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Wachstumsverzögerung, Kleinwuchs verspätete Pubertät Reizbarkeit, Missmutigkeit, Konzentrationsstörungen AD(H)S oder autistische Verhaltensstörungen (ich gehe weiter hinten in diesem Kapitel noch ausführlicher auf diese Verhaltensauffälligkeiten und ihren Zusammenhang mit Gluten ein) Knochenschmerzen, verminderter Kalkgehalt der Knochen Bauchschmerzen und aufgeblähter Bauch Nasenbluten Fehldiagnosen erkennen In Europa vergehen zwischen dem Einsetzen der ersten Symptome und der Diagnose der Zöliakie im Durchschnitt mehrere Monate. In den USA dauert es, wenn überhaupt jemals die Diagnose gestellt wird, dagegen durchschnittlich elf Monate. In vielen Fällen wird eine Zöliakie auch erst nach mehreren Jahren diagnostiziert. Ich bin sehr froh darüber, dass das Bewusstsein für Zöliakie und Glutenüberempfindlichkeit immer weiter zunimmt. Sie werden immer häufiger und auch früher diagnostiziert und die Gesundheit der Betroffenen verbessert sich durch eine glutenfreie Lebensweise. Doch noch immer ist es ein Problem, dass diese Erkrankung zu selten erkannt wird. Häufig werden zuerst Fehldiagnosen gestellt, bevor man endlich herausfindet, dass es sich um Zöliakie handelt – eine Erkrankung, die ganz leicht mit einer Diät zu beheben wäre.
Zu den häufigsten Fehldiagnosen zählen: Reizdarmsyndrom oder spastisches Kolon (zu Krämpfen neigender Dickdarm) chronisches Erschöpfungssyndrom oder Fibromyalgie Lupus erythematodes (eine Autoimmunerkrankung) Blutarmut (Anämie) unbekannter Ursache Migräne oder Kopfschmerzen unklarer Ursache Unfruchtbarkeit unbekannter Ursache psychische Probleme (Hypochondrie, Depression, Ängste, Neurosen) entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa Krebs Virusinfektion (virale Gastroenteritis) Lebensmittelallergien oder Laktoseintoleranz Parasitenbefall oder Infektionen Erkrankungen der Gallenblase Schilddrüsenerkrankungen zystische Fibrose (eine Erkrankung der Atmungsorgane) Säurereflux Divertikulose (kleine Aussackungen im Dickdarm, in denen sich Nahrungsbrei festsetzt und zu Entzündungen führt) Ekzeme oder Schuppenflechte (Hauterkrankungen) Warum gibt es diese Fehldiagnosen? Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie sind keine seltenen Erkrankungen. Sie können zu schweren gesundheitlichen Problemen führen, wenn sie nicht diagnostiziert werden. Dennoch wird bei den meisten Menschen mit einer Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie die Erkrankung nicht oder erst spät diagnostiziert. Warum erkennen Ärzte diese häufige Krankheit nicht? Dr. Michelle Pietzak von der University of California, eine der bekanntesten Spezialistinnen auf diesem Gebiet, sieht dafür folgende Ursachen:
Ärzte werden im Laufe ihres Studiums und der weiteren Ausbildung zu wenig mit diesem Krankheitsbild vertraut gemacht. Die Ausbildung ist eine sehr wichtige Phase der Mediziner, in der ihre Meinungen und ihr späteres Können geformt werden. Wenn sie während dieser Zeit zu wenig über dieses Krankheitsbild hören, werden sie später in ihrer Arbeit nicht danach suchen. Einige Mediziner beziehen ihr neuestes medizinisches Wissen von Pharmavertretern, aus medizinischen Journalen oder von Kongressen. Es gibt keine Medikamente gegen Zöliakie. Deshalb gibt es auch keine Pharmavertreter, die in die Praxen der Ärzte kommen und ihnen etwas darüber erzählen. Außerdem gibt es im Vergleich zu anderen Krankheiten relativ wenig Artikel, Fortbildungen oder Kongresse zu diesem Thema, mit denen diese Erkrankung mehr in das Bewusstsein der Mediziner gelangen könnte. Es gibt eine Vielzahl von Symptomen oder manchmal sogar völlige Symptomfreiheit. Die Symptome der Glutenüberempfindlichkeit und der Zöliakie sind oft sehr unterschiedlich und können in ganz verschiedenen Körperregionen in Erscheinung treten. Andererseits scheinen manche Betroffenen gar keine Symptome aufzuweisen. Das macht es sehr schwer, die Krankheitsursache zu erkennen.
Die Ärzte glauben, dass die Patienten übertreiben oder einfach ein bisschen »verrückt« sind. Es kommt nicht selten vor, dass Patienten mit einer Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie wegen der vielen und manchmal sehr dramatischen Symptome als Neurotiker oder Hypochonder abgestempelt werden. Die lange Liste der Symptome erscheint den Medizinern oft übertrieben oder hysterisch. Die Mediziner fühlen sich unbehaglich, wenn sie das Gefühl haben, sich nicht richtig auszukennen. Es ist oft problematisch für Ärzte, wenn sie nicht wissen, woran ein Patient leidet. Wenn Sie dann in die Praxis kommen, gut gerüstet mit vielen Informationen zur Zöliakie und die Ärzte selbst nicht viel dazu wissen, fühlen sie sich angegriffen und ignorieren Ihre Meinung. Mit routinemäßigen Blutuntersuchungen kann die Zöliakie nicht diagnostiziert werden. Mit einem Blutbild oder einer chemischen Blutanalyse werden keine Parameter bestimmt, die für die Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie spezifisch wären. Obwohl ein Arzt sehr wahrscheinlich diese Blutuntersuchungen bei Patienten mit Zöliakie-Symptomen anordnen wird, geben sie keinerlei Hinweise darauf, ob es sich wirklich um eine Zöliakie handelt oder nicht. Ein wachsamer Arzt kann in diesen Tests trotzdem möglicherweise erste Anzeichen der Zöliakie finden: Blutarmut, niedrige Kalium-, Kalzium- und Eiweißspiegel und hohe Leberwerte sind ernst zu nehmende Hinweise auf eine Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie.
Routineendoskopien und schlecht durchgeführte Gewebeproben übersehen die Zöliakie. Manche Menschen glauben, ihr Arzt habe sie auf Zöliakie untersucht, weil er eine Magen-Darmspiegelung (Gastroskopie) bei ihnen durchgeführt hat. Doch die Zöliakie kann nur dann diagnostiziert werden, wenn bei dieser Spiegelung auch eine, besser sogar mehrere Gewebeproben aus dem Zwölffingerdarm entnommen werden. Aber auch eine Gewebeentnahme bietet keine absolute Sicherheit. Eine schlecht durchgeführte Biopsie oder zu wenig Gewebematerial können zu einer Fehldiagnose führen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der Mediziner, der die Gewebeprobe untersucht. Eingeschränkte Diagnostik aus Kostengründen. Unglücklicherweise unterliegen die Ärzte heutzutage einer strengen Kostenkontrolle. Das kann dazu führen, dass in manchen Fällen nicht genügend oder gar keine Untersuchungen durchgeführt werden. Das Brot ist schuld: Wie Gluten das Verhalten beeinflusst Selten kann bei Verhaltensauffälligkeiten ein Schuldiger gefunden werden. Doch manchmal steckt das Gluten dahinter.
»Es tut mir leid, in letzter Zeit habe ich bei meiner Arbeit nicht viel geschafft. Ich habe zu viel Brot gegessen.« Diese Entschuldigung klingt zweifellos ein wenig lächerlich. Doch sie entspricht der Wahrheit, weil Brot (also Gluten) auf sehr unterschiedliche Weise das Verhalten beeinflussen kann. Das kann sich unter anderem in mangelnder Konzentration äußern. Folgende Verhaltensauffälligkeiten können möglicherweise von einer Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie verursacht sein. Allerdings gibt es dazu noch nicht ausreichend Studien, die einen tatsächlichen Zusammenhang beweisen können. Konzentrationsstörungen Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit und ohne Hyperaktivität (ADS und ADHS) Autismus (dazu später mehr) Depressionen, bipolare Störungen, Schizophrenie und andere Gemütserkrankungen Reizbarkeit Motivationsmangel Warum Essen die Stimmung beeinflusst Essen kann sich aus verschiedenen Gründen auf Ihre Stimmung auswirken. Einer dieser Gründe ist, dass die Hormone und Neurotransmitter (Botenstoffe, die für den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen zuständig sind) in Ihrem Darm mit denen in Ihrem Gehirn fast identisch sind. Es gibt einige interessante Studien, die darüber Aufschluss geben, wieso Verhaltensstörungen ein Symptom der Glutenunverträglichkeit sein können.
Menschen, deren Körper Nährstoffe nicht richtig aufnehmen kann (wie es bei der Zöliakie der Fall ist, solange weiterhin Gluten gegessen wird), haben häufig einen hohen ACTH-Spiegel (Adrenocorticotropes Hormon, Adreno-Corticotropes-Hormon) und erhöhte Acetylcholinwerte. Sie gehören zu den Stresshormonen. Liegen diese Hormonspiegel zu hoch, stören sie den Lernprozess, bringen Ängste hervor, erzeugen das Bedürfnis zu fliehen, erzeugen Furcht vor Neuem und Unbekanntem und machen es schwer, aus Erfahrungen zu lernen. Außerdem konnte in Versuchen bewiesen werden, dass sich Menschen durch eine mangelnde Nährstoffaufnahme genauso verhalten wie Menschen mit Schädigungen in verschiedenen Bereichen des Gehirns wie zum Beispiel im Bereich des Hypothalamus (der wichtige Körperfunktionen reguliert) und des Hippocampus (einem Teil des limbischen Systems, das auf die Stimmung und die Motivation wirkt). Untersuchungen zur glutenfreien Ernährung bei Autismus Ich bin der Meinung, dieser Bereich gehört innerhalb der Forschung zur glutenfreien Ernährung zu den faszinierendsten. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich bei einigen Autisten durch eine glutenfreie (und kaseinfreie) Ernährung der Zustand deutlich verbesserte. Das Kasein ist der Hauptbestandteil des Milcheiweißes.
Viele Einzelfallberichte bekräftigen diese Tatsache. Einige Studien zu diesem Thema scheinen diese These ebenfalls zu unterstützen. Ich selbst habe Hunderte von Menschen kennengelernt, die durch eine glutenfreie Ernährung erstaunliche Ergebnisse erreichen konnten. Obwohl man einen Zusammenhang zwischen Autismus und Zöliakie vermutet, besteht in vielen Fällen noch ein ganz anderer Mechanismus. Bei der Verdauung von Gluten und Kasein entstehen bestimmte Eiweißbruchstücke, Peptide, die opiatähnliche Strukturen haben. Sie können daher, wenn sie im Darm aufgenommen werden, im Gehirn der Betroffenen an Rezeptoren binden, die Stimmungen, Hunger und Ähnliches regulieren. Wenn sie also Gluten und Kasein zu sich nehmen, werden sie davon wie berauscht und kommen in eine Art Abhängigkeit. Dies mag auch erklären, warum viele Autisten nur bestimmte Nahrungsmittel zu sich nehmen möchten (siehe weiter hinten). Dieser Rausch ist vergleichbar mit dem Rausch, den ein Drogenabhängiger erlebt. Das trägt möglicherweise zu typischen Verhaltensweisen von autistischen Kindern bei. Dazu zählen bizarre, stereotype Körperbewegungen (Fingerschnippen vor den Augen, sich drehen, Wippen mit dem Kopf), Verschlossenheit und ein ungewöhnliches Interesse an Teilen bestimmter Gegenstände (beispielsweise Fixierung auf einen bestimmten Teil eines Spielzeugs statt auf das Spielzeug an sich). Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Autisten und Drogenabhängigen ist die Verzweiflung, die sie empfinden, wenn sich in ihrer Umwelt oder an ihren Gewohnheiten etwas verändert.
Die Erfolge einer gluten- und kaseinfreien Ernährung sind sehr unterschiedlich. Bei einigen stellen sich schon nach einer Woche Verbesserungen ein, bei anderen erst nach einem Jahr. Es gibt natürlich auch Fälle, in denen sich durch die Diät nichts verändert. Bei den Betroffenen, die von der Diät profitieren, sind die Verhaltensveränderungen wiederum recht unterschiedlich. Einige Autisten können durch die Diät nachts durchschlafen, andere kommunizieren jetzt mehr und bei wieder anderen normalisiert sich das Verhalten vollständig. Ob ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen Autismus und Zöliakie besteht, ist durch wissenschaftliche Studien noch nicht endgültig belegt. Vor allem ist noch unklar, worin ein Zusammenhang genau besteht. Autistische Kinder haben sehr häufig Magen-Darm-Probleme und unter Autisten tritt Zöliakie häufiger auf als in der restlichen Bevölkerung. Wissenschaftler haben dazu unterschiedliche Hypothesen aufgestellt. Eine davon besagt, dass es durch die zöliakiebedingte mangelnde Nährstoffaufnahme im Darm zu einem Mangel an Neurotransmittern kommt. Die Signalweiterleitung der Nerven wird dadurch beeinträchtigt und die Betroffenen entwickeln ein autistisches Verhalten. Um den Zusammenhang zwischen Autismus und Zöliakie aufzudecken, werden derzeit etliche Studien durchgeführt.
Autistische Kinder bevorzugen oft nur eine kleine Auswahl ganz bestimmter Nahrungsmittel – meist gerade die, die viel Gluten und Kasein enthalten. Der Grund dafür ist möglicherweise die körperliche Abhängigkeit, die durch die Opiatproduktion nach dem Verzehr dieser Nahrungsmittel entstanden ist. Ein Therapeut kann Ihnen vielleicht dabei helfen, neue (glutenfreie) Nahrungsmittel in den Speiseplan eines autistischen Kindes einzuschmuggeln. Depressionen und andere Gemütserkrankungen lindern Depressionen, bipolare Störungen, Schizophrenie und viele andere Gemütserkrankungen können manchmal mit einer Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie in Zusammenhang stehen oder von ihnen verschlimmert werden. Manchmal werden diese Gemütserkrankungen auch als »Symptome« der Zöliakie beschrieben. In manchen Fällen bessern sich diese Erkrankungen durch eine glutenfreie Ernährung. Die Schizophrenie wird schon seit den 60er-Jahren mit der Zöliakie und Glutenüberempfindlichkeit in Zusammenhang gebracht. Man hatte damals festgestellt, dass eine gluten- und milchfreie Ernährung bei Patienten in einer Klinik zu einer Besserung ihrer Erkrankung geführt hatte. Es ist sehr interessant, dass man sowohl im Urin von Autisten als auch im Urin von Patienten mit einer Schizophrenie die gleichen opiatähnlichen Abbauprodukte nachweisen kann.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Schizophrenie in Gebieten, in denen hauptsächlich Weizen verzehrt wird, häufiger auftritt als in Regionen, in denen die normale Ernährung aus glutenfreien Getreidesorten besteht. In einer Untersuchung, die in den Bergen Papua Neuguineas, wo nur sehr wenig oder gar kein Getreide verzehrt wird, durchgeführt wurde, fand man unter 65.000 Erwachsenen nur zwei Personen mit einer Schizophrenie. Im Küstengebiet, wo mehr Weizen verzehrt wird, trat die Schizophrenie etwa dreimal häufiger auf. Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie diagnostizieren Es gibt bis heute keine genauen Richtlinien, wie eine Glutenüberempfindlichkeit zu diagnostizieren ist. Für die Zöliakie wurden Diagnosekriterien erstellt, wann man von einer sicheren Zöliakie spricht. Die am weitesten verbreitete Vorgehensweise beinhaltet Blutuntersuchungen und die Untersuchung einer Gewebeprobe aus dem Dünndarm. Nicht immer ergeben diese eindeutige Ergebnisse. Wie man damit umgehen kann, erfahren Sie am Ende dieses Kapitels.
Blutuntersuchungen In Blutuntersuchungen, die auch serologische Tests genannt werden, wird nach speziellen Antikörpern gesucht, die der menschliche Organismus bildet, wenn eine Zöliakie vorliegt. Sie müssen vor dem Bluttest für eine längere Zeit glutenhaltige Nahrungsmittel essen. Wenn Sie kein Gluten aufnehmen oder es nicht lange genug gegessen haben, produziert Ihr Körper nicht genügend Antikörper, um sie im Test nachweisen zu können. Die Untersuchungsergebnisse werden dann ganz »normal« sein und keine Zöliakie nachweisen. Daher sollten Sie etwa drei Monate lang 15 bis 20 Gramm Gluten am Tag zu sich nehmen, dies entspricht etwa sechs Scheiben Brot. Sollten Sie in dieser Zeit unter schweren Symptomen leiden, sprechen Sie mit Ihrem Arzt, um zu entscheiden, ob Sie weiterhin Gluten essen sollten. Die umfangreichste Blutuntersuchung, um eine Zöliakie nachzuweisen, besteht aus fünf verschiedenen Antikörpertests: tTG (anti-tissue transglutaminase) -IgA: Dieser Test ist sehr spezifisch für die Zöliakie. Das bedeutet, wenn man bei Ihnen tTG-IgA-Antikörper nachweisen konnte, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie an Zöliakie leiden.
EMA (Endomysium-Antikörper) -IgA: Auch dieser Test ist sehr spezifisch für Zöliakie. Ist er positiv, ist es extrem wahrscheinlich, dass Sie an Zöliakie leiden. Der EmA-Test ist der ältere dieser beiden Tests. Sie weisen im Grunde denselben Antikörper mit unterschiedlichen Verfahrensweisen nach. Manche Labore haben noch den Namen EmA beibehalten, obwohl sie den tTG-Antikörpertest durchführen. Seit einigen Jahren setzt sich zusätzlich der Test auf deamidierte Gliadinpeptid-Antikörper durch. Dies ist eine neue Generation an Gliadin-Antikörpern. Sie sind ebenfalls sehr spezifisch für Zöliakie-Betroffene, vergleichbar mit den EmA- und tTG-Antikörpern. Bei diesen liefern jeweils die IgG-Antikörper die aussagekräftigeren Resultate. Diese Verfahren finden besonderen Einsatz bei Patienten mit IgA-Mangel und bei Kleinkindern. AGA (Antigliadin-Antikörper) -IgA: Der Antigliadin-Test ist nicht so spezifisch für Zöliakie wie die anderen Untersuchungen. Diese Antikörper treten manchmal auch bei anderen Erkrankungen (einschließlich der Glutenüberempfindlichkeit) und beim völlig Gesunden auf.
AGA (Antigliadin-Antikörper) -IgG: Das ist ein weiterer Antigliadintest, der nur eine geringe Spezifität für die Zöliakie besitzt. Doch er könnte sinnvoll sein, um eine Glutenüberempfindlichkeit oder das Syndrom des undichten Darms aufzudecken. Auch er kann bei anderen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts oder bei Gesunden erhöht sein. Aufgrund ihrer geringen Genauigkeit sollten diese beiden Tests zur Zöliakie-Diagnostik heute nicht mehr verwendet werden. Totales Serum-IgA: Bei einem Teil der Menschen besteht nachweislich ein IgA-Mangel. Das bedeutet, dass ihre IgA-Produktion geringer ist als normalerweise. Drei der vier oben genannten Tests basieren auf einem Nachweis von IgA-Antikörpern. Durch die Messung des totalen Serum-IgA kann der Arzt feststellen, ob der Patient einen IgA-Mangel hat und dadurch die gesamten Bluttests genauer interpretieren. Kann der Patient keine oder nur unzureichend IgA-Antikörper bilden, wird er auch keine oder nur wenige der Zöliakie-IgA-Antikörper produzieren. Der Testwert wäre fälschlicherweise zu niedrig. Besteht bei Ihnen tatsächlich ein IgA-Mangel, sollten die entsprechenden IgG-Antikörper (EmA-IgG / tTG-IgG) bestimmt werden.
Fallen ein oder mehrere Bluttests positiv aus, kann dies ein Hinweis auf eine Zöliakie sein. Ihr Arzt sollte dann als Nächstes eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm entnehmen, um diese Diagnose zu bestätigen. (Im nächsten Abschnitt finden Sie mehr Informationen zur Darmbiopsie.) Die Ernährung sollten Sie in keinem Fall vor Abschluss der ganzen Diagnostik umstellen, um das Ergebnis nicht zu verfälschen. Um die Schwere der Erkrankung, das Ausmaß der Mangelernährung und der Nährstoffunterversorgung einzuschätzen, wird Ihr Arzt möglicherweise noch einige andere Blutuntersuchungen anordnen. Dazu gehören: ein Blutbild, um eine Blutarmut (Anämie) oder andere Veränderungen der Blutkörperchen zu erkennen Stoffwechselparameter wie Nieren- und Leberwerte, Blutsalze (mit Kalzium), Gesamteiweiß Bestimmung der Vitamine D, E, B12 und Folsäure, um einen Vitaminmangel zu erkennen Bestimmung der Eisenparameter (besonders wichtig das Ferritin, da damit der Eisenspeicher untersucht wird) Bestimmung des C-reaktiven Proteins, um andere zusätzliche Entzündungen zu diagnostizieren
TSH-Bestimmung, da oftmals zusätzlich eine Schilddrüsenerkrankung bei Zöliakie vorkommt Allergietests Um nachzuweisen, dass Ihre Beschwerden auf eine Nahrungsmittelallergie zurückzuführen sind, können allergologische Tests eingesetzt werden. Mit diesen kann man jedoch keine Aussage bezüglich einer Zöliakie machen. Viele Menschen leiden jedoch unter einer Weizen-/Roggenallergie, die man so nachweisen kann. Der RAST ist ein Bluttest, mit dessen Hilfe IgE-Antikörper nachgewiesen werden. Diese IgE-Antikörper sind für allergische Reaktionen verantwortlich. Doch leider bestehen bei vielen Menschen Nahrungsmittelallergien, die nicht durch den RAST-Test aufgespürt werden können. Das schränkt den Nutzen dieser Untersuchung leider ein. Sie können Allergien auch mithilfe eines sogenannten Pricktestes nachweisen, bei dem Allergene in die Haut eingeritzt werden. Doch auch mit dieser Untersuchung können nicht alle Allergien zuverlässig und sicher nachgewiesen werden. Bei manchen Menschen lässt sich durch den Pricktest keine Allergie feststellen, obwohl diese Personen nachweislich auf den Verzehr bestimmter Nahrungsmittel regieren. Ein anderer Punkt ist, dass die Nahrung durch den Verdauungsprozess stark verändert wird. Es ist also nicht dasselbe, wenn das »ganze« Nahrungsmittel in die Haut geritzt oder dem Darm in verdauter Form angeboten wird.
Sie können die Blutuntersuchungen zum Nachweis einer Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie zur gleichen Zeit wie einen RAST-Test durchführen lassen. Fragen Sie Ihren Arzt, damit Sie alle Tests auf einmal erledigen können. Darmbiopsie Trotz der guten serologischen Testverfahren benötigt man für eine sichere Diagnose die Dünndarmbiopsie. Erst so kann man die Schleimhautveränderungen im Dünndarm nachweisen, die als Diagnosekriterium gefordert werden. Die Biopsie wird durch eine Gastroskopie (Magenspiegelung) gewonnen: Der Arzt führt einen Schlauch durch die Speiseröhre in den Magen und weiter bis in den Dünndarm. Dort entnimmt er am besten drei bis fünf Gewebeproben, die die sogenannten Darmzotten enthalten (kleine fingerartige Strukturen der Darmwand). Zu Beginn dieses Kapitels habe ich bereits erwähnt, dass diese Zotten geschädigt werden, wenn Zöliakie-Kranke Gluten zu sich nehmen. Mit der Biopsie kann geklärt werden, wie stark diese Zotten verändert sind. Die Endoskopie und die Gewebeentnahme sind nicht schmerzhaft. Der Arzt, ein Gastroenterologe, betäubt mithilfe eines Sprays Ihren Rachen und verabreicht Ihnen ein Schmerz- und Beruhigungsmittel. Dadurch werden die meisten so müde, dass sie während der Untersuchung schlafen. Es wird der Schlauch durch den Mund bis in den Dünndarm vorgeschoben. Einigen Patienten ist es unangenehm, wenn der Schlauch den Rachen passiert. Manche haben nach der Untersuchung leichte Halsschmerzen.
Wie bei den Bluttests sollten Sie vor der Gewebeentnahme für einen längeren Zeitraum Gluten aufgenommen haben, damit die Biopsie ein aussagekräftiges Ergebnis liefern kann. Das sollten Sie über die Biopsie wissen: Es ist ein invasiver Eingriff und aus diesem Grunde natürlich auch mit einigen Risiken verbunden. Erwachsene werden meist mit Dormicum® (Midazolam) und Dolantin® (Pethidin) sediert. Bei Kindern wird die Untersuchung in Vollnarkose durchgeführt. Der Arzt sollte insgesamt drei bis fünf Gewebeproben aus dem Darm entnehmen, da die Darmschleimhaut nicht an jeder Stelle geschädigt sein muss. Deshalb erhöht eine größere Anzahl von Proben die Chance, dass eine aus einer betroffenen Darmregion stammt. Auch aus dem Magen werden routinemäßig Proben entnommen und von anderen Stellen, die bei der Spiegelung auffällig sind. Schon leichte Veränderungen der Zotten können auf eine Schädigung hinweisen. Die meisten glauben, dass die Darmschleimhaut aufgrund der Zöliakie vollständig verkümmert ist oder dass die Zotten vollständig abgeflacht sind. Heute kennt man verschiedene Schweregrade der Darmschädigung, die mithilfe der Marsh-Skala eingestuft werden.
Mit einer Endoskopie allein kann meist keine Diagnose gestellt werden. Obwohl auch sichtbare Veränderungen auf eine Schädigung der Darmschleimhaut durch eine Zöliakie hinweisen können, gibt eine Gewebeentnahme doch konkretere Antworten. Allerdings können auch andere Erkrankungen ähnliche Veränderungen an der Schleimhaut hervorrufen. Diese bessern sich jedoch nicht durch die Diät. Die Gewebeproben werden von einem Pathologen genau untersucht. Nach drei oder vier Tagen sollten Sie von Ihrem Gastroenterologen die Ergebnisse mitgeteilt bekommen. Genetische Untersuchungen Genetische Untersuchungen können mithilfe von Blut- oder Speicheltests durchgeführt werden. Ärzte untersuchen dabei, ob jemand eine genetische Veranlagung für eine Zöliakie besitzt. Genetische Untersuchungen können sinnvoll sein, um eine Zöliakie auszuschließen, wenn Ihrem Arzt dies über die übrigen Untersuchungen nicht gelingt. Wenn bei Ihnen weder das Merkmal HLA-DQ2 noch das Merkmal HLA-DQ8 nachgewiesen werden kann, haben Sie mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit keine Zöliakie. Der Test ist allerdings ungeeignet, um vorherzusagen, wer eine Zöliakie bekommen kann, denn viele Menschen besitzen die genetische Veranlagung für eine Zöliakie, ohne dass die Erkrankung jemals ausbricht. Mehr zur erblichen Veranlagung erfahren Sie in Kapitel 3.
Die Testergebnisse interpretieren Manchmal lassen sich die Testergebnisse ganz einfach interpretieren, manchmal auch nicht. Es kann vorkommen, dass Ergebnisse falsch negativ oder falsch positiv ausfallen. Falsch negative Resultate können folgende Gründe haben: Das Labor kann ungenau gearbeitet haben. Verschiedene Pathologen beurteilen die Gewebeproben unterschiedlich. Einer glaubt vielleicht, dass eine kleine Abflachung der Zotten ein Zeichen für eine Zöliakie ist, ein anderer ist der Meinung, dass eine Zöliakie nur dann vorliegt, wenn die Zotten vollständig abgeflacht sind. Die meisten Pathologen stimmen heute darin überein, dass schon eine stellenweise oder geringe Abflachung der Zotten auf eine Zöliakie hinweist. Wenn Sie vor der Untersuchung nicht genügend Gluten aufnehmen, kann sich das auf die Menge der Antikörper und die Schleimhautveränderungen auswirken. Ein IgA-Mangel kann das Testergebnis der Antikörper fälschlicherweise negativ erscheinen lassen, wenn es bei normalen IgA-Werten eigentlich positiv gewesen wäre.
Etwa fünf bis zehn Prozent der Menschen produzieren grundsätzlich keine tTG- und EMA-Antikörper. Kleine Kinder und ältere Personen produzieren nicht immer genügend Antikörper, um eine Zöliakie nachweisen zu können. Das gilt vor allem für tTG- und EMA-Antikörper. Zöliakie-Betroffene besitzen aufgrund ihrer Erkrankung kein ausgeglichenes Immunsystem. Krankheiten können das Immunsystem schwächen. Das kann zu niedrigeren IgA-Werten führen. Im Frühstadium einer Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie produziert ihr Körper möglicherweise nicht genügend Antikörper oder die Schädigung der Zotten ist noch nicht so ausgeprägt, dass man eine korrekte Diagnose stellen kann – noch nicht. Zöliakie oder Glutenüberempfindlichkeit können in jedem Alter auftreten. Nur weil Ihr Testergebnis jetzt negativ war, bedeutet das nicht, dass Sie für immer aus dem Schneider sind. Manche Menschen fühlen sich nicht wohl, wenn sie Gluten zu sich genommen haben, obwohl einige oder alle Tests negativ ausgefallen sind. Vielleicht waren Ihre Ergebnisse falsch negativ oder Gluten ist einfach nicht gut für Sie. Wenn Sie sich damit nicht wohlfühlen, dann essen Sie es nicht!
Ich weiß, dass es noch sehr viel mehr Kombinationsmöglichkeiten gäbe, als ich in Tabelle 2.1 nenne. Doch es ist einfach unmöglich, alle Kombinationen aufzuführen. Größtenteils können die Tests wie in Tabelle 2.1 gezeigt interpretiert werden (die Tabelle setzt voraus, dass Sie nicht unter einem IgA-Mangel leiden). Testergebnisse | Wahrscheinliche Diagnose ---|--- Positiver EMA- und tTG-Test, positive Gewebeprobe | Eine Zöliakie ist sehr wahrscheinlich. Negativer EMA- und tTG-Test, negative Gewebeprobe Positiver AGA-TgA- und IgG-Test | Sehr wahrscheinlich keine Zöliakie, aber es könnte eine Glutenüberempfindlichkeit bestehen. Diese Konstellation kann aber auch bei Gesunden vorkommen. Bei Ihnen kann zur weiteren Klärung der neue Gliadintest beitragen. Positiver AGA-IgG-Test Alle anderen Tests negativ | Es kann sich um eine Glutenüberempfindlichkeit oder um ein anderes Syndrom des undichten Darms handeln. Meist handelt es sich jedoch um gesunde Personen. Alle Tests sind negativ | Sie scheinen keinerlei Probleme mit Gluten zu haben, genießen Sie Pizza und Kuchen (doch seien Sie nicht sauer auf mich, wenn Ihre Hosen irgendwann zu eng werden!).
Tabelle 2.1: Testergebnisse interpretieren Ihre Tests waren positiv! Was nun? Jetzt hängt erst einmal alles davon ab, welche Tests überhaupt positiv ausgefallen sind. Außerdem muss in Betracht gezogen werden, ob bei Ihnen schon alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt wurden. Bei Ihnen wurde eine Glutenüberempfindlichkeit nachgewiesen Wenn Sie unter einer Glutenüberempfindlichkeit und nicht an Zöliakie leiden, kann es sein, dass Sie ab und zu noch Gluten essen dürfen. Ich kann schon hören, wie Sie nun jubeln: Super, ich habe eine Glutenüberempfindlichkeit und keine Zöliakie. Her mit der Pizza und dem Bier. Doch das sollten Sie sich noch einmal überlegen, bevor Sie nicht ganz sicher wissen, dass Sie wirklich nicht an Zöliakie leiden. Manchmal kommt es vor, dass Betroffenen gesagt wird, sie hätten eine Glutenüberempfindlichkeit, obwohl es sich eigentlich um eine Zöliakie handelt. Sollte das der Fall sein, schaden Sie sich mit jeder Glutenaufnahme. Stellen Sie sich und Ihrem Arzt folgende Fragen:
Wurden alle Zöliakie-Tests durchgeführt? Manchmal führen Ärzte keine speziellen Zöliakie-Tests durch, sondern untersuchen nur auf eine Überempfindlichkeit. In anderen Fällen ordnen sie nur einen einzigen Zöliakie-Test an. Das ist nicht ausreichend. Für den Fall, das ein Kind getestet wird: Ist das Kind alt genug, um schon eine ausreichende Immunreaktion aufzuweisen? Einige Zöliakie-Tests liefern bei Kindern, die zwei Jahre oder jünger sind, keine genauen Ergebnisse. Ihr Immunsystem ist noch nicht ausgereift genug, um genügend Antikörper zu produzieren. Die Biopsie kann bei ihnen letzte Zweifel beseitigen. Waren die Testergebnisse unklar oder eindeutig? Manchmal sind die Testergebnisse der zöliakiespezifischen Antikörper uneindeutig, da die Höhe der Antikörperspiegel nicht den vorgegebenen Wert erreicht. Patienten, bei denen dieser Fall vorliegt, werden dann häufig nur als glutenüberempfindlich eingestuft. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie Ihren Untersuchungsergebnissen vertrauen können, sollten Sie sich noch einmal testen lassen.
Bei Ihnen wurde eine Zöliakie nachgewiesen Sie haben Glück, wenn bei Ihnen eine Zöliakie nachgewiesen wurde. Sie wissen jetzt genau, was Sie tun müssen, damit es Ihnen wieder besser geht: glutenfrei leben. Es ist sehr wichtig, dass Sie sofort damit beginnen. Am Anfang werden Sie sicherlich noch einige Fehler machen. Das ist nicht schlimm. Lernen Sie daraus und gehen Sie weiter Ihren Weg. Zöliakie hat genetische Ursachen. Wenn bei Ihnen eine Zöliakie diagnostiziert wurde, müssen auch Ihre Familienangehörigen (vor allem Kinder, Eltern und Geschwister) untersucht werden. Bei Ihnen wurde eine Weizenallergie festgestellt Obwohl die Auslöser gänzlich verschieden sind, können Sie eine Allergie und eine Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie haben. Wenn also eine Weizenallergie bei Ihnen festgestellt wurde und Ihre Beschwerden sich nicht nur durch Meiden von Weizen vermindern, sollten Sie darauf bestehen, sich auch auf Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie testen zu lassen. Erst dann wissen Sie genau, welchen Ernährungsrichtlinien Sie ab jetzt folgen müssen.
Sollten Sie ausschließlich unter einer Weizenallergie leiden, müssen Sie lediglich auf Weizen verzichten. Gerste und Roggen dürfen Sie weiterhin gefahrlos verzehren, auch Dinkel ist oftmals möglich. Wenn Sie befürchten, Sie könnten einen allergischen Schock erleiden, sollten Sie für den Fall, dass Sie einmal versehentlich Weizen zu sich nehmen, Anapen® oder ein ähnliches Präparat zur Sofortbehandlung eines allergischen Schocks bei sich haben. Die Risiken, wenn Sie nicht auf Gluten verzichten Es gibt mindestens vier Personengruppen, die weiterhin Gluten essen, obwohl sie es nicht vertragen: Personen, die das Gefühl haben, die Diät schränkt sie zu sehr ein. Deshalb machen sie sich erst gar nicht die Mühe, sie auszuprobieren. Betroffene, die symptomfrei sind oder niemals gründlich diagnostiziert wurden und glauben, dass es nicht so schlimm ist, ab und zu mal zu schummeln. Betroffene, die zwar Symptome aufweisen, aber der Meinung sind, dass von Zeit zu Zeit ein paar Bier (oder andere glutenhaltige Lieblingsspeisen) die Beschwerden wert sind.
Erst- und zweitgradige Verwandte von Zöliakie-Betroffenen, die jede Information zu Gluten verweigern. Diese Personen haben ein erhöhtes Risiko, dass sie selbst auch eine Zöliakie haben und sollten daher untersucht werden. Wenn Sie zu einer dieser Gruppen gehören und trotz Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie nicht auf Gluten verzichten möchten, kann Ihnen niemand helfen. Doch bevor Sie Ihren Kuchen aufessen, sollten Sie noch die nächsten zwei Abschnitte lesen. Sie handeln von Erkrankungen, die mit der Zöliakie in Zusammenhang gebracht werden, und von den schwerwiegenden Komplikationen, die auftreten können, wenn Sie weiterhin Gluten zu sich nehmen. Folgen der Zöliakie Es gibt verschiedene Erkrankungen, die mit der Zöliakie in Zusammenhang stehen. Nehmen Sie auch weiterhin Gluten zu sich, ist Ihr Risiko besonders hoch, eine dieser Erkrankungen zu bekommen. Wenn Sie bereits eine dieser Erkrankungen haben, aber noch nicht auf eine Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie getestet wurden, sollte das nachgeholt werden. Denn bei diesen Erkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko, dass gleichzeitig auch eine Zöliakie vorliegt.
Autoimmunerkrankungen Einige Autoimmunerkrankungen stehen mit der Zöliakie in Zusammenhang. Dazu gehören: Diabetes mellitus Typ I Schilddrüsenerkrankungen (Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis) Autoimmunerkrankungen des rheumatologischen Formenkreises: Sjörgen-Syndrom, systemischer Lupus erythematodes, Sklerodermie, Raynaud-Syndrom Autoimmunerkrankungen der Leber und Gallenwege: Autoimmunhepatitis, primär biliäre Zirrhose und primär sklerosierende Cholangitis Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa Morbus Addison (Nebenniereninsuffizienz) Gemütserkrankungen Einige psychische Erkrankungen kommen bei Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie häufiger vor. Dazu gehören: AD(H)S Autismus Depressionen und bipolare Störungen Mangelernährung Da Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie den Dünndarm schädigen, kann es zu Nährstoffmangelzuständen kommen. Zusätzlich zu speziellen Vitamin- und Mineralstoffmängeln kann es zu einer Anämie (Blutarmut) Osteomalazie (verminderter Kalksalzgehalt im Knochen), Osteopenie (ab hier beginnt die Reduktion der Knochensubstanz) oder Osteoporose
kommen. Neurologische Erkrankungen Auch einige neurologische Krankheiten können mit der Zöliakie und der Glutenüberempfindlichkeit in Zusammenhang stehen: Epilepsie und zerebrale Kalzifikation Gehirn- und Rückenmarksschäden (ausgelöst durch Folsäuremangel, bei Neugeborenen von Müttern, die trotz Zöliakie oder Glutenüberempfindlichkeit Gluten zu sich nehmen) neurologische Störungen wie Ataxie, Neuropathie, Krämpfe, Myopathie Andere Erkrankungen Viele andere Erkrankungen können bei Zöliakie auftreten. Dazu zählen: Zahnschmelzdefekte Funktionsstörungen verschiedener Organe (Gallenblase, Leber, Niere oder Bauchspeicheldrüse) Krebs (besonders Darmlymphome) Typ-I-Diabetes und Zöliakie gehen häufig Hand in Hand. Mehr als sechs Prozent der Typ-I-Diabetiker leiden auch unter Zöliakie. Doch viele wissen nichts davon. Betroffene machen häufig die Erfahrung, dass sich die Blutzuckerspiegel unter einer glutenfreien Diät leichter kontrollieren lassen. Je eher Sie sich auf eine glutenfreie Ernährung umstellen, umso geringer ist Ihr Risiko für diese Begleiterkrankungen. Manchmal bessern sich durch die Diät auch die Symptome anderer Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose.
Mit der Gesundheitsgefährdung leben Vielleicht fühlen Sie sich ganz gesund. Vielleicht haben Sie keinerlei oder nur ganz leichte Symptome, die Sie kaum wahrnehmen. Doch wenn Sie eine Glutenüberempfindlichkeit oder Zöliakie haben und sich weiterhin mit glutenhaltigen Nahrungsmitteln ernähren, gefährden Sie zweifellos Ihre Gesundheit. Ihr Körper bekommt nicht genügend Nährstoffe, um einwandfrei zu funktionieren und kräftig und gesund zu bleiben. Viele Menschen stellen erst nachdem sie sich glutenfrei ernähren fest, wie schlecht sie sich vorher gefühlt haben. Sie freuen sich über ihre verbesserte Gesundheit und erkennen, dass Gluten ihrer Gesundheit schadet. Haben Sie keine gefühlten oder messbaren Symptome (wie Eisenmangel) und entscheiden Sie sich trotz nachgewiesener Zöliakie gegen die glutenfreie Ernährung, sollten engmaschige Kontrollen erfolgen, um frühzeitig Mangelsituationen oder Begleiterkrankungen (wie oben) zu erkennen. Die Heilung beginnt sofort Es ist einer der größten Vorzüge der glutenfreien Ernährung, dass die Heilung sehr schnell mit Beginn der Ernährungsumstellung einsetzt.
Die meisten Betroffenen fühlen sich innerhalb weniger Tage oder Wochen besser, bei anderen dauert es einige Monate und wieder andere fühlen sich zuerst besser, bevor sich ihr Befinden noch einmal für ein paar Monate verschlechtert. Das alles sind normale Reaktionen im Laufe des Heilungsprozesses. Langfristig wird sich Ihre Gesundheit stärker verbessern, als Sie das möglicherweise erwartet haben. Obwohl die meisten, wenn nicht sogar alle Schäden, die die Zöliakie im Darm angerichtet hat, wieder rückgängig gemacht werden können, werden einige der Mangelernährungsfolgen wie Kleinwuchs oder Knochenstörungen lange andauern oder sogar bleiben. Deshalb ist es so wichtig, die Glutenüberempfindlichkeit und Zöliakie frühzeitig zu entdecken, denn so können Sie wieder ganz gesund werden.3 Die Zöliakie näher betrachtet In diesem Kapitel Die Häufigkeit der Zöliakie Die Ursachen analysieren Auswirkungen der Zöliakie auf den Darm Der Zusammenhang zwischen Gluten und der Dermatitis herpetiformis Duhring Die Glutenüberempfindlichkeit und die Zöliakie ähneln sich sowohl bei den Symptomen als auch bei der Behandlung und bei den Testmethoden. Da die Glutenüberempfindlichkeit im Gegensatz zur Zöliakie nicht klar definiert ist, konzentriere ich mich in diesem Kapitel auf die Zöliakie.
Die Zöliakie ist noch unter anderen, ganz unterschiedlichen Bezeichnungen bekannt. Dazu gehören Sprue, glutenbedingte Enteropathie, abdominale Sprue, nichttropische Sprue, einheimische Sprue und Gee-Heubner-Hertersche Krankheit. Zur Zöliakie gibt es drei Aspekte, die sehr widersprüchlich und überraschend sind. Doch bei genauer Betrachtung erkennt man, dass sie miteinander in Zusammenhang stehen: Die Zöliakie ist eine häufige Erkrankung, die jedoch nur selten diagnostiziert wird. Bleibt sie unerkannt, gefährdet sie Ihre Gesundheit. Sie ist nur durch eine Diät heilbar. Wie häufig ist diese Krankheit nun eigentlich wirklich? Eine der häufigsten genetischen Erkrankungen der Menschheit entlarven Da schätzungsweise ein Prozent aller Menschen betroffen ist, handelt es sich bei der Zöliakie um eine der häufigsten genetischen Erkrankungen der Menschheit. Allerdings variiert die Häufigkeit der Zöliakie weltweit sehr stark. Für Europa wird sie auf 1:100 bis 1:500 geschätzt. Einer von 200 Menschen leidet unter Zöliakie (meist ohne es zu wissen). Dabei wurden die Menschen mit Glutenüberempfindlichkeit nicht berücksichtigt.
Unter den Zöliakie-Betroffenen leidet einer von zehn unter »klassischen« Symptomen. Bei Personen, deren Eltern oder Geschwister erkrankt sind, liegt die Inzidenz der Zöliakie bei 1:10. Sind Onkel, Tante, Großeltern oder Cousinen beziehungsweise Cousins an Zöliakie erkrankt, können Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:40 auch eine Zöliakie bekommen. Die Zöliakie ist damit häufiger als Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson oder die zystische Fibrose. Sehen Sie in Tabelle 3.1, wie häufig die Zöliakie im Vergleich zu anderen Erkrankungen vorkommt. Erkrankung | Geschätzte Häufigkeit ---|--- Zöliakie | 400.000 Epilepsie | 400.000 bis 800.000 Morbus Parkinson | 300.000 bis 400.00 Alzheimer | 650.000 Colitis ulcerosa | 30.000 bis 65.000 Morbus Crohn | 100.000 bis 120.000 Multiple Sklerose | 70.000 bis 140.000 Mukoviszidose | 8.000 Tabelle 3.1: Häufigkeit verschiedener genetischer Erkrankungen in Deutschland Die Menschen fragen sich: Wenn die Zöliakie derart häufig ist, warum haben sie dann nicht mehr Menschen? Die Antwort darauf ist ganz einfach: Viele haben die Erkrankung, ohne es zu wissen.
Wer bekommt Zöliakie und warum? Niemand kann sagen, wer eine Zöliakie bekommen wird. Doch die Ärzte wissen mittlerweile, dass drei Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Krankheit ausbricht: eine genetische Veranlagung eine glutenhaltige Ernährung weitere Auslöser (hier werden zum Beispiel Virusinfektionen als Auslöser vermutet) Erst wenn alle Voraussetzungen in der entsprechenden Konstellation zusammenkommen, kann eine Zöliakie auch ausbrechen. (Sie können allerdings trotzdem eine Glutenüberempfindlichkeit haben.) Zöliakie findet man weltweit, bei Menschen aller Nationalitäten, jedoch in stark unterschiedlichen Häufigkeiten. So haben zum Beispiel Asiaten relativ selten die entsprechenden Merkmale, eine Zöliakie ist daher dort sehr selten. Es ist also davon abhängig, wie häufig die genetischen Grundlagen in einer Bevölkerung vorhanden sind (siehe weiter hinten in diesem Kapitel). Man geht zwar davon aus, dass Personen mit nordeuropäischen Vorfahren häufiger betroffen sind, doch dieser Unterschied verwischt immer mehr.
Mythen und Missverständnisse Einige von den Geschichten, die zur Zöliakie kursieren, sind etwa so wahr wie die Geschichte vom Ungeheuer von Loch Ness. Zu den gängigsten Mythen gehören: Mythos: Zöliakie ist eine seltene Krankheit. Wahrheit: Zöliakie ist weltweit eine der häufigsten erblichen Erkrankungen. Etwa ein Prozent aller Menschen ist betroffen. Dazu kommt noch, dass viele Menschen unter einer Glutenüberempfindlichkeit leiden. Sie kann die gleichen Symptome hervorrufen und dieselben schweren gesundheitlichen Schäden verursachen. Mythos: Zöliakie ist eine Krankheit, die in der Kindheit ausbricht. Wahrheit: Die Zöliakie kann in jedem Alter beginnen, häufig sogar erst in späteren Jahren. Mythos: Magen-Darm-Probleme wie Durchfall sind die häufigsten Symptome der Zöliakie, daher kann man keine Zöliakie haben, wenn kein Durchfall besteht. Wahrheit: Die meisten Betroffenen haben keinerlei Magen-Darm-Probleme. Ihre Symptome liegen außerhalb des Verdauungstrakts. Sie leiden beispielsweise unter Kopfschmerzen, Erschöpfung, Gelenkschmerzen oder Depressionen.
Einige sind der Meinung, dass die Kulturen, die sich zwischen Tigris und Euphrat entwickelten, mehr Zeit hatten, sich erfolgreich an Gluten anzupassen, da in dieser Region das Getreide zuerst kultiviert wurde. Deshalb kann es sein, dass bei diesen Menschen die Glutenüberempfindlichkeit seltener auftritt. In den Gebieten von Deutschland, Skandinavien, England und Irland wurde erst nach Ende des römischen Reiches stellenweise damit begonnen, Getreide anzubauen. In dieser Region überwogen bis ins Mittelalter die Jäger und Sammler. Deshalb hatten diese Menschen einfach weniger Zeit, sich an glutenhaltiges Getreide anzupassen. Die Gene sind schuld Es sind noch nicht alle Gene bekannt, die an der Entstehung einer Zöliakie beteiligt sind. Doch die Wissenschaftler haben mittlerweile zwei der Hauptverantwortlichen ausgemacht: HLA-DQ2 und HLA-DQ8. Dies sind Merkmale auf den weißen Blutkörperchen, die bei der Immunabwehr eine Rolle spielen. Sie allein haben keinen krankhaften Wert, die Zöliakie ist also kein Gendefekt! Sie müssen nicht beide Merkmale aufweisen – eines von beiden ist völlig ausreichend. DQ2 kommt bei Zöliakie-Patienten am häufigsten vor.
Allerdings besitzt auch etwa ein Viertel der Bevölkerung diese Gene, meistens ohne an Zöliakie zu erkranken. Es ist daher nur sinnvoll, diese Gene zu bestimmen, wenn man eine Zöliakie ausschließen möchte. Nur etwa zwei Prozent der Genträger erkranken an einer Zöliakie. Kann man diese Gene bei Ihnen nicht finden, werden Sie mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit niemals an Zöliakie erkranken. Bei einigen wenigen Patienten tritt die Zöliakie auch mit anderen HLA-Konstellationen auf. Denken Sie aber daran, dass Sie auch ohne diese Gene an einer Glutenüberempfindlichkeit leiden können. Die Zöliakie wird nicht dominant oder rezessiv vererbt – bei ihr handelt es sich um eine multifaktorielle oder multigenetische Erkrankung. Das bedeutet, dass viele verschiedene Gene und andere Faktoren bei der Entstehung dieser Erkrankung eine Rolle spielen. Auslöser der Zöliakie Die Bezeichnung Auslöser wird im Zusammenhang mit der Zöliakie auf zwei verschiedene Arten benutzt. Zum einen bezieht sich die Bezeichnung auf das Gluten, das eine Reaktion des Immunsystems auslöst. (Dieses Thema wird im Folgenden vertieft.) Die Art Auslöser, die ich in diesem Fall meine, ist ein Umweltfaktor, der die ruhende Erkrankung sozusagen aktiviert.
Viele Betroffene wissen sehr genau, wann ihre Zöliakie ausgelöst wurde, denn eben waren sie noch gesund und plötzlich geht es ihnen schlecht. Ihre Symptome treten wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf und sie wissen nicht warum. Häufige Auslöser sind: Schwangerschaft Operationen Autounfälle oder andere körperliche Verletzungen Scheidung, Arbeitslosigkeit, ein Todesfall in der Familie oder ein emotionales Trauma Krankheit Das Zöliakie-Risiko für Ihr Baby vermindern Neueste Studien zeigen, dass Sie Ihr Kind davor schützen können, später einmal Zöliakie zu bekommen. Forscher der Universität von Colorado fanden heraus, dass das Zöliakie-Risiko um das Fünffache anstieg, wenn die untersuchten Babys in den ersten drei Lebensmonaten glutenhaltige Nahrungsmittel bekommen hatten. Ihre Studien ergaben des Weiteren, dass das Zöliakie-Risiko sank, wenn mit glutenhaltiger Nahrung bis zum sechsten Monat gewartet wurde. Das Risiko stieg jedoch wieder, wenn man erst nach dem siebten Monat glutenhaltige Nahrung anbot. Mit anderen Worten ist laut dieser Studie zwischen dem vierten und sechsten Monat die beste Zeit, sein Kind langsam mit kleinen Mengen an glutenhaltige Nahrung zu gewöhnen.
Ein anderer Aspekt, der sich auf das Zöliakie-Risiko auszuwirken scheint, ist das Stillen. Studien haben ergeben, dass das Zöliakie-Risiko sinkt und das Auftreten von Symptomen verzögert wird, wenn die Kinder länger als drei Monate gestillt werden. Besonders positiv scheint es sich auszuwirken, wenn die Kinder weiter gestillt werden, während schrittweise glutenhaltige Nahrungsmittel eingeführt werden. Die Zöliakie und ihre Wirkung auf den Körper Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung (eine Krankheit, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift), die durch den Verzehr von Gluten aktiviert wird. Damit Sie sich besser vorstellen können, welche Schädigungen im Körper auftreten, werde ich einen kleinen anatomischen Exkurs unternehmen. Dabei lege ich besonderes Augenmerk auf den Magen-Darm-Trakt. Keine Angst, ich werde es kurz und leicht verständlich erklären. Viele glauben, dass die Betroffenen bei einer Autoimmunerkrankung wie der Zöliakie unter einem geschwächten Immunsystem leiden. Doch eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall. Das Immunsystem bei Zöliakie-Patienten macht Überstunden, um gegen das anzukämpfen, was es fälschlicherweise für einen Feind hält – das Gluten.
Wie der Darm arbeiten sollte Wissen Sie, wie Ihr Darm arbeitet? Ich kann Ihnen da weiterhelfen. Ich überspringe einige wichtige Stationen und beginne meine Erläuterungen erst im oberen Teil des Dünndarms. Dort angekommen wurde die Nahrung bereits gekaut, geschluckt und mithilfe von Enzymen in ihre Nährstoffe aufgespalten. Um eine optimale Nährstoffaufnahme zu gewährleisten, ist die Oberfläche des Darms stark vergrößert: Zum einen liegt die Schleimhaut in Falten (Darmzotten), zum anderen befinden sich an der obersten Zellschicht haarartige Zellfortsätze, die Mikrovilli genannt werden (siehe Abbildung 3.1). Abbildung 3.1: Mikrovilli des Dünndarms Alle Zellen dieser Schleimhaut sind fest durch eine Verbindungsleiste (Zonula occludens) miteinander verbunden. Wenn der Körper bereit ist, Nährstoffe aufzunehmen, öffnen sich diese Verbindungsleisten zwischen den Zellen, um die Nährstoffe hindurchzulassen. Giften und anderen schädlichen Stoffen bleibt der Durchgang allerdings verwehrt. Woher wissen diese Verbindungsleisten aber, wie weit sie sich öffnen müssen? Sie haben einen Mitstreiter namens Zonulin. Zonulin ist ein Eiweiß, das wie ein Türsteher funktioniert. Es öffnet die Verbindungsleiste genau so weit, dass die Nährstoffe hindurchkönnen und die schädlichen Stoffe aufgehalten werden.
Wie der Darm eines Zöliakie-Kranken arbeitet Wenn jemand, der an Zöliakie leidet, Gluten isst, funktioniert alles so lange prima, bis die Nahrung den Dünndarm erreicht. Das erste Problem ist, dass Gluten den Körper (bei allen Menschen, aber sehr viel ausgeprägter bei Zöliakie-Betroffenen) dazu anregt, zu viel Zonulin zu produzieren. Diese zu großen Zonulinmengen führen dazu, dass sich die Verbindungsleisten zwischen den Zellen zu weit öffnen. Dadurch werden auch schädliche Stoffe vom Körper aufgenommen. Dazu gehören Gifte oder Glutenfragmente. Dieser Zustand wird das Syndrom des undichten Darms genannt. Durch die unkontrollierte Aufnahme von Glutenbruchstücken in die Darmschleimhaut kann die Immunreaktion in Gang gesetzt werden. Im Innern der Schleimhaut befindet sich ein Enzym, die Transglutaminase. Es verändert Glutenfragmente so, dass sie sich an vorhandene Entzündungszellen binden und dadurch Antikörperbildung und Ausschüttung von Entzündungsstoffen stimulieren. Bei Zöliakie-Kranken erkennt der Körper Glutenfragmente als Feinde, die er bekämpfen muss. Er startet eine Attacke gegen diese Eindringlinge, doch gleichzeitig richtet sich dieser Angriff auch gegen den eigenen Körper. Aus diesem Grund wird die Zöliakie auch als Autoimmunreaktion bezeichnet.
Bei einer Autoimmunerkrankung produziert der Organismus Antikörper, die sich gegen ganz normales, gesundes Gewebe richten (anstatt Bakterien oder Viren zu bekämpfen). Das führt zu Entzündungen und Zellschädigungen. Doch nur bei der Zöliakie kennen wir den Auslöser für die Autoimmunerkrankung, nämlich das Gluten. In einer Studie fanden Wissenschaftler heraus, dass 45 Prozent der Teilnehmer, bei denen möglicherweise eine Autoimmunerkrankung vorliegt, zuerst als Hypochonder abstempelt worden waren, weil die Ärzte glaubten, sie würden sich ihre Symptome nur einbilden. Bei der Zöliakie attackiert der Körper die Schleimhautzellen. Mit zunehmender Zerstörung der Darmzotten (Degeneration oder Atrophie ist der korrekte Ausdruck dafür) sind sie nicht mehr ausreichend in der Lage, Nährstoffe aufzunehmen. Deswegen kommt es bei Zöliakie-Patienten, die weiterhin Gluten zu sich nehmen, zu einer Malabsorption (mangelnde Nährstoffaufnahme) und zu Nährstoffdefiziten. Da die Nahrung den Darm passiert, ohne dass der Körper aufnimmt, was er benötigt, kommt es in manchen Fällen zu Durchfall. Doch bedenken Sie, dass der Dünndarm etwa sechs Meter lang ist. Die Schädigung durch die Zöliakie beginnt im oberen Teil dieses Darmabschnitts. Es ist zu Beginn der Erkrankung noch genügend Dünndarm vorhanden, der den Funktionsverlust des geschädigten Darmabschnitts ausgleichen kann. Wenn Sie bereits unter Durchfall leiden, sind Sie meist schon sehr krank.
Diese kleine Anatomiestunde war sicherlich nicht allzu schwierig, oder? Und denken Sie nur daran, wie Sie ab jetzt auf Partys Ihre Freunde beeindrucken können, wenn Sie mit Ihrem Wissen über Mikrovilli, Zonulin und das Syndrom des undichten Darms glänzen können. Dermatitis herpetiformis Duhring Die Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD), eine schwere, juckende, bläschenbildende Hauterkrankung, wird häufig auch als Schwester der Zöliakie bezeichnet. Jeder, der an einer DHD leidet, hat auch eine Zöliakie (umgekehrt ist das nicht der Fall). Die Krankheitssymptome zeigen sich meist auf der Haut. Doch 20 Prozent der DHD-Patienten haben auch Darmsymptome. Eine glutenfreie Ernährung kann die Erkrankung bessern und manchmal sogar ganz verschwinden lassen. Der Hautausschlag beginnt meist mit herpesähnlichen Bläschen. Sie jucken sehr stark, sodass viele Betroffene so sehr kratzen, bis die Bläschen geöffnet sind und sich eine Kruste bildet. Diese Hautveränderungen kommen häufig an den Ellenbogen, den Knien, am Gesäß, auf der Rückseite des Halses und auf der Kopfhaut vor. Doch auch das Gesicht, der Rumpf und andere Bereiche an Armen oder Beinen können betroffen sein.
Um die DHD zu diagnostizieren, entnehmen Ärzte eine Hautprobe in der Nähe der Hautveränderung (nicht direkt aus der betroffenen Stelle). Diese Probenentnahme wird in örtlicher Betäubung durchgeführt. Der Pathologe sucht dann in der Hautprobe nach einem speziellen Antikörper, dem IgA, über den ich in Kapitel 2 berichte. Wenn er gefunden wird, kann die Diagnose DHD gestellt werden. Blutuntersuchungen können diese Diagnose erhärten. Sie helfen dem Arzt außerdem dabei, die Besserung durch eine glutenfreie Ernährung zu beurteilen. Eine Dünndarmbiopsie sollte durchgeführt werden, um die Schleimhautveränderungen nachzuweisen. Die Behandlung der DHD besteht in der strikten Einhaltung einer glutenfreien Ernährung. Manchmal verordnen Ärzte auch Sulfonwirkstoffe wie Dapson oder Sulfapyridin. Idealerweise können die Patienten die Medikamente reduzieren, wenn der Heilungsprozess durch die glutenfreie Diät in Gang kommt. Wenn die glutenfreie Ernährung nicht hilft, ist es möglich, dass Sie noch andere Nahrungsmittel und Chemikalien vermeiden müssen. Insbesondere Jod kann problematisch sein. Es ist in Schalentieren und jodiertem Speisesalz enthalten. Auch in Seefischen, Seetang (der in einigen Zahncremes oder in orientalischem/asiatischem Essen vorkommen kann) und Kaliumjodid (als Schleimlöser in Hustenmitteln enthalten) können genauso wie nichtsteroidale antientzündliche Medikamente (NSAR), die zum Teil als rezeptfreie Schmerzmittel erhältlich sind, ein Problem darstellen.
Dermatitis bedeutet Hautentzündung. Herpetiformis bedeutet, dass diese Hauterscheinung herpesähnlich aussieht. Manche Menschen nehmen fälschlicherweise an, dass die DHD vom Herpesvirus verursacht wird. Dafür gibt es derzeit keinen Hinweis.4 Die Grundlagen der glutenfreien Ernährung In diesem Kapitel Was ist Gluten Was Sie essen dürfen und was nicht Nahrungsmittel, von denen Sie noch nie gehört haben Gluten nicht nur im Essen erkennen Ganz egal, ob Sie in der Welt der Glutenfreiheit noch ein Neuling oder schon ein alter Hase sind – in diesem Kapitel erfahren Sie Dinge über die glutenfreie Ernährung, die Sie überraschen werden. Die Diätrichtlinien scheinen recht einfach zu sein. Gluten ist in Weizen, Roggen und Gerste enthalten. Man muss also nur darauf verzichten, nicht wahr? Wäre diese Diät derart simpel, könnte ich das Buch an dieser Stelle beenden. Doch aufgrund der vielen Nahrungszusätze, Aroma- und Füllstoffe oder Bindemittel, die alle Gluten enthalten können, ist das leider nicht so einfach.
Zum Glück ist die Liste der erlaubten Nahrungsmittel wesentlich länger als die Liste mit den »verbotenen« Dingen. Natürlich müssen Sie sich von Ihrer Pizza verabschieden. Das Gleiche gilt für Kuchen, Brot, Kekse und auch für Bier (zumindest in der Art, wie Sie sie bisher gegessen beziehungsweise es getrunken haben). Doch Sie werden die erstaunliche Welt der glutenfreien Lebensmittel, mit denen Sie Ihre alten Lieblingsspeisen ersetzen können, kennenlernen. Von einigen wie beispielsweise Quinoa haben Sie vermutlich bisher noch nie etwas gehört. Und falls Sie glauben, dass Teff eine Spaghettisoße ist, und Sie auch Hirse nicht kennen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, mehr über die besonderen Getreidesorten und stärkehaltigen Nahrungsmittel zu erfahren, die Ihnen für eine glutenfreie Ernährung zur Verfügung stehen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie sich am Anfang von den Ernährungsratschlägen etwas überfordert fühlen. Für viele bedeutet es, dass sie bei der Ernährung vollkommen umdenken müssen. Für andere ist eine glutenfreie Ernährung keine dramatische Veränderung, sondern sie betrachten sie als eine willkommene Abwechslung in ihrer Ernährung.
Egal ob Sie einen oder zehn Punkte auf der »Ich-bin-überfordert-Skala« haben, dieses Kapitel ist besonders wichtig für Sie, denn hier stelle ich Ihnen die Grundlagen der glutenfreien Ernährung vor. Ich erläutere, was glutenfrei ist und was nicht und warum Sie manchmal ein Produkt hinterfragen müssen. Ich stelle Ihnen glutenfreie Alternativen vor, von denen Sie noch nie etwas gehört haben. Außerdem bespreche ich auch Produkte, die keine Nahrungsmittel sind, auf die Sie aber trotzdem achten müssen. Dazu zählen Zahnpflegeprodukte, alkoholische Getränke, Medikamente und Pflegeprodukte wie Lotionen oder Shampoos. Im Zweifel verzichten Sie werden mit Sicherheit in Situationen kommen, in denen Sie nicht wissen, ob ein bestimmtes Produkt glutenfrei ist. Es kann in einem Restaurant oder auf einer Party vorkommen, dass Sie nicht herausfinden können, was genau im Essen enthalten ist. Die Beschreibung ist vielleicht unklar, es gibt gar keine Beschreibung der Zutaten oder Sie verstehen nicht die Hälfte der Worte auf der Zutatenliste. Wenn Sie in dieser Situation gerade Ihr Glutenfrei leben für Dummies nicht griffbereit haben, treffen Sie vielleicht eine Entscheidung, die Ihnen Probleme bereiten könnte.
Der Entscheidungsprozess läuft sicherlich etwa so ab: Ich weiß nicht, ob das glutenfrei ist, aber es sieht wirklich lecker aus. Es sieht wirklich nicht aus, als wäre da Gluten drin. Da ich nicht weiß, dass es für mich nicht gut ist, gehe ich einfach mal davon aus, dass ich es essen kann. Mmmmm. Das war köstlich. Es hat wirklich nicht so geschmeckt, als würde es Gluten enthalten... Entschuldigung, wo sind hier die Toiletten? Tun Sie das nicht. Wenn Sie »ermahnt« werden müssen, was Gluten in Ihrem Körper anrichtet, sollten Sie noch einmal Kapitel 2 lesen. Dort erfahren Sie alles zu den Komplikationen, die auftreten können, falls Sie trotz Zöliakie oder Glutenüberempfindlichkeit Gluten zu sich nehmen – selbst wenn das nur selten der Fall sein sollte. Auch wenn Sie nur leichte oder gar keine Symptome aufweisen – schon kleine Glutenmengen können Ihnen schwer schaden. Gehen Sie auf Nummer sicher, anstatt danach Ihre Fehlentscheidung zu bereuen. Handeln Sie nach der Devise: Im Zweifel verzichte ich darauf.
Gluten kennen, um es vermeiden zu können Sie müssen genau wissen, was Gluten ist. Nicht nur, um der Mittelpunkt einer Party zu sein, bei der Sie Ihre Konversation mit dem gewagten Satz eröffnen: »Was kann man Ihrer Meinung nach schwerer vermeiden, Gliadin, Hordein oder Secalin?« Nein, Sie müssen genau wissen, was Gluten ist, um es zu vermeiden. Die Definition dieses Begriffs ist allerdings derart verworren, dass es nicht einfach ist, eine fachlich korrekte Beschreibung zu liefern. Ich werde es trotzdem versuchen. Gluten ist das, was die Wissenschaftler ein Speichereiweiß nennen. Und für Bäcker ist der Glutenanteil entscheidend für die Backeigenschaften eines Getreides. Irgendwann erkannte jemand den Zusammenhang zwischen Weizen (vor allem Gluten) und der Zöliakie. Die Menschen akzeptierten, dass Gluten Zöliakie-Betroffene krank macht. Doch schon bald erkannten die Ärzte, dass auch Roggen und Gerste die gleiche Wirkung hatten. Also wurde gesagt: »Zöliakie-Kranke können kein Gluten essen. Sie dürfen keinen Weizen, keinen Roggen und auch keine Gerste essen. Folglich enthalten Weizen, Roggen und Gerste Gluten.« Ist das richtig?
Nicht ganz. Gluten setzt sich aus Prolaminen und Glutelinen zusammen. Beim Weizen heißen diese Gliadine und Glutenine. Beide können bei Zöliakie-Betroffenen zu Beschwerden führen. Aber auch Roggen und Gerste enthalten Prolamine und Gluteline, die bei Zöliakie-Betroffenen Reaktionen auslösen können. Prolamine sind Eiweiße, die in verschiedenen Getreidesorten vorkommen. Zumeist sind sie der Grund für die Probleme, wenn Menschen kein »Gluten« vertragen. Aber auch Glutenine können toxisch wirken und ebenfalls Probleme bereiten. Die Prolamine, die Zöliakie-Betroffene oder Glutenüberempfindliche schädigen, werden Gliadin (bei Weizen), Secalin (bei Roggen), Hordein (bei Gerste) und Avenin (bei Hafer) genannt. Zur Toxität von Hafer sollten Sie auch den Abschnitt zu den »verbotenen« Getreidesorten weiter hinten in diesem Kapitel lesen. Andere Getreidearten enthalten zwar auch Prolamine (Mais-Prolamin wird zum Beispiel Zein genannt und das Reis-Prolamin heißt Oryzin). Doch diese Prolamine sind bei Zöliakie oder Glutenüberempfindlichkeit nicht schädlich.
Die Meinung, dass Weizen, Roggen, Gerste »Gluten« enthalten, hält sich hartnäckig. Auch wenn sie fachlich nicht ganz korrekt ist, wird sie jedoch allgemein akzeptiert. Auch ich werde das in diesem Buch so handhaben. Weizenfrei ist nicht gleichbedeutend mit glutenfrei. Ein Essen kann weizenfrei sein, aber beispielsweise Malz enthalten (Malz wird aus Gerste gewonnen). Das bedeutet, dass es nicht glutenfrei ist. Glutenfreie Lebensmittel auf einen Blick Wenn Sie sich mit der glutenfreien Ernährung beschäftigen, werden Sie viele verschiedene Zutaten und Inhaltsstoffe kennenlernen. Die glutenfreie Ernährung ist deshalb zu Beginn so mühsam, weil die Getreidesorten, die vom Weizen abstammen, ebenfalls Gluten enthalten können. Zusätzliche Schwierigkeiten bereiten stark verarbeitete Lebensmittel, denn sie enthalten unterschiedlichste Geschmacksstoffe, Würzmittel und andere Zusatzstoffe. Man kann die Nahrungsmittel nicht einfach in glutenhaltige und glutenfreie unterteilen. Die aufgeführten Listen sind vor allem dazu da, dass Sie mit der Ernährungsumstellung beginnen können. Ganz aktuelle Angaben darüber, welche Nahrungsmittel sicher glutenfrei beziehungsweise glutenhaltig oder fraglich sind, finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. (www.dzg-online.de).
»Verbotene« Getreidesorten Ich fange nicht mit den »verbotenen« Getreidearten an, weil ich negativ sein möchte, sondern weil diese Liste sehr viel kürzer ist als die Liste der erlaubten Sorten. Auf folgende Getreidesorten müssen Sie bei der glutenfreien Ernährung verzichten: Gerste Hafer (wegen möglicher Kontamination mit glutenhaltigem Getreide) Triticale (eine Kreuzung aus Roggen und Weizen) Roggen Weizen Emmer Urkorn Kamut Sie müssen alles vermeiden, was den Begriff Weizen in seinem Namen enthält. Dazu gehören auch Weizenkeime und Weizenkleie. Weizengras dagegen ist wie alle anderen Gräser auch glutenfrei. (Lesen Sie dazu auch den Kasten »Gräser, gekeimtes Getreide, Keimlinge und Flocken« in diesem Kapitel, damit Sie sich sicher sein können, dass Sie es nicht mit Kontaminationen von Keimen und Sprossen zu tun haben.) Weizen steckt hinter vielen verschiedenen Bezeichnungen. Sehen Sie sich vor, wenn Sie Begriffe wie Mehl, Bulgur, Grieß, Dinkel, Hartweizen, Kamut, Vollkornmehl, Einkorn, Couscous oder Seitan lesen. Gerade Dinkel wird oft als eine Alternative zu Weizen gepriesen. Doch das ist nicht richtig, denn er enthält sicher Gluten und ist daher nicht glutenfrei. Auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme – Weizenstärke.
Eigentlich ist Weizenstärke Weizen, bei dem das Gluten ausgewaschen wurde. Weizenstärke kann sowohl glutenhaltig als auch glutenfrei sein. Zöliakie-Betroffene oder Glutenüberempfindliche können auf Weizenstärke reagieren oder aber sie vertragen. Daher sollten auch hier Betroffene zunächst sehr vorsichtig mit Weizenstärke umgehen. Der Glutengehalt von Weizenstärke ist sehr stark vom Eiweißgehalt der Stärke abhängig. Durch gezieltes Auswaschen kann der Resteiweißgehalt so weit gesenkt werden, dass nur noch sehr geringe Gliadinmengen vorhanden sind. Bei der Gewinnung von Weizenstärke fällt diese zwangsläufig als Primastärke (A-Stärke) und Sekundastärke (B-Stärke) an. Der Rohproteingehalt von Primaweizenstärke kann bis zu 0,5 Prozent, der von Sekundaweizenstärke bis zu 5 Prozent betragen. Soweit die Primaweizenstärke die jeweils gültigen Grenzwerte des Codex Alimentarius der Welthandelsorganisation (WTO) einhält, kann sie noch als glutenfrei deklariert werden. Die Verwendung der glutenfreien Weizenstärke ist jedoch immer in der Zutatenliste gesondert aufzuführen.
Derivate aus glutenhaltigen Getreidesorten sind in der glutenfreien Ernährung ebenfalls nicht erlaubt. Eine vollständige Liste dazu finden Sie auf der Website der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. (www.dzg-online.de). Das häufigste Derivat, auf das Sie stoßen werden, ist Malz. Es wird meist aus Gerste hergestellt. Meiden Sie Malz, Malzzusatz und Malzessig. Wurde das Malz aus einem anderen Getreide wie zum Beispiel aus Mais hergestellt, finden Sie meist auf der Verpackung einen Hinweis darauf. Sollte das nicht der Fall sein, essen Sie es lieber nicht, denn es gibt nur wenige Produkte, die obwohl Gerstenmalz Zutat des Produkts ist, den Grenzwert für glutenfreie Produkte einhalten. Den Hafer also selbst anbauen Ich weiß, dass viele Betroffene verzweifelt versuchen, den Hafer nicht auch noch von ihrem Speiseplan streichen zu müssen. Wissen Sie, woher ich das weiß? Folgenden Dialog erlebe ich sehr häufig: Daniela: Industriell verarbeiteter Hafer ist nicht mit Sicherheit glutenfrei. Wegen des Glutenkontaminationsrisikos muss er auf der Verbotsliste stehen.
Zuhörer Nr. 1: Gilt das auch für irischen Hafer? Daniela: Ja, denn auch er wird industriell verarbeitet und kann kontaminiert sein. Zuhörer Nr. 2: Wie sieht es mit Haferflocken aus? Daniela: Ich habe schon etwas dazu gesagt. Sie sind verboten. Zuhörer Nr. 3: Und wenn man ihn kocht? Daniela: Auch gekocht. Zuhörer Nr. 4: Und geschrotet? Daniela: Geschrotet, ungeschrotet, gestampft, gefaltet, gekringelt – alles glutenhaltig und nicht erlaubt. Zuhörer Nr. 5: Können wir Hafer nun essen oder nicht? Nach dem derzeitigen Stand der Forschung rufen die im Hafer vorhandenen Eiweiße bei vielen Zöliakie-Betroffenen und Glutenüberempfindlichen nicht eine Schädigung gleichen Ausmaßes wie zum Beispiel bei der gleichen Menge an Weizen hervor. Eine ganz klare Antwort auf die obige Frage gibt es jedoch noch nicht, da die bisher durchgeführten Studien zum Teil viele Abbrecher und auch Probanden hatten, die typische Beschwerden an den Tag legten. Letztlich muss jeder Betroffene die Entscheidung, ob er Hafer essen möchte oder nicht, selbst und eigenverantwortlich in Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt treffen.
Zusätzlich zur grundsätzlichen Toxität des Hafers besteht die Gefahr, dass der Hafer bei der Verarbeitung mit anderen Getreidesorten und somit mit Gluten verunreinigt worden ist. Diesbezüglich besteht ein besonders hohes Kontaminationsrisiko. Bisher konnten nur einige wenige diätetische Produkte dieses Risiko ausschließen. Letztlich gilt aber auch hier, dass Sie entscheiden müssen, ob Sie bereit sind, dieses Risiko zu tragen. Sollten Sie irgendwo reinen, nicht kontaminierten Hafer bekommen, können Sie ihn möglicherweise ohne Probleme essen (maximal 50 Gramm pro Tag unter ärztlicher Kontrolle). Gräser, gekeimtes Getreide, Keimlinge und Flocken Gräser wie Weizengras oder Gerstengras, die häufig in Naturkostläden oder in Saftbars angeboten werden, sind in der Regel glutenfrei. Um sicherzugehen, sollten Sie die entsprechenden Angaben der Hersteller überprüfen. Im Gras wurden die glutenhaltigen Eiweiße noch nicht gebildet. Wenn Sie sehen, dass das Gras geschnitten wird, wenn es noch nicht weiter gekeimt hat, sind Sie auf der sicheren Seite. Seien Sie jedoch vorsichtig, wenn diese Gräser als Inhaltsstoffe in einem Produkt angegeben sind. Diese Gräser können mit Getreidekörnern kontaminiert sein. Solange Sie sich nicht sicher sein können, besteht immer die Möglichkeit, Gluten aufzunehmen.
Sie sollten gekeimtes Getreide vermeiden, da Sie nie genau wissen, in welcher Keimphase es sich gerade befindet. Es kann völlig ungefährlich sein, die Sprossen zu essen. Das muss es allerdings nicht. Getreidekeime sind definitiv nicht erlaubt. Bei der Kleie ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Solange Untersuchungen nicht mehr dazu ergeben haben, folgen Sie meinem Rat: Im Zweifel verzichten. Getreide und stärkehaltige Nahrungsmittel, die Sie gefahrlos essen dürfen Es gibt eine große Auswahl an glutenfreien Getreiden und stärkehaltigen Nahrungsmitteln. Selbst wenn Sie sich schon lange glutenfrei ernähren, sind einige der folgenden Beispiele bestimmt neu für Sie: Amaranth Bohnen Buchweizen, Grütze, Kasha (gerösteter Buchweizen) – aber hier auch das Kontaminationsrisiko mit anderen glutenhaltigen Getreiden beachten! Bis zu 5 Prozent Fremdbesatz sind möglich. Hirse Kartoffeln Kichererbsen Lupinenmehl Mais Pfeilwurz Quinoa Reis Soja Sorghum Tapioka/Maniok Teff (Zwerghirse) Klebreis enthält kein Gluten! Er wird auch süßer Reis oder Mochi genannt. Man bereitet ihn zu, indem man diese kleinkörnige, stärkereiche Reissorte dämpft und dann zerstampft. Mit Klebreis können Soßen angedickt oder Desserts hergestellt werden. Er wird auch häufig in Sushi verwendet.
Mais gibt es in unterschiedlichsten Darreichungsformen. Sie alle sind wie das gute alte Maiskorn glutenfrei. Dazu zählt Maisgrieß, Maismehl, Polenta und natürlich auch Maisstärke und Maisflocken. Alte Geschichten Mais gibt es schon seit Tausenden von Jahren. Seine Kultivierung war eine bemerkenswerte Leistung. Die amerikanischen Ureinwohner züchteten 24 verschiedene Maisarten, die ideal an die jeweiligen Umweltbedingungen wie Regenmenge, Höhenlage oder Bodenbeschaffenheit angepasst waren. Um während der ganzen Saison ernten zu können, bauten die Menschen Früh- und Spätmais an. Der Mais hatte damals ganz unterschiedliche Farben. Der Mais spielte auch im sozialen Leben eine große Rolle. Eine Hopi-Braut mahlte drei Tage lang Mais im Haus ihres Bräutigams, um zu zeigen, dass sie gut für Haus und Hof sorgen könne. Wurde bei den Hopis ein Kind geboren, begrüßte man es mit einer besonderen Decke und einem perfekten Maiskolben auf dieser Welt. Die ersten amerikanischen Siedler lernten schnell, sich auch auf den Maisanbau zu verlassen, denn der Mais war leicht anzubauen und zu lagern und brauchte keine besondere Pflege. Ihr Speiseplan bestand zum Großteil aus maishaltigen Gerichten.
Verdickungsmittel wie Xanthan, Guarkernmehl und Carrageen enthalten kein Gluten. Sie werden häufig in glutenfreien Backwaren verwendet, um eine Elastizität des Teiges zu erzielen, die sonst nur durch glutenhaltige Mehle erreicht wird. Bei einigen Menschen wirkt Guarkernmehl abführend. Andere glutenfreie Nahrungsmittel Auch folgende Nahrungsmittel enthalten kein Gluten (vorausgesetzt, sie sind nicht verarbeitet und enthalten keine Zusatzstoffe): Eier Essig – Ausnahme: Malzessig Fisch Fleisch Fruchtsaft Geflügel Gemüse Honig Hülsenfrüchte Kaffee Marmelade Meeresfrüchte Milchprodukte Mineralwasser Nüsse Obst Öle Tee Diese Nahrungsmittel sind von Natur aus glutenfrei. Sie können natürlich auch spezielle Kekse, Brot, Brezeln oder andere Produkte kaufen, die aus glutenfreien Zutaten hergestellt wurden. Mehr zu diesen Produkten und wo Sie sie kaufen können, erfahren Sie in Kapitel 8. Essen Sie kein Weizenfleisch Seitan ist ein Nahrungsmittel, das aus Weizengluten gewonnen wird und in seiner Beschaffenheit Fleisch nachahmen soll. Es wird auch Weizenfleisch genannt und oft in der vegetarischen Küche verwendet. Um Seitan herzustellen, wird ein Teig aus Weizenmehl und Wasser angesetzt. Dieser Teig wird so lange geknetet, bis das Gluten herausgelöst ist und Stärke und Kleie weggespült werden können. Übrig bleibt nur noch das Gluten. Das Gluten wird dann in Wasser oder Gemüsebrühe gekocht und mit Sojasoße gewürzt. Am Ende kommt ein weiches, stabiles, fleischähnliches Produkt heraus. Seitan ist ein Nahrungsmittel, das nicht nur Gluten enthält, sondern reines Gluten ist. Frei übersetzt bedeutet das japanische Wort Seitan »reines Eiweiß«. In China nennt man es Kofu.
Glutenhaltige Nahrungsmittel Es gibt viele Hersteller, die spezielle glutenfreie Varianten bestimmter Produkte entwickelt haben. Folgende Produkte enthalten immer Gluten, es sei denn, Sie kaufen sie als glutenfreie Spezialprodukte: Backwaren wie Kuchen, Kekse, Muffins etc. Bier Brezeln Brot Croûtons Hostien, Oblaten Kräcker Müsli Nudeln Pizzateig Sojasoße Soßen, Mehlschwitzen Surimi Alternative Getreide Wenn es über Mais, Weizen und Reis hinausgeht, kennen sich viele nicht mehr aus. Die meisten können Gerste nicht von Bulgur unterscheiden. Doch es gibt eine riesige Menge an Getreidesorten, die es zu erkunden gilt. Viele von ihnen sind glutenfrei, sehr lecker und nährstoffreich. Sie werden zwar »alternative Getreide« genannt, doch viele sind eigentlich keine Getreide, sondern Gräser, Samen oder Blumen. Beschäftigen Sie sich ein wenig mit diesen alternativen Getreidesorten und entdecken Sie dabei vielleicht eine völlig neue Welt der glutenfreien Getreide. Amaranth Amaranth enthält viele Ballaststoffe, Eisen, Kalzium, Vitamine und weitere Mineralstoffe. Er ist außerdem reich an essenziellen Aminosäuren und ein hervorragender Eiweißlieferant. Amaranth besteht aus kleinen, perlenartigen Körnern. Er ist nicht nur nährstoffreich, sondern durch seinen pfeffrigen, nussigen Geschmack auch sehr lecker.
Amaranth ist kein echtes Getreide. Er ist mit dem weißen Gänsefuß und einer sehr hübschen Blume namens Hahnenkamm verwandt. Er wird nicht nur wegen seiner Samen angebaut, sondern auch wegen seiner Blätter, die man kochen und essen kann. Amaranth kann gemahlen oder geröstet werden. Das verleiht ihm einen besonderen Geschmack. Manche Sorten können wie Popcorn gepoppt werden, man kann ihn kochen und ihn in Suppen, Müslis oder als Beilage servieren. Sie sollten Amaranth vor dem Verzehr immer kochen, da er auch wie andere essbare Samen Inhaltsstoffe hat, die die Aufnahme verschiedener Nährstoffe behindern. Amaranth gab es schon bei den Azteken. Sie schrieben ihm geheimnisvolle Kräfte zu und glaubten, er könne selbst dem schwächsten Mann wieder Kraft und Stärke verleihen. Der Name bedeutet wörtlich »unsterblich«. Auch wenn Amaranth Sie nicht unsterblich werden lässt, so ist er doch sehr nährstoffreich und glutenfrei. Buchweizen Viele Menschen verwirrt es, dass Buchweizen grundsätzlich glutenfrei ist, denn es steht das Wort »Weizen« in seinem Namen. Doch Buchweizen hat mit Weizen nichts zu tun. Er ist nicht einmal ein echtes Getreide. Buchweizen ist eine Frucht, ein entfernter Verwandter vom Rhabarber. Der Buchweizensamen hat eine dreieckige Hülse, die einen blassgrauen Kern enthält, der auch als Graupe bekannt ist. In der einen oder anderen Form wurden Graupen schon seit dem 10. Jahrhundert vor Christus zubereitet.
Buchweizen enthält viele Aminosäuren, unter anderem eine große Menge an Lysin, eine Aminosäure, die in vielen anderen Getreidesorten nur gering enthalten ist. Außerdem liefert Buchweizen alle acht essenziellen Aminosäuren, die unser Körper dringend benötigt, aber selber nicht herstellen kann. Deshalb ist er ein weit besserer Eiweißlieferant als viele andere Pflanzen. Außerdem hat Buchweizen viel Vitamin B, Phosphor, Magnesium, Eisen, Kupfer, Mangan und Zink. Er ist eine gute Quelle für Linolsäure und essenzielle Fettsäuren. Buchweizen wird getrocknet und hat einen delikaten Geschmack, der ihn zu einem guten Ersatz für Nudeln und Reis macht. Wenn die geschälten Buchweizenkerne geröstet werden, nennt man sie Kasha. Sie sind dann dunkelbraun und haben einen nussigen Geschmack und riechen leicht verbrannt. Buchweizen wird häufig in Muffins, Keksen und Pfannkuchen verwendet. Doch seien Sie vorsichtig, denn viele Hersteller kombinieren Buchweizen mit Weizen. Lesen Sie deshalb genau die Zutatenliste. In Japan gibt es Buchweizennudeln (Soba). Doch auch hier ist manchmal Weizenmehl enthalten.
Bei reinem Buchweizenmehl und daraus hergestellten Produkten besteht zudem sehr häufig ein erhebliches Kontaminationsrisiko, da es nach der Ernte oft mit anderen Getreidearten parallel gelagert oder verarbeitet worden ist. Sie sollten daher diätetisch hergestelltes Buchweizenmehl bevorzugen, sodass Sie ein Kontaminationsrisiko ausschließen können. Hirse Hirse ist kein Getreide. Es gehört zu den Gräsern und hat kleine, runde, elfenbeinfarbene und gelbe Samenkerne, die beim Kochen aufquellen. Hirse enthält viele Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe. Sie ist reich an Eisen, Magnesium, Phosphor und Kalium, hat viele Ballaststoffe und Proteine. Außerdem hat Hirse viele Vitamine des B-Komplexes wie Niacin, Thiamin und Riboflavin. Außerdem ist Hirse gut verdaulich. Hirse gehörte in Afrika und Indien seit Jahrtausenden zu den Grundnahrungsmitteln. In China wurde es bereits 2700 vor Christus angebaut und zählte dort zu den Hauptnahrungsmitteln, bevor der Reis diese Stelle einnahm. Auch heute ist die Hirse in Nordchina, Japan, der Mandschurei, in vielen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, in Afrika, Indien und Ägypten noch ein wichtiges Nahrungsmittel. In den westlichen Ländern wird sie heute meist als Vieh- und Vogelfutter angebaut. Doch sie wird als wohlschmeckendes und nährstoffreiches Nahrungsmittel für die Menschen wieder zunehmend interessant.
Pfeilwurz Bei den alten Majas und anderen Einwohnern Zentralamerikas wurde der Pfeilwurz als ein Gegengift zu Pfeilgiften geschätzt. Heute wird er benutzt, um den Magen zu beruhigen und gegen Durchfall zu wirken. Pfeilwurz wird gerne auch als Bindemittel für Soßen, Suppen und Süßspeisen verwendet. Pfeilwurz ist ein sehr feines weißes Pulver, das in Aussehen und Beschaffenheit sehr der Maisstärke ähnelt. Die durchsichtige Paste ist geschmacklos. Sie können Pfeilwurz zum glutenfreien Kochen oder als Bindemittel einsetzen. Es bindet schon bei niedrigeren Temperaturen als Maisstärke oder Weizen. Pfeilwurz ist leicht verdaulich und deshalb gut als »Krankenkost« geeignet. Quinoa Quinoa ist ein weiteres Getreide, das eigentlich nicht wirklich ein Getreide ist. Es gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse. Quinoa ist laut der amerikanischen Akademie der Wissenschaften ein fast perfekter pflanzlicher Eiweißlieferant. Wie andere und alternative Getreidesorten ist auch Quinoa reich an Lysin und anderen Aminosäuren. Außerdem enthält es viel Phosphor, Kalzium, Eisen, Vitamin E, verschiedene B-Vitamine und Ballaststoffe. Meist hat Quinoa eine hellgelbe Farbe, doch es gibt es auch in pink, orange, rot und schwarz.
Da die ungekochten Körner in der Samenschale Saponine (bitter schmeckende Substanzen, die einen natürlichen Schädlingsschutz darstellen) enthalten, sollten Sie Quinoa vor dem Kochen sorgfältig wässern. Meistens wurde Quinoa bereits gewässert, bevor es in den Handel kommt. Die Menschen in den südamerikanischen Anden bauen Quinoa schon seit 3000 vor Christus an. Die Inkas nannten die einjährige Pflanze »Muttergetreide«, da die Quinoapflanzen sich selbst vermehrten und immertragend waren. Sie verehrten Quinoa als ein heiliges Nahrungsmittel, da es ein erfülltes und langes Leben versprach. Das Oberhaupt der Inkas pflanzte jedes Jahr persönlich mit einem goldenen Spaten die erste Reihe Quinoapflanzen. Sorghum Auch Sorghum ist eine Hirseart und gehört zu den ältesten bekannten Getreidearten. In Afrika und Indien war es Jahrhunderte lang ein Grundnahrungsmittel. Heute wird es auch in Südeuropa, Südasien und Zentralamerika angepflanzt. Da das Sorghumeiweiß und die -stärke langsamer verdaut werden als bei anderen Getreiden, ist es generell gut geeignet. Sorghum ist reich an Eisen, Kalzium und Kalium. Ärzte empfehlen es Patienten, die einen Mangel dieser Stoffe aufweisen, als Nahrungsergänzung.
Sorghum-Fans lieben sein dezentes Aroma und die helle Farbe, da sich weder der Geschmack noch das Aussehen von Nahrungsmitteln verändert, wenn Sorghum als Ersatz für Weizenmehl benutzt wird. Köche kombinieren häufig Sorghum mit Sojamehl. Sorghum wird auch zur Herstellung alkoholischer Getränke eingesetzt. Sorghum und Hirse enthalten viele wertvolle Inhaltsstoffe. Einige Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen einer hohen Nitrilosidaufnahme und einer geringen Krebsrate. Das führte zu der Annahme, dass Nitriloside Krebserkrankungen vorbeugen können. In Afrika beispielsweise, wo 80 Prozent der Nahrung aus nitrilosidreichen Nahrungsmitteln besteht, ist die Krebsrate sehr niedrig. Teff (Zwerghirse) Die Zwerghirse ist zwar winzig, doch für unsere Ernährung ist sie das reinste Kraftwerk. Teff ist die kleinste der Getreidesorten, obwohl es eigentlich kein echtes Getreide ist. Wenn es Ihnen runterfällt, werden Sie es vermutlich nicht wiederfinden. Teff ist ein äthiopisches Kulturgetreide und wird dort schon seit etwa 5000 Jahren angebaut. Es hat einen Eiweißgehalt von fast 12 Prozent und enthält fünfmal mehr Kalzium, Eisen und Kalium als jedes andere Getreide. Teff, das einen süßen, nussigen Geschmack besitzt, gibt es in vielen unterschiedlichen Formen und Farben. Am häufigsten sind jedoch elfenbeinfarbene, braune und rotbraune Sorten.
Sie können das ganze Korn kochen und es mit geschnittenem Obst oder als Getreidebrei mit Butter und Zucker servieren. Sie können Teffmehl auch, aber nicht ausschließlich, zum Backen verwenden. Diese Backwaren haben einen einzigartigen Geschmack und sind besonders nährstoffreich. Wenn Sie schon einmal von Teff gehört haben, dann sicherlich in Zusammenhang mit einem traditionellen weichen, gesäuerten Fladenbrot. Das Fladenbrot lässt sich gut in Soßen und Suppen dippen oder man kann damit Fleisch aufgreifen. Auf bedenkliche Inhaltsstoffe achten Die Ernährung wird um einiges komplizierter, wenn Sie sich nicht sicher sein können, ob ein Nahrungsmittel immer glutenfrei oder glutenhaltig ist. In diesem Abschnitt gehe ich darauf ein, bei welchen Nahrungsmitteln Sie vorsichtig sein sollten und welche oft fälschlicherweise als glutenhaltig angesehen werden. Auf welche Nahrungsmittel müssen Sie achten? Natürlich müssen Sie alles hinterfragen, wenn Sie wirklich sicher sein wollen. Ich hatte beispielsweise noch nie Tee gesehen, der glutenhaltig war, bis ich einmal auf einer Zutatenliste las: Gerstenmalz. Seitdem weiß ich, dass auch aromatisierte Teesorten glutenhaltig sein können.
Das Malz war leicht zu entdecken, da bei den Inhaltsstoffen ganz klar aufgelistet war, was glutenhaltig ist. Doch bei anderen Zutaten ist das nicht so leicht zu erkennen, weil manche Zutaten manchmal glutenfrei sind und manchmal nicht. Mit diesen Inhaltsstoffen müssen Sie sich etwas ausführlicher beschäftigen. In Kapitel 5 erfahren Sie noch mehr dazu. Fragliche Inhaltsstoffe Zu den fraglichen Inhaltsstoffen zählen: Aromen (auch bei Kaffee und Tee) Getränkepulver Gewürze beziehungsweise Gewürzmischungen Kräuter beziehungsweise Kräutermischungen Kräuter- und Würzessige Lasierungen und Überzüge Liköre Malz (in der Regel Gerstenmalz, dann glutenhaltig; kann aber auch Maismalz sein, dann glutenfrei) Müslizusätze Sago (kann aus Maniok sein, dann glutenfrei, oder aus Gerste, dann glutenhaltig) Whiskey Diese Zutaten sind nicht immer glutenhaltig. Sogar eher selten. Doch sie können Gluten enthalten. Damit Sie sich sicher sein können, müssen Sie das prüfen. Dank der Europäischen Gesetzgebung (Richtlinie 2003/89/EG) gibt es mittlerweile viel weniger fragliche Inhaltsstoffe. Die Hersteller müssen klar kennzeichnen, ob zum Beispiel ein Produkt glutenhaltiges Getreide sowie daraus hergestellte Erzeugnisse enthält. Lesen Sie mehr zu diesem Thema in Kapitel 5.
Der Diskussion um einige Nahrungsmittel ein Ende setzen Betroffene müssen bestimmte Zutaten hinterfragen, um entscheiden zu können, ob sie glutenfrei sind oder nicht. Manche von diesen Inhaltsstoffen werden angezweifelt, weil unklare Informationen, Gerüchte oder Missverständnisse dazu geführt haben. Doch dank einer detaillierten Deklarierung und eindeutiger Forschungsergebnisse sind folgende Inhaltsstoffe nicht mehr fraglich: Aromastoffe Destillierter Alkohol Dextrin Hefe (außer Bierhefe) Karamellfarbe Maltodextrin Mono- und Diglyceride Stärke und modifizierte Stärke Vanille und Vanilleextrakt Weizengras Zitronensäure Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) hat folgende Erzeugnisse ebenfalls als grundsätzlich glutenfrei eingestuft: Glukose auf Weizenbasis einschließlich Dextrose Maltodextrine auf Weizenbasis Glukosesirup auf Gerstenbasis in Destillaten für Spirituosen verwendetes Getreide Lesen Sie mehr dazu in Kapitel 5. Die Welt der Aromastoffe Unter Aromastoffen versteht man chemisch definierte Einzelsubstanzen mit bestimmten Geschmackseigenschaften. Sie sind sehr geschmacksintensiv und werden daher nur in kleinen Mengen verwendet. Aromastoffe sind heutzutage in der Lebensmittelindustrie weit verbreitet. Gluten wird dabei oftmals als Trägerstoff eingesetzt. Aromastoffe sorgen dafür, dass die Produkte ihren Geschmack, den sie durch Lagerung, Verarbeitung oder auch Aufbewahrung verloren haben, wieder zurückgewinnen. Aromastoffe unterliegen in Deutschland der sogenannten Aromenverordnung (AromV). In der Anlage 1 zur AromV werden die verschiedenen Aromastoffe aufgeführt und definiert.
Demnach sind natürliche Aromastoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs. Dabei muss jedoch der Geschmack nicht aus dem namensgebenden Stoff gewonnen werden. Folglich muss ein Erdbeeraroma nicht aus Erdbeeren stammen, sondern kann auch aus anderen natürlichen Stoffen gewonnen werden. Naturidentische Aromastoffe werden zwar künstlich hergestellt, sie sind aber chemisch mit den natürlichen Aromastoffen identisch. Sie können im Unterschied zu ihren natürlichen Ebenbildern durch andere Verfahren (Synthese) aus anderen Ausgangsmaterialien gewonnen werden. Naturidentische Aromastoffe werden dort verwendet, wo es auf stabile Geschmacksnoten, Hitze- und Beständigkeit im sauren Milieu sowie Lagerfähigkeit der aromatisierten Lebensmittel ankommt. Künstliche Aromastoffe sind solche Substanzen, die in der Natur noch nicht nachgewiesen werden konnten und daher weder den natürlichen noch den naturidentischen Aromastoffen zuzuordnen sind. Sie werden synthetisch produziert. Im Gegensatz zu allen anderen Aromastoffen gelten sie als Zusatzstoffe. Derzeit lässt die Aromenverordnung 14 künstliche Aromastoffe zu.
Aromaextrakte sind komplexe Stoffgemische, wie ätherische Öle oder Auszüge aus pflanzlichen oder tierischen Ausgangsmaterialien. Sie haben bestimmte Geschmackseigenschaften und sind meist die Hauptbestandteile eines Aromas. Raucharomen werden aus Rauch gewonnen und verleihen Lebensmitteln einen typischen Rauchgeschmack. Raucharomen gibt es in fester und in flüssiger Form, wobei man sie in letzterem Fall oft als Liquid Smoke, Flüssigrauch oder Flüssiger Rauch bezeichnet. Die Kennzeichnung von Aromastoffen wird ebenfalls in der AromV geregelt. Aromatisierung muss bei verpackten Lebensmitteln im Zutatenverzeichnis gekennzeichnet sein. Es reicht allerdings aus, wenn dort nur »Aroma« steht. Zusätzliche Angaben sind freiwillig. Findet sich in der Zutatenliste auf der Packung die Angabe »Aroma«, handelt es sich in der Regel um naturidentische Aromen oder eine Mischung aus künstlichen Aromastoffen. Wird zusätzlich noch die Herkunft des Aromas angegeben, zum Beispiel »natürliches Apfelaroma«, so muss das Aroma zu 90 Prozent aus diesem Lebensmittel stammen.
Werden glutenhaltige Rohstoffe verarbeitet, so muss gemäß den Vorgaben der Europäischen Union zur Allergenkennzeichnung (lesen Sie hierzu auch Kapitel 5) die Angabe der Allergene in der Zutatenliste erfolgen, zum Beispiel durch die Angabe »Aroma (enthält/mit Weizen)« oder separat »Aroma, Weizen«. Gesundheitsschädliche Auswirkungen durch den Verzehr von aromatisierten Lebensmitteln sind nicht bekannt. Pflanzen oder Extrakte aus Pflanzen dürfen zur Herstellung von Aromen nicht in solchen Mengen eingesetzt werden, dass daraus ein Gesundheitsschaden resultieren kann. Daher dürfen einige Aromastoffe per Gesetz nur bis zu einer festgesetzten Höchstmenge zugesetzt werden. Ein Schlückchen in Ehren – was ist erlaubt? Es ist immer dasselbe. Ich spreche noch keine fünf Minuten über die glutenfreie Ernährung, dann kommt auch schon die Frage: »Im Bier ist doch kein Gluten, oder?« Doch, es ist. Aber viele andere alkoholische Getränke sind glutenfrei. Und wenn Sie ein wenig suchen, finden Sie sogar glutenfreies Bier.
Grundsätzlich erlaubt Die Liste der alkoholischen Getränke, die bei einer glutenfreien Lebensweise erlaubt sind, ist sehr viel länger als die Liste mit glutenhaltigen Getränken. Auch andere als die folgenden Getränke können glutenfrei sein, doch ich möchte an dieser Stelle nur die gängigsten Alkoholika aufzählen: Bourbon Brandy Cidre (kann gelegentlich Gerste enthalten – also Vorsicht) Cognac Gin Korn Rum Schnaps Tequila Wein (auch Sekt und Champagner) Weinbrand Whiskey (solange nicht nachträglich mit Malz versetzt) Wodka Vielleicht sind Sie etwas verwirrt, dass Sie Alkoholika trinken dürfen, die aus glutenhaltigen Getreiden hergestellt werden. Solange diese Getränke destilliert und nicht in die glutenhaltige Maische zurückgegeben werden, bleiben sie nach der Destillation glutenfrei. Davon müssen Sie sich fernhalten Nur ein paar alkoholische Getränke sind bei einer glutenfreien Ernährung nicht erlaubt. Dazu zählen: Bier Malzgetränke Der Destillationsprozess eliminiert alle Glutenspuren. Deshalb können Sie gefahrlos destillierten Essig und destillierte Alkoholika genießen. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob Ihr Lieblingsgetränk glutenfrei ist, schauen Sie auf der Liste der glutenfreien Drinks nach oder treten Sie mit dem Hersteller oder der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. in Kontakt.
Ein dreifaches Hoch auf glutenfreies Bier Die meisten Biere sind glutenhaltig und deshalb natürlich nicht erlaubt. Doch mittlerweile gibt es auch glutenfreie Biersorten. Hier einige Beispiele: GlutaneR Premium (Belgae Belgische Bierspezialitäten, www.belgae.de), Glutano Beer (GDS Food GmbH, www.glutano.de), Lebensfreude glutenfrei (Klosterbrauerei Neuzelle, www.klosterbrauerei.com), Bio-Reis-Gold glutenfrei (Liebhart's Privatbrauerei GmbH & Co. KG, www.residenz-biere.de), Riedenburger Glutenfree – Hirsebier (Riedenburger Brauhaus Michael Krieger KG, www.riedenburger.de), Schnitzerbräu (Schnitzer Bräu GmbH & Co. KG, www.schnitzerbraeu.de), Neumarkter Lammsbräu Glutenfrei (Neumarkter Lammsbräu Gebr. Ehrnsperger e. K., www.lammsbraeu.de). Wenn Sie lieber zu Hause Ihr eigenes glutenfreies Bier brauen möchten, finden Sie dazu einige Rezepte im Internet. Auch Medikamente und Nahrungsergänzungen müssen glutenfrei sein Denken Sie daran: Alles, was Sie zu sich nehmen, kann Probleme verursachen, wenn es nicht glutenfrei ist. Das gilt auch für eine winzig kleine Pille. Lesen Sie deshalb zuerst auf der Packung, welche Stoffe enthalten sind. Bei manchen Produkten ist schon auf der Verpackung der Hinweis »glutenfrei« zu erkennen.
Wenn Sie bei einem verschriebenen Medikament den Verdacht haben, es könnte Gluten enthalten, sollten Sie in der Apotheke nachfragen. Kann der Apotheker Ihnen keine Auskunft geben, nehmen Sie Kontakt zur Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. oder zum Hersteller auf. Die Adresse finden Sie immer auf dem Beipackzettel. Hier einige Tipps, die Sie sich merken sollten: Bitten Sie Ihren Apotheker, dass er sich im Computerprogramm eine Notiz macht, wenn das Medikament glutenfrei ist. Dann weiß er beim nächsten Mal sofort Bescheid. Ist das Mittel rezeptfrei, sollten Sie den Hersteller oder die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. anrufen, um sicherzugehen, dass das Präparat glutenfrei ist. Sie sollten jetzt herausfinden, welche rezeptfreien Medikamente, die Sie häufig einnehmen, glutenfrei sind. Schmerzmittel, fiebersenkende Mittel, Erkältungsmedikamente und anti-entzündliche Präparate sind beispielsweise häufig glutenfrei. Doch Sie möchten sich sicherlich nicht nachts um ein Uhr darüber Gedanken machen, wenn Ihr Kind Sie weckt, weil es mit Ohrenschmerzen im Bett liegt.
Schreiben Sie mit einem dicken Rotstift groß »GF« auf die Medikamentenpackung. Dann müssen Sie im Notfall nicht erst überlegen, ob dieses Medikament erlaubt ist. Über die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. können Sie eine Aufstellung glutenfreier Arzneimittel bekommen. Glutenhaltige Produkte, die keine Nahrungsmittel sind Sie werden sicherlich schon auf recht widersprüchliche Empfehlungen gestoßen sein, ob man bei glutenhaltigen Produkten, die nicht zu den Nahrungsmitteln zählen, Bedenken haben muss. Vielleicht haben Sie davon gehört, dass Sie auf Kunststoffboxen und -gefäße, Lotionen, Shampoos, Briefumschläge, Briefmarken, Kleber verzichten sollten. Woran sollte sich jemand, der glutenfrei leben möchte, nun halten? Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Macht das Gluten wirklich etwas, wenn Sie es nicht essen? Die Antwort darauf lautet: Manchmal ja und manchmal nein. (Hatten Sie eine etwas konkretere Antwort erwartet?) Auch Knete kann Gluten enthalten. Ich weiß natürlich, dass Sie keine Knete essen wollen. Doch wer kann schon einem winzigen Stückchen widerstehen? Vergessen Sie nicht, häufig reicht der Kontakt der Finger mit dem Mund schon aus. Es gibt viele Rezepte, um selbst glutenfreie Knete herzustellen.
Um Kunststoffgefäße und -boxen, Briefumschläge oder Briefmarken müssen Sie sich keine Sorgen machen. Im Folgenden erfahren Sie, auf welche Produkte Sie achten müssen und welche völlig ungefährlich sind. Vorsicht bei Make-up Manchmal muss man sich bei Make-up vorsehen, manchmal aber auch nicht. Achten Sie vor allem auf Make-up, das in den Mund gelangen kann. Dazu gehört Lippenstift, Lipgloss, Lippenbalsam und Ähnliches. Grundierung, Lidschatten, Puder oder andere Make-up-Produkte dürften kein Problem darstellen, solange sie nicht zu nahe am Mund benutzt und dadurch verschluckt werden können. Lotionen und Wässerchen Experten sind der Meinung, dass Glutenmoleküle zu groß sind, um über die Haut aufgenommen zu werden. Lotionen, Conditioner, Shampoos und andere Pflegeprodukte sollten also kein Problem sein, solange Sie keine offenen Wunden und Ausschläge haben oder an einer Dermatitis herpetiformis Duhring (in Kapitel 3 finden Sie mehr Informationen zu dieser Erkrankung) leiden. Manchmal können Lotionen oder Cremes über die Hände an das Essen gelangen. Das kann zu Problemen führen. Waschen Sie sich deshalb gründlich Ihre Hände, damit Sie nicht versehentlich durch Lotion Gluten aufnehmen.
Trotz der wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Pflegeprodukte kein Problem darstellen, habe ich von unzähligen Betroffenen gehört, dass sie auf glutenhaltige Pflegeprodukte reagiert haben. Sollte das bei Ihnen der Fall sein, benutzen Sie solche glutenhaltigen Produkte einfach nicht. Zahnpflegeprodukte Sie sollen Ihre Zahncreme, Ihr Mundwasser oder andere Zahnpflegeprodukte natürlich nicht schlucken. Trotzdem kann das schon einmal passieren. Wenn diese Produkte Gluten enthalten, können Sie darauf reagieren. Es ist auch hier ratsam, die Inhaltsstoffe genau zu studieren. Die meisten Produkte, die in Zahnarztpraxen beispielsweise zum Polieren oder Fluoridieren der Zähne benutzt werden, sind glutenfrei. Doch rufen Sie am besten vorher Ihren Zahnarzt an und bitten Sie ihn, das herauszufinden.5 Den Dingen auf den Grund gehen In diesem Kapitel Warum glutenfrei manchmal nicht glutenfrei ist Zutatenlisten auf Verpackungen lesen und verstehen Wie viel Gluten Sie essen können Anfragen bei den Lebensmittelherstellern stellen
Die zuverlässige Information Ein Produkt ist entweder glutenfrei oder glutenhaltig, oder? Ist doch alles ganz einfach – leider nicht. Viele Dinge im Leben sind entweder schwarz oder weiß, manche jedoch auch grau. So verhält es sich häufig leider auch mit der Frage der Glutenfreiheit eines Lebensmittels. Die gute Nachricht ist, dass sich in den vergangenen Jahren schon vieles gebessert hat und vieles sich auch weiterhin verbessern wird. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass Sie, um tatsächliche Gewissheit über die Glutenfreiheit eines Lebensmittels zu erhalten, häufig noch immer einen gewissen Aufwand betreiben müssen. In diesem Kapitel zeige ich Ihnen, wie Sie herausfinden können, ob die Lebensmittel, die Sie essen, auch tatsächlich glutenfrei sind. Ich werde Sie in die »Kunst des Etikettenlesens« einweihen und zeigen, warum »glutenfrei« nicht immer mit »100 Prozent glutenfrei« gleichzusetzen ist. Außerdem gibt es noch einen Crashkurs für den Anruf bei der Hotline eines Lebensmittelherstellers.
Kann »glutenfrei« mehrdeutig sein? Sie: Enthält Ihr Produkt Gluten? Hotline des Herstellers: Wir fügen unseren Produkten kein Gluten bei. Sie: Prima. Dann ist es also glutenfrei? Hotline des Herstellers: Nein. Das habe ich nicht gesagt. Vielen Dank für Ihren Anruf. Fühlen Sie sich jetzt auf den Arm genommen? Viele Lebensmittelhersteller verstecken sich hinter verschleiernden oder mehrdeutigen Formulierungen (zum Beispiel »kann enthalten«), wenn es um die Beantwortung der einfachen Frage geht, ob ein Produkt glutenfrei ist. Die Wahrheit ist jedoch: Tatsächlich sollen Schwierigkeiten mit der Allergenkennzeichnung, der Herkunft der einzelnen Zutaten und Kontaminationsrisiken kaschiert werden. Die Sprache der Etiketten lernen Wäre es nicht toll, wenn Sie bloß eine Zutatenliste bei einem Produkt lesen müssten, um zu wissen, welche Zutaten das Produkt enthält. Ist das nicht der Sinn einer solchen Zutatenliste? Leider stehen manche Zutaten jedoch nicht unmittelbar auf einer der Listen oder aber sie können glutenfrei oder glutenhaltig sein.
Durch die EU-Richtlinie 2003/89/EG ist erstmals Bewegung in die Kennzeichnung von Allergenen auf verpackten Lebensmitteln gekommen. Die Richtlinie fügte der bestehenden Richtlinie 2000/13/EG, die die Kennzeichnung von Lebensmitteln europaweit einheitlich regelte, den Anhang III a hinzu. In diesem Anhang wurden Allergene aufgeführt, die immer deklarationspflichtig sind: 1. glutenhaltiges Getreide (das heißt Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut oder Hybridstämme davon) sowie daraus hergestellte Erzeugnisse 2. Krebstiere und Krebstiererzeugnisse 3. Eier und Eierzeugnisse 4. Fisch und Fischerzeugnisse 5. Erdnüsse und Erdnusserzeugnisse 6. Soja und Soja-Erzeugnisse 7. Milch und Milcherzeugnisse (einschließlich Laktose) 8. Schalenfrüchte, das heißt Mandel (Amygdalus communis L.), gemeine Hasel (Corylus avellana), Walnuss (Juglans regia), Cashewnuss (Anacardium occidentale), Pecannuss (Carya illinoiesis (Wangenh.) K. Koch), Paranuss (Bertholletia excelsa), Pistazie (Pistacia vera), Macadamianuss und Queenslandnuss (Macadamia ternifolia) sowie daraus hergestellte Erzeugnisse
9. Sellerie und Sellerieerzeugnisse 10. Senf und Senferzeugnisse 11. Sesamsamen und Sesamsamenerzeugnisse 12. Schwefeldioxid und Sulfite in einer Konzentration von mehr als 10 mg/kg oder 10 mg/l in SO2 angegeben Die Deklarationspflicht trat 2005 für alle Mitgliedstaaten in der EU in Kraft. Die bisherigen Ausnahmen für zum Beispiel zusammengesetzte Zutaten (25-Prozent-Regelung) oder technologische Hilfsstoffe entfielen. Aber auch mit Einführung der neuen Regeln zur Kennzeichnung wird es keine vollständige Deklaration aller Rezepturbestandteile geben. Einige Ausnahmen wie zum Beispiel Gewürze (unter 2 Prozent) sind weiterhin gültig. Im Jahre 2007 wurden durch die Richtlinie 2005/26/EG Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht zugelassen. Diese Ausnahmen sind insbesondere für Zöliakie-Betroffene relevant. Nach einem umfangreichen Testverfahren hat die European Food Safety Authority (EFSA) folgende Zutaten von einer Deklarationspflicht ausgenommen: Glukosesirup auf Weizenbasis, einschließlich Dextrose
Maltodextrine auf Weizenbasis Glukosesirup auf Gerstenbasis Getreide, das als Ausgangsstoff für Destillate verwendet wird Das bedeutet, dass bei Produkten, die zum Beispiel Glukosesirup auf Weizenbasis enthalten, ein Hinweis auf Weizen oder aber Gluten nicht erforderlich ist, da im Endprodukt Gluten nicht mehr nachweisbar ist. Nicht nur für Gluten wurden Ausnahmen von der Deklarierungspflicht zugelassen, sondern auch für folgende Produkte: Eier und daraus hergestellte Erzeugnisse: • Lysozym aus Ei, das in Wein verwendet wird • Albumin aus Ei, das als Klärhilfsmittel in Wein verwendet wird Fisch und daraus hergestellten Erzeugnisse: • Fischgelatine, die als Träger für Vitamine und Aromen verwendet wird • Fischgelatine oder Hausenblase, die als Klärhilfsmittel in Wein verwendet wird Sojabohnen und daraus hergestellte Erzeugnisse: • vollständig raffiniertes Sojabohnenöl und -fett • Phytosterine/Phytosterinester, die aus Sojaöl gewonnen werden • Phytostanolester, aus Pflanzenölsterinen der Sojabohne gewonnen
• natürlich gemischte Tocopherole (E306), natürliche D-alpha-Tocopherol, -acetat, -succinat aus Sojabohnenquellen Milch (einschließlich Laktose) und daraus hergestellte Erzeugnisse: • Molke, die als Ausgangsstoff für Destillate verwendet wird • Laktit • Milch(Kasein)-Erzeugnisse, die als Klärmittel in Wein verwendet werden Schalenfrüchte und daraus hergestellte Erzeugnisse: • Schalenfrüchte, die als Ausgangsstoff für Destillate verwendet werden • Mandeln und Walnüsse, die als Aroma für Spirituosen verwendet werden Sellerie und daraus hergestellte Erzeugnisse: • Sellerieblatt- und Selleriesamenöl • Sellerieoleoresin Senf und daraus hergestellte Erzeugnisse: • Senföl • Senfsamenöl • Senfsamenoleoresin Im Jahr 2006 wurde die ursprüngliche Richtlinie 2000/13/EG durch die Richtlinie 2006/142/EG erneut geändert. Der Anhang III a wurde um zwei weitere Allergene erweitert. Zukünftig sind auch Lupine (auch Wolfsbohne) und Lupine-Erzeugnisse sowie Weichtiere und Weichtiererzeugnisse auf Lebensmittelverpackungen anzugeben.
Der deutsche Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben durch die Verordnung zur Kennzeichnung von Lebensmitteln (LMKV) in nationales Recht umgesetzt. In Anlage 3 zur LMKV finden sich die aufgeführten Allergene inklusive Ausnahmen nunmehr wieder. Auf der Suche nach dem Health-Claim (Nährwertprofil) Nicht zu verwechseln mit der Verpflichtung eines Lebensmittelherstellers zur Kennzeichnung eines Allergens ist die seit 2007 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die einheitliche Vorgaben für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel macht. Gemäß Artikel 29 der Verordnung gilt sie in allen Mitgliedstaaten ab dem Jahr 2007. Mit der Verordnung wird das Ziel verfolgt, den Schutz der Verbraucher vor Irreführung und Täuschung zu gewährleisten, aber auch den freien Warenverkehr im Binnenmarkt zu verbessern, die Rechtssicherheit für die Wirtschaftsakteure zu erhöhen und fairen Wettbewerb im Lebensmittelsektor sicherzustellen. Zunehmend werden Lebensmittel freiwillig mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Das hat die EU-Kommission zum Anlass genommen, einheitliche Regelungen für alle Mitgliedstaaten aufzustellen. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte, einschließlich der eingeführten Produkte, sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Schließlich sei »eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung eine Grundvoraussetzung für eine gute Gesundheit, und einzelne Produkte seien im Kontext der gesamten Ernährung von relativer Bedeutung«.
Die neue Verordnung soll keine Überschneidung zu den bisherigen europarechtlichen Bestimmungen darstellen. Vielmehr ist sie als eine Ergänzung zur Richtlinie 2000/13/EG zu verstehen. Die Richtlinie 2000/13/EG untersagt allgemein die Verwendung von Informationen, die den Käufer irreführen können oder den Lebensmitteln medizinische Eigenschaften zuschreiben. Mit der vorliegenden Verordnung sollten diese allgemeinen Grundsätze ergänzt und spezielle Vorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, festgelegt werden. Letztlich kommt die EU mit dieser Verordnung den bereits verabschiedeten Leitsätzen und Definitionen zur Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben des Codex Alimentarius aus dem Jahr 2004 nach. Die neue Allergenkennzeichnung der Europäischen Union löst manches Problem, schafft aber auch neue Die verpflichtende und einheitliche Kennzeichnung von Allergenen war ein großer Schritt zu einem besseren Verbraucherschutz, von dem gerade auch Zöliakie-Betroffene in hohem Maß profitiert haben. Auch wenn es bereits erste Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht durch die Entscheidungen der EFSA (European Food Safety Authority) gibt, hat durch die einheitliche Kennzeichnung Transparenz Einzug in die Lebensmittelkennzeichnung gehalten. Viele Lebensmittelhersteller hatten zu Beginn allerdings auch erhebliche Umstellungsschwierigkeiten, sodass erst nach einigen Monaten eine ordnungsgemäße Etikettierung gewährleistet werden konnte.
Im Zuge der neuen Allergenkennzeichnung hat sich jedoch ein neues, großes Problem gerade auch für Zöliakie-Betroffene herauskristallisiert: Es heißt Kontamination. Die gerade durch die neuen Kennzeichnungsvorschriften gewonnene Sicherheit der Verbraucher über die Zutaten eines Produkts wurde durch zunächst einige, nunmehr eine Vielzahl an Lebensmittelherstellern ad absurdum geführt. Produkte wurden mit der Bezeichnung Dieses Produkt kann Gluten enthalten. This product may contain gluten. etikettiert. Würden Sie ein solches Produkt essen? Hintergrund dieser Vorgehensweise ist, dass durch die neuen Vorschriften Kontaminationen beziehungsweise Verunreinigungen von Lebensmitteln nicht erfasst werden. Die können dann auftreten, wenn Hersteller zum Beispiel sowohl glutenfreie als auch glutenhaltige Produkte in ihrer Fabrik herstellen oder aber glutenfreie mit glutenhaltigen Inhaltsstoffen etwa bei der Lagerung oder dem Transport in Berührung kommen können. Für solche Fälle benutzen Lebensmittelhersteller die oben aufgeführten Warnhinweise. Es handelt sich hierbei jedoch gerade nicht um Rezepturbestandteile. Festzuhalten bleibt, das Produkt ist von seinen Zutaten her glutenfrei, aber es kann aufgrund von örtlichen oder ablauftechnischen Gegebenheiten zu einer Verunreinigung mit anderen glutenhaltigen Zutaten gekommen sein.
Leider ist aus diesem Ausnahmefall mittlerweile der Regelfall geworden. Viele Lebensmittelhersteller haben sich die entsprechenden Warnhinweise zu eigen gemacht, um im Falle von Kontaminationen aber auch bei zum Beispiel sonstigen Zufallsfunden von Allergenen in ihren Lebensmitteln rechtlich nicht auf Schadensersatz belangt werden zu können. Sowohl der Europäischen Union als auch dem nationalen Gesetzgeber ist diese Problematik, die zum derzeitigen Zeitpunkt den Sinn und Zweck der Allergenkennzeichnung in erheblichem Maß beeinträchtigt, bereits bekannt. Es bleibt abzuwarten, wie und in welcher Form hierauf in absehbarer Zeit reagiert werden wird. So lange bleibt ein genaues Studium der einzelnen Zutatenlisten weiterhin erforderlich. Was nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben tatsächlich sind, finden Sie unten rechtlich definiert. Hier ein paar »prominente« Beispiele für nährwertbezogene Aussagen, die Sie mit Sicherheit auch schon auf Verpackungen entdeckt haben: fettarm zuckerfrei ballaststoffreich
natriumarm hoher Vitamingehalt reich an Vitamin C Noch mehr Beispiele und die Kriterien, wann sie verwendet werden dürfen, finden Sie im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Auch folgende gesundheitsbezogene Aussagen haben Sie mit Sicherheit schon auf der einen oder anderen Verpackung gelesen: stärkt die Abwehrkräfte des Körpers Kalzium stärkt den Knochen gut für das Herz Maßstab dafür, ob eine irreführende oder gar falsche Angabe vorliegt, soll stets der durchschnittliche Verbraucher sein. Angaben sind dann falsch und irreführend, wenn sie nicht auf abgesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Zudem muss die für die ernährungsphysiologisch behauptete Wirkung erforderliche Menge durch den Verzehr des Produkts auch tatsächlich in einem Produkt vorhanden sein. Ein Hinweis darauf, dass erst der Konsum von zum Beispiel vier Joghurts zu der auf der Einzelverpackung beschriebenen Wirkung führen würde, ist somit unzulässig. Für alkoholische Getränke mit mehr als 1,2 Promille sind gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich nicht erlaubt.
Darüber hinaus schreibt die Verordnung vor, dass bei Verwendung von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben eine Nährwertkennzeichnung auf der Verpackung anzubringen ist. Anhand dieser Angaben können sich Verbraucher über den Gehalt an Kalorien, Fett, Eiweiß, Kohlenhydraten und gegebenenfalls anderen Nährstoffen, wie Salz/Natrium, Zucker, gesättigte Fettsäuren, informieren. Zusätzlich sollen Nährwertprofile (sogenannte Health Claims) zukünftig regeln, ab wann nährwert- beziehungsweise gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden dürfen. Hat ein Produkt zum Beispiel einen hohen Gehalt an Fett und Zucker, der das Nährwertprofil überschreitet, darf es generell keine nährwertbezogenen Angaben tragen. Ist in dem Produkt jedoch lediglich ein ungünstiger Nährstoff in einer übermäßig hohen Konzentration vorhanden, so sind nährwertbezogene Angaben erlaubt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass zugleich der ungünstige Nährstoff mit seiner hohen Konzentration erwähnt wird. Nährwertbezogene Angabe
Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung ist eine nährwertbezogene Angabe jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besonders positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund der Energie (Brennwert), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert und/oder der Nährstoffe oder anderen substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält. Durch die Nährwertprofile soll verhindert werden, dass Lebensmitteln der Anschein verliehen wird, sie hätten aufgrund des Gehalts an bestimmten Nährstoffen (zum Beispiel zugesetzten Vitaminen) besondere gesundheitliche Vorteile, obwohl sie aber gleichzeitig aufgrund ihrer Gesamtzusammensetzung im Rahmen der täglichen Ernährung eher nur in Maßen empfohlen werden können. Nährwertprofile werden zwar auf den Etiketten der Lebensmittel nicht erscheinen, ihre Bedingungen und Ausnahmen werden jedoch durch die Europäische Kommission auf der Grundlage eines Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unter Beteiligung der Mitgliedstaaten festgelegt. Dabei soll unter anderem die gesamte Nährwertzusammensetzung des Lebensmittels, die Bedeutung des Lebensmittels im Rahmen der Gesamternährung und des Vorhandenseins von einzelnen Nährstoffen einfließen. Auch die Bedürfnisse von Kindern als besonders schützenswerter Verbrauchergruppe sollen Berücksichtigung finden. Die Europäische Kommission wird zur einfacheren Überwachung ein öffentliches Gemeinschaftsregister erstellen, das alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel enthalten soll. Dadurch soll es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, die Einhaltung der verbindlichen Vorgaben effizient durchzusetzen.
Gesundheitsbezogene Angabe Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Nummer 5 der Verordnung ist eine gesundheitsbezogene Angabe jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Nach einer Übergangsphase, die entweder bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum des jeweiligen Produkts, längstens jedoch bis zum 31.07. 2009 dauert, werden alle Lebensmittel auch entsprechende nährwertbezogene Angaben enthalten müssen. Die durchgestrichene Ähre – das Glutenfrei-Symbol Das »Glutenfrei«-Symbol (die durchgestrichene Ähre) hat sich sowohl in Deutschland als auch international als vorherrschende Methode zur Kennzeichnung glutenfreier Produkte etabliert. Es gibt am Markt praktisch keine glutenfreien diätetischen Lebensmittel, die nicht mit dem »Glutenfrei«-Symbol gekennzeichnet sind. Auf die mit diesem Zeichen verbundene Garantie verlassen sich tagtäglich viele Zöliakie-Betroffene.
Um die mit der Verwendung dieses Gütesiegels zusammenhängende Garantie für Deutschland aufzubauen und aufrechtzuerhalten, hat die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. 1991 beschlossen, das »Glutenfrei«-Symbol beim Deutschen Patent- und Markenamt als Marke eintragen zu lassen. Seit Eintragung der Marke verfolgt die DZG das Ziel, Nachahmer fernzuhalten und mit Firmen, die das Symbol der »durchgestrichenen Ähre« verwenden möchten, Lizenzverträge abzuschließen, in denen die Art der Benutzung vertraglich festgelegt und insbesondere eine regelmäßige Überwachung der Einhaltung der von der Wissenschaft und Medizin vorgegebenen Standards für Glutenfreiheit sichergestellt wird. In den anderen europäischen Mitgliedsländern der EU haben die jeweiligen Zöliakie-Gesellschaften ebenfalls das »Glutenfrei«-Symbol eintragen lassen und führen dort ebenfalls eine Lizenzierung von Produkten durch. Seit 2012 haben sich mehrere europäische Zöliakie-Gesellschaften zu einem Europäischen Lizenzierungssystem (ELS) zusammengeschlossen. Ziel ist es, das »Glutenfrei«-Zeichen zukünftig anhand gemeinsamer Kriterien zu vergeben. Zudem soll das Zeichen mit einer Länderkennzeichnung versehen sein, sodass für den Verbraucher erkennbar ist, wo das Produkt lizenziert wurde.
Glutenfrei heißt nicht null oder Wie viel Gluten darf man eigentlich essen? Bereits seit Jahrzehnten streiten sich Wissenschaftler aus allen Ländern der Welt, wie viel Gluten denn nun tatsächlich noch »sicher« für einen Zöliakie-Betroffenen oder aber einen Patienten mit glutensensitiver Enteropathie sei. Natürlich werden Sie als Erstes sagen, dass 0,0 mg bestimmt sicher seien. Das Problem ist aber, dass es bisher noch keine analytische Methode gibt, die nachweisen kann, dass ein Lebensmittel genau 0,0 mg Gluten enthält. Bisher sind lediglich Verfahren zugelassen, die Gluten erst in einem Umfang von 5 mg/kg (= 5 ppm) nachweisen können. Bei diesen analytischen Messungen gibt es aber nicht selten auch Abweichungen von bis zu 5 ppm, sodass letztlich ein Wert von 10 ppm als realistisch nachweisbar erscheint. Studien in den letzten Jahren haben nachgewiesen, dass Zöliakie-Betroffene und glutensensitive Patienten ohne Weiteres auch höhere Mengen an Gluten beschwerdefrei vertragen. Dies muss jedoch auch in einem Zusammenhang mit der täglich aufgenommenen Menge etwa an Teigwaren aufgrund der nationalen Essgewohnheiten gesetzt werden. So nehmen zum Beispiel gerade Südeuropäer gern und oft Teigwaren zu sich. In Skandinavien überwiegen dagegen mehr Kartoffelgerichte. Daher haben sich in vielen Ländern der Welt unterschiedliche Grenzwerte für die Glutenfreiheit eines Produkts eingebürgert. In einigen Ländern sind sie gesetzlich festgeschrieben, wie zum Beispiel in Italien. In anderen beruhen sie dagegen auf Selbstverpflichtungen der Industrie beziehungsweise dem sogenannten Codex Alimentarius. Der Codex Alimentarius der Welthandelsorganisation (WTO) hielt lange Zeit zwei Werte für die Glutenfreiheit eines Lebensmittels für entscheidend.
Wenn glutenfreie Lebensmittel aus von Natur aus glutenfreien Rohstoffen hergestellt werden, dürfen nicht mehr als 20 mg/kg Gluten im Endprodukt enthalten sein. Für Lebensmittel, die auf der Basis von glutenfreier Weizenstärke (siehe Kapitel 4) hergestellt wurden, galt ein Grenzwert von 200 mg/kg. Aufgrund der verschiedenen Auffassungen der Wissenschaftler und Forscher auf der einen Seite und der Lebensmittelindustrie auf der anderen Seite waren diese Grenzwerte über Jahrzehnte hinweg lediglich eine Empfehlung, da ein Standard für glutenfreie Lebensmittel nicht existierte. Im Jahr 2007 einigte man sich jedoch nach jahrzehntelangem Ringen auf die Verabschiedung eines solchen Standards. Zukünftig gilt der Standard für diätetische Lebensmittel für glutenintolerante (-sensitive) Personen. Im Anwendungsbereich ist festgelegt, dass auch von Natur aus glutenfreie Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs, sofern für Zöliakie-Betroffene geeignet, in den Geltungsbereich des Standards fallen können. Glutenfreie Lebensmittel sind diätetische Lebensmittel ohne Weizen, Weizenderivate (Dinkel, Emmer, Kamut, Einkorn), Gerste, Roggen und Hafer mit einem maximalen Grenzwert von 20 mg Gluten pro Kilogramm im abgegebenen Erzeugnis.
Der Hafer ist weiterhin mit einer Fußnote versehen, wonach die Freigabe für eine glutenfreie Ernährung auf nationaler Ebene erfolgen kann (siehe hierzu auch Kapitel 4). In der Praxis bedeutet dies ein verbindlicher Grenzwert in Höhe von 20 mg Gluten pro Kilogramm Produkt wie abgegeben. Weizenstärkehaltige Produkte können als glutenfrei gekennzeichnet werden, wenn der Glutengehalt im Enderzeugnis ebenfalls 20 mg Gluten pro Kilogramm nicht übersteigt. Neu ist die Beschreibung von diätetischen Lebensmitteln mit glutenfrei gemachten Rohstoffen, zum Beispiel Weizenstärke und einem Grenzwert in Höhe von 20 bis 100 mg Gluten pro Kilogramm im abgegebenen Erzeugnis: Für diese Produktkategorie wurde die Kennzeichnung »sehr geringer Glutengehalt« festgelegt. Die Kennzeichnung erfolgt künftig auf nationaler beziehungsweise europäischer Ebene. Während die Bezeichnung »sehr geringer Glutengehalt« bereits in einigen Ländern eingeführt ist, wird sie jedoch flächendeckend voraussichtlich Verunsicherungen auslösen und dazu führen, dass Produkte, die am Markt eingeführt sind und nachweislich auch für eine Vielzahl betroffener Verbraucher verträglich sind, vom Markt verschwinden werden.
Auch fragen will gelernt sein – auf der Suche nach zuverlässigen Informationen Die gute Nachricht zuerst: Es gibt unzählige Informationen über Zöliakie, glutensensitive Enteropathie und natürlich glutenfreie Ernährung, besonders im Internet. Die schlechte Nachricht ist: Vieles davon ist unvollständig oder sogar widersprüchlich. Unabhängig davon, wer oder was die Quelle der Information ist, sollten Sie immer auch die Glaubwürdigkeit der Quelle bewerten. Hier ein paar Tipps, wie Sie am besten vorgehen können: Achten Sie auf das Publikationsdatum. Informationen im Internet und in Büchern können bereits in der Minute, in der sie veröffentlicht wurden, überholt sein. Sie sollten daher aufpassen, dass Sie auch wirklich Informationen über den aktuellen Stand lesen. Achten Sie auf Referenzen. Haben die Autoren ein fachlich fundiertes Wissen (etwa durch Studium oder Ausbildung) oder teilen sie lediglich ihre persönlichen Erfahrungen und Meinungen mit. Woher haben sie ihre Informationen? Nicht jeder Autor ist auch zuverlässig. Schließlich braucht man für Publikationen im Internet oder in Büchern keine Lizenz oder Genehmigung.
Vergleichen Sie unterschiedliche Quellen und unterschiedliche Informationen. Viele Informationen, die Sie in Büchern oder im Internet über die glutenfreie Ernährung finden werden, sind widersprüchlich. Daher sollten Sie immer möglichst mehrere Quellen vergleichen. Glutenfreies im Internet Einige Webseiten sind wirklich hervorragend und da ich Ihnen keine dieser hervorragenden Seiten verschweigen möchte, folgt eine kleine Aufstellung von Selbsthilfegruppen: Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V.: www.dzg-online.de Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie: www.zoeliakie.or.at IG Zöliakie der Deutschen Schweiz: www.zoeliakie.ch Association of European Coeliac Societies (AOECS) der Dachverband aller europäischen Zöliakie-Gesellschaften: www.aoecs.org Zöliakie-Gesellschaften in den USA: www.gluten.net, www.celiac.org, www.csaceliacs.org, www.gfcfdiet.com Wenn Sie Lust auf einen Austausch mit Betroffenen haben (etwa über Back- oder Kochrezepte oder neue Produkte), kann ich Ihnen auch noch den Zöliakie-Treff (www.zoeliakie-treff.de) und die Facebook-Seite der DZG (www.facebook.com/DeutscheZoliakieGesellschaft) empfehlen. Dabei handelt es sich um ein Forum von und für Zöliakie-Betroffene, in dem die vielseitigsten Fragestellungen rund um die glutenfreie Ernährung diskutiert werden können. Zudem finden Sie dort, nach Postleitzahlen gegliedert, Informationen für Ihre Region.
Und hier einige englischsprachige Seiten: www.celiac.com, www.celiackids.com, www.glutenfreemd.com, www.glutenfreedom.net. Zudem kann ich Ihnen eine Non-Profit-Vereinigung für Quellen im Internet (ICORS) empfehlen. Unter www.listname.icors.org finden Sie eine Zöliakie-Listserv, eine Liste speziell für Zöliakie-Betroffene. Sie melden sich bei der Liste an, indem Sie eine E-Mail an die Liste (listserv@list serv.icors.org) mit dem Inhalt subSCRIBE CELIAC und anschließend den Vor- und Nachnamen schicken. Anschließend erhalten Sie Nachrichten und Mitteilungen (Fragen, Kommentare, Produktempfehlungen, Rezepte und vieles mehr) von anderen Mitgliedern der Liste. Sie können natürlich dann auch an alle Teilnehmer Ihre Fragen und Kommentare schicken. Sie erhalten die Nachrichten und Mitteilungen jeweils per E-Mail. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich die Mitteilungen auf einer Webseite anzuschauen. Vergessen Sie nicht, dass diese Liste offen für jeden ist und dass Sie gegebenenfalls sehr sorgfältig die dort veröffentlichten Mitteilungen prüfen müssen.6
Glutenfreie und gesunde Ernährung In diesem Kapitel Was Nahrungsmittel bieten müssen Sich mit dem glykämischen Index und der glykämischen Last vertraut machen Genügend Nährstoffe aufnehmen Mit der glutenfreien Ernährung das Gewicht im Griff haben Sportliche Leistungsfähigkeit mit glutenfreier Ernährung Egal ob Sie Salathasser sind oder unter Orthorexie leiden (das ist die zwanghafte Beschäftigung mit gesundem Essen), es ist einfacher, sich glutenfrei zu ernähren. Sie müssen nicht auf irgendwelche Ernährungspyramiden achten, Portionen abwiegen, ein Ernährungstagebuch führen oder Kalorien zählen. Ich habe nicht nur ein vorübergehendes Interesse an Ernährung und es geht weit darüber hinaus, ob etwas glutenfrei ist oder nicht. Ich liebe es zu essen und bin der festen Überzeugung, dass man Nahrungsmittel respektieren und wertschätzen sollte. Sie bieten uns schließlich unterschiedlichste Geschmacksrichtungen, Genuss und Energie. In diesem Kapitel möchte ich mit Ihnen meine Leidenschaft für das Essen teilen, denn Essen ist nicht nur dazu da, den Hunger zu stillen. Außerdem werde ich Ihnen zeigen, warum es für eine gesunde Lebensweise wichtig ist, auf die glykämische Last zu achten. Und ich hoffe sehr, dass ich Sie auf den Weg einer gesunden, glutenfreien Ernährung bringen kann.