels an den Tag
gelegt, nicht sein Verdienst sei und daß er sich ohne den Beistand einer
höheren Macht wohl eben so kleinmüthig benommen haben würde wie irgend
einer der feigen Ausreißer, die ihre Waffen fortgeworfen und die
barbarischen Marodeurs von Athol vergebens um Pardon angefleht hatten. Sein Gottvertrauen hielt ihn jedoch nicht ab, so weit es in menschlichen
Kräften stand, sein Möglichstes zu thun, um der Wiederholung eines
Unglücks, wie er es eben erfahren, vorzubeugen. Die unmittelbare Ursache
seiner Niederlage war die Schwierigkeit des Bajonnetaufsteckens gewesen.
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Das Feuergewehr des Hochländers war streng gesondert von der Waffe,
deren er sich im Handgemenge bediente. Er feuerte seinen Schuß ab, warf
sein Gewehr weg und hieb mit seinem Schwerte ein. Dies war das Werk
eines Augenblicks. Dem regulären Infanteristen kostete es zwei bis drei
Minuten Zeit, ehe er sein Schießgewehr in eine Waffe verwandelte, mit
der er einen Feind Mann gegen Mann bekämpfen konnte, und diese wenigen
Minuten hatten den Ausgang der Schlacht von Killiecrankie entschieden. Mackay ließ daher alle seine Bajonnette so einrichten, daß sie auf den
Lauf gesteckt werden konnten, ohne die Mündung zu verschließen, und daß
seine Leute unmittelbar nachdem sie gefeuert, einem Angriff begegnen
konnten.[113]
Gefecht bei St. Johnston's. Sobald er erfuhr, daß ein Detachement gegen Perth anrückte, eilte er
demselben an der Spitze einer Dragonerabtheilung entgegen, welche noch
nicht im Feuer gewesen und deren Kraft daher noch ungeschwächt war. Mittwoch den 31. Juli, nur vier Tage nach seiner Niederlage, traf er
unweit St. Johnston's mit den Robertsons zusammen, griff sie an, schlug
sie, tödtete Hundertzwanzig von ihnen und nahm Dreißig gefangen, dies
Alles mit Verlust eines einzigen Soldaten.[114] Dieses Scharmützel
machte einen Eindruck, der in keinem Verhältniß zu der Zahl der
Kämpfenden wie der Gefallenen stand. Das Ansehen der celtischen Waffen
sank fast eben so rasch als es gestiegen war. Noch vor wenigen Tagen
hatte man überall geglaubt, daß diese Waffen unüberwindlich seien. Jetzt
trat eine Reaction ein. Man erkannte, daß der Vorfall bei Killiecrankie
eine Ausnahme von den gewöhnlichen Regeln und daß die Hochländer, wenn
nicht ganz besondere Umstände obwalteten, guten regulären Soldaten nicht
gewachsen seien. Unordnung in der hochländischen Armee. Inzwischen nahm die Unordnung in Cameron's Lager mehr und mehr zu. Er
berief einen Kriegsrath zusammen, um zu erwägen, was zu thun sei. Sobald
aber der Kriegsrath versammelt war; wurde eine Vorfrage aufgeworfen. Wer
war dazu berechtigt, consultirt zu werden? Die Armee war fast
ausschließlich eine hochländische. Der neuerliche Sieg war
ausschließlich durch hochländische Krieger erfochten worden. Mächtige
Häuptlinge, welche sechs- bis siebenhundert kampffähige Männer ins Feld
gestellt hatten, hielten es nicht für recht und billig, daß sie durch
Gentlemen aus Irland und dem Niederlande überstimmt werden sollten,
welche zwar in König Jakob's Diensten standen und Obersten und
Hauptleute genannt wurden, aber Obersten ohne Regimenter und Hauptleute
ohne Compagnien waren.
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Lochiel sprach energisch im Interesse der Klasse,
der er angehörte; Cannon aber beschloß, daß die Stimmen der sächsischen
Offiziere mitgezählt werden sollten.[115]
Es wurde nun zunächst in Erwägung gezogen, welcher Feldzugsplan zu
befolgen sei. Lochiel war dafür, vorzurücken, Mackay entgegen zu
marschiren, wo er auch sein möge, und abermals eine Schlacht zu liefern. Es ist kaum anzunehmen, daß das Glück dem klugen Häuptling der Camerons
den Kopf dergestalt verrückt haben sollte, daß er die Gefährlichkeit des
Verfahrens nicht erkannte, zu dem er gerathen. Aber er sah
wahrscheinlich ein, daß ihm nur die Wahl zwischen verschiedenen Gefahren
blieb. Er war der Meinung, daß energisches Handeln für das Bestehen
einer Hochländerarmee überhaupt nothwendig sei und daß die Coalition der
Clans nur so lange dauern werde, als sie hastig von Schlachtfeld zu
Schlachtfeld eilten. Er wurde abermals überstimmt. Alle seine
Siegeshoffnungen waren nun zertrümmert. Sein Stolz fühlte sich tief
gekränkt. Er hatte sich dem Uebergewicht eines großen Feldherrn gefügt,
aber an einem königlichen Patent lag ihm so wenig wie irgend einem Whig. Er hatte sich bereit finden lassen, die rechte Hand Dundee's zu sein,
von einem Cannon aber wollte er sich nicht befehlen lassen. Er verließ
das Lager und zog sich nach Lochaber zurück. Seinem Clan befahl er zwar
zu bleiben, aber der Clan, des angebeteten Führers beraubt und wohl
wissend, daß er sich in unmuthiger Stimmung entfernt hatte, war nicht
mehr die furchtbare Colonne, welche das Gelübde, zu sterben oder zu
siegen, vor einigen Tagen so gut gehalten hatte. Macdonald von Sleat,
dessen Streitkräfte der Zahl nach die jedes andren der verbündeten
Häuptlinge übertrafen, folgte Lochiel's Beispiel und kehrte nach Sky
zurück.[116]
Mackay's Rath wird von den schottischen Ministern nicht beachtet. Mackay hatte inzwischen seine Anordnungen vollendet und er hegte wenig
Zweifel, daß, wenn die Rebellen ihn angreifen sollten, die reguläre
Armee ihre bei Killiecrankie verlorne Ehre wiedergewinnen würde. Seine
Hauptschwierigkeiten entsprangen aus der unklugen Einmischung der
Minister der Krone zu Edinburg in Dinge, welche seiner alleinigen
Leitung hätten überlassen bleiben sollen. Die Sache war die, daß sie
nach der gewöhnlichen Art solcher Leute, welche ohne militärische
Erfahrung über militärische Operationen urtheilen, den Erfolg als
einzigen Prüfstein für die Tüchtigkeit eines Oberbefehlshabers
betrachteten. Wer eine Schlacht gewinnt, ist in den Augen dieser Leute
ein großer General, wer geschlagen wird, ist ein schlechter General, und
nie war ein General vollständiger geschlagen worden als Mackay.
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Wilhelm
dagegen schenkte seinem unglücklichen Leutnant nach wie vor das
vollkommenste Vertrauen. Auf die Verunglimpfungen der Kritiker, welche
nie ein Gefecht gesehen hatten, erwiederte Portland auf Befehl seines
Gebieters, daß Mackay volles Vertrauen verdiene, daß er tapfer sei, daß
er den Krieg besser verstehe als irgend ein andrer Offizier in
Schottland und daß es sehr zu bedauern sei, wenn man gegen einen so
guten Menschen und einen so guten Soldaten ein Vorurtheil hege.[117]
Die Camerons werden nach Dunkeld verlegt. Die ungerechte Geringschätzung, mit der die schottischen Staatsräthe
Mackay betrachteten, verleitete sie zu einem großen Fehler, der leicht
ein großes Unglück hätte nach sich ziehen können. Das Cameron'sche
Regiment wurde nach Dunkeld in Garnison gelegt. Diese Maßregel
mißbilligte Mackay entschieden. Er wußte, daß diese Truppen in Dunkeld
dem Feinde nahe, daß sie von jedem Beistande entfernt, daß sie in einer
offenen Stadt und von einer feindlichen Bevölkerung umgeben sein würden,
daß sie, obgleich unzweifelhaft tapfer und voll Eifers, doch sehr
unvollkommen disciplinirt waren, daß sie von der ganzen jakobitischen
Partei in Schottland mit besonderem Mißfallen betrachtet wurden und daß
aller Wahrscheinlichkeit nach große Anstrengungen gemacht werden würden,
sie zu beschimpfen und zu vernichten.[118]
Die Ansicht des Generals wurde nicht beachtet und die Camerons besetzten
den ihnen angewiesenen Posten. Es zeigte sich bald, daß seine Ahnungen
gegründet waren. Die Bewohner der Umgegend von Dunkeld versahen Cannon
mit Kundschaft und drangen in ihn einen kühnen Schlag zu versuchen. Das
beutelustige Landvolk von Athol schloß sich in großer Anzahl seiner
Armee an. Das Regiment erwartete stündlich angegriffen zu werden, und
wurde mißmuthig und unruhig. Die Mannschaften, welche von Natur sowohl
wie aus Enthusiasmus unerschrocken, aber noch nicht an militärische
Subordination gewöhnt waren, beschwerten sich über Cleland, der sie
befehligte. Sie glaubten rücksichtslos, wenn nicht arglistigerweise
einem sicheren Untergange entgegengeschickt worden zu sein. Sie seien,
meinten sie, durch keine Wälle geschützt, hätten nur geringen
Munitionsvorrath und seien von Feinden umgeben. Ein Offizier könne
aufsitzen und in einer Stunde außer dem Bereiche der Gefahr sein; der
gemeine Soldat aber müsse bleiben und sich niedermachen lassen. »Weder
ich,« sagte Cleland, »noch irgend ein andrer meiner Offiziere wird Euch
verlassen, was auch geschehen möge. Führt mein Pferd vor, führt alle
unsere Pferde vor, sie sollen todtgeschossen werden.« Diese Worte
bewirkten eine vollständige Sinnesänderung.
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Die Mannschaften erwiederten
darauf, daß die Pferde nicht todtgeschossen werden sollten, daß das Wort
ihres tapferen Obersten die beste Bürgschaft für sie sei und daß sie mit
ihm das Aeußerste wagen würden. Sie hielten ihr Versprechen treulich. Das puritanische Blut war jetzt gründlich aufgeregt, und was dieses Blut
vermochte, wenn es aufgeregt war, hatte es auf vielen Schlachtfeldern
bewiesen. Die Hochländer greifen das Regiment Cameron an. Das Regiment blieb diese Nacht unter den Waffen, und am Morgen des
folgenden Tages, des 21. August, wimmelte es auf allen Anhöhen um
Dunkeld von schottischen Mützen und Plaids. Cannon's Armee war viel
stärker als die, welche Dundee befehligt hatte. Mehr als tausend
Bagagepferde begleiteten ihn auf dem Marsche. Die Pferde sowohl, wie das
Gepäck, welches sie trugen, waren wahrscheinlich ein Theil der
Kriegsbeute von Killiecrankie. Die Gesammtmacht der Hochländer wurde von
Augenzeugen auf vier bis fünftausend Mann geschätzt. Sie kamen wüthend
herangestürmt, warfen die Vorposten des Cameron'schen Regiments zurück
und drangen von allen Seiten in die Straßen. Die Kirche hielt sich
jedoch hartnäckig. Der größere Theil des Regiments aber stand hinter
einer Mauer, welche ein dem Marquis von Athol gehörendes Haus umgab. Diese Mauer, welche einige Tage zuvor mit Holz und losen Steinen eiligst
ausgebessert worden war, vertheidigten die Soldaten tapfer mit Muskete,
Pike und Hellebarde. Ihr Kugelvorrath war bald erschöpft, aber einige
von der Mannschaft mußten das Blei vom Dache des Hauses des Marquis
losschneiden und es zu Geschossen formen. Mittlerweile wurden alle
benachbarten Häuser von oben bis unten mit Hochländern besetzt, welche
aus den Fenstern ein wirksames Feuer unterhielten. Cleland wurde
getödtet, während er seine Leute anfeuerte, und Major Henderson übernahm
das Commando. In der nächsten Minute fiel auch Henderson, von drei
Kugeln getroffen. Hauptmann Munro trat an seine Stelle und der Kampf
ward mit unverminderter Wuth fortgesetzt. Eine Abtheilung des
Cameron'schen Regiments machte einen Ausfall, steckte die Häuser, aus
denen die verderblichen Schüsse kamen, in Brand und verschloß die
Thüren. In einem einzigen Hause verbrannten sechzehn Mann lebendig. Theilnehmer an dem Gefecht schilderten es als eine furchtbare Feuertaufe
für Rekruten. Die halbe Stadt stand in Flammen und mit dem
unaufhörlichen Knattern der Schüsse vermischte sich das durchdringende
Geschrei der Unglücklichen, welche im Feuer umkamen. Der Kampf dauerte
vier Stunden. Das Cameron'sche Regiment war jetzt fast bis auf das
letzte Pulverhorn reducirt, aber der Muth der Leute wankte nicht. »Der
Feind wird bald die Mauer erstürmen. Es sei.
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Wir werden uns dann in das
Haus zurückziehen, es bis aufs Aeußerste vertheidigen und, wenn sie
hereindringen sollten, es über ihren und unseren Köpfen anzünden.«
Während sie jedoch mit diesen verzweifelten Plänen umgingen, bemerkten
sie, daß die Heftigkeit des Angriffs nachließ. Die Hochländer begannen
bald zurückzuweichen, es verbreitete sich sichtbare Unordnung unter
ihnen und ganze Schaaren marschirten dem Gebirge zu. Umsonst befahl
ihnen ihr General zum Angriff zurückzukehren; Beharrlichkeit gehörte
nicht zu ihren militärischen Tugenden. Die Camerons luden inzwischen
Amalek und Moab mit herausforderndem Geschrei ein zurückzukommen und
noch einmal gegen das auserwählte Volk ihr Heil zu versuchen. Aber diese
Aufforderungen hatten ebenso wenig Erfolg wie die Cannon's. In kurzer
Zeit war die ganze gälische Armee in vollem Rückzuge gegen Blair. Jetzt
wirbelten die Trommeln, die siegreichen Puritaner warfen ihre Mützen in
die Luft, stimmten aus einem Munde einen Psalm des Triumphes und des
Dankes an und schwenkten ihre Fahnen, welche an diesem Tage zum ersten
Male angesichts eines Feindes entrollt wurden, die aber seitdem stolz
nach allen Welttheilen getragen worden und die jetzt mit einer Sphinx
und einem Drachen, den Emblemen der in Egypten und China vollbrachten
Heldenthaten, geschmückt sind.[119]
Auflösung der hochländischen Armee. Das Cameron'sche Regiment hatte guten Grund, erfreut und dankbar zu
sein, denn es hatte dem Kriege ein Ende gemacht. Im Lager der Rebellen
herrschte nichts als Uneinigkeit und Entmuthigung. Die Hochländer
tadelten Cannon, Cannon tadelte die Hochländer, und das Heer, welches
der Schrecken Schottland's gewesen war, ging rasch seiner Auflösung
entgegen. Die verbündeten Häuptlinge unterzeichneten einen
gemeinschaftlichen Vertrag, durch den sie sich für treue Unterthanen
König Jakob's erklärten und sich verpflichteten, später wieder
zusammenzutreten. Nachdem sie diese Formalität -- denn weiter war es
nichts -- beobachtet hatten, begab sich jeder in seine Heimath. Cannon
kehrte mit seinen Irländern auf die Insel Mull zurück, und die
Niederländer,[120] welche Dundee ins Gebirge begleitet hatten, sorgten
für sich so gut sie konnten. Am 24. August, gerade vier Wochen nachdem
die gälische Armee die Schlacht von Killiecrankie gewonnen, hatte diese
Armee aufgehört zu existiren. Sie hatte aufgehört zu existiren wie die
Armee Montrose's über vierzig Jahre früher aufhörte zu existiren, nicht
in Folge eines vernichtenden Schlages von Außen, sondern durch eine
natürliche Auflösung, das Resultat innerer Mißbildung. Die Besiegten
ernteten alle Früchte des Sieges.
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Das Schloß Blair, welches das
unmittelbare Streitobject gewesen war, öffnete Mackay seine Thore, und
eine Kette von Militärposten, die sich nördlich bis Inverneß erstreckte,
schützte die Landleute in der Ebene gegen die räuberischen Einfälle der
Gebirgsbewohner. Intriguen des Clubs, Zustand des Niederlandes. Während des Herbstes machten die Whigs des Niederlandes der Regierung
viel mehr zu schaffen, als die Jakobiten des Hochlandes. Der Club, der
zur Zeit der letzten Parlamentssession das Land in eine oligarchische
Republik zu verwandeln versucht und die Stände dazu vermocht hatte,
Geldzuschüsse zu verweigern und die Justizverwaltung zu sistiren, hielt
auch während der Suspension des Parlaments nach wie vor seine Sitzungen
und peinigte die Minister der Krone durch systematische Agitation. So
verächtlich die Organisation dieses Vereins der Generation erscheinen
mag, welche die römischkatholische Association und die Ligue gegen die
Korngesetze gesehen hat, damals galt sie für ausgezeichnet und
furchtbar. Die Häupter der Verbindung rühmten sich laut, daß sie den
König zwingen würden, ihnen gerecht zu werden. Sie brachten Petitionen
und Adressen zu Stande, suchten mit Hülfe der Presse und der Kanzel die
Waffen aufzuregen, bearbeiteten die Soldaten durch Emissäre und sprachen
davon, ein starkes Heer Covenanters aus dem Westen herbeizuziehen, um
den Geheimen Rath einzuschüchtern. Trotz aller Kunstgriffe aber legte
sich die Gährung des Volks allmälig. Nach kurzem Zaudern wagte es die
Regierung, die von den Ständen geschlossenen Gerichtshöfe wieder zu
öffnen, die vom König ernannten Sessionslords nahmen ihre Plätze ein,
und Sir Jakob Dalrymple präsidirte. Der Club bemühte sich nun, die
Advokaten von der Barre zurückzuhalten und hegte einige Hoffnung, daß
der Pöbel die Richter von der Bank verjagen werde. Allein es zeigte sich
sehr bald deutlich, daß eher Mangel an Gebühren als an Anwälten, um
dieselben einzustreichen, zu erwarten stand; das Volk sah sehr gern
wieder ein Tribunal fungiren, das in seinen Augen ein nothwendiges
Attribut des Ansehens und Gedeihens seiner Stadt war, und aus vielen
Anzeichen ließ sich erkennen, daß die falsche und habgierige Partei,
welche die Majorität der Legislatur beherrscht hatte, nicht auch die
Majorität der Nation beherrschte.[121]
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[Fußnote 1: ^Act. Parl. Scot., Aug. 31. 1689.^]
[Fußnote 2: ^Balcarras's Memoirs; Short History of the Revolution in
Scotland in a letter from a Scotch gentleman in Amsterdam to his friend
in London, 1712.^]
[Fußnote 3: ^Balcarras's Memoirs; Life of James, II.
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Wir werden diese acht
Jahre der Usurpation stets als eine Zeit großen Friedens und Gedeihens
betrachten.« »Zur Zeit des Usurpators Cromwell,« sagt Fletcher,
»glaubten wir uns bezüglich des letzteren Punktes (Handel und Geld) in
einer erträglichen Lage zu befinden in Folge des Aufwandes, den die
Truppen machten, welche uns in Unterwürfigkeit erhielten.« Die richtige
Erklärung der Erscheinung, über welche Burnet und Fletcher in so großem
Irrthum waren, findet man in einer Flugschrift betitelt: »^Some
reasonable and modest Thoughts partly occasioned by and partly
concerning the Scotch East India Company, Edinburgh, 1696.^« Siehe auch
die Verhandlungen des Mittwochsclubs in Friday Street über eine Union
mit Schottland vom December 1705. Siehe ferner das 7. Kapitel von
Burton's vortrefflicher Geschichte Schottland's.]
[Fußnote 15: Siehe die Schrift, in welcher die Forderungen der
schottischen Commissare aufgestellt sind. Man findet sie im Anhange zu
De Foe's ^History of de Union^, Nr. 13.]
[Fußnote 16: ^Act. Parl. Scot.^, 30. Juli 1670.]
[Fußnote 17: ^Burnet II. 23.^]
[Fußnote 18: Man sehe zum Beispiel eine Flugschrift betitelt: »^Some
questions resolved concerning episcopal and presbyterian Government in
Scotland, 1690.^« Eine der »Fragen« ist die, ob das schottische
Presbyterium den allgemeinen Neigungen dieses Volks entspreche. Der
Verfasser verneint diese Frage, weil die höheren und mittleren Stände
sich schon vor der Revolution größtentheils der bischöflichen Kirche
conformirt hätten.]
[Fußnote 19: Die Instructionen befinden sich in den ^Leven and Melville
Papers^ und sind vom 7. März 1688/89 datirt. Bei der ersten Gelegenheit,
wo ich diese werthvolle Sammlung aufführe, kann ich nicht umhin es
anzuerkennen, zu wie großem Danke ich und Alle, die sich für die
Geschichte unsrer Insel interessiren, dem Herrn verpflichtet sind, der
daß Amt eines Herausgebers so vortrefflich erfüllt hat.]
[Fußnote 20: Ueber die Dalrymple sehe man des Lord Präsidenten eigene
Schriften und darunter seine ^Vindication of the Divine Perfections;^
ferner ^Wodrow's Analecta; Douglas's Peerage; Lockhardt's Memoirs;
Satyre on the Family of Stairs; Satyric Lines upon the long wished for
and timely Death of the Right Honorable Lady Stairs; Law's Memorials^
und die ^Hyndford Papers,^ geschrieben 1704/5 und zugleich mit den
Briefen von Carstairs gedruckt. Lockhardt, obgleich ein Todfeind Johann
Dalrymple's, sagt: »Es war Keiner im Parlament, der es mit ihm aufnehmen
konnte.«]
[Fußnote 21: Ueber Melville sehe man die ^Leven and Melville Papers^ an
verschiedenen Stellen, und die Vorrede; die ^Act. Parl. Scot.^ vom 16. Juni 1685 und den Anhang unterm 13. Juni; ^Burnet II.
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24^, und das
^Burnet M. S. Harl. 6584^.]
[Fußnote 22: ^Creichton's Memoirs.^]
[Fußnote 23: ^Mackay's Memoirs.^]
[Fußnote 24: ^Memoirs of the Lindsays.^]
[Fußnote 25: Ueber das frühere Verhältniß zwischen Wilhelm und Dundee
haben einige Jakobiten viele Jahre nach dem Tode Beider eine Geschichte
erfunden, welche durch successive Ausschmückungen zu einem Roman wurde,
bei dessen Lesung man sich wundern muß, wie nur ein Kind ihn für wahr
halten konnte. Die letzte Ausgabe lautet wie folgt. Bei Seneff wurde
Wilhelm das Pferd unter dem Leibe getödtet und sein Leben war in der
größten Gefahr. Dundee, damals Kapitain Graham, gab Seiner Hoheit ein
andres Pferd. Wilhelm versprach, diesen Dienst durch Beförderung zu
belohnen, brach aber sein Wort und gab einem andren das Patent, auf
welches er Graham Hoffnung gemacht hatte. Der beleidigte Held ging nach
Loo. Dort traf er seinen glücklichen Rivalen und gab ihm eine Ohrfeige. Die auf Thätlichkeiten innerhalb des Palastes gesetzte Strafe war der
Verlust der schuldigen rechten Hand; aber der Prinz von Oranien erließ
diese Strafe in ungroßmüthiger Weise. »Sie haben mir,« sagte er, »das
Leben gerettet, ich lasse Ihnen Ihre rechte Hand, so sind wir quitt.«
Diejenigen, welche bis auf unsre Zeit diesen Unsinn wiederholt haben,
müssen erstens in dem Wahne gewesen sein, daß die Acte Heinrich's VIII. »zur Bestrafung von Mord und böswilligem Blutvergießen innerhalb des
königlichen Hoflagers« (^Stat. 33 Hen. VIII. c. 2.^) in Geldern Gesetz
war, und zweitens daß Wilhelm 1674 König und sein Haus ein königliches
Hoflager war. Ebenso müssen sie nicht gewußt haben, daß er Loo erst
lange nachdem Dundee die Niederlande verlassen hatte, kaufte. Siehe
Harris' ^Description of Loo, 1699.^
Diese Fabel, von der ich in der umfangreichen jakobitischen Literatur
aus Wilhelm's Regierungszeit nicht die geringste Spur habe entdecken
können, scheint etwa ein Vierteljahrhundert nach Dundee's Tode
entstanden zu sein und im Laufe eines weiteren Vierteljahrhunderts sich
zu ihrer vollen Absurdität ausgebildet zu haben.]
[Fußnote 26: ^Memoirs of the Lindsays.^]
[Fußnote 27: ^Memoirs of the Lindsays.^]
[Fußnote 28: ^Balcarras's Memoirs.^]
[Fußnote 29: ^Burnet II. 22; Memoirs of the Lindsays.^]
[Fußnote 30: ^Act. Parl. Scot. March 14. 1689; History of the late
Revolution in Scotland, 1690; An Account of the Proceedings of die
Estates of Scotland, fol. London 1689.^]
[Fußnote 31: Balcarras' Erzählung stellt sowohl Hamilton als Athol in
einem sehr ungünstigen Lichte dar. Siehe auch ^Life of James, II. 338,
339.^]
[Fußnote 32: ^Act. Parl. Scot. March 14.
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1688/89; Balcarras's Memoirs;
History of the late Revolution in Scotland; Life of James, II. 342.^]
[Fußnote 33: ^Balcarras's Memoirs; History of the late Revolution in
Scotland, 1690.^]
[Fußnote 34: ^Act. Parl. Scot. March 14, 15. 1689; Balcarras's Memoirs;
London Gazette, March 25; History of the late Revolution in Scotland
1690; Account of the Proceedings of the Estates of Scotland, 1689.^]
[Fußnote 35: Siehe Cleland's Gedichte und die in demselben Bande
enthaltenen Loblieder, Edinburg 1697. Es ist wiederholt behauptet
worden, dieser Wilhelm Cleland sei der Vater des Steuercommissars
gleichen Namens gewesen, der zwanzig Jahre später in den literarischen
Kreisen London's wohl bekannt war, welcher Pope einige eben nicht sehr
lobenswerthe Dienste leistete und dessen Sohn Johann der Verfasser eines
nur zu weit berühmten Schandbuches war. Dies ist ein vollständiger
Irrthum. Der Wilhelm Cleland, welcher bei der Bothwellbrücke focht, war
noch nicht achtundzwanzig Jahr alt, als er im August 1689 fiel, und der
Steuercommissar Wilhelm Cleland starb in seinem siebenundsechzigsten
Lebensjahre im September 1741. Ersterer kann daher nicht der Vater des
letzteren gewesen sein. Siehe die ^Exact Narrative of the Battle of
Dunkeld,^ das Gentleman's Magazine von 1740 und Warburton's Anmerkung zu
dem Briefe an den Verleger der »Dunciade«, ein Brief, der mit W. Cleland
unterzeichnet, in Wirklichkeit aber von Pope verfaßt ist. In einem
Aufsatze von Sir Robert Hamilton, dem Orakel der extremen Covenanters
und einem blutdürstigen Wüthrich, wird Cleland's als eines ehemaligen
Bundesgenossen dieser Fanatiker, aber nachmaligen heftigen Widersachers
derselben erwähnt. Cleland stimmte wahrscheinlich nicht mit Hamilton
darin überein, die Abschlachtung von Kriegsgefangenen, die sich auf
Pardon ergeben hatten, als eine heilige Pflicht anzusehen. Siehe
Hamilton's ^Letter to the Societies^ vom 7. December 1685.]
[Fußnote 36: ^Balcarras's Memoirs.^]
[Fußnote 37: ^Balcarras's Memoirs.^ Den vollständigsten Bericht über
diese Verhandlungen geben jedoch einige handschriftliche Notizen, welche
sich in der Bibliothek der Advokatenfacultät befinden. Balcarras'
Angaben sind nicht ganz genau. Er verließ sich wahrscheinlich zu sehr
auf sein Gedächtniß. Ich habe dieselben nach den Parlamentsacten
berichtigt.]
[Fußnote 38: ^Act. Parl. Scot. March 16. 1688/89; Balcarras's Memoirs;
History of the late Revolution in Scotland, 1690; Account of the
Proceedings of the Estates of Scotland, 1689; London Gazette, March 25. 1689; Life of James II. 342.^ Burnet irrt sonderbar in Bezug auf diese
Vorgänge.]
[Fußnote 39: ^Balcarras's Memoirs;^ Manuscript in der Bibliothek der
Advokatenfacultät.]
[Fußnote 40: ^Act. Parl. Scot. March 19.
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1688/89; History of the late
Revolution in Scotland.^]
[Fußnote 41: Balcarras.]
[Fußnote 42: Balcarras.]
[Fußnote 43: ^Act. Parl. Scot; History of the late Revolution, 1690;
Memoirs of North Britain 1715.^]
[Fußnote 44: Balcarras.]
[Fußnote 45: Jeder Leser wird sich der Verwünschung erinnern, welche Sir
Walter Scott im fünften Gesange des »Marmion« über die Dummköpfe
aussprach, welche dieses interessante Denkmal entfernten.]
[Fußnote 46: »Es wird weder sicher noch gut für den König sein, es nach
der Thronbesteigung von einer Parlamentsacte zu erwarten, die es vor
seine Thür legen wird.« Dalrymple an Melville, 5. April 1689; ^Leven and
Melville Papers^.]
[Fußnote 47: Eine interessante Stelle über diesen Gegenstand findet sich
bei Fortescue.]
[Fußnote 48: ^Act. Parl. Scot. April 1. 1689; Orders of Committee of
Estates, Mai 16. 1689; London Gazette, April 11.^]
[Fußnote 49: Da es kürzlich in Abrede gestellt worden ist, daß die
extremen Presbyterianer eine ungünstige Meinung von den Lutheranern
hegten, so will ich zwei entscheidende Beweise für meine oben
aufgestellte Behauptung beibringen. In dem Buche: ^Faithful Contendings
Displayed^ befindet sich ein Bericht über die Vorgänge bei der
Generalversammlung der Vereinigten Covenantergesellschaften vom 24. October 1688. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob eine Verbindung mit den
Holländern stattfinden solle. »Es ward einstimmig beschlossen,« sagt der
Sekretär der Gesellschaften, »daß wir uns mit den Holländern nicht zu
einem Körper vereinigen, noch förmlich unter ihre Leitung kommen
könnten, da sie ein Gemisch von reformirten lutherischen Uebelgesinnten
und Sectirern seien, mit denen gemeinschaftliche Sache zu machen dem
Zeugniß der Kirche von Schottland widerstreiten würde.« In dem am 2. October 1707 aufgesetzten »Protest und Testimonium« beschweren sich die
Vereinigten Gesellschaften darüber, daß die Krone »dem Prinzen von
Hannover verliehen worden sei, der in der lutherischen Religion erzogen
und aufgewachsen ist, welche, wie allgemein bekannt, nicht allein
abweicht von der Reinheit in Lehre, Reformation und Glauben, die wir in
diesen Nationen erreicht hatten, sondern derselben in vielen Dingen
sogar zuwiderläuft.« Sie setzen hinzu: »Die Annahme einer solchen Person
zum Herrscher über uns widerstreitet nicht nur unserm feierlichen Bund
und Covenant, sondern dem Worte Gottes selbst: 5. Buch Mosis XVII.«]
[Fußnote 50: ^History of the late Revolution in Scotland; London
Gazette, Mai 16. 1689.^ Der officielle Bericht über die Vorgänge war
offenbar mit großer Sorgfalt abgefaßt. Siehe auch das ^Royal Diary,
1702^.
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Der Verfasser dieses Werks versichert, daß er seine Angaben den
Mittheilungen eines Geistlichen verdanke, welcher anwesend war.]
[Fußnote 51: Siehe Crawford's Briefe und Reden an verschiedenen Stellen. Seine Art und Weise, um eine Stelle anzusuchen, war eigenthümlich. Nachdem er, nicht ohne Grund, zugegeben hatte, daß sein Herz voller
Arglist und verzweifelt sündig sei, fuhr er fort: »Das nämliche
allmächtige Wesen, welches gesagt hat: Wenn die Armen und Bedürftigen
Wasser suchen und es ist keins da und ihre Zunge verschmachtet vor
Durst, wird Er sie nicht verlassen, -- kann mir trotz meiner jetzigen
dürftigen Umstände ein Haus bauen, wenn es dies für gut findet.« --
Brief an Melville vom 28. Mai 1689. Ueber Crawford's Armuth und sein
Verlangen nach bischöflichen Ländereien sehe man seinen Brief an
Melville vom 4. December 1690. Ueber seine Humanität siehe seine Briefe
an Melville vom 11. December 1690. Alle diese Briefe findet man in den
^Leven and Melville Papers^. Der Verfasser von: ^An Account of the Late
Establishment of Presbyterian Government^ sagt von Jemandem, der sich
mit zehn oder zwölf Pfund Sterling hatte bestechen lassen: »Wäre er so
arm gewesen wie Mylord Crawford, so würde er vielleicht eher zu
entschuldigen gewesen sein.« Siehe auch die Dedication der berühmten
Schrift: ^Scotch Presbyterian Eloquence Displayed.^]
[Fußnote 52: ^Burnet II. 23. 24; Fountainhall Papers,^ 13. Aug. 1684,
14., 15. Oct. 1684, 3. Mai 1685; Montgomery an Melville, 23. Juni 1689
in den ^Leven and Melville Papers; Pretences of the French Invasion
Examined, licensed May 25. 1692.^]
[Fußnote 53: Siehe ^The Life and Correspondence of Carstairs^ und die
interessanten Abhandlungen über ihn in den 1854 gedruckten ^Caldwell
Papers^. Ferner seine Characteristik von Mackay und Swift's Note. Swift's Wort kann gegen einen Schotten und Presbyterianer kein Gewicht
haben. Ich glaube jedoch, daß Carstairs, obgleich im Wesentlichen ein
rechtschaffener und frommer Mann, sein gutes Theil von der Klugheit der
Schlange besaß.]
[Fußnote 54: Sir Johann Dalrymple an Lord Melville, 18., 20., 25. Juni
1689; ^Leven and Melville Papers^.]
[Fußnote 55: In dem 1704 geschriebenen und in den ^Carstairs Papers^
abgedruckten Hyndford-Manuscripte kommt eine ergötzliche Beschreibung
Sir Patrick's vor: »Er liebt wohleinstudirte Reden und kann selbst
Privatfreunden ohne solche kaum Audienz geben.«]
[Fußnote 56: »Niemand ist thätiger als Saltoun, obgleich nicht
Mitglied.« Lockhart an Melville, 11. Juli 1689; ^Leven and Melville
Papers^.
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Siehe Fletcher's eigene Werke und die Beschreibungen von ihm in
Lockhart's und Mackay's Memoiren.]
[Fußnote 57: Dalrymple sagt in einem Briefe vom 5. Juni: »Alle
Uebelgesinnten sind aus Furcht in den Club gekommen, und sie stimmen
Alle gleich.«]
[Fußnote 58: Balcarras.]
[Fußnote 59: »Soll ich Sie mit einer Schilderung dieses unfruchtbaren
Landes langweilen, wo ich Sie über Berge, ganz braun von Haidekraut,
oder durch Thäler führen muß, welche kaum Futter genug für ein Kaninchen
enthalten? ... Jeder Punkt des Landes bietet die nämliche reizlose
Landschaft dar. Kein Gehölz oder Bach erfreut den Fremden durch seine
trauliche Musik.« -- Goldsmith an Bryanton, Edinburg, 26. September
1753. In einem bald nachher aus Leyden an den ehrwürdigen Thomas
Contarine geschriebenen Briefe sagt Goldsmith: »Ich war ganz versunken
in das Anschauen der Gegend. Nichts kann der Schönheit derselben
gleichkommen. Wohin ich den Blick wendete, überall zeigten sich schöne
Häuser, anmuthige Gärten, Statuen, Grotten und Fernsichten. Schottland
bildet mit diesem Lande den grellsten Contrast: dort versperren Hügel
und Felsen jede Aussicht; hier ist Alles eine ununterbrochene Ebene.«
Siehe den Anhang C. zum ersten Bande von Mr. Forster's ^Life of
Goldsmith^.]
[Fußnote 60: ^Northern Memoirs, by R. Franck Philanthropus, 1694.^ Der
Verfasser hatte etwas von der Scenerie der Hochlande gesehen, und er
spricht davon fast ganz so wie Burt unter der folgenden Generation: »Es
ist ein verwahrloster Theil der Schöpfung, Schutt, der beim Prachtbau
der Welt bei Seite geworfen wurde, und eben so arm an Form und Gestalt
wie die Eingebornen an Moral und guten Sitten.«]
[Fußnote 61: ^Journey through Scotland, by the author of the Journey
through England, 1723.^]
[Fußnote 62: Fast alle diese Umstände sind Burt's Briefen entlehnt. Bezüglich des Theers ist meine Quelle Cleland's Poesie. In seinen Versen
über den »^Highland Host^« sagt er:
»Dieweil sie sind beschmiert mit Theer,
Der ihren Kopf und Hals beschützt,
Ganz wie bei ihren Schafen.«]
[Fußnote 63: Ein schlagender Beleg für die Meinung, welche der Bewohner
des Niederlandes von dem Hochländer hegte und die sich von jenem auch
den Engländern mittheilte, findet man in einem Bande ^Miscellanies^, von
Afra Behn im Jahre 1685 herausgegeben. Eines der interessantesten Stücke
dieser Sammlung ist ein rohes und profanes schottisches Gedicht
betitelt: »Wie der erste Hochländer gemacht wurde.« Wie und aus welchen
Stoffen er gemacht wurde, wage ich nicht zu erzählen.
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Das unmittelbar
auf seine Schöpfung folgende Gespräch aber wird, wie ich hoffe, hier
ohne großen Anstoß einen Platz finden dürfen. Spricht Gott zum Hochlandsmann: »Wohin willst Du?«
»Ich will ins Niederland hinab, o Herr, zu stehlen eine Kuh.«
»Pfui!« sagt St. Peter, »wirst ein arger Sünder werden,
Wenn Du schon stehlen willst, kaum angelangt auf Erden.«
»Hm!« drauf der Hochlandsmann mit einem Schwure spricht,
»So lang ich stehlen kann, arbeit' ich nicht.«
Ein andrer schottischer Niederländer, der tapfre Oberst Cleland,
beschreibt den Hochländer um die nämliche Zeit in gleicher Weise
Ein einz'ges ihr mißfäll'ges Wort
Kann treiben sie zu einem Mord. Und wollt Ihr wissen was sie thut? Sie lebt nur von gestohlnem Gut. Ganz in ähnlichem Sinne sind die wenigen Worte, welche Franck
Philanthropus (1694) den Hochländern widmet: »Sie leben wie große Herren
und sterben wie Taugenichtse, hassen die Arbeit und haben keinen Kredit,
um zu borgen; sie unternehmen Raubzüge und bestehlen ihre Nachbarn.« In
der 1690 in Edinburg gedruckten ^History of the Revolution in Scotland^
kommt folgende Stelle vor: »Die schottischen Hochländer sind Elende, die
sich nur in so weit um Ehre, Freundschaft, Gehorsam und Regierung
kümmern, als sie sich durch eine Aenderung in den Angelegenheiten oder
durch eine Revolution in der Regierung Gelegenheit verschaffen können,
ihre Grenznachbarn zu bestehlen oder auszuplündern.«]
[Fußnote 64: Nachdem diese Stelle geschrieben war, fand ich mit großem
Vergnügen, daß Lord Fountainhall im Juli 1676 ganz den nämlichen
Vergleich anwendete, der mir aufgestoßen ist. Er sagt, daß Argyle's
ehrgeiziges Streben nach der Oberherrschaft über die Hochlande und über
die westlichen Inseln Mull, Ila &c. andere Clans zu einem Bündnisse
aufreizte, um ihn zu demüthigen, wie die Mächte Deutschland, Spanien,
Holland &c. sich gegen die Vergrößerung der französischen Macht
verbündeten.]
[Fußnote 65: In der Einleitung zu den Memoiren Sir Ewan Cameron's findet
sich eine sehr verständige Bemerkung: »Es mag paradox klingen, aber der
Herausgeber kann nicht umhin, die Vermuthung auszusprechen, daß die
Beweggründe, welche die Hochländer veranlaßten, den König Jakob zu
unterstützen, im Wesentlichen dieselben waren die diejenigen, unter
deren Einflusse die Anstifter der Revolution handelten.« Die ganze
Einleitung verdient überhaupt gelesen zu werden.]
[Fußnote 66: ^Skene's Highlanders of Scotland; Douglas's Baronage of
Scotland.^]
[Fußnote 67: Siehe ^The Memoirs of the Life of Sir Ewan Cameron^, und
^The Historical and Genealogical Account of the Clan Maclean, by a
Senachie^.
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Obgleich das letztgenannte Werk erst 1838 erschien, so
scheint doch der Verfasser desselben von einem eben so heftigen Hasse
beseelt gewesen zu sein als der, mit welchem die Macleans des 17. Jahrhunderts die Campbells betrachteten. Auf dem kleinen Raume einer
einzigen Seite wird der Marquis von Argyle »der diabolische schottische
Cromwell«, »der gemeine, rachsüchtige Verfolger«, »der nichtswürdige
Verräther«, und »der Betrüger Argyle« genannt. Auf einer andren Seite
ist er »der heimtückische, an Schurkereien furchtbare Campbell«, »der
habgierige Sklave«, »der feige Argyle« und »der schottische Verräther.«
Auf der nächsten Seite heißt er »der niedrige und rachsüchtige Feind des
Hauses Maclean«, »der heuchlerische Covenanter«, »der unverbesserliche
Verräther«, »der feige und boshafte Feind.« Es ist ein Glück, daß so
heftige Leidenschaften sich heutzutage nur noch in Schmähungen Luft
machen können.]
[Fußnote 68: Brief von Avaux an Ludwig vom 6. (16.) April 1689, dem eine
Abhandlung beigeschlossen ist, betitelt: ^Mémoire du Chevalier
Macklean^.]
[Fußnote 69: Siehe die höchst interessanten Memoiren Sir Ewan Cameron's
von Lochiel, 1842 in Edinburg für den Abbotsfordclub gedruckt. Das
Manuscript muß mindestens hundert Jahre älter gewesen sein. Man
vergleiche auch in dem nämlichen Werke die Erzählung des Todes Sir
Ewan's, den ^Balhadie Papers^ entlehnt. Ich muß bemerken, daß der
Herausgeber der Memoiren Sir Ewan's zwar über die Angelegenheiten der
Hochlande und über den Character der vornehmsten Häuptlinge gut
unterrichtet, in Bezug auf englische Politik und Geschichte aber sehr
unwissend war. Ich will anführen, was Van Citters unterm 26. Nov. (6. Dec.) 1689 über Lochiel an die Generalstaaten schrieb: »^Sir Evan
Cameron, Lord Locheale, een man -- soo ick hoor van die hem lange gekent
en dagelyk hebben mede omgegaan, -- van so groot verstant, courage, en
beleyt, als weyniges syns gelycke syn.^«]
[Fußnote 70: ^Act. Parl. July 5. 1661.^]
[Fußnote 71: Siehe Burt's dritten und vierten Brief. In den ersten
Ausgaben befindet sich eine Abbildung von dem Marktkeuze von Inverneß
und von dem Straßentheile, wo die Kaufleute ihre Zusammenkünfte hielten. Ich muß hier bemerken, wie sehr ich Mr. Robert Carruthers verpflichtet
bin, der so freundlich war, mir manche interessante Auskunft über
Inverneß zu geben und mir einige Auszüge aus den städtischen Acten zu
liefern.]
[Fußnote 72: Ich verdanke Mr. Carruthers eine Abschrift von den
Forderungen der Macdonalds und von der Antwort des Stadtraths.]
[Fußnote 73: Colt's Aussage im Anhange zu den Parlamentsacten vom 14.
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Juli 1690.]
[Fußnote 74: Siehe die Biographie Sir Ewan Cameron's.]
[Fußnote 75: ^Balcarras's Memoirs; History of the late Revolution in
Scotland.^]
[Fußnote 76: Unter den ^Nairne Papers^ in der Bodlejanischen Bibliothek
befindet sich ein interessantes Manuscript, betitelt: »^Journal de ce
qui c'est passé en Irlande depuis l'arrivée de sa Majesté.^« Es finden
sich in diesem Tagebuche englische und französische Anmerkungen und
Correcturen, die englischen von Jakob's Hand, die französischen von
Melfort's Hand. Die von Hamilton aufgefangenen Briefe sind darin
erwähnt, und zwar in einer Weise, welche deutlich zeigt, daß sie ächt
waren; auch findet man nirgends die geringste Andeutung, daß Jakob sie
gemißbilligt hätte.]
[Fußnote 77: »Der Viscount von Dundee«, schreibt Balcarras an Jakob,
»dachte auch nicht daran, ohne weitere Befehle von Ihnen nach den
Hochlanden zu gehen, bis eine Truppenabtheilung zu seiner Verhaftung
ausgesandt wurde.«]
[Fußnote 78: Siehe den an Jakob nach Irland gesandten Bericht, den er am
7. Juli 1689 empfing. Er befindet sich unter den ^Nairne Papers^. Ferner
sehe man die Memoiren Dundee's, 1714, Sir Ewan Cameron's, Balcarras' und
Mackay's. Diese Erzählungen stimmen jedoch weder mit einander noch mit
den Mittheilungen, die ich aus Inverneß erhielt, völlig überein.]
[Fußnote 79: Memoiren Dundee's; Tarbet an Melville von 1. Juni 1689 in
den ^Leven and Melville Papers^.]
[Fußnote 80: Erzählung in den ^Nairne Papers^, Aussagen Colt's,
Osburne's, Malcolm's und Stewart's von Ballachan im Anhange zu den
Parlamentsacten vom 14. Juli 1690; ^Memoirs of Sir Ewan Cameron^. Einige
wenige Züge habe ich einer englischen Uebersetzung einiger Stellen aus
einem verloren gegangenen epischen Gedicht in lateinischer Sprache, die
Grameis genannt, entnommen. Der Verfasser desselben war ein eifriger
Jakobit, Namens Philipps. Die im Jahre 1714 erschienenen Memoiren
Dundee's habe ich nur selten und nie ohne Mißtrauen benutzt. Der
Herausgeber derselben war gewiß nicht, wie er vorgiebt, einer von
Dundee's Offizieren, sondern ein einfältiger und unwissender Scribent
aus Grub Street. Seine Angaben in Betreff des Schauplatzes wie des
Datums der Schlacht von Killiecrankie sind ganz falsch. Er sagt, sie sei
an den Ufern des Tummell und am 13. Juni geschlagen worden. Aber sie
wurde an den Ufern des Garry und am 27. Juli geschlagen. Nachdem ich ein
solches Beispiel von Ungenauigkeit angeführt, würde es unnütz sein,
kleinere Fehler nachzuweisen.]
[Fußnote 81: Aus einem Briefe von Archibald, Earl von Argyle, an
Lauderdale, datirt vom 25.
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Juni 1664, ist ersichtlich, daß
hunderttausend schottische Mark, das heißt wenig mehr als fünftausend
Pfund Sterling, damals alle Ansprüche Mac Callum More's an seine
Nachbarn so ziemlich befriedigt haben würden.]
[Fußnote 82: ^Mackay's Memoirs^; Tarbet an Melville vom 1. Juni 1689 in
den ^Leven and Melville Papers^; Dundee an Melfort vom 27. Juni in den
^Nairne Papers^.]
[Fußnote 83: Siehe Mackay's Memoiren und seinen Brief an Hamilton vom
14. Juni 1689.]
[Fußnote 84: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 85: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 86: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 87: Dundee an Melfort, 27. Juni 1689.]
[Fußnote 88: Siehe ^Faithful Contendings Displayed^, namentlich die
Verhandlungen vom 29. und 30. April und vom 13. und 14. Mai 1689; die
Petition des Regiments an das Parlament vom 18. Juli 1689; den Protest
Sir Robert Hamilton's vom 6. November 1689, und die ermahnende Epistel
an das Regiment vom 27. März 1690. Die »Societätsleute«, wie sie sich
nannten, scheinen besonders über die Art und Weise entrüstet gewesen zu
sein, wie der Geburtstag des Königs begangen worden war. »Wir hoffen«,
schrieben sie, »daß Ihr ebenso gegen die Feier von Geburtstagen seid wie
wir, und daß Ihr bereuen werdet, was Ihr gethan habt.« Ueber die
Meinungen und den Character Alexander Shield's sehe man sein ^Hind Let
Loose^.]
[Fußnote 89: ^Siege of the Castle of Edinburgh, printed for the
Bannatyne Club London Gazette, June 10. (20.) 1689.^]
[Fußnote 90: ^Act. Parl. Scot. June 5., 17. 1689.^]
[Fußnote 91: Die Instructionen findet man in den Somers'schen
Schriften.]
[Fußnote 92: Ueber Sir Patrick's Ansichten siehe seinen Brief vom 7. Juni und Lockhart's Brief vom 11. Juli, in den ^Leven and Melville
Papers^.]
[Fußnote 93: Meine Hauptmaterialien für die Geschichte dieser Session
waren die Acten, die Protokolle und die ^Leven and Melville Papers^.]
[Fußnote 94: »Athol,« sagt Dundee verächtlich, »ist nach England
gegangen, da er nicht wußte, was er thun sollte.« Dundee an Melfort, 27. Juni 1689. Siehe Athol's Briefe an Melville vom 21. Mai und 8. Juni, in
den ^Leven and Melville Papers^.]
[Fußnote 95: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 96: ^Mackay's Memoirs.^]
[Fußnote 97: ^Mackay's Memoirs.^]
[Fußnote 98: Van Odyck an den Greffier der Generalstaaten, 2. (12.)
August, 1689.]
[Fußnote 99: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 100: ^Balcarras's Memoirs.^]
[Fußnote 101: ^Mackay's Short Relation, Aug.
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17, 1689.^]
[Fußnote 102: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 103: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron, Mackay's Memoirs.^]
[Fußnote 104: ^Douglas's Baronage of Scotland.^]
[Fußnote 105: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 106: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 107: Ueber die Schlacht siehe Mackay's Memoiren und Briefe und
seine ^Short Relation^; ferner die Memoiren Dundee's und Sir Ewan
Cameron's, Nisbet's und Osburne's Aussagen im Anhange zu den
Parlamentsacten vom 14. Juli 1690. Auch sehe man den Bericht über die
Schlacht in einem von Burt's Briefen. Macpherson druckte einen vom Tage
nach der Schlacht datirten Brief von Dundee an Jakob. Ich brauche nicht
zu sagen, daß dies eine eben so schamlose Fälschung ist wie Fingal. Der
Herausgeber der Memoiren Dundee's sagt, Lord Leven sei durch den Anblick
der hochländischen Waffen erschreckt worden und habe das Beispiel der
Flucht gegeben. Dies ist eine abscheuliche Lüge. Daß Leven sich ganz
vorzüglich gut benahm, beweisen Mackay's Memoiren, Briefe und ^Short
Relation^.]
[Fußnote 108: ^Mackay's Memoirs; Life of General Hugh Mackay by Mackay
of Bockfield.^]
[Fußnote 109: Brief der außerordentlichen Gesandten an den Greffier der
Generalstaaten vom 2. (12.) August 1689 und ein Brief von Van Odyck, der
sich in Hampton Court befand, von dem nämlichen Datum.]
[Fußnote 110: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron; Memoirs of Dundee.^]
[Fußnote 111: Die Tradition ist bestimmt über hundertzwanzig Jahr alt. Der Stein wurde Burt gezeigt.]
[Fußnote 112: Siehe die Geschichte, welche den Gedichten Alexander
Robertson's vorausgeschickt ist. In dieser Geschichte heißt es von ihm,
er habe sich vor der Schlacht von Killiecrankie angeschlossen. Aus einer
Zeugenaussage im Anhange zu den ^Act. Parl. Scot.^ vom 14. Juli 1690
aber ergiebt sich, daß er erst am folgenden Tage eintraf.]
[Fußnote 113: ^Mackay's Memoirs.^]
[Fußnote 114: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 115: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 116: ^Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 117: Siehe Portland's Briefe an Melville vom 22. April und 15. Mai 1690 in den ^Leven and Melville Papers^.]
[Fußnote 118: ^Mackay's Memoirs; Memoirs of Sir Ewan Cameron.^]
[Fußnote 119: ^Exact Narrative of the Conflict at Dunkeld between the
Earl of Angus's Regiment and the Rebels, collected from several
Officiers of that Regiment who were Actors in or Eyewitnesses of all
that's here narrated. In Reference to those Actions^; Brief von Leutnant
Blackader an seinen Bruder, datirt Dunkeld, 21. August 1689; ^Faithful
Contendings Displayed^; Protokoll des schottischen Geheimraths vom 28.
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August, citirt von Mr. Burton.]
[Fußnote 120: Die schottischen natürlich. -- Der Uebers.]
[Fußnote 121: Die Geschichte Schottland's während dieses Herbstes läßt
sich am besten in den ^Leven and Melville Papers^ studiren.]
Vierzehntes Kapitel. Wilhelm und Marie. Inhalt. Seite
Zwistigkeiten im englischen Parlament 5
Russell's Todesurtheil umgestoßen 5
Umstoßung anderer Verurtheilungen 7
Das Erkenntniß gegen Samuel Johnson 7
Das Erkenntniß gegen Devonshire 8
Das Erkenntniß gegen Oates 8
Rechtsbill 14
Streitigkeiten wegen einer Indemnitätsbill 16
Die letzten Tage Jeffreys' 18
Die Whigs unzufrieden mit dem Könige 21
Maßlose Heftigkeit Howe's 22
Angriff gegen Caermarthen 22
Angriff auf Halifax 23
Vorbereitungen zu einem Feldzuge in Irland 26
Schomberg 27
Unterbrechung der Parlamentssitzungen 28
Zustand Irland's -- Rath Avaux' 28
Entlassung Melfort's 32
Schomberg landet in Ulster 32
Carrickfergus genommen 32
Schomberg rückt weiter nach Leinster 33
Die englische und die irische Armee campiren nahe bei einander 33
Schomberg lehnt eine Schlacht ab 34
Betrügereien des englischen Kriegscommissariats 34
Verschwörung unter den in englischen Diensten stehenden 36
französischen Truppen
Pestilenz in der englischen Armee 36
Die englische und die irische Armee beziehen ihre 38
Winterquartiere
Verschiedene Meinungen über Schomberg's Verfahren 39
Marineangelegenheiten 40
Torrington's schlechte Verwaltung 41
Die festländischen Angelegenheiten 42
Gefecht bei Walcourt 43
Anschuldigungen gegen Marlborough 44
Alexander VIII. folgt Innocenz XI. auf dem päpstlichen Stuhle 45
Der Klerus der Hochkirche über die Angelegenheit der Eide 45
gespalten
Argumente für Leistung der Eide 46
Argumente gegen die Eidesleistung 48
Die große Mehrheit des Klerus leistet die Eide 52
Die Eidverweigerer 53
Ken 54
Leslie 55
Sherlock 56
Hickes 57
Collier 58
Dodwell 59
Kettlewell. Fitzwilliam 60
Allgemeiner Character des eidverweigernden Klerus 61
Der Comprehensionsplan. Tillotson 64
Eine kirchliche Commission ernannt 65
Maßregeln der Commission 66
Die Convocation der Provinz Canterbury einberufen. Stimmung 70
des Klerus
Die Geistlichkeit unzufrieden mit dem König 70
Der Klerus durch das Verhalten der schottischen Presbyterianer 72
gegen die Dissenters erbittert
Einrichtung der Convocation 74
Wahl der Convocationsmitglieder 75
Verleihung geistlicher Aemter 75
Compton ist unzufrieden 76
Zusammentritt der Convocation 77
Die Hochkirchlichen im Unterhause der Convocation überwiegend 78
Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Häusern der 79
Convocation
Das Unterhaus der Convocation erweist sich als unlenksam 80
Die Convocation prorogirt 81
Zwistigkeiten im englischen Parlament. Vierundzwanzig Stunden vor dem Augenblicke, wo der Krieg in Schottland
durch die Niederlage der celtischen Armee bei Dunkeld beendigt wurde,
ging das Parlament zu Westminster auseinander.
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Die beiden Häuser waren
seit dem Monat Januar ununterbrochen versammelt gewesen. Die in einen
engen Raum eingepferchten Gemeinen hatten viel von der Hitze und
Unbehaglichkeit zu leiden gehabt und die Gesundheit manches Mitgliedes
war erschüttert worden. Das Ergebniß stand jedoch in keinem Verhältniß
zu der gehabten Arbeit. Die letzten drei Monate der Session waren fast
ganz mit Streitereien vergeudet worden, welche im Gesetzbuche keine Spur
zurückgelassen haben. Das Fortschreiten heilsamer Gesetze war durch
Häkeleien bald zwischen den Whigs und Tories, bald zwischen den Lords
und den Gemeinen gehemmt worden. Die Revolution war kaum vollbracht, so zeigte es sich auch schon, daß
die Freunde der Ausschließungsbill ihre Leiden während des Uebergewichts
ihrer Feinde nicht vergessen hatten und daß sie sowohl Genugthuung
erlangen als Rache üben wollten. Schon vor der Wiederbesetzung des
Thrones ernannten die Lords einen Ausschuß, um zu untersuchen, was an
den grauenvollen Geschichten, welche über den Tod Essex' circulirten,
Wahres sei. Der aus eifrigen Whigs bestehende Ausschuß setzte seine
Untersuchungen so lange fort, bis alle vernünftigen Männer die
Ueberzeugung gewonnen hatten, daß er durch seine eigne Hand gefallen
war, und bis seine Gattin, seine Brüder und seine intimsten Freunde die
Nachforschungen nicht weitergeführt zu sehen wünschten.[1]
Russell's Todesurtheil umgestoßen. Das Gedächtniß und die Familien, einiger anderer Opfer, welche dem
Bereiche menschlicher Macht entrückt waren, wurden ebenfalls, ohne
Opposition von Seiten der Tories, rehabilitirt. Bald nachdem die
Convention in ein Parlament verwandelt worden war, wurde den Peers eine
Bill zur Umstoßung des Todesurtheils Lord Russell's vorgelegt, rasch von
ihnen angenommen, in's Unterhaus geschickt und hier mit ungewöhnlichen
Zeichen von Bewegung begrüßt. Viele von den Mitgliedern hatten mit
Russel in dieser Kammer gesessen. Er hatte darin lange einen Einfluß
ausgeübt, ähnlich dem, welchen der wackere und menschenfreundliche
Althorpe, dessen sich Leute dieser Generation noch erinnerten, einst
ausübte, einen Einfluß, der seinen Grund nicht in überlegener
Gewandtheit in der Debatte oder im Vortrage, sondern in einer makellosen
Rechtschaffenheit, in einem schlichten gesunden Verstande und in jener
Freimüthigkeit, Einfachheit und Gutherzigkeit hatte, welche bei einem
durch Geburt und Vermögen hoch über seinen Nebenmenschen stehenden Manne
ganz besonders einnehmend und gewinnend sind. Die Whigs hatten in
Russell ein Oberhaupt verehrt und seine politischen Gegner hatten
zugegeben, daß er, wenn er nicht durch minder achtungswerthe und
schlauere Genossen als er irregeleitet würde, ein so braver und
gutherziger Gentleman sei wie irgend einer in England.
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Die männliche
Festlichkeit und christliche Ergebung, womit er in den Tod gegangen war,
die Trauer seines edlen Hauses, der Schmerz seines der Stütze beraubten
Vaters, die vernichtete Zukunft seiner verwaisten Kinder,[2] und vor
Allem der Verein von weiblicher Zärtlichkeit und engelgleicher Geduld in
der Frau, die dem wackeren Dulder das Theuerste gewesen war, die vor den
Schranken des Gerichts mit der Feder in der Hand an seiner Seite
gesessen, die düstre Einsamkeit seines Kerkers erheitert und an seinem
letzten Tage die Denkwürdigkeit des großen Opfers mit ihm getheilt,
hatten die Herzen vieler gerührt, welche sonst nicht gewohnt waren,
einen Gegner zu bemitleiden. Daß Russell viele gute Eigenschaften
besessen, daß er den besten Willen gehabt hatte und daß man hart gegen
ihn verfahren war, wurde jetzt selbst von höfischen Juristen, welche
sein Blut hatten vergießen helfen, und von höfischen Theologen
zugegeben, welche ihr Möglichstes gethan hatten, um seinen Ruf zu
verunglimpfen. Als daher das Pergament, welches sein Todesurtheil
annullirte, auf den Tisch der Versammlung gelegt wurde, in der noch vor
acht Jahren seine Züge und seine Stimme so wohl bekannt gewesen, war die
Aufregung groß. Ein bejahrtes whiggistisches Mitglied versuchte zu
sprechen, wurde aber von seinen Gefühlen überwältigt. »Ich kann,« sagte
er, »den Namen Mylord Russell's nicht aussprechen, ohne tief ergriffen
zu werden. Es genügt ihn zu nennen. Mehr vermag ich nicht zu sagen.«
Viele Blicke richteten sich nach der Gegend des Saales, wo Finch saß. Die höchst ehrenwerthe Art und Weise, wie er ein einträgliches Amt
niedergelegt, sobald er sich überzeugt hatte, daß er es nicht behalten
konnte, ohne das Dispensationsrecht zu unterstützen, und die bedeutende
Rolle, die er bei der Vertheidigung der Bischöfe gespielt, hatten viel
dazu beigetragen, seine Fehler wieder gut zu machen. Doch an diesem Tage
konnte man sich der Erinnerung nicht erwehren, daß er eifrig bemüht
gewesen war als Kronanwalt das Urtheil auszuwirken, das jetzt feierlich
widerrufen werden sollte. Er erhob sich und versuchte sein Verfahren zu
rechtfertigen, aber weder sein juristischer Scharfsinn, noch der
fließende und wohlklingende Vortrag, der eine erbliche Gabe in seiner
Familie war und dessen sich kein Mitglied seiner Familie in reicherem
Maße erfreute als er, halfen ihm bei dieser Gelegenheit etwas. Das Haus
war nicht in der Stimmung ihn anzuhören und unterbrach ihn mehrmals mit
dem Rufe »zur Ordnung.« Er sei, sagte man ihm, mit großer Nachsicht
behandelt und nicht in Anklagestand versetzt worden.
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Warum versuche er
jetzt, unter dem Vorwande, sich zu rechtfertigen, entehrende
Beschuldigungen auf einen berühmten Namen zu werfen und einen Justizmord
zu entschuldigen? Er mußte sich wieder setzen, nachdem er erklärt hatte,
daß er sich nur von der Anschuldigung habe reinigen wollen, die Grenzen
seiner Amtspflicht überschritten zu haben, daß er jede Absicht, das
Gedächtniß Lord Russell's zu verunglimpfen, zurückweise, und daß ihn die
Umstoßung des Urtels aufrichtig freuen werde. Ehe das Haus
auseinanderging, wurde die Bill noch einmal verlesen, und sie würde auf
der Stelle zum dritten Male verlesen und angenommen worden sein, wären
nicht einige Zusätze und Auslassungen vorgeschlagen worden, von denen
man glaubte, daß sie die Genugthuung vollständiger machen würden. Die
Amendements wurden mit großer Eil entworfen, die Lords stimmten
denselben bei, und der König gab mit Freuden seine Genehmigung.[3]
Umstoßung anderer Verurtheilungen. Dieser Bill folgten bald drei andere, welche drei abscheuliche und
empörende Todesurtheile annullirten: das Todesurtheil Sidney's, das
Todesurtheil Cornish's und das Todesurtheil der Alice Lisle.[4]
Das Erkenntniß gegen Samuel Johnson. Einige noch lebende Whigs erlangten ohne Mühe Genugthuung für Unbilden,
die sie unter der vorigen Regierung erlitten hatten. So wurde das
Erkenntniß gegen Samuel Johnson von den Gemeinen in Erwägung gezogen. Die Resolution lautete dahin, daß die ihm zuerkannte körperliche
Züchtigung grausam sei und daß seine Degradation keine Rechtskraft habe. Der letztere Punkt konnte nicht bestritten werden, denn Johnson war
durch die Prälaten degradirt worden, welche die Diöcese London während
Compton's Suspension verwaltet hatten. Compton aber war durch ein Decret
der Hohen Commission suspendirt worden, und die Decrete der Hohen
Commission wurden allgemein als ungültig anerkannt. Johnson war daher
seines Priesterrocks durch Personen beraubt worden, welche keine
Jurisdiction über ihn hatten. Die Gemeinen ersuchten den König, daß er
den Dulder durch ein geistliches Amt entschädigen möchte.[5] Wilhelm
überzeugte sich jedoch, daß er diesem Gesuche ohne große Inconvenienz
nicht willfahren könne. Denn Johnson war, obgleich muthig, rechtschaffen
und religiös, doch stets heftig, widersetzlich und streitsüchtig
gewesen, und seitdem er um seiner Meinungen willen Qualen erduldet
hatte, welche schrecklicher waren als der Tod, hatten sich die Schwächen
seines Characters und seines Verstandes dergestalt verschlimmert, daß er
den Niederkirchlichen eben so unangenehm war als den Hochkirchlichen.
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Gleich vielen anderen Menschen, welche durch Vergnügen, Gewinn oder
Gefahr nicht vorn Pfade des Rechts abgebracht werden können, hielt er
die Regungen seines Stolzes und seines Hasses irrig für die Mahnungen
des Gewissens und betrog sich in den Glauben hinein, daß er, indem er
Freunden wie Feinden ohne Unterschied mit Anmaßung und Bitterkeit
begegnete, nur seinen christlichen Glauben und Muth beweise. Burnet
machte ihn sich zum Todfeinde, weil er ihn zur Geduld und zum Vergeben
von Ungerechtigkeiten ermahnte. »Sagt Sr. Lordschaft,« antwortete der
unbeugsame Priester, »er möge sich um seine Angelegenheiten kümmern und
mich für die meinigen selbst sorgen lassen.[6]« Man begann bald zu
munkeln, daß Johnson den Verstand verloren habe. Er beschuldigte Burnet
der Urheberschaft dieses Gerüchts und rächte sich durch Schmähschriften,
deren maßlose Heftigkeit die Behauptung, die sie widerlegen sollten, nur
bestätigten. Der König hielt es daher für besser, aus seiner
Privatchatulle eine freigebige Entschädigung für das Unrecht zu
bewilligen, von dem die Gemeinen ihn in Kenntniß gesetzt hatten, als
einem überspannten und reizbaren Manne eine angesehene des öffentlichen
Vertrauens bedürfende Stellung zu übertragen. Johnson erhielt ein
Geschenk von tausend Pfund und eine jährliche Pension von dreihundert
Pfund für sich und seinen nächsten Leibeserben. Sein Sohn wurde überdies
im Dienste angestellt.[7]
Das Erkenntniß gegen Devonshire. Während die Gemeinen das Urtheil Johnson's in Erwägung zogen,
untersuchten die Lords mit Strenge das Prozeßverfahren, welches unter
der vorigen Regierung gegen ein Mitglied ihres eignen Standes, den Earl
von Devonshire, eingeleitet worden war. Die Richter, welche über ihn
abgeurtheilt hatten, wurden umständlich ausgefragt und eine Resolution
angenommen, welche erklärte, daß in seinem Falle die Vorrechte der
Pairie verletzt und daß der Gerichtshof der Kings Bench, indem er einen
übereilten Schlag mit einer Geldbuße von dreißigtausend Pfund bestraft,
der gemeinen Justiz und der großen Charte Gewalt angethan habe.[8]
Das Erkenntniß gegen Oates. In den vorerwähnten Fällen scheinen alle Parteien in der Ansicht
übereingestimmt zu haben, daß eine öffentliche Genugthuung angemessen
sei. Bald aber wurden die heftigsten Leidenschaften der Whigs wie der
Tories durch die geräuschvollen Ansprüche eines Schurken erregt, dessen
Leiden, so hart sie auch scheinen mochten, im Vergleich mit seinen
Verbrechen unbedeutend gewesen waren. Oates war zurückgekommen, wie ein
Geist von der Richtstätte, um die Orte heimzusuchen, die er durch seine
Verbrechen befleckt hatte.
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Die ersten vierthalb Jahre nach seiner
Züchtigung hatte er in einer Zelle von Newgate zugebracht, die er nur
verlassen, wenn er an den Jahrestagen seiner Meineide an den Pranger
gestellt wurde. Viele Fanatiker sahen jedoch immer noch einen Märtyrer
in ihm, und man sagte sie hätten seine Kerkermeister in so weit zu
bestechen vermocht, daß seine Leiden, trotz der bestimmtesten Befehle
von Seiten der Regierung, durch manche Begünstigungen gemildert worden
seien. Während andere Gefangene, welche im Vergleich zu ihm unschuldig
waren, bei der Gefängnißkost abmagerten, wurde sein Tisch mit
Truthühnern und Lendenbraten, mit Kapaunen und Spanferkeln, mit
Wildpasteten und Körben Claret, den Spenden eifriger Protestanten
besetzt.[9] Als Jakob von Whitehall geflüchtet und London in Bestürzung
war, wurde in dem Rathe der Lords, welche die Leitung der Geschäfte
provisorisch übernommen hatten, die Freilassung des Oates beantragt. Der
Antrag wurde verworfen,[10] aber die Kerkermeister, welche nicht wußten,
wem sie in dieser Zeit der Anarchie gehorchen sollten und die es mit
einem Manne nicht verderben wollten, der einst ein furchtbarer Feind
gewesen war und es vielleicht wieder werden konnte, erlaubten ihrem
Gefangenen, frei in der Stadt umherzugehen.[11] Seine mißgestalteten
Beine und sein häßliches Gesicht, das durch den Verlust der
abgeschnittenen Ohren noch mehr entstellt worden, waren jetzt wieder
täglich in Westminsterhall und im Court of Requests zu sehen.[12] Er
hing sich an seine alten Gönner und gab ihnen in der schleppenden
Sprache, die er als ein Zeichen von Vornehmheit affectirte, die
Geschichte seiner Leiden und seiner Hoffnungen. Es sei unmöglich, sagte
er, daß jetzt, wo die gute Sache gesiegt habe, der Entdecker des
Complots übergangen werden könne. »Karl gab mir neunhundert Pfund
jährlich. Gewiß, Wilhelm wird mir mehr geben.«[13]
In wenigen Wochen brachte er sein Erkenntniß durch eine
Nichtigkeitsbeschwerde in das Haus der Lords. Dies ist ein
Appellationsact, welcher keine Thatbestandsfrage zur Erörterung bringt. Während die Lords über die Nichtigkeitsbeschwerde zu Gericht saßen,
waren sie nicht berechtigt zu untersuchen, ob das Verdict, welches Oates
für schuldig erklärte, den Beweisen entsprach oder nicht. Sie hatten nur
zu erwägen, ob das Erkenntniß, angenommen auch, daß das Verdict den
Beweisen entsprach, gesetzmäßig war.
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Aber es würde selbst einem aus
altgedienten Magistratsbeamten bestehenden Tribunal schwer geworden
sein, und war einer Versammlung von Edelleuten, die sich alle stark zu
dieser oder jener Seite hinneigten und unter denen sich damals nicht ein
einziger befand, dessen Geist durch das Studium der Jurisprudenz
gebildet gewesen wäre, fast unmöglich, unverwandt auf den bloßen
Rechtspunkt zu blicken und von den speciellen Umständen des Falles
gänzlich zu abstrahiren. In den Augen einer Partei, die allerdings
selbst unter den whiggistischen Peers wahrscheinlich eine Minorität
bildete, war der Appellant ein Mann, der der Sache der Freiheit und der
Religion unschätzbare Dienste geleistet und der dafür mit einer
langjährigen Haft, mit entehrender Ausstellung und mit einer Tortur
belohnt worden war, an die man nicht ohne Schaudern zurückdenken konnte. Die Majorität des Hauses betrachtete ihn jedoch richtiger als das
falscheste, böswilligste und schamloseste Geschöpf, das je den Namen
Mensch geschändet hatte. Bei dem Anblicke dieser frechen Stirn, bei dem
Tone dieser lügnerischen Zunge verloren sie alle Selbstbeherrschung. Viele von ihnen erinnerten sich ohne Zweifel mit Beschämung und Reue,
daß sie sich von ihm hatten täuschen lassen und daß er sie noch das
letzte Mal wo er vor ihnen stand, durch einen Meineid bewogen hatte, das
Blut eines Mitglieds ihres eigenen hohen Standes zu vergießen. Es ließ
sich nicht erwarten, daß eine von solchen Gefühlen beseelte Versammlung
von Gentlemen mit der kalten Unparteilichkeit eines Gerichtshofes
verfahren werde. Ehe sie zu einer Entscheidung der Rechtsfrage kamen,
welche Titus ihnen vorgelegt hatte, hingen sie ihm eine Reihe von
Prozessen an. Er hatte eine Schrift drucken lassen, die seine Verdienste
und seine Leiden verherrlichte. Die Lords fanden einen Vorwand, um diese
Publikation eine Privilegiumsverletzung zu nennen und schickten ihn in
das Marschallgefängniß. Er petitionirte um seine Freilassung, aber es
wurde gegen sein Gesuch ein Einwurf geltend gemacht. Er hatte sich als
Doctor der Theologie gerirt, und ihre Lordschaften wollten ihn als
solchen nicht anerkennen. Er wurde vor ihre Schranken geführt und
gefragt, wo er graduirt worden sei. Seine Antwort lautete: »Auf der
Universität Salamanca.« Dies war ein neues Beispiel von seiner
Lügenhaftigkeit und Frechheit. Sein Salamanca-Doctortitel war viele
Jahre lang ein Lieblingsthema für alle toryistischen Satyriker von
Dryden abwärts, und selbst auf dem Festlande wurde der »Salamancadoctor«
ein allgemein gebräuchlicher Spottname.[14] Die Lords vergaßen in ihrem
Hasse gegen Oates die Würde ihres Standes so weit, daß sie diese
lächerliche Geschichte ernsthaft behandelten.
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Sie befahlen ihm, die
Worte »Doctor der Theologie« in seiner Petition zu streichen, er
entgegnete darauf, daß er dies mit gutem Gewissen nicht thun könne, und
in Folge dessen wurde er ins Gefängniß zurückgeschickt.[15]
Diese Präliminarien ließen unschwer errathen, welches Schicksal die
Nichtigkeitsbeschwerde haben würde. Oates' Vertheidiger war gehört
worden, und es trat kein Advokat gegen ihn auf. Die Richter wurden
aufgefordert, ihre Meinung abzugeben. Es waren neun von ihnen anwesend
und unter diesen neun befanden sich die Präsidenten der drei
Gerichtshöfe des gemeinen Rechts. Der einstimmige Ausspruch dieser
erfahrenen, gelehrten und rechtschaffenen Magistratspersonen lautete
dahin, daß der Gerichtshof der Kings Bench nicht befugt sei, einen
Priester seines heiligen Amtes zu entsetzen oder auf lebenslängliche
Haft zu erkennen und daß daher das Urtheil gegen Oates gesetzwidrig sei
und umgestoßen werden müsse. Die Lords hätten sich unzweifelhaft durch
diesen Ausspruch für gebunden erachten sollen. Daß sie Oates als den
schlechtesten Menschen von der Welt kannten, that nichts zur Sache. Für
sie, in ihrer Eigenschaft als Gerichtshof, mußte er ein Apellant sein
wie jeder andre. Aber ihr Unwille war heftig erregt und ihre
Gewohnheiten waren nicht von der Art, um sie zur Erfüllung richterlicher
Pflichten tauglich zu machen. Die Debatte drehte sich fast
ausschließlich um Dinge, welche gar nicht hatten erwähnt werden sollen. Nicht ein einziger Peer hatte den Muth zu behaupten, daß das Urtheil
rechtskräftig sei; dagegen wurde viel von dem abscheulichen Character
des Apellanten, von der frechen Beschuldigung, die er gegen Katharine
von Braganza erhoben, und von den schlimmen Consequenzen gesprochen,
welche daraus hervorgehen müßten, wenn ein so schlechter Mensch als
Zeuge auftreten dürfe. »Es giebt nur eine Bedingung,« sagte der
Lordpräsident, »unter der ich mich dazu verstehen kann, das Urtel dieses
Menschen umzustoßen. Er ist von Aldgate nach Tyburn gepeitscht worden:
er muß von Tyburn nach Aldgate zurück gepeitscht werden.« Die Fragen
wurden gestellt. Zwanzig Peers stimmten für Umstoßung des Urtels,
fünfunddreißig für Bestätigung desselben.[16]
Diese Entscheidung machte großes Aufsehen, und nicht ohne Grund. Jetzt
wurde eine Frage erhoben, welche mit Recht die Besorgniß Jedermann's im
ganzen Königreiche erwecken mußte. Die Frage war die, ob es dem höchsten
Tribunale, dem Tribunale, von welchem in letzter Instanz die
werthvollsten Interessen jedes englischen Unterthanen abhingen,
freistehe, Rechtsfragen nach anderen als Rechtsgründen zu entscheiden
und einem Rechtsuchenden wegen der Verderbtheit seines moralischen
Characters sein anerkanntes gesetzliches Recht vorzuenthalten.
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Daß dem
höchsten Appellhofe nicht gestattet sein dürfe, unter den Formen einer
ordentlichen Justiz eine willkürliche Gewalt auszuüben, das fühlten die
talentvollsten Männer im Hause der Gemeinen tief, und Niemand tiefer als
Somers. Ihm und Denen, welche wie er argumentirten, stimmten in diesem
Falle eine Menge schwacher und hitzköpfiger Zeloten bei, welche Oates
noch immer als einen Volkswohlthäter betrachteten und glaubten, die
Existenz des papistischen Complots in Zweifel ziehen heiße eben so viel
als die Wahrheit der protestantischen Religion in Zweifel ziehen. Noch
denselben Morgen, nachdem die Peers ihre Entscheidung abgegeben hatten,
hörte man im Hause der Gemeinen sehr nachdrückliche Aeußerungen über die
Gerechtigkeit Ihrer Lordschaften. Drei Tage darauf wurde der Gegenstand
durch ein whiggistisches Mitglied des Geheimrath, Sir Robert Howard,
Abgeordneter für Castle Rising, zur Sprache gebracht. Er gehörte der
Berkshirelinie seiner vornehmen Familie an, einer Linie, die sich damals
der nicht beneidenswerthen Auszeichnung erfreute, ungemein fruchtbar an
schlechten Versmachern zu sein. Die Poesie der Howards von Berkshire war
der Spott dreier Generationen von Satyrikern. Der Spaß begann mit der
ersten Aufführung der »Rehearsal« und dauerte bis zur letzten Ausgabe
der »Dunciade«.[17] Aber trotz seiner schlechten Verse und einiger
Schwächen und Eitelkeiten, wegen denen er unter dem Namen Sir Positive
Atall auf die Bühne gebracht wurde, besaß Sir Robert im Parlamente das
Gewicht, das ein standhafter Parteimann von großem Vermögen, angesehenem
Namen, gewandtem Vortrage und entschlossenem Geiste fast immer
besitzt.[18] Als er sich erhob, um die Aufmerksamkeit der Gemeinen für
den Rechtsfall Oates' in Anspruch zu nehmen, begrüßten ihn einige
Tories, die von den nämlichen Leidenschaften beseelt waren, welche in
dem andren Hause vorherrschend gewesen, mit lautem Zischen. Trotz dieser
höchst unparlamentarischen Beleidigung beharrte er in seinem Vorhaben,
und es zeigte sich bald, daß er die Majorität für sich hatte. Einige
Redner priesen Oates' Patriotismus und Muth, andere sprachen ausführlich
über ein umlaufendes Gerücht, daß die Anwälte, deren sich die Krone
gegen ihn bedient, bedeutende Summen Geldes unter die Geschwornen
vertheilt hätten. Dies waren jedoch Dinge, in Bezug auf welche große
Meinungsverschiedenheit herrschte. Daß aber das Erkenntniß ungesetzlich
war, ließ sich nicht bestreiten. Die ausgezeichnetsten Juristen im Hause
der Gemeinen erklärten, daß sie in diesem Punkte mit dem Ausspruche, den
die Richter im Hause der Lords abgegeben, vollkommen übereinstimmten.
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Die, welche gezischt hatten, als der Gegenstand zur Sprache gebracht
wurde, waren so wirksam eingeschüchtert, daß sie nicht auf Abstimmung
anzufragen wagten, und eine das Urtel annullirende Bill wurde ohne
Opposition eingebracht.[19]
Die Lords befanden sich in einer kritischen Lage. Den Ausspruch zu
widerrufen, wäre unangenehm gewesen, und sich in einen Streit mit dem
Unterhause über einen Gegenstand einzulassen, bezüglich dessen dieses
Haus klar im Rechte war und zu gleicher Zeit durch die Ansichten der
Rechtskundigen wie durch die Leidenschaften des Pöbels unterstützt
wurde, konnte gefährlich werden. Man hielt es daher für passend, einen
Mittelweg einzuschlagen. Es wurde eine Adresse an den König gerichtet,
die ihn ersuchte, Oates zu begnadigen.[20] Diese Concession aber machte
das Uebel nur schlimmer. Titus hatte, wie jeder andre Mensch, Anspruch
auf Gerechtigkeit, aber er war kein geeigneter Gegenstand für Gnade. War
das gegen ihn gefällte Urtel gesetzwidrig, so mußte es umgestoßen
werden; war es gesetzmäßig, so war kein Grund vorhanden, es irgendwie zu
mildern. Die Gemeinen blieben geziemenderweise fest, nahmen ihre Bill an
und schickten sie den Lords zu. Der einzige Theil dieser Bill, der einen
Einwurf zuließ, war der Eingang, worin nicht allein behauptet war, daß
das Urtel gesetzwidrig sei, eine Behauptung, die sich bei Einsicht der
Acten als richtig ergab, sondern auch daß das Verdict durch Bestechung
corrumpirt sei, eine Behauptung, die, mochte sie nun wahr oder falsch
sein, durch gar nichts bewiesen war. Die Lords waren in großer Verlegenheit. Sie wußten, daß sie Unrecht
hatten, waren aber gleichwohl entschlossen, es in ihrer legislativen
Eigenschaft nicht auszusprechen, daß sie sich in ihrer richterlichen
Eigenschaft einer Ungerechtigkeit schuldig gemacht hätten. Sie
versuchten abermals einen Mittelweg. Der Eingang wurde gemildert, eine
Klausel hinzugesetzt, welche bestimmte, daß Oates auch fernerhin zur
Zeugenschrift unfähig bleiben solle, und die so abgeänderte Bill den
Gemeinen wieder zugesandt. Die Gemeinen waren nicht befriedigt. Sie verwarfen die Amendements und
verlangten eine freie Conferenz. Zwei ausgezeichnete Tories, Rochester
und Nottingham, nahmen als Wortführer der Lords im »gemalten Zimmer«
ihre Sitze ein. Ihnen zur Seite stand Burnet, dessen wohlbekannter Haß
gegen den Papismus dem was er bei einer solchen Gelegenheit sagen
mochte, großes Gewicht zu geben verhieß. Somers war der Hauptsprecher
auf der andren Seite, und seiner Feder verdanken wir einen ungemein
klaren und interessanten Auszug aus der Debatte. Die Lords gestanden offen zu, daß das Erkenntniß des Gerichtshofes der
Kings Bench sich nicht vertheidigen lasse.
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Sie wüßten, daß es
gesetzwidrig sei und hätten dies auch gewußt, als sie es bestätigten. Aber sie hätten die beste Absicht dabei gehabt. Sie beschuldigten Oates,
eine schamlos falsche Anklage gegen die Königin Katharine erhoben zu
haben, erwähnten noch andere Beispiele von seiner Schlechtigkeit und
fragten ob ein solcher Mensch noch befugt sein dürfe, vor einem
Gerichtshofe Zeugniß abzulegen. Die einzige Entschuldigung, welche ihrer
Ansicht nach zu seinen Gunsten angeführt werden könne, sei die, daß er
den Verstand verloren habe, und die unerhörte Frechheit und Albernheit
seines Benehmens, als er das letzte Mal vor ihnen gestanden, scheine in
der That die Annahme zu rechtfertigen, daß er geisteskrank sei und daß
man ihm das Leben Anderer nicht anvertrauen könne. Die Lords könnten
sich daher nicht durch ausdrückliche Zurücknahme dessen was sie gethan
erniedrigen und eben so wenig sich entschließen, das Verdict auf keinen
andren Beweis hin als ein allgemeines Gerücht, für corrumpirt zu
erklären. Die Replik war vollkommen siegreich. »Oates bildet jetzt den kleinsten
Theil der Frage. Eure Lordschaften sagen, er habe die Königin Wittwe und
andere unschuldige Personen fälschlich angeklagt. Zugegeben. Diese Bill
gewährt ihm keine Amnestie. Wir sind ganz dafür, daß er, wenn er
schuldig ist, bestraft werden muß. Aber wir verlangen in seinem wie im
Interesse aller Engländer, daß die Strafe durch das Gesetz und nicht
durch die Willkür eines Tribunals bestimmt werde. Wir verlangen, daß,
wenn Eure Lordschaften eine Appellation vorliegt, Sie den bekannten
Gebräuchen und Gesetzen des Reichs gemäß Ihr Urtheil darüber abgeben. Wir leugnen, daß Sie in einem solchen Falle das mindeste Recht haben,
auf den moralischen Character eines Klägers oder auf die politischen
Folgen einer Entscheidung Rücksicht zu nehmen. Sie gestehen selbst zu,
daß Sie lediglich deshalb, weil Sie eine nachtheilige Meinung von diesem
Manne hatten, ein Erkenntniß bestätigten, von dem Sie wußten, daß es
gesetzwidrig war. Gegen diese Anmaßung willkürlicher Gewalt protestiren
die Gemeinen, und sie hoffen, daß Sie jetzt widerrufen werden, was Sie
als einen Irrthum erkennen müssen. Eure Lordschaften sprechen die
Vermuthung aus, daß Oates wahnsinnig sei. Wahnsinn kann jedoch ein sehr
triftiger Grund sein, um einen Menschen gar nicht zu bestrafen. Wie aber
der Wahnsinn ein Grund sein kann, um eine Strafe über ihn zu verhängen,
die selbst wenn er gesund wäre, ungesetzlich sein würde, das begreifen
die Gemeinen nicht.
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Eure Lordschaften meinen ferner, daß Sie es nicht
verantworten könnten, ein Verdict corrumpirt zu nennen, von dem dies
nicht juristisch bewiesen sei. Erlauben Sie uns, Sie daran zu erinnern,
daß Sie zwei verschiedene Funktionen haben. Sie sind Richter und Sie
sind Gesetzgeber. Wenn Sie richten, so ist es Ihre Pflicht, Sich streng
an das Gesetz zu halten. Wenn Sie Gesetze geben, kann es zweckmäßig
sein, auf allgemeine Gerüchte Rücksicht zu nehmen. Sie kehren diese
Regel um. Sie sind am unrechten Orte lax und am unrechten Orte
scrupulös. Als Richter verletzen Sie um einer vermeintlichen Convenienz
willen das Gesetz. Als Gesetzgeber wollen Sie kein Factum ohne solche
technische Beweise gelten lassen, wie sie Gesetzgeber nur selten
erlangen können.[21]«
Auf dieses Raisonnement wurde nichts erwiedert und konnte nichts
erwiedert werden. Die Gemeinen waren sichtlich stolz auf die Kraft ihrer
Beweisführung und auf das Auftreten Somers' im gemalten Zimmer. Sie
beauftragten ihn insbesondere, dafür zu sorgen, daß der Bericht, den er
von der Conferenz erstattet hatte, genau in die Protokolle aufgenommen
werde. Die Lords dagegen unterließen wohlweislich, einen Bericht über
eine Debatte, in der sie eine so vollständige Niederlage erlitten
hatten, in ihre Protokolle einzuzeichnen. Aber obgleich sie ihren Fehler
einsahen und sich desselben schämten, waren sie doch nicht dahin zu
bringen, es öffentlich zu bekennen, indem sie im Eingange zu der Acte
eingestanden, daß sie sich einer Ungerechtigkeit schuldig gemacht
hätten. Die Minorität war indessen stark. Der Beschluß, beizutreten,
wurde mit nur zwölf Stimmen durchgebracht, wovon zehn auf abwesende
Mitglieder kamen, die ihre Stimmen Anderen übertragen hatten.[22]
Einundzwanzig Peers protestirten und die Bill fiel. Zwei Beisitzer
wurden abgeschickt, um die Gemeinen von dem definitiven Beschlusse der
Peers in Kenntniß zu setzen. Die Gemeinen hielten dieses Verfahren in
substantieller Hinsicht für unverantwortlich und in formeller Hinsicht
für unhöflich. Sie beschlossen, dagegen zu demonstriren, und Somers
entwarf ein vortreffliches Manifest, in welchem der verachtungswerthe
Name des Oates kaum erwähnt war und worin das Oberhaus sehr ernst und
eindringlich ermahnt wurde, richterliche Fragen richterlich zu behandeln
und nicht eigenmächtig ein neues Recht zu machen unter dem Vorwande, das
bestehende Recht anzuwenden.[23] Der Schurke, der jetzt zum zweiten Male
die politische Welt in Aufregung gebracht hatte, wurde begnadigt und in
Freiheit gesetzt.
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Seine Freunde im Unterhause beantragten nun eine
Adresse an den Thron, welche darum ansuchte, daß ihm eine für seinen
Unterhalt genügende Pension ausgesetzt werden möchte,[24] Es wurden ihm
in Folge dessen etwa dreihundert Pfund Sterling jährlich bewilligt, eine
Summe, die er unter seiner Würde hielt und die er nur mit der
verbissenen Wuth getäuschter Habsucht annahm. Rechtsbill. Aus dem Streite über Oates entsprang ein andrer Streit, der sehr ernste
Folgen hätte haben können. Die Urkunde welche Wilhelm und Marien zum
König und zur Königin erklärten, war eine revolutionäre Urkunde. Sie war
das Werk einer Versammlung, von der das ordentliche Gesetz nichts wußte,
und hatte nie die königliche Sanction erhalten. Es war offenbar
wünschenswerth, daß dieser hochwichtige Vertrag zwischen den Regierenden
und den Regierten, dieses Dokument, kraft dessen der König seinen Thron
und das Volk seine Freiheiten besaß, in eine streng regelrechte Form
gebracht wurde. Die Rechtserklärung wurde deshalb in eine Rechtsbill
verwandelt und die Rechtsbill von den Gemeinen ohne weiteres angenommen. Bei den Lords aber stieß sie auf Schwierigkeiten. Die Rechtserklärung hatte die Krone zuerst Wilhelm und Marien
gemeinschaftlich, dann dem Ueberlebenden von Beiden, dann Mariens
Nachkommenschaft, und endlich auch der Nachkommenschaft Wilhelm's von
irgend einer andren Gemahlin als Marien zuerkannt. Die Bill war mit der
Erklärung genau übereinstimmend abgefaßt. Wem aber der Thron zufallen
sollte, wenn Marie, Anna und Wilhelm alle drei ohne Nachkommen starben,
war in Ungewißheit gelassen. Dieser nicht vorgesehene Fall war indessen
keineswegs unwahrscheinlich. Er lag sogar wirklich vor. Wilhelm hatte
nie ein Kind gehabt. Anna war zwar mehrere Male Mutter gewesen, aber
keines ihrer Kinder war mehr am Leben. Es wäre kein großes Wunder
gewesen, wenn Krankheit, Krieg oder Verrath binnen wenigen Monaten
sämmtliche Personen, welche zur Thronfolge befähigt waren, aus der Welt
geschafft hätte. In welche Lage wäre das Land in diesem Falle gekommen? Wem sollte dann gehuldigt werden? Die Bill enthielt zwar eine Klausel,
welche Papisten vom Throne ausschloß. Aber ersetzte eine solche Klausel
eine den Nachfolger mit Namen bezeichnende Bestimmung? wie dann, wenn
der nächste Thronerbe ein noch nicht drei Monat alter Prinz des Hauses
Savoyen war? Es wäre absurd gewesen, ein solches Kind einen Papisten zu
nennen.
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Sollte es also zum König proklamirt werden? Oder sollte die
Krone so lange herrenlos bleiben, bis es ein Alter erreicht hatte, in
welchem es befähigt war, sich eine Religion zu wählen? Konnten nicht
auch die rechtschaffensten und verständigsten Männer in Zweifel sein, ob
sie es als ihren Souverain betrachten dürften? Und wer sollte ihnen
diesen Zweifel lösen? Ein Parlament würde es nicht geben, denn das
Parlament würde mit dem Fürsten, der es zusammenberufen hatte, aufhören
zu existiren. Es mußte eine vollständige Anarchie eintreten, eine
Anarchie, welche mit der Vernichtung der Monarchie oder mit der
Vernichtung der öffentlichen Freiheit enden konnte. Aus diesen
gewichtigen Gründen schlug Burnet auf Wilhelm's Veranlassung im Hause
der Lords vor, daß die Krone in Ermangelung von Leibeserben Sr. Majestät, auf eine unbezweifelte Protestantin, Sophie, Herzogin von
Braunschweig-Lüneburg, einer Enkelin Jakob's I. und Tochter Elisabeth's,
Königin von Böhmen, übergehen solle. Die Lords genehmigten dieses Amendement einstimmig, die Gemeinen aber
verwarfen es einstimmig. Die Ursache der Verwerfung hat kein
Schriftsteller der damaligen Zeit genügend erklärt. Ein whiggistischer
Schriftsteller spricht von Machinationen der Republikaner, ein andrer
von Machinationen der Jakobiten. Es steht jedoch fest, daß vier Fünftel
der Vertreter des Volks weder Jakobiten noch Republikaner waren. Gleichwohl erhob sich im Unterhause nicht eine einzige Stimme zu Gunsten
der Klausel, welche im Oberhause mit Acclamation angenommen worden
war.[25] Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte die sein, daß die grobe
Ungerechtigkeit, welche in der Angelegenheit Oates' begangen worden, die
Gemeinen dergestalt gereizt hatte, daß sie mit Freuden eine Gelegenheit
ergriffen, den Peers zu opponiren. Es wurde eine Conferenz gehalten,
aber keine der beiden Versammlungen wollte nachgeben. Während der Streit
am heftigsten war, trat ein Ereigniß ein, von dem man hätte denken
sollen, daß es die Eintracht wiederherstellen werde. Anna gebar einen
Sohn. Das Kind wurde mit großem Pomp und unter vielfachen öffentlichen
Freudenbezeigungen in Hampton Court getauft. Wilhelm, war der eine
Taufzeuge, der andre war der feingebildete Dorset, dessen Dach der
Prinzessin in ihrem Unglück eine Zuflucht gewährt hatte. Der König gab
dem Kinde seinen eignen Namen und kündigte dem um den Taufstein
versammelten glänzenden Cirkel an, daß der kleine Wilhelm von diesem
Augenblicke Herzog von Gloucester genannt werden solle.[26] Die Geburt
dieses Prinzen hatte die Gefahr, gegen welche die Lords auf ihrer Hut zu
sein für nöthig erachtet, sehr vermindert. Sie hätten daher jetzt mit
Anstand widerrufen können.
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Aber ihr Stolz war durch die Strenge, mit der
man ihre Entscheidung über Oates' Nichtigkeitsbeschwerde im gemalten
Zimmer getadelt hatte, verletzt worden. Man hatte ihnen geradezu ins
Gesicht gesagt, daß sie ungerechte Richter seien, und diese
Beschuldigung war nur um so kränkender, weil sie sich bewußt waren sie
verdient zu haben. Sie verweigerten jede Concession und die Rechtsbill
wurde fallen gelassen.[27]
Streitigkeiten wegen einer Indemnitätsbill. Die aufregendste Frage dieser langen und stürmischen Session war jedoch
die, welche Strafe den Männern zuerkannt werden solle, die in der Zeit
zwischen der Auflösung des Oxforder Parlaments und der Revolution die
Rathgeber oder Werkzeuge Karl's und Jakob's gewesen waren. Es war ein
Glück für England, daß in dieser Krisis ein Fürst, der keiner der beiden
Parteien angehörte, der keine von beiden weder liebte noch haßte und der
zur Durchführung eines großen Planes beide zu benutzen wünschte, der
Vermittler zwischen ihnen war. Die beiden Parteien waren jetzt in einer ganz ähnlichen Lage wie vor
achtundzwanzig Jahren. Zwar war die Partei, welche damals im Nachtheil
gewesen, gegenwärtig im Vortheil, aber die Analogie zwischen den beiden
Situationen ist eine der vollkommensten, die man in der Geschichte
finden kann. Die Restauration wie die Revolution waren beide durch
Coalitionen herbeigeführt worden. Bei der Restauration halfen diejenigen
Politiker, welche der Freiheit besonders zugethan waren, die Monarchie
wieder einsetzen; bei der Revolution halfen diejenigen Politiker, welche
der Monarchie mit besonderem Eifer anhingen, die Freiheit vertheidigen. Der Cavalier hätte, bei der ersteren Gelegenheit, ohne den Beistand der
Puritaner, welche für den Covenant gefochten, nichts ausrichten können;
ebensowenig hätte der Whig bei der letzteren Gelegenheit der
Willkürgewalt einen erfolgreichen Widerstand leisten können, wäre er
nicht durch Männer unterstützt worden, die noch vor ganz kurzer Zeit den
Widerstand gegen Willkürgewalt als eine Todsünde verdammt hatten. Die
Bedeutendsten unter Denen, durch welche im Jahre 1660 die königliche
Familie zurückgebracht wurde, waren Hollis, der in den Tagen der
Tyrannei Karl's I. den Sprecher mit offener Gewalt auf seinem Stuhle
festhielt, während der schwarze Stab vergebens anklopfte, um Einlaß zu
erlangen; Ingoldsby, dessen Name unter dem denkwürdigen Todesurtheile
stand, und Prynne, dem Laud die Ohren abgeschnitten und der dafür den
Hauptantheil an Laud's Verurtheilung zum Tode gehabt hatte.
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wieder in Whitehall war, vergaß der Cavalier die Dienste, welche die
Presbyterianer kürzlich geleistet, und erinnerte sich nur noch ihrer
alten Beleidigungen. Sobald Wilhelm König war, begannen nur zu viele
Whigs Rache zu fordern für Alles was sie in den Tagen des
Ryehousecomplots von der Hand der Tories erduldet hatten. Bei beiden
Gelegenheiten wurde es dem Souverain schwer, die besiegte Partei vor der
Wuth seiner triumphirenden Anhänger zu schützen, und bei beiden
Gelegenheiten murrten Die, deren Rache er vereitelt hatte, heftig gegen
die Regierung, die so schwach und undankbar gewesen war, ihre Feinde
gegen ihre Freunde in Schutz zu nehmen. Schon am 25. März machte Wilhelm die Gemeinen auf die Zweckmäßigkeit der
Maßregel aufmerksam, die öffentliche Meinung durch eine Amnestie zu
beschwichtigen. Er sprach die Hoffnung aus, daß eine Bill für
allgemeines Vergeben und Vergessen so bald als möglich ihm zur
Genehmigung vorgelegt und daß keine anderen Ausnahmen gemacht werden
würden, als die für die Aufrechthaltung der öffentlichen Gerechtigkeit
und für die Sicherheit des Staats absolut nothwendig erschienen. Die
Gemeinen waren einstimmig dafür, ihm für diesen Beweis seiner
väterlichen Güte zu danken; allein sie ließen viele Wochen vergehen,
ohne einen Schritt zur Erfüllung seines Wunsches zu thun. Als der
Gegenstand endlich wieder zur Sprache gebracht wurde, geschah dies auf
eine Art, welche deutlich bewies, daß die Majorität nicht den ernsten
Willen hatte, der Ungewißheit ein Ende zu machen, welche allen
denjenigen Tories, die sich bewußt waren, in ihrem Eifer für die
Prärogative zuweilen die vom Gesetz gezogene strenge Grenze
überschritten zu haben, das Leben verbitterte. Es wurden zwölf
Kategorien gebildet, von denen einige so umfassend waren, daß sie
Zehntausende von Delinquenten in sich schlossen, und das Haus beschloß,
daß in jeder dieser Kategorien einige Ausnahmen gemacht werden sollten. Dann kam die Prüfung der einzelnen Fälle. Zahlreiche Angeklagte und
Zeugen wurden vor die Schranken citirt. Die Debatten waren lang und
heftig, und es stellte sich bald heraus, daß die Arbeit kein Ende nehmen
werde. Der Sommer verging und der Herbst rückte heran; die Session
konnte nicht viel länger dauern, und von den zwölf einzelnen
Untersuchungen, welche die Gemeinen vorzunehmen beschlossen hatten,
waren erst drei beendigt. Es war demnach nöthig, die Bill für dieses
Jahr fallen zu lassen.[28]
Die letzten Tage Jeffreys'.
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Unter den vielen Verbrechern, deren Namen im Laufe dieser Untersuchung
genannt wurden, befand sich einer, der an Schuld und Schande einzig und
unerreicht dastand und den sowohl Whigs als Tories der äußersten Strenge
des Gesetzes zu überlassen geneigt waren. An dem fürchterlichen Tage,
auf den die Irische Nacht folgte, hatte das Wuthgebrüll einer um ihre
Rache betrogenen großen Stadt Jeffreys bis an die Zugbrücke des Towers
begleitet. Obwohl seine Einkerkerung nicht streng gesetzmäßig war, nahm
er doch anfangs mit Dank und Segenswünschen den Schutz an, den diese
düsteren, durch so viele Verbrechen und Leiden berüchtigten Mauern ihm
vor der Wuth der Menge gewährten.[29] Bald kam er jedoch zu der
Ueberzeugung, daß sein Leben noch immer sehr gefährdet sei. Eine Zeit
lang schmeichelte er sich mit der Hoffnung, daß ein Habeascorpusbefehl
ihn aus seiner Haft befreien und daß er im Stande sein werde, in ein
fremdes Land zu entkommen und sich mit einem Theile seines
übelerworbenen Reichthums vor dem Hasse der Menschheit zu verbergen. Aber bis zur Feststellung der Regierung gab es keinen Gerichtshof, der
zur Ausstellung eines Habeascorpusbefehls befugt gewesen wäre, und
sobald die Regierung festgestellt war, wurde die Habeascorpusacte
suspendirt.[30] Ob Jeffreys des Mordes in legalem Sinne überführt werden
konnte, steht zu bezweifeln. Moralisch aber war er so vieler Mordthaten
schuldig, daß, wenn es kein andres Mittel gegeben hätte, seinem Leben
beizukommen, die ganze Nation eine retrospective Verurtheilungsacte
stürmisch gefordert haben würde. Die Neigung, über einen Gefallenen zu
triumphiren, gehörte nie zu den vorwiegenden Untugenden der Engländer;
aber der Haß gegen Jeffreys war ohne Beispiel in unsrer Geschichte und
entsprach nur zu sehr dem Blutdurste seines eignen Characters. Das Volk
war in Bezug auf ihn eben so grausam als er selbst und frohlockte über
seinen Schmerz, wie er gewohnt gewesen war, über den Schmerz
Verurtheilter, die ihr Todesurtheil anhörten, und trauernder Familien zu
frohlocken. Der Pöbel versammelte sich vor seinem verödeten Hause in
Duke Street und las unter schallendem Gelächter an seiner Thür die
Anschläge, welche den Verkauf seines Eigenthums verkündeten. Selbst
zarte Frauen, die für Straßenräuber und Diebe Thränen hatten, athmeten
nichts als Rache gegen ihn. Die Spottlieder auf ihn, welche in der Stadt
verkauft wurden, zeichneten sich durch eine selbst damals seltene
Heftigkeit aus.
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Der Henkertod sei viel zu mild, ein Grab unter dem
Galgen eine viel zu ehrenvolle Ruhestätte für ihn, er müsse an einen
Karren angebunden und zu Tode gepeitscht, er müsse wie ein Indianer
gemartert, er müsse lebendig verschlungen werden. Die Straßendichter
zertheilten alle seine Glieder mit cannibalischer Grausamkeit und
berechneten wie viel Pfund Fleisch von seinem wohlgenährten Corpus
losgeschnitten werden könnten. Die Wuth seiner Feinde ging sogar soweit,
daß sie in einer in England selten gehörten Sprache den Wunsch
ausdrückten, er möge dahin gehen, wo Heulen und Zähnklappern sei, zu dem
Wurme, der niemals stirbt, zu dem Feuer, das nimmer verlöscht. Sie
riethen ihm, sich mittelst seiner Kniebänder aufzuhängen und sich mit
seinem Rasirmesser den Hals abzuscheiden. Sie richteten das gräßliche
Gebet zum Himmel, daß er der Reue unzugänglich sein und als der nämliche
herzlose, nichtswürdige Jeffreys sterben möge, der er im Leben gewesen
war.[31] Eben so feigherzig im Unglück wie übermüthig und unmenschlich
im Glück, sank ihm unter der Last der öffentlichen Verachtung gänzlich
der Muth. Seine von Haus aus schlechte und durch Unmäßigkeit sehr
geschwächte Constitution wurde durch Verzweiflung und Angst völlig
zerrüttet. Er wurde von einer schmerzhaften inneren Krankheit gepeinigt,
welche selbst die geschicktesten Aerzte der damaligen Zeit selten zu
heben vermochten. Nur ein Trost blieb ihm: der Branntwein. Selbst wenn
er Untersuchungen zu leiten und Berathungen beizuwohnen hatte, ging er
selten nüchtern zu Bett. Jetzt, wo er seinen Geist mit nichts als
entsetzlichen Rückerinnerungen und entsetzlichen Ahnungen beschäftigen
konnte, gab er sich rückhaltlos seinem Lieblingslaster hin. Viele
glaubten, er wolle durch Unmäßigkeit sein Leben verkürzen. Er hielte es
für besser, meinten sie, im Zustande der Trunkenheit aus der Welt zu
gehen, als sich von Ketch zerhacken, oder vom Pöbel zerreißen zu lassen. Einmal wurde er aus seiner jammervollen Verzagtheit durch eine angenehme
Empfindung aufgerüttelt, der jedoch alsbald eine kränkende Enttäuschung
folgte. Es war ein Packet für ihn im Tower abgegeben worden, das ein
Fäßchen Colchesteraustern, sein Lieblingsgericht zu enthalten schien. Er
war tief bewegt, denn es giebt Augenblicke, wo Diejenigen, welche am
wenigsten Zuneigung verdienen, sich mit dem Gedanken schmeicheln, daß
sie solche einflößen. »Gott sei Dank!« rief er aus; »ich habe doch noch
Freunde.« Er öffnete das Fäßchen, und aus einem Haufen Austernschalen
fiel ein starker Strick.[32]
Es scheint nicht, daß einer der Schmeichler oder Narren, die er mit dem
geraubten Gute seiner Schlachtopfer bereichert hatte, ihn in der Zeit
der Trübsal tröstete.
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Doch war er nicht gänzlich verlassen. Johann
Tutchin, den er dazu verurtheilt hatte, sieben Jahre lang alle vierzehn
Tage ausgepeitscht zu werden, machte sich auf den Weg nach dem Tower und
besuchte den gestürzten Tyrannen. Der arme Jeffreys, obwohl bis in den
Staub gedemüthigt, benahm sich mit verworfener Höflichkeit und bestellte
Wein. »Ich freue mich, Sir,« sagte er, »Sie bei mir zu sehen.« -- »Und
ich,« entgegnete der schadenfrohe Whig, »freue mich, Eure Lordschaft
hier zu sehen.« -- »Ich diente meinem Herrn,« versetzte Jeffreys, »dies
war meine Gewissenspflicht.« -- »Wo hatten Sie Ihr Gewissen, als sie in
Dorchester jenes Urtheil über mich verhängten?« -- »Meine Instructionen
lauteten dahin,« antwortete Jeffreys gleißnerisch, »daß ich gegen Männer
wie Sie, Männer von Talent und Muth, keine Nachsicht üben sollte. Als
ich an den Hof zurückkam, wurde ich wegen meiner Milde getadelt.[33]«
Selbst Tutchin scheint trotz der Heftigkeit seines Grolls und trotz der
Größe der ihm widerfahrenen Unbilden durch das jammervolle Schauspiel,
das er anfangs mit rachsüchtiger Schadenfreude betrachtete, ein wenig
gerührt worden zu sein. Er leugnete stets die Wahrheit des Gerüchts, daß
er Derjenige gewesen sei, der das Colchesterfaß in den Tower geschickt
habe. Außer diesem gewann ein menschenfreundlicher Mann, Johann Sharp, der
vortreffliche Dechant von Norwich, es über sich, den Gefangenen zu
besuchen. Es war eine peinliche Aufgabe, aber Sharp war in früheren
Zeiten von Jeffreys so freundlich behandelt worden, wie Jeffreys
überhaupt seinem Character nach Jemanden behandeln konnte, und es war
ihm einige Male durch geduldiges Warten, bis der Sturm der Flüche und
Verwünschungen ausgetobt hatte, und durch geschickte Benutzung eines
Augenblicks guter Laune gelungen, für unglückliche Familien eine
Linderung ihrer Leiden zu erwirken. Der Gefangene war erstaunt und
erfreut. »Was wagen Sie mir jetzt noch zuzugestehen?« sagte er. Der
menschenfreundliche Geistliche bemühte sich jedoch vergebens, in diesem
verstockten Gewissen einen heilsamen Schmerz zu wecken. Anstatt seine
Schuld zu bekennen, ergoß sich Jeffreys in heftige Schmähungen gegen die
Ungerechtigkeit der Menschen. »Die Leute nennen mich einen Mörder, weil
ich das gethan, was Mancher, der jetzt hoch in Gunst steht, damals
vollkommen billigte. Sie nennen mich einen Trunkenbold, weil ich Punsch
trinke, um mir die Last meines Kummers zu erleichtern.« Er wollte nicht
zugeben, daß er als Präsident der Hohen Commission etwas Tadelnswerthes
gethan habe. Seine Collegen, sagte er, seien die eigentlichen
Schuldigen, und jetzt wälzten sie alle Schuld auf ihn.
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Mit besonderer
Bitterkeit sprach er von Sprat, der unbestreitbar das humanste und
gemäßigtste Mitglied der Behörde gewesen war. Es zeigte sich bald klar und deutlich, daß der abscheuliche Richter der
Last seiner körperlichen und geistigen Leiden rasch erliegen würde. Doctor Johann Scott, Präbendar von St. Paul, ein Geistlicher von großer
Frömmigkeit und Verfasser des »Christian Life,« eines einst weit und
breit berühmten Buches, wurde wahrscheinlich auf Anrathen seines intimen
Freundes Sharp, an's Bett des Sterbenden gerufen. Doch umsonst sprach
auch Scott, wie Sharp es bereits gethan, von den entsetzlichen
Schlächtereien von Dorchester und Taunton. Jeffreys blieb bis zum
letzten Augenblicke dabei, daß Die, welche ihn für blutdürstig hielten,
seine damaligen Befehle nicht kennten, daß er eher Lob als Tadel
verdiene und daß seine Milde ihm das höchste Mißfallen seines Gebieters
zugezogen habe.[34]
Krankheit unterstützt durch starkes Trinken und durch tiefen Gram,
vollendete bald ihr Werk. Der Magen des Kranken nahm keine Speise mehr
an. Binnen wenigen Wochen magerte der stattliche und sogar corpulente
Mann zu einem Gerippe ab. Am 18. April starb er im einundvierzigsten
Jahre seines Lebens. Mit fünfunddreißig Jahren war er Oberrichter der
Kings Bench, mit siebenunddreißig Lordkanzler gewesen. In der ganzen
Geschichte der englischen Justizpflege findet sich kein zweites Beispiel
von einem so raschen Emporsteigen oder einem so heftigen Sturze. Der
abgezehrte Leichnam wurde in aller Stille neben der Asche Monmouth's in
der Kapelle des Tower beigesetzt.[35]
Der Sturz dieses einst so mächtigen und gefürchteten Mannes, der
Abscheu, mit dem er von allen ehrenwerthen Mitgliedern seiner eignen
Partei betrachtet wurde, die Art und Weise, wie die minder ehrenwerthen
Mitglieder dieser Partei in seinem Unglück jede Gemeinschaft mit ihm von
sich wiesen und die ganze Schuld der Verbrechen, zu denen sie ihn
aufgemuntert hatten, auf ihn wälzte, hatten den maßlosen Freunden der
Freiheit, welche nach einer neuen Proscription verlangten, zur Lehre
dienen sollen. Allein es war eine Lehre, die nur zu viele von ihnen
nicht beachteten. Die Whigs unzufrieden mit dem Könige. Der König hatte gleich beim Beginn seiner Regierung ihr Mißfallen
erregt, indem er einige Tories und Trimmers zu hohen Aemtern berief und
die durch diese Ernennungen erweckte Unzufriedenheit war durch sein
Bemühen, eine allgemeine Amnestie für die Besiegten zu erlangen, noch
verstärkt worden. Er war allerdings auch nicht der Mann, der sich bei
den rachsüchtigen Zeloten irgend einer Partei hätte beliebt machen
können.
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Denn zu den Eigenthümlichkeiten seines Characters gehörte eine
gewisse schroffe Humanität, durch die er seine Feinde selten gewann und
seine Freunde oftmals aufbrachte, in der er aber eigensinnig beharrte,
ohne sich weder um die Undankbarkeit Derer, die er vom Untergange
gerettet, noch um die Wuth Derer zu kümmern, deren Rachegelüste er
vereitelt hatte. Einige Whigs sprachen jetzt ebenso hart über ihn, als
sie je über einen seiner beiden Oheime gesprochen hatten. Er sei im
Grunde auch ein Stuart und er sei dies nicht umsonst. Wie Alle dieses
Stammes liebe auch er die Willkürherrschaft. In Holland sei es ihm
gelungen, sich unter der Form einer republikanischen Staatseinrichtung
zu einem kaum minder absoluten Herrscher zu machen, als es die erblichen
Grafen gewesen seien. Durch eine sonderbare Verkettung von Umständen
habe sein Interesse eine kurze Zeit lang dem Interesse des englischen
Volks entsprochen, aber obgleich er zufällig ein Befreier geworden, sei
er doch von Natur ein Despot. Er sympathisire nicht mit dem gerechten
Zorne der Whigs. Er habe Zwecke im Auge, welche die Whigs keinen
Souverain gutwillig erreichen lassen würden, und er wisse auch recht
gut, daß er nur die Tories als Werkzeuge dazu benutzen könne. Daher habe
er sie vom Augenblicke seiner Thronbesteigung an ungebührlich
begünstigt. Jetzt wolle er den nämlichen Verbrechern, die er vor wenigen
Monaten in seiner Erklärung als eine exemplarische Strafe verdienend
bezeichnet habe, eine Amnestie erwirken. Im November habe er der Welt
gesagt, daß die Verbrechen, an denen jene Männer Theil genommen, es
Unterthanen zur Pflicht gemacht hätten, ihren Huldigungseid zu brechen,
Soldaten, ihre Fahnen zu verlassen, Kinder, gegen ihre Eltern zu
kämpfen. Mit welcher Consequenz könne er jetzt dazu rathen, diese
Verbrechen mit dem Mantel allgemeiner Vergessenheit zu bedecken? und sei
nicht nur zu triftiger Grund zu der Besorgniß vorhanden, daß er die
Helfershelfer der Tyrannei vor dem verdienten Loose in der Hoffnung zu
retten wünsche, daß sie ihm früher oder später einmal eben so
gewissenslos dienen würden, wie sie seinem Schwiegervater gedient
hätten? Maßlose Heftigkeit Howe's. Unter den von diesen Gefühlen beseelten Mitgliedern des Hauses der
Gemeinen war Howe der Heftigste und Kühnste. Er ging einmal so weit, daß
eine Untersuchung der Maßnahmen des Parlaments von 1685 eingeleitet und
daß allen Denen, die in diesem Parlament mit dem Hofe gestimmt hatten,
irgend ein Brandmal aufgedrückt werden solle.
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Dieser eben so absurde als
hämische Antrag wurde von allen ehrenwertheren Whigs gemißbilligt und
von Birch und Maynard nachdrücklich bekämpft.[36] Howe mußte nachgeben,
aber er war ein Mann, den kein Schlag niederwerfen konnte, und er wurde
durch den Beifall vieler hitzköpfiger Mitglieder seiner Partei
ermuthigt, welche nicht die entfernteste Ahnung hatten, daß er, nachdem
er der hämischeste und characterloseste Whig gewesen, in nicht ferner
Zeit der hämischeste und characterloseste Tory werden würde. Angriff gegen Caermarthen. Dieser scharfsinnige, ruchlose und boshafte Politiker hielt sich,
obgleich er selbst ein einträgliches Amt im königlichen Hofstaat
bekleidete, tagtäglich über die Art der Besetzung der hohen Staatsämter
auf und seine Declamationen wurden, wenn auch etwas weniger scharf und
heftig, von anderen Rednern wiederholt. Keiner, sagten sie, der ein
Minister Karl's oder Jakob's gewesen sei, dürfe ein Minister Wilhelm's
sein. Der erste Angriff wurde gegen den Lordpräsidenten Caermarthen
gerichtet. Howe stellte den Antrag, daß dem Könige eine Adresse
überreicht werden solle, die ihn ersuchte, alle Diejenigen, welche je
einmal von den Gemeinen angeklagt worden seien, aus Sr. Majestät
Staatsrath und Angesicht, zu entfernen. Die Debatte über diesen Antrag
wurde zu wiederholten Malen vertagt. Während der Ausgang noch
zweifelhaft war, schickte Wilhelm Dykvelt an Howe ab, um ihn zur Rede zu
setzen. Howe war unbeugsam. Er war was man im gewöhnlichen Leben einen
uneigennützigen Menschen nennt, das heißt, er legte auf das Geld weniger
Werth als auf das Vergnügen, seiner üblen Laune Luft zu machen und
Aufsehen zu erregen. »Ich erweise dem König einen Dienst,« sagte er;
»ich befreie ihn von falschen Freunden, und meine Stellung wird mich nie
abhalten, meine Gedanken auszusprechen.« Der Antrag wurde gestellt,
scheiterte aber gänzlich. Der Satz, daß eine bloße Anklage, ohne
Ueberführung, als ein entscheidender Beweis von Schuld betrachtet werden
solle, widerstritt in der That der natürlichen Gerechtigkeit. Caermarthen hatte allerdings große Fehler begangen, aber sie waren durch
Parteigeist übertrieben, durch harte Leiden gesühnt und durch neuerliche
ausgezeichnete Dienste wiedergutgemacht worden. Zu der Zeit als er die
große Grafschaft York gegen Papismus und Tyrannei zu den Waffen rief,
hatten ihm einige der ausgezeichnetsten Whigs versichert, daß aller alte
Zwist vergessen sei. Howe behauptete zwar, daß die Artigkeiten, welche
im Augenblicke der Gefahr erzeigt worden seien, nichts bedeuteten.
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»Wenn
ich eine Viper in der Hand habe,« sagte er, »gehe ich sehr subtil mit
ihr um; sobald ich sie aber am Boden habe, zertrete ich sie.« Aber der
Lordpräsident wurde so kräftig unterstützt, daß nach einer dreitägigen
Discussion seine Feinde es nicht wagten, über den gegen ihn gerichteten
Antrag die Meinung des Hauses zu sondiren. Im Laufe der Debatte wurde
beiläufig eine wichtige Verfassungsfrage in Anregung gebracht. Die Frage
war, ob eine Begnadigung vor einer parlamentarischen Anklage schützen
könne. Die Gemeinen resolvirten ohne Abstimmung, daß eine Begnadigung
nicht davor schützen könne.[37]
Angriff auf Halifax. Der nächste Angriff galt Halifax. Er nahm eine viel verhaßtere Stellung
ein als Caermarthen, der sich unter dem Vorgeben, daß seine Gesundheit
angegriffen sei, fast gänzlich von den Geschäften zurückgezogen hatte. Halifax wurde allgemein als der erste Rathgeber der Krone betrachtet und
für alle in Bezug auf Irland begangenen Fehler speciell verantwortlich
gemacht. Die Uebel, sagte man, welche dieses Königreich zu Grunde
gerichtet, hätten durch rechtzeitige Vorsicht verhütet oder durch
kräftige Anstrengung wiedergutgemacht werden können. Die Regierung aber
habe nichts vorgesehen; sie habe wenig gethan, und dieses Wenige sei
weder zur rechten Zeit noch in der rechten Weise geschehen. Zu einer
Zeit, wo einige wenige Truppen genügt haben würden, habe man
Unterhandlungen anstatt Truppen angewendet. Als viele Truppen nöthig
gewesen seien, habe man wenige geschickt, und diese wenigen seien
schlecht ausgerüstet und schlecht commandirt gewesen. Dies, riefen die
heftigen Whigs, seien die natürlichen Früchte des großen Fehlers, den
König Wilhelm am ersten Tage seiner Regierung begangen habe. Er habe zu
Tories und Trimmers ein Vertrauen gehabt, das sie nicht verdienten. Insbesondere habe er die Leitung der irischen Angelegenheiten dem
Trimmer der Trimmers anvertraut, einem Manne, dessen Talent Niemand
bestreite, der aber der neuen Regierung nicht treu ergeben, der
überhaupt gar nicht fähig sei, irgend einer Regierung treu ergeben zu
sein, der stets zwischen zwei Meinungen geschwankt und bis zum
Augenblicke der Flucht Jakob's die Hoffnung nicht aufgegeben habe, daß
die Unzufriedenheit der Nation ohne einen Dynastiewechsel beschwichtigt
werden könnte. Howe bezeichnete bei zwanzig Gelegenheiten Halifax als
die Ursache aller Calamitäten des Landes. Eine ähnliche Sprache führte
Monmouth im Hause der Lords. Obgleich erster Lord des Schatzes, schenkte
er doch den Finanzgeschäften, für die er übrigens ganz untauglich war
und deren er bald überdrüssig geworden, seine Theilnahme. Seine ganze
Thätigkeit widmete er der Verfolgung der Tories.
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Er sagte dem Könige
rund heraus, daß Niemand, der nicht ein Whig sei, im Staatsdienste
angestellt werden solle. Wilhelm's Antwort war kalt und entschieden. »Ich habe so viel für Ihre Freunde gethan, als ich ohne Gefahr für den
Staat thun kann, mehr aber werde ich nicht thun.[38]« Die einzige
Wirkung dieses Verweises war, daß Monmouth factiöser wurde als je. Besonders gegen Halifax intriguirte und haranguirte er mit unermüdlicher
Animosität. Die anderen whiggistischen Lords des Schatzes, Delamere und
Capel, waren kaum weniger eifrig bestrebt, den Lordsiegelbewahrer aus
dem Amte zu vertreiben, und persönliche Eifersucht und Antipathie
bewogen den Lordpräsidenten, mit seinen eignen Anklägern gegen seinen
Nebenbuhler zu conspiriren. In wie weit die Beschuldigungen, welche damals gegen Halifax, erhoben
wurden, begründet gewesen sein mögen, läßt sich jetzt nicht mehr mit
Gewißheit ermitteln. Obwohl seine Feinde zahlreiche Zeugen befragten und
obgleich sie von Wilhelm die ungern gegebene Erlaubniß erlangten, die
Protokolle des Geheimen Raths einzusehen, konnten sie doch keinen Beweis
entdecken, auf den sie eine bestimmte Anklage hätten stützen können.[39]
Es war indessen unleugbar, daß der Lordsiegelbewahrer als Minister für
Irland fungirt hatte und daß Irland fast verloren war. Unnöthig und
sogar widersinnig ist die Annahme vieler Whigs, daß seine Verwaltung
deshalb unersprießlich gewesen sei, weil er nicht gewollt habe, daß sie
ersprießlich sein solle. Das Wahre ist, daß die Schwierigkeiten seiner
Stellung groß waren und daß er bei all' seiner Genialität und
Beredtsamkeit diesen Schwierigkeiten nicht gewachsen war. Die ganze
Regierungsmaschine war aus den Fugen, und er war nicht der Mann, der sie
wieder in Gang bringen konnte. Dazu gehörte nicht das was er in so
reichem Maße besaß: Geist, Geschmack, glänzende Fassungskraft und
scharfe Unterscheidungsgabe, sondern das was ihm fehlte: rasches
Entscheiden, unermüdliche Energie und unerschütterliche
Entschlossenheit. Sein Gemüth war im Grunde zu weich für eine Arbeit,
wie sie jetzt auf ihm lastete und es war neuerdings durch harte
Schicksalsschläge noch weicher gestimmt worden. Er hatte in Zeit von
nicht ganz einem Jahre zwei Söhne verloren. Es existirt noch ein Brief,
in welchem er damals gegen seine hochverehrte Freundin, Lady Russell,
über die Verödung seines Herdes und über die herzlose Undankbarkeit der
Whigs klagt. Ebenso besitzen wir noch die Antwort darauf, worin sie ihn
freundlich ermahnt, da Trost zu suchen, wo sie denselben unter nicht
minder harten Prüfungen gefunden habe.[40]
Der erste Angriff auf ihn erfolgte im Oberhause.
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Einige whiggistische
Lords, unter denen sich der launenhafte und ruchlose erste Lord des
Schatzes besonders hervorthat, schlugen vor, den König zu ersuchen, daß
er einen neuen Sprecher ernenne. Halifax Freunde beantragten die
vorläufige Frage und brachten sie durch.[41] Ungefähr drei Wochen später
beantragten seine Feinde in einem Comité des ganzen Hauses der Gemeinen
eine Resolution, die ihm keine specielle Unterlassungs- oder
Begehungssünde zur Last legte, sondern es einfach für rathsam erklärte,
daß er aus dem Dienste der Krone entlassen werde. Die Debatte war heiß. Die gemäßigten Politiker beider Parteien waren nicht geneigt, einem zwar
nicht fehlerfreien, aber durch Talent und Liebenswürdigkeit gleich
ausgezeichneten Mann ein Brandmal aufzudrücken. Als seine Ankläger
sahen, daß sie ihren Zweck nicht erreichen konnten, suchten sie sich
einer Entscheidung, welche gewiß ungünstig für sie gelautet haben würde,
dadurch zu entziehen, daß sie beantragten, der Vorsitzende solle die
Sache vertagen. Aber ihre Taktik wurde durch das umsichtige und muthige
Benehmen Lord Eland's, des Marquis' einzigem noch lebenden Sohne,
vereitelt. »Mein Vater hat es nicht verdient,« sprach der junge
Edelmann, »daß man solches Spiel mit ihm treibt. Wenn Sie ihn für
strafbar halten, so sagen Sie es, und er wird sich ohne weiteres Ihrem
Urtheile unterwerfen. Entlassung vom Hofe hat nichts Schreckliches für
ihn. Gottes Güte hat ihn der Nothwendigkeit überhoben, die Mittel zur
Aufrechthaltung seines Ranges in einem Amte zu suchen.« Das Comité
stimmte ab und Halifax wurde mit einer Majorität von vierzehn Stimmen
freigesprochen.[42]
Vorbereitungen zu einem Feldzuge in Irland. Wäre die Abstimmung um einige Stunden verschoben worden, so würde die
Majorität wahrscheinlich viel bedeutender gewesen sein. Die Gemeinen
stimmten unter dem Einflusse der Meinung, daß Londonderry gefallen und
ganz Irland verloren sei. Kaum war das Haus auseinandergegangen, so traf
ein Courier mit der Nachricht ein, daß der Sperrbaum im Foyle
durchbrochen sei. Ihm folgte bald ein zweiter, der die Aufhebung der
Belagerung meldete, und ein dritter, der die Nachricht von der Schlacht
bei Newton Butler brachte. Hoffnung und Jubel folgten auf Mißmuth und
Besorgniß.[43] Ulster war gerettet, und man erwartete zuversichtlich,
daß Schomberg sehr bald auch Leinster, Connaught und Munster
wiedererobern werde. Er war jetzt bereit zum Aufbruch. Der Hafen von
Chester war der Punkt, von wo er abgehen sollte. Die seinem Commando
unterstellte Armee hatte sich dort versammelt, und der Dee wimmelte von
Kriegs- und Transportschiffen.
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Leider waren fast alle kriegserfahrene
englische Soldaten nach Flandern geschickt worden, und die große
Mehrzahl der nach Irland bestimmten Truppen bestand daher aus Leuten,
welche eben vom Pfluge und von der Dreschtenne kamen. Es war indessen
eine vortreffliche holländische Brigade unter dem Commando eines
erfahrnen Offiziers, des Grafen von Solms darunter. Außerdem waren vier
Regimenter, ein Cavallerieregiment und drei Infanterieregimenter, aus
den französischen Flüchtlingen gebildet worden, von denen viele mit
Auszeichnung gedient hatten. Niemand that mehr für die Aushebung dieser
Regimenter als der Marquis von Ruvigny. Er war viele Jahre ein
außerordentlich treuer und nützlicher Diener der französischen Regierung
gewesen, und man schätzte in Versailles seine Verdienste so hoch, daß
man ihn gebeten hatte, Begünstigungen anzunehmen, welche kaum ein andrer
Ketzer durch noch so dringende Bitten erlangt haben würde. Hätte er sich
entschlossen in seinem Vaterlande zu bleiben, so würde man ihm und
seinen Angehörigen gestattet haben, privatim Gott auf ihre eigne Art zu
verehren. Aber Ruvigny wies alle Anerbietungen zurück, theilte das Loos
seiner Glaubensbrüder und vertauschte in einem Alter von mehr als
achtzig Jahren Versailles, wo er noch immer ein Günstling hätte bleiben
können, mit einer bescheidenen Wohnung in Greenwich. Diese Wohnung war
während der letzten Monate seines Lebens der Sammelplatz aller
ausgezeichneten Persönlichkeiten unter seinen Mitverbannten. Seine
Talente, seine Erfahrung und seine freigebige Herzensgüte machten ihn
zum unbestrittenen Oberhaupte der Refugiés. Zu gleicher Zeit war er ein
halber Engländer, denn seine Schwester war eine Gräfin von Southampton
gewesen und er war der Oheim von Lady Russell. Die Zeit des
selbstthätigen Handelns war für ihn längst vorüber; aber seine beiden
Söhne, beides Männer von ausgezeichnetem Muthe, widmeten ihre Degen dem
Dienste Wilhelm's. Der jüngere Sohn, der den Namen Caillemote führte,
wurde zum Obersten eines der hugenottischen Infanterieregimenter
ernannt. Die beiden anderen Infanterieregimenter wurden von La
Melloniere und Cambon, Offizieren von glänzendem Rufe, befehligt. Das
Cavallerieregiment war von Schomberg selbst errichtet und führte seinen
Namen. Ruvigny lebte gerade noch lange genug, um diese Rüstungen
vollendet zu sehen.[44]
Schomberg. Dem General, dem man die Oberleitung des Feldzugs gegen Irland
übertragen hatte, war es in seltenem Grade gelungen, sich die Zuneigung
und Achtung der englischen Nation zu erwerben.
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Er war zum Herzoge, zum
Ritter des Hosenbandordens und zum Feldzeugmeister ernannt worden, er
stand jetzt an der Spitze einer Armee, und doch erweckte seine Erhebung
nichts von dem Neide, der sich jedesmal kundgab, so oft Bentinck,
Zulestein oder Auverquerque ein Zeichen königlicher Gunst zu Theil ward. Schomberg's militärische Tüchtigkeit war allgemein anerkannt. Er wurde
von allen Protestanten als ein Bekenner betrachtet, der für die Wahrheit
Alles erduldet hatte, den Märtyrertod ausgenommen. Um seines Glaubens
willen hatte er einem glänzenden Einkommen entsagt, hatte den
französischen Marschallsstab niedergelegt und hatte, in einem Alter von
beinahe achtzig Jahren, als ein armer Soldat des Zufalls seine Laufbahn
noch einmal von vorn angefangen. Da er in keiner Connection mit den
Vereinigten Provinzen stand und niemals dem kleinen Hofe im Haag
angehört hatte, so wurde der ihm vor englischen Anführern gegebene
Vorzug mit Recht nicht nationaler oder persönlicher Parteilichkeit,
sondern lediglich seinen Tugenden und Fähigkeiten zugeschrieben. Sein
Benehmen war weit verschieden von dem der anderen Ausländer, welche so
eben zu englischen Peers creirt worden waren. Diese waren bei vielen
ehrenwerthen Eigenschaften in Geschmack, Sitten und Neigungen Holländer
und konnten den Ton der Gesellschaft, in die sie versetzt worden, nicht
treffen. Er war ein Weltbürger, hatte ganz Europa durchwandert, hatte an
der Maas, am Ebro und am Tajo Armeen commandirt, hatte sich in dem
glänzenden Cirkel von Versailles bewegt und hatte am Berliner Hofe in
hoher Gunst gestanden. Französische Edelleute hatten ihn oft für einen
französischen Edelmann gehalten. Er hatte einige Zeit in England
zugebracht, sprach sehr gut englisch, fand sich leicht in die englischen
Sitten und wurde oft in Begleitung von Engländern im Parke gesehen. In
seiner Jugend hatte er mäßig gelebt, und seine Mäßigkeit genoß jetzt den
ihr gebührenden Lohn: ein ungemein rüstiges und kräftiges Alter. Als
achtzigjähriger Greis, hatte er noch Sinn für unschuldige Vergnügungen,
seine Conversation war außerordentlich elegant und lebhaft, man konnte
nichts Geschmackvolleres sehen als seine Equipagen und seine Tafel, und
jeder Cavalleriecornet beneidete die Anmuth und den würdevollen Anstand,
womit der Veteran an der Spitze seines Regiments auf seinem
Schlachtrosse in Hydepark erschien.[45] Das Haus der Gemeinen hatte ihn
mit allgemeiner Zustimmung durch ein Geschenk von hunderttausend Pfund
Sterling für seine Verluste entschädigt und für seine geleisteten
Dienste belohnt. Vor seinem Abgange nach Irland bat er um die Erlaubniß,
für dieses großmüthige Geschenk seinen Dank aussprechen zu dürfen. Es
ward ein Stuhl für ihn innerhalb der Schranke bereitgestellt.
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Er nahm,
mit dem Scepter zu seiner Rechten, auf demselben Platz, erhob sich dann,
sprach in kurzen freundlichen Worten seinen Dank aus und nahm Abschied
von der Versammlung. Der Sprecher erwiederte darauf, daß die Gemeinen
die Verpflichtungen, welche sie schon gegen Se. Gnaden hätten, nie
vergessen würden, daß sie ihn mit Vergnügen an der Spitze der englischen
Armee sähen, daß sie volles Vertrauen in seinen Eifer und seine
Geschicklichkeit setzten und daß sie sich seiner stets mit besonderer
Fürsorge annehmen würden. Das bei dieser interessanten Gelegenheit
gegebene Beispiel wurde hundertundfünfundzwanzig Jahre später bei einer
noch interessanteren Gelegenheit mit strengster Genauigkeit nachgeahmt. Genau auf derselben Stelle, wo Schomberg im Juli 1689 die Freigebigkeit
der Nation dankend anerkannt, stand im Juli 1814 ein Stuhl für einen
noch berühmteren Krieger, der gekommen war, um sich für ein noch
glänzenderes Zeichen der öffentlichen Anerkennung zu bedanken. Wenige
Dinge bezeichnen treffender den eigenthümlichen Character der englischen
Verfassung und Nation als der Umstand, daß das Haus der Gemeinen, eine
aus dem Volke hervorgegangene Versammlung, selbst in einem Augenblicke
freudiger Begeisterung mit der ängstlichen Gewissenhaftigkeit eines
Wappencollegiums an althergebrachten Formen festhielt; daß das
Niedersetzen und Aufstehen, das Bedecktbleiben und das Entblößen des
Hauptes im 19. Jahrhundert noch genau nach der nämlichen Etikette
regulirt war wie im 17., und daß das nämliche Scepter, welches zur
Rechten Schomberg's gehalten worden war, in gleicher Stellung zur
Rechten Wellington's gehalten wurde.[46]
Unterbrechung der Parlamentssitzungen. Am 20. August ging das Parlament, nachdem es sieben Monate lang in
ununterbrochener Thätigkeit gewesen war, auf königlichen Befehl für
kurze Zeit auseinander. Dieselbe Nummer der Gazette, welche die
Ankündigung enthielt, daß die beiden Häuser ihre Sitzungen eingestellt,
brachte auch die Mittheilung, daß Schomberg in Irland gelandet sei.[47]
Zustand Irland's -- Rath Avaux'. Während der drei Wochen vor seiner Landung hatte im Schlosse von Dublin
die größte Angst und Bestürzung geherrscht. Schlag auf Schlag waren
einander so rasch gefolgt, daß Jakob's nie sehr starker Muth völlig
gebrochen worden war. Zuerst hatte er erfahren, daß Londonderry erlöst
war; dann, daß eine seiner Armeen von den Enniskillenern geschlagen
worden; hierauf, daß eine andere von seinen Armeen stark
zusammengeschmolzen und entmuthigt sich aus Ulster zurückzog oder
vielmehr floh; und endlich, daß Sligo, der Schlüssel von Connaught, den
Engländern preisgegeben worden war. Er hatte sich von der Unmöglichkeit
überzeugt, die Colonisten zu unterwerfen, selbst als sie fast ganz ohne
fremde Hülfe waren.
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Daher konnte er wohl zweifeln, ob es ihm möglich
sein würde, gegen sie zu kämpfen, wenn sie durch eine englische Armee
unter den Befehlen des größten lebenden Feldherrn unterstützt wurden. Der unglückliche Fürst schien seit einigen Tagen der Verzweiflung
gänzlich anheimgefallen. Auf Avaux machte die Gefahr einen ganz andren
Eindruck. Jetzt, dachte er, sei es Zeit, den Krieg zwischen den
Engländern und Irländern in einen Vertilgungskrieg zu verwandeln und
jede Vereinigung der beiden Nationen unter eine Regierung für immer
unmöglich zu machen. In diesem Sinne unterbreitete er kaltblütig dem
Könige einen Vorschlag von fast unglaublicher Abscheulichkeit. Er sagte,
es müsse eine zweite Bartholomäusnacht veranstaltet werden. Ein Vorwand
dazu werde sich leicht finden lassen. Schomberg's Ankunft in Irland
werde ohne Zweifel in denjenigen südlichen Städten, deren Bevölkerung
überwiegend englisch sei, einige Aufregung hervorrufen, und jede
Ruhestörung, wo immer sie stattfinden möge, werde einen
Entschuldigungsgrund für eine allgemeine Niedermetzelung der
Protestanten von Leinster, Munster und Connaught darbieten.[48] Da der
König im ersten Augenblicke keinen Abscheu vor diesem Rathe an den Tag
legte,[49] so kam der Gesandte einige Tage später auf den Gegenstand
zurück und drang in Se. Majestät, die nöthigen Befehle zu erlassen. Jetzt aber erklärte Jakob mit einer Entschiedenheit, die ihm zur Ehre
gereichte, daß nichts ihn vermögen werde, ein solches Verbrechen zu
begehen. »Diese Leute sind meine Unterthanen, und ich kann nicht so
grausam sein, sie zu ermorden, während sie friedlich unter meiner
Regierung leben.« -- »Es liegt nichts Grausames in meinem Vorschlage,«
entgegnete der gefühllose Diplomat. »Eure Majestät sollte bedenken, daß
Milde gegen die Protestanten Grausamkeit gegen die Katholiken ist.« Doch
Jakob war nicht zu bewegen, und Avaux entfernte sich in sehr übler
Laune. Er war der Meinung, daß die Humanitätsäußerungen des Königs
erheuchelt seien und daß Se. Majestät den Befehl zum allgemeinen
Gemetzel nur deshalb nicht gebe, weil er überzeugt sei, die Katholiken
im ganzen Lande würden auch ohne einen solchen Befehl über die
Protestanten herfallen.[50] Avaux irrte sich indeß vollständig. Daß er
Jakob für eben so unmoralisch hielt als er selbst war, kann nicht Wunder
nehmen. Unbegreiflich aber ist es, wie ein so kluger Mann vergessen
konnte, daß Jakob und er ganz verschiedene Zwecke verfolgten. Das Ziel
der Politik des Gesandten war, England und Irland für alle Zeiten zu
trennen.
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Das Ziel der Politik des Königs war die Vereinigung England's
und Irland's unter seinem Scepter, und er mußte nothwendig einsehen, daß
wenn in drei Provinzen ein allgemeines Niedermetzeln der Protestanten
stattfände und er in den Verdacht käme, es autorisirt, oder nur
stillschweigend geduldet zu haben, binnen vierzehn Tagen selbst in
Oxford kein Jakobit mehr am Leben sein würde.[51]
Gerade in diesem Augenblicke begann der Horizont Jakob's, welcher
hoffnungslos trübe geschienen hatte, sich aufzuhellen. Die Gefahr, die
ihn zu Boden drückte, hatte das irische Volk aufgerüttelt. Es hatte sich
sechs Monate früher wie ein Mann gegen die Sachsen erhoben. Die Armee,
welche Tyrconnel ins Leben gerufen, war im Verhältniß zu der
Bevölkerung, der sie entnommen war, die größte, welche Europa je
gesehen. Aber diese Armee hatte eine lange Reihe von Niederlagen und
Unfällen erlitten, die durch keine einzige glänzende Waffenthat
aufgewogen wurden. In England wie auf dem Continent war man gewohnt,
diese Niederlagen und Unfälle der Zaghaftigkeit des irischen
Volksstammes zuzuschreiben.[52] Daß dies aber ein großer Irrthum war,
wird durch die Geschichte jedes Krieges, der seit fünf Generationen in
irgend einem Theile der Christenheit geführt worden ist, genugsam
bewiesen. Das rohe Material, aus dem eine gute Armee gebildet werden
kann, war unter den Irländern in reichem Maße vorhanden. Avaux schrieb
seiner Regierung, daß sie ein auffallend schöner, großer und
wohlgebauter Menschenschlag seien, daß sie persönlich tapfer, der Sache,
für die sie kämpften, aufrichtig zugethan und gegen die Colonisten
heftig erbittert seien. Nachdem er ihre Kraft und ihren Muth gepriesen,
erklärte er, wie es zugehe, daß sie bei all ihrer Kraft und ihrem Muthe
doch beständig geschlagen wurden. Es sei ganz falsch, sagte er, wenn man
glaube, daß persönliche Tapferkeit, physischer Muth oder patriotische
Begeisterung am Tage der Schlacht die Disciplin ersetzen könne. Die
Infanterie sei schlecht bewaffnet und schlecht eingeübt, man ließe sie
allenthalben wohin sie komme plündern, und so habe sie alle Gewohnheiten
von Banditen angenommen. Es befinde sich kaum ein einziger Offizier
darunter, der fähig wäre, sie ihre Pflicht zu lehren. Ihre Obersten
seien zwar im allgemeinen Leute aus guter Familie, aber ohne
militärische Erfahrung. Die Hauptleute seien Metzger, Schneider oder
Schuhmacher, und nicht einer unter ihnen kümmere sich um den Comfort,
die Ausrüstung und Einübung der Leute, denen er vorgesetzt sei. Die
Dragoner seien nicht viel besser als die Infanterie. Nur die Reiter
seien, mit wenigen Ausnahmen, vortrefflich.
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Fast alle irischen
Gentlemen, die einige militärische Erfahrung besäßen, bekleideten
Offiziersstellen in der Cavallerie, und durch die Bemühungen dieser
Offiziere seien einige Regimenter gebildet und einexercirt worden,
welche Avaux allen, die er je gesehen, gleichstellte. Es liege daher auf
der Hand, daß die Untüchtigkeit der Fußsoldaten und der Dragoner nicht
den Fehlern des irischen Characters, sondern den Mängeln der irischen
Verwaltung zugeschrieben werden müsse.[53]
Die Ereignisse, welche im Herbst des Jahres 1689 eintraten, bewiesen zur
Genüge, daß der vom Unglück verfolgte Volksstamm, den seine Feinde wie
seine Bundesgenossen allgemein mit ungerechter Geringschätzung
betrachteten, mit den von Armuth, Unwissenheit und Aberglauben
unzertrennlichen Fehlern einige vortreffliche Eigenschaften verband, die
man auch bei blühenderen und civilisirteren Nationen nicht immer findet. Die schlimmen Nachrichten, welche Jakob in Angst und Verzweiflung
stürzten, rüttelten die ganze Bevölkerung der südlichen Provinzen auf
wie der Ton der Schlachttrompete. Von allen Altären von dreiundzwanzig
Grafschaften wurde dem Volke verkündet, daß Ulster verloren sei, daß die
Engländer kämen und daß der Kampf auf Leben und Tod zwischen den beiden
feindlichen Nationen bevorstehe. Es sei nur noch eine Hoffnung, und wenn
diese fehlschlüge, bleibe nichts mehr übrig als die despotische,
erbarmungslose Herrschaft der sächsischen Colonie und der ketzerischen
Kirche. Der katholische Priester, der eben erst Pfarrhaus und Kanzel in
Besitz genommen, der katholische Squire, der so eben auf den Schultern
seiner jubelnden Pächter in die Halle seiner Väter getragen worden sei,
würden vertrieben werden, um von dem Almosen zu leben, das die selbst
unterdrückten und verarmten Landleute ihnen gewähren könnten. Eine neue
Vermögensconfiscation würde das Werk der Ansiedlungsacte vollenden und
die Anhänger Wilhelm's würden Alles wegnehmen, was die Anhänger
Cromwell's verschont hätten. Diese Befürchtungen riefen einen Ausbruch
patriotischer und religiöser Begeisterung hervor, welcher den
unvermeidlichen Augenblick der Unterjochung auf einige Zeit hinausschob. Avaux war erstaunt über die Energie, welche die Irländer unter so
niederdrückenden Verhältnissen an den Tag legten. Es war allerdings die
wilde und unbeständige Energie eines halbbarbarischen Volks; sie war
vorübergehend und oft irregeleitet; aber wenn auch vorübergehend und
irregeleitet, that sie doch Wunder. Der französische Gesandte mußte
bekennen, daß die Offiziere, über deren Unbrauchbarkeit und Unthätigkeit
er so oft geklagt, ihre Lethargie plötzlich abgeschüttelt hätten. Die
Rekruten strömten zu Tausenden herbei, und die unter den Mauern von
Londonderry gelichteten Reihen waren bald wieder übervoll.
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Es wurden
große Anstrengungen gemacht, um die Truppen zu bewaffnen und
einzukleiden, und nach dem kurzen Zeitraum von vierzehn Tagen bot Alles
einen neuen und erfreulichen Anblick dar.[54]
Entlassung Melfort's. Die Irländer verlangten vom Könige zum Lohn für die energischen
Anstrengungen in seinem Interesse ein Zugeständniß, das ihm durchaus
nicht angenehm war. Melfort's Unpopularität hatte in einem solchen Grade
zugenommen, daß er kaum noch seines Lebens sicher war, und er besaß
keinen Freund, der ein Wort zu seinen Gunsten hätte sprechen können. Die
Franzosen haßten ihn. In jedem Briefe, der aus England oder Schottland
in Dublin ankam, wurde er als der böse Genius des Hauses Stuart
bezeichnet. Es war um seiner selbst willen nothwendig ihn zu entlassen. Man fand einen ehrenvollen Ausweg. Er erhielt Befehl, sich nach
Versailles zu begeben, den Stand der Dinge in Irland dort darzulegen und
die französische Regierung um schleunige Zusendung eines Hülfscorps von
sechs- bis siebentausend Mann gedienter Infanterie zu bitten. Er legte
die Siegel nieder und sie wurden zur großen Freude der Irländer den
Händen eines Irländers Sir Richard Nagle anvertraut, der sich als
Generalfiskal und als Sprecher des Hauses der Gemeinen hervorgethan
hatte. Melfort reiste unter dem Schutze der Dunkelheit ab, denn die Wuth
des Volks gegen ihn war so groß, daß er sich am Tage nicht ohne Gefahr
in den Straßen von Dublin zeigen konnte. Am andren Morgen verließ Jakob
seine Hauptstadt in entgegengesetzter Richtung, um Schomberg
entgegenzurücken.[55]
Schomberg landet in Ulster. Schomberg war in Antrim gelandet. Die Streitmacht, die er mitbrachte,
überstieg nicht zehntausend Mann. Aber er erwartete, daß die bewaffneten
Colonisten und die von Kirke commandirten Regimenter zu ihm stoßen
würden. Die Kaffeehauspolitiker von London waren fest überzeugt, daß ein
solcher General mit einer solchen Armee die Insel rasch wiedererobern
werde. Leider aber zeigte es sich bald, daß die ihm gewährten Mittel für
das Werk, das er durchzuführen hatte, bei weitem nicht hinreichten; den
größeren Theil dieser Mittel verlor er bald durch eine Reihe
unvorhergesehener Unfälle, und der ganze Feldzug war nichts als ein
langer Kampf seiner Klugheit und Entschlossenheit gegen die äußerste
Tücke des Schicksals. Carrickfergus genommen. Er marschirte zuerst nach Carrickfergus. Diese Stadt wurde durch zwei
Regimenter Infanterie für König Jakob vertheidigt. Schomberg beschoß die
Mauern, und nachdem die Irländer sich eine Woche gehalten hatten,
capitulirten sie. Er versprach sie ungehindert abziehen zu lassen; aber
es wurde ihm nicht leicht, sein Wort zu halten.
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Die Bewohner der Stadt
und Umgegend waren größtentheils Protestanten schottischer Abkunft. Sie
hatten während des kurzen Uebergewichts des eingebornen Stammes viel zu
leiden gehabt und brannten vor Begierde, für die erduldeten Leiden Rache
zu üben. Sie rotteten sich zu zahlreichen Haufen zusammen und riefen,
daß sie sich an die Capitulation nicht kehrten, sondern gerächt sein
wollten. Von Worten gingen sie bald zu Schlägen über. Die entwaffneten,
ausgezogenen und hin und her gestoßenen Irländer suchten Schutz bei den
englischen Offizieren und Soldaten. Mit Mühe gelang es Schomberg, dem
Blutvergießen vorzubeugen, indem er mit dem Pistol in der Hand durch die
Haufen der wüthenden Colonisten sprengte.[56]
Von Carrickfergus marschirte Schomberg weiter nach Lisburn und von da
durch gänzlich verlassene Städte und über Ebenen, auf denen weder eine
Kuh, noch ein Schaf, noch ein Getreidefehm zu sehen war, nach
Loughbrickland. Hier stießen drei Regimenter Enniskillener zu ihm, deren
Kleidung, Pferde und Waffen einem an den Glanz von Revuen gewohnten Auge
wunderlich vorkamen, die aber an natürlichem Muthe keinen Truppen der
Welt nachstanden und die sich während mehrerer Monate beständigen
Wachtdienstes und Scharmützelns viele wesentliche Eigenschaften
regulärer Soldaten erworben hatten.[57]
Schomberg rückt weiter nach Leinster. Schomberg setzte seinen Marsch durch eine Wüste gegen Dublin fort. Die
wenigen noch im Süden von Ulster befindlichen irischen Truppen zogen
sich vor ihm zurück, indem sie Alles auf ihrem Wege zerstörten. Newry,
einst ein hübsch gebauter und wohlhabender protestantischer Flecken,
fand er als einen Haufen rauchender Trümmer. Carlingford war ebenfalls
zerstört. Die Stelle, wo die Stadt einst gestanden, war nur noch durch
die massiven Ruinen des alten normännischen Schlosses bezeichnet. Diejenigen, welche es wagten, Ausflüge aus dem Lager zu machen,
berichteten, daß die Gegend, soweit sie dieselbe durchstreift hätten,
eine Wildniß sei. Es gäbe wohl Hütten, aber sie seien unbewohnt; es gebe
üppige Weiden, aber weder Rinder- noch Schafherden; es gebe
Getreidefelder, aber die Ernte liege, vom Regen durchnäßt, auf dem
Boden.[58]
Die englische und die irische Armee campiren nahe bei einander. Während Schomberg durch eine unabsehbare Einöde vorrückte, sammelten
sich die irischen Truppen rasch von allen Seiten. Am 10.
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September wurde
das königliche Banner Jakob's auf dem Thurme von Drogheda entfaltet, und
unter demselben waren bald zwanzigtausend kampffähige Männer versammelt,
die Infanterie im allgemeinen schlecht, die Cavallerie im allgemeinen
gut, beide aber voll Eifers für ihr Vaterland und ihre Religion.[59] Die
Armee war wie gewöhnlich von einem zahlreichen Troß Landvolk begleitet,
das mit Sensen, Halbpiken und Skeans bewaffnet war. Inzwischen hatte
Schomberg Dundalk erreicht. Die Entfernung zwischen beiden Heeren betrug
jetzt nicht mehr als einen starken Tagemarsch, und man erwartete daher
allgemein, daß das Schicksal der Insel unverzüglich durch eine offene
Schlacht entschieden werden würde. In beiden Lagern wünschten Alle, die vom Kriege nichts verstanden,
sehnlichst loszuschlagen, und die Wenigen, die sich eines hohen Rufes
militärischer Tüchtigkeit erfreuten, waren in beiden Lagern gegen eine
Schlacht. Weder Rosen noch Schomberg wollten Alles auf einen Wurf
setzen. Beide kannten die Mängel ihrer Armee genau und keiner von ihnen
war über die Mängel der Armee des Andren vollständig unterrichtet. Rosen
wußte sehr gut, daß die irische Infanterie schlechter ausgerüstet, mit
schlechteren Offizieren versehen und schlechter eingeübt war, als irgend
eine Infanterie, die er vom bothnischen Meerbusen bis zum atlantischen
Ocean je gesehen, und er vermuthete, daß die englischen Truppen gut
einexercirt und, was sie allerdings hätten sein sollen, mit allem zu
einer erfolgreichen Thätigkeit Nöthigem wohl versehen seien. Eine
numerische Uebermacht, urtheilte er sehr richtig, würde gegen eine große
Ueberlegenheit in der Waffenführung und Disciplin wenig nützen. Er rieth
daher Jakob sich zurückzuziehen und lieber Dublin selbst dem Feinde
preiszugeben als eine Schlacht zu wagen, mit deren Verlust Alles
verloren sein würde. Athlone sei der beste Platz im Königreiche zu einem
entschlossenen Widerstande. Der Uebergang über den Shannon könne so
lange vertheidigt werden, bis der Succurs, um den Melfort bitten solle,
aus Frankreich anlange, und dieser Succurs werde den ganzen Character
des Kriegs ändern. Aber die Irländer, mit Tyrconnel an der Spitze, waren
einmüthig gegen den Rückzug. Das Blut der ganzen Nation war in Gährung. Jakob freute sich über die Begeisterung seiner Unterthanen und erklärte
auf das Bestimmteste, daß er nicht die Schmach auf sich laden werde,
seine Hauptstadt dem Feinde ohne Schwertstreich zu überlassen.[60]
Schomberg lehnt eine Schlacht ab. Binnen wenigen Tagen zeigte es sich klar, daß Schomberg beschlossen
hatte, nicht loszuschlagen, und seine Gründe waren gewichtig.
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Er hatte
zwar einige gute holländische und französische Truppen, und auch die
Enniskillener, die sich ihm angeschlossen, hatten eine militärische
Lehrzeit bestanden, wenn auch nicht in der regelrechtesten Weise. Die
große Masse seiner Armee aber bestand aus englischen Landleuten, welche
eben erst aus ihren Hütten kamen. Seine Musketiere hatten noch zu
lernen, wie sie ihre Gewehre laden mußten, seine Dragoner hatten noch zu
lernen, wie sie mit ihren Pferden umgehen mußten, und diese unerfahrenen
Soldaten waren zum größten Theil von Offizieren befehligt, welche eben
so unerfahren waren als sie selbst. Seine Truppen waren daher im
allgemeinen den irischen in der Disciplin nicht überlegen, und standen
ihnen an Zahl weit nach. Ja er überzeugte sich sogar, daß seine Soldaten
eben so schlecht bewaffnet, eben so schlecht logirt und eben so schlecht
gekleidet waren, als die ihnen gegenüberstehenden Celten. Betrügereien des englischen Kriegscommissariats. Der Reichthum der englischen Nation und die freigebigen Beschlüsse des
englischen Parlaments hatten ihn zu der Erwartung berechtigt, daß er mit
allem Kriegsbedarf reichlich versehen werden würde. Aber er sah sich
bitter getäuscht. Die Verwaltung war seit Oliver's Tode fortwährend
unvernünftiger und verderbter geworden, und jetzt erntete die Revolution
was die Restauration gesäet hatte. Ein Heer nachlässiger oder
habsüchtiger Beamter, unter Karl und Jakob gebildet, plünderte die
Armeen und die Flotten Wilhelm's aus, ließ sie darben und vergiftete
sie. Der Erste unter diesen Leuten war Heinrich Shales, der unter der
vorigen Regierung Generalcommissar des Lagers bei Hounslow gewesen war. Man kann die neue Regierung kaum tadeln, daß sie ihn auf seinem Posten
ließ, denn seine Erfahrung in dem ihm anvertrauten Verwaltungszweige
übertraf bei weitem die jedes andren Engländers. Leider aber hatte er,
in der nämlichen Schule, in der er seine Erfahrungen gesammelt, auch die
ganze Kunst des Veruntreuens erlernt. Das Rindfleisch und der
Branntwein, welche er lieferte, waren so schlecht, daß die Soldaten sich
davor ekelten; die Zelte waren verfault, die Bekleidung unzureichend,
die Musketen zerbrachen beim Gebrauch. Große Massen Schuhe waren der
Regierung in Rechnung gestellt, aber zwei Monate nachdem der Schatz sie
bezahlt, waren sie noch nicht in Irland angekommen. Mittel zum Transport
des Gepäcks und der Artillerie fehlten fast ganz. Eine große Menge
Pferde waren mit öffentlichem Gelde in England angekauft und an die Ufer
des Dee geschickt worden.
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Aber Shales hatte sie zur Erntearbeit an die
Landwirthe von Cheshire vermiethet, hatte den Miethertrag in seine
Tasche gesteckt, und hatte es den Truppen in Ulster überlassen sich
fortzuhelfen so gut sie konnten.[61] Schomberg war der Meinung, daß,
wenn er mit einer schlecht disciplinirten und schlecht ausgerüsteten
Armee eine Schlacht wagte, er nicht unwahrscheinlich geschlagen werden
würde, und er wußte, daß eine Niederlage den Verlust eines Königreichs,
vielleicht den Verlust dreier Königreiche nach sich ziehen konnte. Er
beschloß daher, in der Defensive zu verharren, bis seine Leute eingeübt
und Verstärkungen und Zufuhren angelangt sein würden. Er verschanzte sich bei Dundalk dergestalt, daß er nicht gezwungen
werden konnte, gegen seinen Willen zu kämpfen. Jakob, ermuthigt durch
die Zurückhaltung seines Gegners, rückte, die Rathschläge Rosen's nicht
beachtend, gegen Ardee vor, erschien an der Spitze der ganzen irischen
Armee vor den englischen Linien, stellte Reiterei, Fußvolk und
Artillerie in Schlachtordnung auf, und entfaltete sein Banner. Die
Engländer hätten gar zu gern losgeschlagen. Aber der Entschluß ihres
Generals stand fest und konnte weder durch das prahlerische Gebahren des
Feindes, noch durch das Murren seiner eignen Soldaten erschüttert
werden. So blieb er einige Wochen sicher hinter seinen Schutzwällen,
während die Irländer wenige Meilen davon lagen. Er sorgte nun eifrig für
Einübung der Rekruten, aus denen seine Armee zum größten Theil bestand. Seine Musketiere mußten sich beständig im Schießen üben, bald nach der
Scheibe, bald in Pelotons, und die Art und Weise, wie sie sich anfangs
dabei benahmen, bewies deutlich, daß er sehr wohl daran gethan, sie
nicht zum Kampfe zu führen. Es stellte sich heraus, daß von vier
englischen Soldaten noch nicht einer sein Gewehr ordentlich zu behandeln
verstand, und wenn es gelang, dasselbe aufs Gerathewohl abzufeuern,
glaubte Wunder was er Großes vollbracht habe. Verschwörung unter den in englischen Diensten stehenden französischen
Truppen. Während der Herzog so seine Zeit anwendete, gafften die Irländer sein
Lager an, ohne einen Angriff auf dasselbe zu wagen. Bald aber tauchten
in diesem Lager zwei Uebel auf, welche gefährlicher waren als der Feind:
Verrath und Krankheit. Zu den besten Truppen, die er commandirte,
gehörten die französischen Verbannten. Jetzt entstanden sehr ernste
Zweifel an ihrer Treue. Den wirklichen hugenottischen Refugiés konnte
allerdings unbedingtes Vertrauen geschenkt werden.
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Der Widerwille, mit
dem der eifrigste englische Protestant das Haus Bourbon und die römische
Kirche betrachtete, war ein laues Gefühl im Vergleich zu dem
unauslöschlichen Hasse, der in der Brust des verfolgten, mit
Einquartierung gequälten, aus seinem Vaterlande vertriebenen Calvinisten
des Languedoc glühte. Die Irländer hatten schon bemerkt, daß die
französischen Ketzer niemals Pardon weder gaben noch annahmen.[62] Jetzt
aber zeigte es sich, daß mit diesen Emigranten, die dem reformirten
Glauben Alles aufgeopfert hatten, Emigranten ganz andrer Art vermischt
waren, Deserteurs, welche in den Niederlanden ihrer Fahne entlaufen
waren und ihr Verbrechen dadurch bemäntelt hatten, daß sie vorgaben, sie
seien Protestanten und ihr Gewissen gestatte ihnen nicht, für den
Verfolger ihrer Kirche zu kämpfen. Einige von diesen Leuten setzten sich
in der Hoffnung, durch einen zweiten Verrath Verzeihung und zugleich
Belohnung zu erlangen, mit Avaux in Correspondenz. Die Briefe wurden
jedoch aufgefangen und ein furchtbares Complot ans Licht gebracht. Es
stellte sich heraus, daß, wenn Schomberg schwach genug gewesen wäre, dem
Andringen Derer, welche eine offene Schlacht wünschten, nachzugeben,
mehrere französische Compagnien in der Hitze des Gefechts auf die
Engländer gefeuert haben und zum Feinde übergegangen sein würden. Ein
solcher Abfall würde auch in einer besseren Armee als die bei Dundalk
lagernde, einen allgemeinen Schrecken hervorgerufen haben. Hier mußte
mit Strenge verfahren werden. Sechs von den Verschwörern wurden
aufgehängt, und zweihundert ihrer Mitschuldigen in Eisen nach England
zurückgeschickt. Selbst nach dieser Ausmerzung wurden die Refugiés von
der übrigen Armee noch lange mit zwar ungerechtem, aber nicht
unnatürlichem Argwohn betrachtet. Einige Tage lang hatte man sogar allen
Grund zu fürchten, der Feind werde mit dem Schauspiele eines blutigen
Kampfes zwischen den englischen Soldaten und ihren französischen
Verbündeten unterhalten werden.[63]
Pestilenz in der englischen Armee. Einige Stunden vor der Hinrichtung der Haupträdelsführer wurde eine
allgemeine Musterung der Armee vorgenommen, und man sah, daß die Reihen
der englischen Bataillone stark gelichtet waren. Viel Kranke hatte es
vom ersten Tage des Feldzugs an unter den Rekruten gegeben, aber erst
zur Zeit des Aequinoctiums nahm die Sterblichkeit in beunruhigendem Maße
zu. Die Herbstregen sind in Irland gewöhnlich stark, dieses Jahr aber
waren sie stärker als sonst, das ganze Land war überschwemmt, und das
Lager des Herzogs wurde ein förmlicher Sumpf. Die Enniskillener waren an
das Klima gewöhnt, und die Holländer waren gewohnt in einem Lande zu
leben, das, wie ein Witzling der damaligen Zeit sagte, funfzig Fuß
Wasser zieht.
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Sie hielten ihre Lagerhütten trocken und reinlich und sie
hatten erfahrene, aufmerksame Offiziere, welche die Unterlassung keiner
Vorsicht duldeten. Die Landleute von Yorkshire und Derbyshire aber
hatten weder Constitutionen, welche dem verderblichen Einflusse zu
widerstehen vermochten, noch verstanden sie es, sich gegen denselben zu
schützen. Die schlechten Lebensmittel, welche das Commissariat lieferte,
verschlimmerte die durch die klimatischen Verhältnisse erzeugten
Krankheiten. An Heilmitteln fehlte es fast ganz, Aerzte waren nur wenige
vorhanden, und die Arzneikästen enthielten nicht viel mehr als Charpie
und Wundpflaster. Die Engländer erkrankten und starben zu Hunderten. Selbst Diejenigen, welche nicht von der Seuche ergriffen wurden, waren
entkräftet und muthlos und erwarteten, anstatt die Energie zu entfalten,
welche das Erbtheil unsrer Nation ist, mit der hülflosen Apathie von
Asiaten ihr Schicksal. Umsonst versuchte Schomberg sie zu lehren, wie
sie ihre Quartiere verbessern und den feuchten Erdboden, auf dem sie
lagen, mit einem dicken Teppich von Farrnkräutern bedecken konnten. Körperliche Anstrengung war ihnen noch schrecklicher geworden als selbst
der Tod. Es stand nicht zu erwarten, daß Leute, die sich selbst nicht
helfen konnten, einander gegenseitig helfen würden. Niemand beanspruchte
und Niemand bezeigte Theilnahme. Die Vertrautheit mit grauenvollen
Scenen erzeugte eine Gefühllosigkeit und eine verzweifelte
Gottlosigkeit, die selbst in der Geschichte ansteckender Krankheiten so
leicht nicht ihres Gleichen haben dürften. Das Schmerzensgestöhn der
Kranken wurde durch die Flüche und unzüchtigen Reden ihrer Kameraden
übertäubt. Zuweilen konnte man auf dem Leichname eines am Morgen
gestorbenen Unglücklichen einen andren Unglücklichen sitzen sehen, der
die kommende Nacht nicht mehr erleben konnte und der fluchend und
Schandlieder singend auf die Gesundheit des Teufels Branntwein trank. Wenn die Leichen weggetragen wurden, um begraben zu werden, murrten die
Ueberlebenden. Ein Todter, sagten sie, sei eine gute Decke und ein guter
Stuhl. Warum sollten die Leute, wenn ein so reichlicher Vorrath eines so
nützlichen Möbels vorhanden sei, der kalten Luft ausgesetzt und
genöthigt sein, sich auf die nasse Erde zu legen?[64]
Viele Kranke wurden von den englischen Schiffen, welche nahe der Küste
lagen, nach Belfast gebracht, wo ein großes Hospital errichtet war. Aber
kaum die Hälfte von ihnen erlebte das Ende der Reise. Mehr als ein
Schiff lag lange in der Bai von Carrickfergus, angefüllt mit Leichen und
den Geruch des Todes ausströmend, ohne ein lebendes, Wesen an Bord.[65]
Die irländische Armee hatte viel weniger zu leiden.
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Subsets and Splits
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