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1919-05-21 23:00:00
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Selbstverwirklichung: Warum reicht Zufriedenheit im Job nicht mehr aus?
Selbstverwirklichung steht heute bei vielen Angestellten ganz oben auf der Liste ihrer Karriereziele (verlinkt auf /themen/karriere/) . Seminare und Ratgeber zu „So findest du deine Berufung“ boomen. Sich selbst zu verwirklichen bedeutet für die Berufungs-Sucher, selbstbestimmt den eigenen Träumen und Zielen zu folgen und endlich all das zu tun, was ihnen wirklich richtig liegt und wofür sie von ganzem Herzen brennen. Die Berufung als heilbringende Erlösung von der heutigen Unsinnigkeit des Tuns und der täglichen Quälerei in unliebsamen Jobs: Langweiliges, Überforderndes, unfähige Chefs, nervige Kollegen, keine Wertschätzung, fehlende Perspektiven. All das wäre dann endlich Geschichte, denn sie sind sich sicher: Haben sie einmal ihre Berufung gefunden, dann ist auch der Rest erfüllt: Erfolg und Geld, Passion und echte Hingabe, Glück und Freude, Anerkennung und Wertschätzung, Sinn und gesellschaftliche Wirksamkeit. Tschakka, Du schaffst es! Die Berichte über die neue Südsee-Bar des Ex-Konzernvorstandes, über die ehemalige Abteilungsleiterin, die jetzt Bloggerin ist, oder den TV-Moderator, der zum Notfall-Sanitäter umsattelt, suggerieren, dass es heute eigentlich ganz leicht ist, seine Träume zu realisieren. Tschakka-Gurus mit ihren „Du musst es nur wollen, dann schaffst du es auch!“-Parolen tun ihr Übriges. Dabei sind sie selbst die größten Selbstverwirklicher auf der Suche nach dem schnellen Applaus aus der Masse ihrer Anhänger. So sehr Tschakka in diesem Moment in der Gemeinschaft frustriert Gleichgesinnter gut tut und so sehr die von der Bühne zugerufenen „Mach dein Hobby zum Beruf“-Parolen motivieren, so schnell verpufft das gute Gefühl auch wieder. Es braucht es eine große Portion Selbstverantwortung jedes Einzelnen, um die Vielfältigkeit der individuellen Möglichkeiten überhaupt erst zu entdecken, aktiv neue Wege einzuschlagen und sich diese auch selbst erlauben zu dürfen. Die Realität ist eine andere als sie im Scheinwerferlicht der Tschakka-Redner erscheint: Denn wieder angekommen im echten Leben ist Sicherheit für die meisten Menschen doch wichtiger als Freiheit oder der Umzug mit der Familie kommt einfach nicht in Frage, um endlich den eigenen Traum zu leben. „Tschakka, Du hast die Wahl!“ wäre wohl die realistischere Botschaft. Das Geschäft mit der Berufung boomt Über zweihundert Ratgeber listet Amazon (verlinkt auf https://www.welt.de/finanzen/verbraucher/article183439860/Black-Friday-2019-Die-Deals-im-Ueberblick-was-sich-jetzt-lohnt.html) zum Begriff „Berufung“. Knapp 7.500 Ergebnisse findet Google (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/google/) zu „Berufungscoaching“, sogar ein Zertifikatslehrgang zum Berufungscoach ist dabei. Das Geschäft mit der Berufung boomt. Die Zahlungsbereitschaft der Berufung Suchenden wächst, je stärker die in der zunehmend komplexen und dynamischen Arbeitswelt empfundene Unzufriedenheit und die Sehnsucht nach dem Neuen werden. Hinzu kommt: Die Treue zum eigenen Arbeitgeber lässt immer mehr nach. Zwei Drittel machen nur Dienst nach Vorschrift, 15 Prozent haben sogar schon innerlich gekündigt, so die Ergebnisse der gerade erschienenen Gallup-Studie (verlinkt auf /gesundheit/article162997747/Gluecks-Ratgeber-machen-eher-ungluecklich.html) . Besonders die Vertreter der jungen Generationen scheinen heute der Meinung zu sein, Karriere müsse ihnen Sicherheit und Halt sowie gleichzeitig ständige Herausforderung, Abenteuer und bunte Abwechslung mit einer großen Portion Feelgood bieten. Passt es nicht mehr, geht es fix zum nächsten Arbeitgeber. Flucht statt Entwicklung Die meisten meiner Klienten mit Anliegen zur beruflichen Neuorientierung kommen zu einem Zeitpunkt zu mir, zu dem die Kündigung bereits auf dem Tisch liegt oder ein Weiter-so gesundheitlich nicht mehr funktioniert. Ihnen allen geht es um ein Weg-von statt um ein Hin-zu. Die bewusste Aufgabe des bisherigen Jobs zur Realisierung neuer, attraktiverer Wege, das ist die absolute Ausnahme. Wer es dabei nicht schafft, den Wunsch nach Flucht vorm Alten in echte Neugierde auf Neues zu verwandeln, der verharrt am Ende unzufrieden im Status Quo oder erlebt das Neue lediglich als zweite Wahl – das Ziel der wirklichen Berufung weiter im Blick. Und so zählt mancher Angestellte die Monate, bis er wieder guten Gewissens für einen sauberen Lebenslauf den Arbeitgeber wechseln und einen neuen Anlauf in Richtung Berufung unternehmen darf. Unentwegt schielend auf das, was bei anderen so sehr funkelt, doch für sich selbst so weit entfernt erscheint. Jegliche in der knappen Freizeit aufgetankte Energie wird investiert in die eigene Selbstoptimierung und die unermüdliche Suche nach dem Undefinierbaren, das endlich ein Ankommen im Beruf verspricht. Dass sie in dieser Berufungs-Trance die eigenen Erfolge und schönen Momente im Hier und Jetzt verpassen, bemerken viele von ihnen nicht. Sie vergessen, was sie in den letzten Jahren im Beruf erfahren und erreicht haben. Der für ihre weitere berufliche Entwicklung so wichtige Blick auf die eigenen Stärken und Talente ist ihnen längst abhandengekommen. Sie stecken fest in einer Denkschleife aus latenter Unzufriedenheit, rastlosem Veränderungsdrang und der Ohnmacht, in diesem gewohnten Zustand doch keinen Schritt in die gewünschte Richtung zu kommen. Zufriedenheit ist kein Second-best Ich persönlich kann nichts mit dem Begriff der Berufung anfangen. Das ist mir zu hoch – ja, fast Gott geschenkt. Es drückt Passivität aus, wenn ich nur darauf warten muss, bis die Berufung mich gefunden hat. Ich übe heute einen Beruf aus, der mir Freude macht, den ich als sinnstiftend erfahre und der mir die Freiheit gibt, die mir wichtig ist. Ich bin zufrieden mit der Entwicklung der letzten Jahre und bin neugierig auf das, was kommen wird. Dass ich meine Berufung gefunden haben soll, klingt für mich nicht stimmig. Es täte unserer Gesellschaft gut, wieder zu einem gesunden Maß für Zufriedenheit zu finden. Es ist gut und wichtig, die verlockenden Möglichkeiten im Garten Eden der heutigen Ausbildungs- und Arbeitslandschaft zu sehen, doch es ist auf Dauer ungesund, nur hinauf auf die perfektesten Äpfel in Nachbars Garten zu blicken. Zumal heute viele in einem behüteten Lebensumfeld und bis zum Master verschulten Bildungssystem (verlinkt auf /themen/bildung/) das Klettern am Baum gänzlich verlernt haben und stattdessen erwarten, dass jemand an ihm rüttelt, ihnen die Berufung in den Schoß fällt und endlich alles gut wird. Zufriedenheit ist kein Second-best aus Resignation über das Unerreichbare. Sie ist vielmehr eine gesunde Haltung, die jeder von uns individuell für sich und sein Leben definieren kann. Zufriedenheit ist die Gelassenheit, die positiven Seiten des Heute bewusst zu erleben, die Chancen von morgen zu erkennen und selbstbestimmt ergreifen zu dürfen. Es geht nicht um die große Stellschraube Berufung, sondern um viele kleine Schräubchen im täglichen Leben, an denen wir leicht selbst drehen können. Denn Zufriedenheit ist vor allem Leichtigkeit. Der Autor ist Karrierecoach in Köln und BILANZ-Kolumnist.
Bernd Slaghuis
Für viele Menschen wird die unermüdliche Suche nach Sinn und Erfüllung im Beruf zur Lebensaufgabe. Dabei täte es unserer Gesellschaft gut, wieder zu einem gesunden Maß für Zufriedenheit zurückzufinden.
Wirtschaft
Bilanz
2017-03-27T12:57:15Z
2017-03-28T06:51:58Z
Warum reicht Zufriedenheit im Job nicht mehr aus?
https://www.welt.de//wirtschaft/bilanz/article163194513/Warum-reicht-Zufriedenheit-im-Job-nicht-mehr-aus.html
Tom of Finland: Die finnische Briefmarke mit homoerotischer Kunst
Man könnte sagen: Endlich gibt es bald drei Briefmarken, wegen derer man Briefe und Postkarten von Finnland (verlinkt auf /themen/finnland-reisen/) aus aufgeben möchte – am besten direkt an Russlands Präsidenten Wladimir Putin (verlinkt auf /kultur/article123830198/Vielen-Dank-Wladimir-Putin.html) . Eine Marke zeigt ein Paar männlicher Pobacken und das Gesicht eines anderen Mannes, das zwischen den muskulösen Beinen hervorschaut. Eine andere Marke zeigt einen im „Village People“ (verlinkt auf /kultur/article3118091/Mit-Y-M-C-A-startete-der-schwule-Pop-durch.html) -Kostüm gekleideten Polizisten, der auf den Schultern eines nackten Mannes sitzt und seinen Lederstiefel in den Schambereich des anderen Mannes hängen lässt. Diese Bilder zieren eine neue Briefmarkenserie, die ab September von der finnischen Post (Itella) herausgegeben wird. Die Serie feiert eine Homosexuellen-Ikone, den schwulen Künstler Tom of Finland. Er ist einer der bekanntesten finnischen Künstler der Welt, seine Arbeiten sind im Museum of Modern Art von New York und von Los Angeles zu finden. Touko Laaksonen hat über 3500 Zeichnungen geschaffen Die beschriebenen Zeichnungen stammen von über 3500 Zeichnungen, die Touko Laaksonen (1920–1991) geschaffen hat. Laakson ist der finnische Künstler, der hinter dem Pseudonym Tom of Finland steckt. Timo Berry ist Grafiker und hat die Briefmarken mit den schwulen Motiven designt. Er sagt, dass die Zeichnungen ausgewählt wurden, um für Laaksonen typische Kunst widerzuspiegeln: homoerotische Bilder, die besonders maskuline Männer in Lederklamotten zeigen, die gleichzeitig sinnlich, kräftig und stolz wirken sollen. Es sei Laaksonens Stil gewesen, Selbstironie und den für Subkulturen typischen Humor zu nutzen. Da die Briefmarken für die Öffentlichkeit geeignet sein mussten, konnte ein Großteil von Laaksonens Arbeiten gar nicht in die engere Auswahl aufgenommen werden. „Wir haben Bilder von Analsex, Orgien und Ejakulationen von der Auswahl ausgenommen“, sagte Berry der „Welt“. Schwule Lederkultur inspiriert Tom of Finlands einfühlsame, maskuline homoerotische Zeichnungen haben einen ikonischen Status innerhalb ihres Genres und die Popkultur der westlichen Welt beeinflusst. Laut Timo Berry wurde die gesamte schwule Lederkultur von Tom of Finlands Zeichnungen inspiriert. „Sei es ‚Queen‘ oder ‚Village People‘ – alle wurden von Tom beeinflusst“, sagt Berry. Berry, der mehr als 30 finnische Briefmarken designt hat, sagt, dass er eigentlich nur positives Feedback für die neue Serie bekam. Es gibt allerdings auch Menschen in Finnland, welche die schwulen Idole auf den neuen offiziellen Briefmarken ablehnen und im Vorfeld Beschwerden bei der finnischen Post eingereicht haben. „Es sind nur Pobacken“ „Es sind nur Pobacken. Dasselbe sieht man bei der Skulptur ,Drei Schmiede‘ (1932) inmitten von Helsinki – nur ohne den Hut“, sagt Berry in Bezug auf diese Kritik und meint damit eine berühmte finnische Bronzestatue von nackten Männern, die auf einem Amboss eindreschen. „Wir haben die Briefmarke geschaffen, um Toms Arbeit zu feiern – und der Inhalt seiner Arbeit ist halt homoerotisch.“ Auch wenn die Situation für sexuelle Minderheiten in Finnland besser ist als in Russland – wo solche Briefmarken wahrscheinlich illegal wären –, ist sie schlechter als in vielen anderen europäischen Ländern. Sexuelle Minderheiten sind zwar im Großen und Ganzen akzeptiert, aber das finnische Parlament debattiert immer noch darüber, ob gleichgeschlechtliche Hochzeiten erlaubt werden sollen oder nicht.
Suvi Turtiainen
In Finnland kommt im Herbst eine neue Briefmarkenserie heraus. Darunter auch mit Bildern des weltberühmten Künstlers Tom of Finland. Sein bevorzugtes Motiv: homoerotische, sehr maskuline Posen.
Vermischtes
2014-04-16T05:22:44Z
2017-08-22T18:29:26Z
Die finnische Briefmarke mit homoerotischer Kunst
https://www.welt.de//vermischtes/article127003601/Die-finnische-Briefmarke-mit-homoerotischer-Kunst.html
Jugenderinnerungen: Oli P. legt 90er-Hits auf und erntet quietschige Schreie
Wie begrüßt man eigentlich Oli P.? „Hallo Herr P. oder Hey, Oli. Oder doch lieber ganz förmlich: „Schönen guten Abend, Herr Oliver Alexander Reinhard Petszokat?“ Schließlich ist es 15 Jahre her, dass er als schnuckliger Ricky Marquart bei „GZSZ“ (verlinkt auf /themen/gzsz/) rumturnte und Bravo-Ottos ins Regal stellen konnte. Damals, wenn Teeniemädels ihn zufällig auf der Straße trafen, sagten sie meist nichts, sondern stellten sich einfach vor ihn und kreischten los. So erzählt er später. 1999 gewann er mit seiner Cover-Rapversion von Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“ den Echo für die erfolgreichste nationale Rock-/Pop-Single. Da weinte er vor Glück. Jetzt kommt der mittlerweile 35-Jährige am Mittwochabend mit knallroten Wangen und DJ-Roll-Köfferchen in den Katana Club im Japan Tower gerannt. Der Papa eines 15-Jährigens hat nur wenige Minuten. Dann muss er seinen DJ-Job erledigen. Bei der „After Work Fasching“-Party. Untertitel: „Die verrückte 90s-Trash-Pop-Show mit Oli P.“ Der Laden ist knackig voll. „Revival“ oder „Fremdscham-Alarm“ Caro (30) und ihre Freundin Kristin (32) sind einige der wenigen, die offen gestehen, dass sie extra wegen Oli P. gekommen sind. „Das ist ein Revival meiner Jugend“, sagt Caro. Ihre Freundin Kristin piepst: „Oli P. live zu sehen ist einfach der Knaller.“ Auch eine Dreier-Gruppe von Jungs wartet nur auf Oli P. Aber aus anderen Gründen. Ralf (29) sagt: „Ich verbinde mit Oli P. eher Fremdscham-Alarm. Rappen kann er gar nicht. Aber ich finde ihn witzig.“ Für Kim (24) ist er eine Kindheitserinnerung: „Meine Mama fand ihn bei GZSZ gut.“ Sie ist aber nicht hier. „Mittlerweile ist sie eine gestandene Frau“, so Kim und lacht. Auf den Werbe-Plakaten zum Event schaut Oli P. etwas traurig. In echt wirkt er aber so strahlemannfröhlich wie früher. Er sagt: „Hallo.“ Ich antworte mit einem simplen: „Hallo.“ Namensproblem umgangen. Der Interviewort: Ein Abstell-Räumchen hinter der Küche des Clubs. Oli P. sieht fast aus wie früher. Nur statt blonder Haarpracht, ist er jetzt der Typ „Glatzen-Bachelor“. „Ich bin gerade mit einem grippalen Infekt unterwegs. Aber ich habe mir ‘ne Aspirin Complex geschmissen. Also alles gut“, erzählt er. Aus seiner Wahlheimat Köln (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/koeln/) ist er angereist. Dort führt er mit seiner Freundin einen Bio-Hundefutter-Laden namens „Stöckchens Delikatessen“. Er habe auch einen einzigartigen Hundefutterzusatz entwickelt, den er im Mai auf einer Messe vorstellt. „Stehst du selbst hinter der Theke deines Ladens?“, frage ich. „Ja, dort kannst du sagen „Oli, gib mir mein Herz zurück und ich gebe dir dann 250 Gramm Rind für deinen Hund“, antwortet er und grinst. Witzig ist er ja. Ab und an spielt er Theater und er will nun wieder ins Studio: Neue Musik machen, weil es Spaß macht. 90er-Hits von Echt bis Whigfield Ansonsten ist er voll in der Hundewelt unterwegs. Er plant Internet-Formate wie „Olis Hundehütte“ und „Beuteküche“. Es dränge ihn nicht mehr so sehr ins TV-Rampenlicht wie früher. Die Aussage wirkt ehrlich. Seit fünf Jahren ist er als DJ deutschlandweit, aber auch in Österreich und der Schweiz an den Wochenenden im Einsatz. In Frankfurt (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/frankfurt-am-maIn/) ist er zum ersten Mal. „Ich bin total aufgeregt. Das gehört bei mir dazu. Egal, welchen Job ich mache.“ Quietschige „Oli-Schreie“ ertönen, als er an das DJ-Pult kommt. Er beginnt mit „Back-street Boys are back again“. Es folgen zwei Stunden lang 90er-Hits von Echt bis Whigfield. Mädchen in sexy Kleidchen wie Damen im Strickpulli stellen sich mit ihren Smartphones vor sein DJ-Pult und strahlen ihn verliebt an. Und ja er singt auch. Und zwar seine zwei größten Hits: Die Cover-Version von Maffays „So bist du“ und Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“. Das Publikum singt im Nostalgie-Rausch ihrer Jugend mit. Eine Frau wischt sich eine Träne weg. Einige lassen sich mit ihm fotografieren. Als der Andrang zu groß wird, greift ein DJ-Kollege ein. „Um 23 Uhr ist Oli fertig und dann kriegt ihr alle ein Foto mit ihm. Aber jetzt muss er arbeiten.“ Oli P., früher Standardtänzer, gibt alles an den Reglern. Eine Blondine, die gar nicht wusste, dass Oli P. hier auflegt, sagt: „Der Mix ist der Knaller. Und er hat mich beim Tanzen angegrinst.“ Selbst ihr Freund, der ansonsten eher Kategorie Tanz-Verweigerer ist, kann bei „I’m a Barbie girl“ nicht mehr stillstehen und bewegt sich, so gut er das vermag. „Vielleicht buche ich Oli P. für meinen 50. Geburtstag. Ich frage ihn später nach seiner Visitenkarte.“ Oli P. freut sich über seinen Frankfurter Erfolg. Er strahlt wie ein kleiner Junge, dem man einen gerade die beste heiße Schokolade seines Lebens ausgegeben hat.
Kathrin Rosendorff
Ex-Soapstar Oliver Petszokat beglückt jetzt als DJ. Außerdem betreibt er einen Bio-Hundefutter-Laden. Bein einem Besuch in Frankfurt kommen die alten Fans – und sind teils zu Tränen gerührt.
Regionales
Frankfurt
2014-02-27T20:11:27Z
2017-08-29T07:30:31Z
Oli P. legt 90er-Hits auf und erntet quietschige Schreie
https://www.welt.de//regionales/frankfurt/article125277697/Oli-P-legt-90er-Hits-auf-und-erntet-quietschige-Schreie.html
Unklare Position: CDU in NRW noch ohne Haltung zu Studiengebühren
Die CDU-Landtagsfraktion hält ihre Haltung zu Studiengebühren offen. Partei und Fraktion der Christdemokraten wollten bis Anfang nächsten Jahres ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Hochschulen erarbeiten, in dem diese Frage geregelt werde, sagte Stefan Berger, Hochschulpolitiker der CDU-Fraktion im Landtag, am Donnerstag in Düsseldorf (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/duesseldorf/) . "Wir haben für die NRW-CDU eine ungeklärte Situation", gab er zu. Im zurückliegenden Landtagswahlkampf hatte der später unterlegene CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen erklärt, er wolle Studiengebühren nicht wieder einführen. Die umstrittenen Beiträge waren nach 2005 von der CDU/FDP-Landesregierung eingeführt und von der folgenden rot-grünen Minderheitsregierung umgehend gestrichen worden. 111.000 Erstsemester Der Politiker der größten Oppositionspartei im Landtag hielt der rot-grünen Landesregierung vor, dass für den doppelten Abiturjahrgang 2012/13 nicht ausreichend Studienplätze zur Verfügung stünden. Prognosen, etwa der Kultusministerkonferenz, nähmen mehr Studienanfänger aus dem Jahrgang an, als die vom Land erwarteten 111.000 Erstsemester. Zugleich würden Kompensationsmittel für die ausgefallenen Gebühren noch auf Basis der Studentenzahlen von 2009 berechnet und nicht erhöht. Die Zahl der Erstsemester an allen NRW-Hochschulen ist zum Wintersemester 2011/12 gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent gestiegen.
WELT
Die CDU-Position zu Studiengebühren in NRW ist bis dato noch „ungeklärt“. Kurz bevor der doppelte Abiturjahrgang 2012/13 die Universitäten flutet, herrscht in der NRW-CDU Ratlosigkeit zu diesem Thema.
Regionales
Düsseldorf
2012-08-09T12:10:37Z
2012-10-16T09:58:35Z
CDU in NRW noch ohne Haltung zu Studiengebühren
https://www.welt.de//regionales/duesseldorf/article108556687/CDU-in-NRW-noch-ohne-Haltung-zu-Studiengebuehren.html
Basketball: Jason George vom FC Bayern unter Drogen-Verdacht
Vor dem Start der Play-offs wird die Basketball-Bundesliga von einem Drogen-Skandal erschüttert. Bei Jason George, unter Vertrag beim FC Bayern und seit Winter an die Chemnitz 99ers ausgeliehen, wurde bei einer Dopingprobe nach dem Spiel gegen Rostock am 2. April ein verbotenes Stimulanzmittel nachgewiesen. Das bestätigte die Anti-Doping-Agentur Nada. „Die NADA hat aufgrund eines möglichen Verstoßes (...) ein sportrechtliches Ergebnismanagementverfahren gegen den genannten Sportler eingeleitet. In der Probe wurde eine nicht-spezifische Substanz aus der Substanzklasse S.6 gefunden. Das Verfahren ist anhängig, der Spieler ist derzeit suspendiert“, hieß es in dem veröffentlichten Statement.  Zur Substanzklasse S.6 zählen Stimulanzien. Nach Informationen von „Bild“ handelt es sich um Spuren der Partydrogen Ecstasy und Crystal Meth, die in Georges Urin gefunden wurden. Eine Quelle aus dem Chemnitzer Vereinsumfeld wollte das dem Bericht zufolge nicht direkt bestätigen, sagte aber: „So dumm kannst du eigentlich gar nicht sein, das Zeug noch zu nehmen.“ Jason George droht weltweite Sperre von vier Jahren Der 21-Jährige, der versucht haben soll, die Dopingprobe zu umgehen, ist nun suspendiert und wird nicht in den Play-offs spielen, Chemnitz trifft in der ersten Runde auf Bonn. George droht eine weltweite Sperre von vier Jahren. Der Profi soll versucht haben, die Dopingprobe zu umgehen.  Damit setzt der Flügelspieler eine vielversprechende Karriere aufs Spiel. George hat bei den Münchnern noch einen Vertrag bis 2026 und sollte ursprünglich bis mindestens zum Ende der nächsten Spielzeit für die Niners auf Korbjagd gehen. Im Februar hatte der gebürtige Ulmer sein Debüt im deutschen Nationalteam gegeben. Der FC Bayern und die Niners wollten sich nicht äußern, verwiesen auf das schwebende Verfahren. Leistungsfördernd wirkte sich der Drogen-Cocktail übrigens offenbar nicht aus. Bei der damaligen 69:71-Niederlage gegen Rostock verwarf George alle seine fünf Versuche aus dem Feld.
WELT
Kurz vor den Play-offs gibt es in der Basketball-Bundesliga offenbar einen Drogenskandal. Der deutsche Nationalspieler Jason George wurde bei einer Dopingprobe positiv getestet. Es soll sich um zwei Party-Drogen handeln.
Sport
Basketball
2023-05-09T07:44:41Z
2023-05-09T07:44:41Z
Nationalspieler des FC Bayern unter Drogen-Verdacht
https://www.welt.de/sport/basketball/article245238910/Basketball-Jason-George-vom-FC-Bayern-unter-Drogen-Verdacht.html
Endspurt im Wahlkampf: AfD könnte zweistellige Ergebnisse erzielen
Kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt geben die Parteien alles. In allen drei Bundesländern drohen die Regierungen ihre Mehrheiten zu verlieren.
WELT
Kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt geben die Parteien alles. In allen drei Bundesländern drohen die Regierungen ihre Mehrheiten zu verlieren.
Deutschland
2016-03-10T19:50:27Z
2016-12-17T11:58:34Z
AfD könnte zweistellige Ergebnisse erzielen
https://www.welt.de//politik/deutschland/video153176428/AfD-koennte-zweistellige-Ergebnisse-erzielen.html
Flüchtlingskrise: Linke kritisiert Zeitarbeit im BAMF
Die Zahl der zeitlich befristeten Arbeitsverträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat sich in diesem Jahr mehr als verdoppelt. Von den knapp 900 zusätzlichen Vollzeitstellen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise wurden 307 – und damit mehr als ein Drittel – befristet, ergab eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag an das Innenministerium. Die Linksfraktion kritisiert diese Personalpolitik scharf. „Mit befristetem Personal können zentrale staatliche Anforderungen nicht durchgeführt werden“, sagte Jutta Krellmann, Fraktionssprecherin für Arbeit und Mitbestimmung, der „Welt“. Leidtragende seien sowohl die Beschäftigten, die kurz vor dem Kollaps stünden, als auch die Flüchtlinge (verlinkt auf /themen/fluechtlinge/) , deren Integration durch das BAMF (verlinkt auf /themen/bamf/) blockiert werde. Sie sprach von einer „dummen und unfähigen Personalpolitik, die fast schon an Sabotage grenzt“. Um den Rückstau von 360.000 unbearbeiteten Asylanträgen abzubauen, erhält das BAMF 3000 neue Stellen und verdoppelt so seine Mitarbeiterzahl. Nach Auskunft des Innenministeriums ist die Detailplanung der Behörde zur Besetzung der neuen Stellen noch nicht abgeschlossen. „Vorgesehen ist die Einstellung von Beamten auf Dauerstellen als auch von befristeten Tarifbeschäftigten“, teilte das Ministerium mit. Grundsätzlich erfolgte die Einstellung im Bereich der Tarifbeschäftigten in den letzten Jahren überwiegend befristet. Nach Angaben des Ministeriums sind 575 von derzeit 3078 Beschäftigten befristet angestellt, das ist jeder fünfte Mitarbeiter. In den letzten neun Jahren hat sich die Zahl der Befristungen verachtfacht. 96 Prozent der Befristungen ohne Begründung Besonders drastisch stiegen die Befristungen ohne Sachgrund. Im zweiten Halbjahr wurden 96 Prozent der Befristungen nicht begründet. Damit ist der Anteil dieser Befristungen in der Behörde doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft mit 50 Prozent. Nur 25 Mitarbeiter haben eine Befristung mit Sachgrund, etwa die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder weil nur vorübergehend Bedarf an der Arbeitsleistung besteht. Linke-Politikerin Krellmann warf Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor, er vernachlässige seit Jahren das BAMF, feuere dann deren Leiter und lasse die strukturelle Ursache für die Nichtbewältigung der Aufgaben weiterlaufen: Die personelle Unterbesetzung bei gleichzeitig rapide wachsenden Aufgaben. „Dieses Loch wird nun vorübergehend mit mehrheitlich befristeten Stellen gestopft“, klagte Krellmann. „Genau deswegen funktioniert so ein zentrales Amt in einer so zentralen Frage auch nicht.“ Das sei staatlich organisiertes Chaos, das Integration verhindere. Der Personalrat des BAMF möchte vor allem Beamte einstellen und keine befristeten Verträge, hatte der neue Behördenleiter Frank-Jürgen Weise erklärt. Die Mitsprache bei den Einstellungen sei das gute Recht des Personalrats. „Deshalb möchte ich ihn auch dafür gewinnen, dass wir gemeinsam die Aufgabe schaffen, schnellere Asylentscheidungen zu treffen“, appellierte Weise, der zugleich Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist, in der „Bild“-Zeitung an den Personalrat. Weise: „Die langen Schlangen von Asylbewerbern, die jetzt draußen in der Kälte vor den Ämtern stehen, sollten Ansporn sein, dass alle am gleichen Strang ziehen.“
Stefan von Borstel
Die Flüchtlingskrise überfordert das für Asylanträge zuständige Bundesamt. Mehr als ein Drittel der 2015 geschaffenen Stellen ist dennoch befristet. Die Linke geißelt „staatlich organisiertes Chaos“.
Politik
Deutschland
2015-12-19T00:57:02Z
2015-12-19T00:57:02Z
„Dumme BAMF-Personalpolitik grenzt an Sabotage“
https://www.welt.de//politik/deutschland/article150131383/Dumme-BAMF-Personalpolitik-grenzt-an-Sabotage.html
Angela Merkel: Sigmar Gabriel rechnet mit baldigem Ende ihrer Kanzlerschaft
Vor einem halben Jahr verlor Sigmar Gabriel das Amt als Außenminister, als die SPD nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen erneut in eine große Koalition mit der Union eintrat und Martin Schulz sowie Andrea Nahles ihn nicht mehr ins Kabinett beriefen. Nun rechnet der frühere SPD-Vorsitzende damit, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr lange amtieren wird. Er erwartet, dass Merkel nach ihrem am Montag öffentlich erklärten Verzicht auf eine erneute Kandidatur als Parteivorsitzende (verlinkt auf /politik/deutschland/article182916824/Angela-Merkel-Dieses-Vorgehen-ist-in-der-Geschichte-der-Bundesrepublik-ohne-Beispiel.html) im Dezember bald auch als Kanzlerin abtritt. „Wahrscheinlich ist Angela Merkels Verzicht auf den Vorsitz der CDU deshalb nur der erste Schritt, um am Ende den Weg zu einer ‚Jamaika-Koalition‘ von CDU/CSU, FDP und Grünen durch die Aufgabe auch des Kanzleramtes frei zu machen“, schreibt Gabriel in der „Zeit“ (verlinkt auf https://www.zeit.de/2018/45/spd-sozialdemokratie-landtagswahlen-krise-neubeginn) . Das dürfte spätestens nach der Europawahl im Mai 2019 der Fall sein, vermutet Gabriel. „Angela Merkel weiß, was sie ihrer CDU schuldet.“ Neuwahlen hält er im Falle eines Rücktritts von Merkel allerdings für unwahrscheinlich. Seiner Partei ruft der 59-Jährige zu einem umfassenden „Neubeginn“ auf. „Die Inhalte sind im Augenblick eher Nebensache, denn alles Reden und gutes Regieren in der Koalition in Sachen Rente, Mieten, Pflege, Vollzeit, Arbeit, Weiterbildung, Schule, Kitas haben der Sozialdemokratie leider nicht geholfen“, schreibt Gabriel und empfiehlt der SPD einen „sozialdemokratisch geprägten radikalen Realismus“. Dafür müsse die SPD auch ihre Parteiarbeit grundlegend neu strukturieren: „Mit hundert jungen Influencern, die Tag und Nacht die sozialen Netzwerke bedienen, wären wir besser aufgestellt als mit einer doppelt so hohen Zahl von Mitarbeitern, die nur die Gruppeninteressen innerhalb der SPD austarieren und verwalten.“ „Blockiert die CDU/CSU zu viel, muss man gehen“ In einem Interview mit der „Westfalenpost“ (verlinkt auf https://www.wp.de/politik/sigmar-gabriel-wir-erleben-einen-aufstand-der-buerger-id215675943.html) warnte Gabriel die SPD außerdem davor, trotz der jüngsten Wahlniederlagen und schlechten Umfragewerte überstürzt aus der großen Koalition auszusteigen. „Wenn die SPD jetzt kopflos wegrennt, verliert sie gewiss mehr an Respekt, als sie gewinnt. Das Land in eine Regierungskrise zu stürzen würde der SPD bestimmt nicht guttun“, sagte Gabriel. Die Partei müsse aber in der Koalition mehr die inhaltliche Konfrontation suchen, betonte er. Schaffe die SPD in der Bundesregierung Gutes für die Menschen in Deutschland, gebe es keinen Grund auszuscheiden. „Blockiert die CDU/CSU zu viel, muss man gehen – aber aus inhaltlichen Gründen und nicht aus Angst vor Umfragen und Landtagswahlergebnissen“, sagte er mit Blick auf die Niederlagen in Bayern und Hessen. Gabriel sprach sich gegen einen Mitgliederentscheid über den Verbleib in der großen Koalition aus: „Mitgliederentscheide sind dafür da, eine Strategie, einen Plan, der in der Parteiführung entwickelt wurde, zur Abstimmung zu stellen.“ Sie seien aber nicht dazu da, die Verantwortung auf die Mitglieder abzuschieben, wenn man selbst keinen Plan habe – „nach dem Motto: Wir wissen nicht weiter, sagt ihr mal, wo es langgeht.“
WELT
Sigmar Gabriel erwartet, dass Angela Merkel bald auch als Kanzlerin abtritt. Damit würde einer Jamaika-Koalition der Weg bereitet. Einen Zeitpunkt für diese Veränderung nennt der frühere SPD-Vorsitzende auch.
Politik
Deutschland
2018-10-30T14:12:33Z
2018-10-30T14:32:20Z
Gabriel rechnet mit baldigem Ende von Merkels Kanzlerschaft
https://www.welt.de//politik/deutschland/article182986332/Angela-Merkel-Sigmar-Gabriel-rechnet-mit-baldigem-Ende-ihrer-Kanzlerschaft.html
Unglück in Taiwan: Hunderte Verletzte durch explodierendes Farbpulver
Bei einer offenbar von Farbpulver verursachten Explosion in einem Freizeitpark nahe Taiwans Hauptstadt Taipeh sind mehr als 500 Menschen verletzt worden. Unter ihnen seien fast 200 Schwerverletzte, teilten die Behörden am Sonntag mit. Zu dem Unglück sei es am Samstagabend gekommen, als über eine Menschenmenge gesprühtes Farbpulver explodierte. Medienberichten zufolge erlitten viele der vorwiegend jugendlichen Opfer großflächige Verbrennungen. Bilder auf der Website der Zeitung „Apple Daily“ zeigten, wie über einer tanzenden Menschenmenge ein farbiges Pulver versprüht wird, als es sich plötzlich in einen Feuerball verwandelt, der durch die Menge rast. Entsetzte Partygäste rennen auf den Aufnahmen um ihr Leben, Zuschauer schütten verzweifelt ihre Wasserflaschen über den Brandwunden der Opfer aus. Ein Feuerwehrsprecher sagte, offenbar habe das Pulver die Explosion (verlinkt auf /themen/explosionen/) und das Feuer ausgelöst. „Das kann durch die Hitze und das Licht auf der Bühne passiert sein“, sagte der Sprecher. „Zu Beginn habe ich gedacht, dass es Teil der Spezialeffekte der Show sei“, berichtete ein Augenzeuge im Fernsehsender CTI über das Unglück. „Aber dann ist mir klar geworden, dass irgend etwas nicht stimmt. Die Menschen haben angefangen zu schreien und wegzurennen.“ Ein AFP-Reporter sah noch am Sonntag nahe der Bühne blutige Fußspuren, die offenbar von Flüchtenden stammten. Polizei nimmt Veranstalter fest Insgesamt seien 516 Menschen verletzt worden, sagte ein Feuerwehrsprecher in Taipeh. Die Nachrichtenagentur CNA meldete, acht von ihnen schwebten in Lebensgefahr, die Haut einer 18-jährigen Person sei zu 90 Prozent verbrannt. „Die nächsten 24 Stunden sind für viele Schwerverletzte entscheidend“, sagte der Sprecher des Gesundheitsamtes. Die Opfer seien fast alle Jugendliche oder junge Erwachsene. Die Polizei nahm den Veranstalter der Party sowie vier Mitarbeiter fest. Gegen sie werde wegen „Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit und Missachtung von Pflichten“ ermittelt, sagte ein Polizeisprecher. Der Freizeitpark wurde bis auf weiteres geschlossen. Insgesamt waren rund tausend Menschen zu der Party im Wasserpark Formosa Fun Coast am Rande von Taipeh gekommen. Das Feuer konnte rasch gelöscht werden, doch hatten Rettungswagen Mühe, zum Unglücksort vorzudringen. Zunächst hatten die Behörden in der Nacht von gut 200 Verletzten gesprochen. Bei ihnen handele es sich aber nur um die Opfer, die mit Rettungswagen in die Krankenhäuser gebracht wurden, hieß es am Sonntag. Inzwischen seien auch alle Verletzten gezählt worden, die selbst in die Klinik fuhren oder von anderen gebracht wurden.
WELT
In Taiwan verfolgen rund Tausend Besucher in einem Freizeitpark ein Konzert. Zum Höhepunkt der Show wird Farbpulver über der Menge versprüht. Es kommt zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion.
Vermischtes
Weltgeschehen
2015-06-28T06:43:24Z
2017-08-25T07:17:36Z
Hunderte Verletzte durch explodierendes Farbpulver
https://www.welt.de//vermischtes/weltgeschehen/article143181025/Hunderte-Verletzte-durch-explodierendes-Farbpulver.html
Schuldenkrise: Deutsche Banken müssen Herabstufung fürchten
Der Druck auf die europäischen Banken kommt aus immer mehr Richtungen: Die Politik fordert immer lautstarker eine bessere Kapitalausstattung ein und obendrein zweifelte am Donnerstagabend nun auch noch die Ratingagentur Fitch an der all zu guten Bonitätseinschätzung des Branchenprimus Deutsche Bank (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/deutsche-bank/) . „Die Staatsschuldenkrise strahlt nunmehr auch auf Banken in anderen Mitgliedsländern aus. Grund hierfür ist eine gestiegene Unsicherheit über die Widerstandsfähigkeit von Banken (verlinkt auf /wirtschaft/article13660727/Zerfall-der-Euro-Zone-wuerde-Kostenlawine-ausloesen.html) aufgrund ihres Exposures gegenüber den gefährdeten Ländern. Diesen Kanal der Übertragung von Unsicherheit müssen wir eindämmen“, sagte Bundesbank-Chef Jens Weidmann der Nachrichtenagentur Reuters. Seit Wochen stufen Ratingagenturen die Bonität der europäischen Geldhäuser (verlinkt auf /wirtschaft/article13661150/Bankaktien-stehen-nach-Rating-Drohung-unter-Druck.html) immer weiter herunter. Standard & Poor's senkte die Bonität der französischen Großbank BNP Paribas (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bnp-parisbas/) um eine Stufe. Das Langfrist-Rating des führenden Finanzinstituts des Landes sei von AA auf AA- korrigiert worden, hieß es am Freitag. Die deutschen Institute sind bisher davon verschont geblieben. Schließlich gilt Deutschland als sicherer Hafen Europas. Die hier ansässigen Institute profitieren von der vergleichsweise gut laufenden Konjunktur und der exzellenten Bonität des deutschen Staates. Doch nun ist Schluss mit dem Dasein auf der Insel der Seligen. Ratingagenturen warnen Institute Fitch begründete den düsteren Ausblick für die Banken mit den Turbulenzen an den Finanzmärkten und schärferen Vorschriften für Geldinstitute. „Davon kann sich keine Bank befreien – vor allem nicht die Deutsche Bank, die sehr stark international vernetzt ist“, sagt Bankenexperte Dirk Becker vom Analysehaus Kepler Capital Markets. Zwar hatte Fitch das Rating für die Deutsche Bank noch nicht gesenkt, jedoch eine Warnung ausgesprochen. Neben der Deutschen Bank sind auch die britische Barclays (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/barclays/) Bank, die französischen Institute Crédit Agricole und Société General, die Credit Suisse sowie die US-Banken Bank of America (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bank-of-america/) , Morgan Stanley (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/morgan-stanley/) und Goldman Sachs (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/goldman-sachs/) betroffen. Härter ging Fitch mit den Großbanken UBS (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/ubs/) , Lloyds und Royal Bank of Scotland um: Hier warnte sie nicht nur, sondern senkte das Rating gleich. Auch zwei deutsche Landesbanken geraten unter Beschuss: So senkte Fitch die Bewertung der Landesbank Berlin. Unterdessen verschlechterte die Ratingagentur Moody’s die Einschätzung der NordLB, weil sie in deren Augen von der zyklischen Schiffsfinanzierung und dem Gewerbeimmobilienmarkt in Mitleidenschaft gezogen wird. Wenn eine Bank ihr Top-Rating verliert, so hat das auch praktische Folgen: Es wird für die Bank teurer, sich auf dem Kapitalmarkt Geld zu beschaffen. Die Zinsen für die laufende Refinanzierung steigen. Fitch gehe es bei der Überprüfung der Großbanken nicht um Ertragszahlen, sondern um die Frage, ob das Geschäftsmodell der jeweiligen Bank unter den Herausforderungen leiden könnte, denen die Finanzmärkte gegenüberstünden. Dass es vor allem Banken trifft, die stark im volatilen Investmentbanking sind, verwundert daher nicht. Kapitalausstattung bereitet die größten Sorgen Auch bei der Deutschen Bank kritisieren die Experten der Ratingagentur, dass sie zu sehr vom Investmentbanking abhängig sei. Künftig müsse mehr aus dem Filialgeschäft kommen. Das ist auch das Ziel von Vorstandschef Josef Ackermann: Er will langfristig die Hälfte des Konzerngewinns im Privat- und Geschäftskundenbereich verdienen. Zugute hält die Ratingagentur der Deutschen Bank, dass sie mit der Übernahme der Postbank und ihrer mehr als zehn Millionen Kunden dem Ziel ein gutes Stück näher gekommen ist. Zudem glaubt Fitch, dass die Deutsche Bank von den Problemen der Euro-Krise (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/euro-krise/) nur in zweiter Linie betroffen ist – etwa durch ein schwächeres Wirtschaftwachstum oder durch ungünstige Handelsbedingungen. Die direkte Belastung durch Papiere der Euro-Problemstaaten habe die Deutsche Bank bereits deutlich abgebaut, loben die Experten. Mehr Sorgen macht der Ratingagentur hingegen die Kapitalausstattung der Deutschen Bank. Sie sei im Branchenvergleich relativ niedrig, kritisiert Fitch. Im Stresstest erreichte das Frankfurter Institut unter Stress eine Kernkapitalquote von 6,5 Prozent – und lag damit im unteren Mittelfeld. Josef Ackermann ist da anderer Meinung. Sein Institut brauche nicht mehr Kapital, wird er nicht müde zu betonen. Erst am Donnerstag hatte er in Berlin deutlich gemacht, dass die Banken eine wesentlich bessere Kapitalbasis als vor der Krise hätten. Eine Zwangskapitalisierung der Banken lehnt er rundheraus ab (verlinkt auf /wirtschaft/article13658633/Ackermann-geisselt-Zwangskapitalisierung-der-Banken.html) – genauso wie Sparkassenchef Heinrich Haasis, der erzwungene Kapitalspritzen als „Unsinn“ abtat. G 20 planen Maßnahmen gegen die Krise Aus der europäischen Politik kommt indes Gegenwind: Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker mahnte eine bessere Kapitalausstattung an. Dieser Auffassung ist auch Bundesbankchef Weidmann: „Zur Vermeidung einer drohenden systemischen Krise ist auch eine Mittelaufnahme über Finanzstabilisierungsinstrumente ein gangbarer Weg. Das haben wir 2008 mit dem SoFFin gezeigt. Eine mögliche Reaktivierung wäre dann aber notwendig.“ In Paris wollten die Finanzminister und Notenbankchefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise beraten. (verlinkt auf /wirtschaft/article13660196/Schwellenlaender-wollen-die-Euro-Zone-retten.html) Es zeichnete sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich ab. Nach einem Gespräch mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Paris, er sei überzeugt, dass beide zusammen die europäische Währung verteidigen werden. Das Treffen soll am Samstag fortgesetzt werden. Während die Politik in Paris über Lösungen debattiert, haben die Globalisierungskritiker von Attac zu einem weltweiten Protesttag gegen die „Banken-Diktatur und Ausbeutung“ aufgerufen. Auch vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt soll es eine Demonstration geben. Die Finanzmärkte zeigten sich indes von den Hiobsbotschaften weitgehend unbeeindruckt: Der Kurs der Deutschen Bank drehte sogar zeitweise wieder ins Plus.
Andrea Rexer
Standard & Poor's senkte am Freitag die Bonität der französischen Bank BNP Paribas um eine Stufe. Auch deutschen Geldinstituten droht eine Herabstufung.
Wirtschaft
2011-10-14T15:57:32Z
2015-10-04T05:26:48Z
Deutsche Banken müssen Herabstufung fürchten
https://www.welt.de//wirtschaft/article13661509/Deutsche-Banken-muessen-Herabstufung-fuerchten.html
Folgen der Finanzkrise: Wie ein abrupter Zinsanstieg die Banken gefährdet
Über abstrakte Zahlenkolonnen zu referieren ist Andreas Dombrets Sache nicht. Der oberste Bankenaufseher der Deutschen Bundesbank mag lieber praxisnahe Beispiele. Da trifft es sich gut, dass seine Mutter Ärztin war. So weiß er, Vorsorge ist die beste Medizin. In den vergangenen Monaten habe er daher gemeinsam mit den Kollegen der Bonner BaFin die deutschen Sparkassen und Banken einem umfassenden Gesundheitscheck unterzogen. 1555 kleine und mittelgroße Institute wurden zu ihrer Ertragskraft und Widerstandsfähigkeit befragt. Die Diagnose: Die Institute sind noch gesund. Allerdings ist dringend Handeln angezeigt, sonst schmelzen ihre Erträge weiter dahin und machen sie anfällig für Krankheiten. Die Abwehrkräfte der Häuser schrumpfen. So gaben die befragten Banken selbst an, dass sie bis 2021 mit einem Gewinnrückgang um 16 Prozent vor Steuern im Verhältnis zu ihrer Bilanz rechnen. Obgleich das Minus sehr hoch ausfällt, waren die Institute in der vorangegangenen Umfrage 2015 noch von einem stärkeren Einbruch ausgegangen. Die Bankenbranche klagt seit Langem über die ultraniedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), die es ihr immer schwerer machen, Gewinne zu erwirtschaften. Schon die beiden vorherigen Umfragen hatten das unter Beweis gestellt. Der Leitzins (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/leitzins/) der EZB (verlinkt auf www.welt.de/themen/europaeische-zentralbank-ezb) liegt aktuell bei null Prozent. Zudem verlangt die Euro-Notenbank von den Banken Strafzinsen, wenn diese über Nacht bei ihr Geld parken. „Die durch niedrige Zinsen verursachte Durststrecke ist noch längst nicht überstanden“, sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Die Geldhäuser planten zwar wieder etwas optimistischer. Allerdings bedeute dieses Ergebnis nur, dass sich die Ertragslage weniger schnell verschlechtere als noch vor zwei Jahren angenommen, mahnte Dombret. Die Problemfälle sind der BaFin schon bekannt Besonders dramatisch wäre es, wenn die Zinsen noch weiter sinken würden. Laut den Daten von Bundesbank und BaFin (verlinkt auf /themen/bafin/) würde dann die Rentabilität vor Steuern um bis zu 60 Prozent einbrechen. Zudem testeten die Aufseher, wie gut die Häuser auf einen plötzlichen Zinsanstieg vorbereitet wären. Das Ergebnis: 68 Institute würden diesen nicht überstehen, weil sie dann ihre Kapitalanforderungen nicht mehr erfüllen könnten – für sie wäre dies der Exitus. Eine Tatsache, die BaFin-Bankenaufseher Raimund Röseler wenig zu beunruhigen scheint. Er nannte keine Namen, doch Ansteckungsgefahr würde von diesen Häusern angeblich kaum ausgehen. Die meisten davon seien zudem der Aufsicht schon lange als Problemfälle bekannt. Wegen sinkender Margen im Zinsgeschäft konzentrieren sich Banken und Sparkassen zunehmend auf andere Gewinnquellen. Große Erwartungen haben viele an das Wertpapiergeschäft, was zu deutlichen Steigerungen im Provisionsergebnis führen soll. „Bei manchen Häusern ist das vielleicht auch Wunschdenken“, gab Röseler zu. Komplett blauäugig sei jedoch kein Institut. Viele Häuser fingen auch an, verstärkt Gebühren für Konten und andere Bankdienstleistungen zu erheben. Die Zeit der Kostenloskultur gehe zu Ende. Die Aufseher bewerteten dies als positiv. Eine angemessene Bepreisung sei notwendig. „Wir sehen aktuell keine Immobilienblase“ Nicht wenige Institute suchen zudem ihr Heil in Fusionen. So kann sich fast die Hälfte der Häuser mittelfristig Zusammenschlüsse vorstellen. Gemessen an den 1500 kleineren Banken würde das im Extremfall bedeuten, dass zwischen 350 und 400 Banken und Sparkassen bis 2021 verschwinden würden. Vielsagend ist allerdings die Selbsteinschätzung, der zufolge sich 35 Prozent als übernehmendes Institut sehen und nur zehn Prozent bereit sind, in die Rolle des potenziellen Übernahmeziels zu schlüpfen. Dieses mathematische Problem dürfte kaum lösbar sein. Und auch Dombret und Röseler beschwichtigten: „Die Anzahl der tatsächlichen Fusionen wird sicherlich kleiner sein.“ Die Aufseher überprüften auch, wie gut Banken und Sparkassen einen Preiseinbruch im Wohnimmobiliensektor überstehen würden. Ihr Fazit war positiv. Anzeichen für gefährliche Übertreibungen am Markt für Häuser und Wohnungen in Deutschland gebe es bisher keine. „Wir sehen aktuell keine Immobilienpreisblase, die uns Sorgen bereiten müsste“, sagte Dombret. „Wohl aber lautet das Gebot, wachsam zu sein.“ Die Standards für die Kreditvergabe seien zwar noch nicht weitreichend gelockert worden. Dennoch zeige sich angesichts der großen Nachfrage nach Finanzierungen wegen der niedrigen Zinsen, dass die Institute tendenziell bereit seien, höhere Risiken einzugehen, sagte Dombret. „Im Niedrigzinsumfeld nehmen die Immobilienkredite in den Bankbilanzen zu – sowohl das Gesamtvolumen als auch die durchschnittliche Kreditgröße sind merklich gestiegen“, so der Bundesbank-Aufseher. „Außerdem scheinen die Institute bereit zu sein, Kredite (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/kredit/) gegen geringere Sicherheiten zu vergeben.“
Anne Kunz
Noch sind Sparkassen, Genossenschaftsbanken und andere kleine und mittelgroße Institute in Deutschland gesund. Doch die Aufsicht mahnt: Wenn sie nicht zügig handeln, könnten einige Häuser Probleme bekommen.
Wirtschaft
2017-08-30T17:27:18Z
2017-08-30T17:27:18Z
Wie ein abrupter Zinsanstieg die Banken gefährdet
https://www.welt.de//wirtschaft/article168150590/Wie-ein-abrupter-Zinsanstieg-die-Banken-gefaehrdet.html
CSU: Joachim Herrmann punktet bei innerer Sicherheit
Es ist der Tag des Spitzenkandidaten. Bevor Joachim Herrmann (verlinkt auf /themen/joachim-herrmann/) auf der Klausurtagung der CSU (verlinkt auf /themen/csu/) in Kloster Banz zu seinen Parteifreunden spricht, hat er einen Interview-Marathon absolviert. Keiner in der CSU ist so gefragt wie er, der Experte für innere Sicherheit. Die Freude daran ist ihm kaum anzumerken, mit stoischer Ruhe erfüllt er seine Mission: die personifizierte CSU-Botschaft an den Wähler, dass für Sicherheit und Ordnung gesorgt ist. Die Gewaltexzesse von Hamburg (verlinkt auf /politik/deutschland/article166534934/Gabriel-macht-Merkel-nach-G-20-schwere-Vorwuerfe.html) haben dem Spitzenkandidaten der CSU ungewollt den perfekten Einstieg in die heiße Wahlkampfphase verschafft. Zum Abschluss der Tagung präsentiert er an der Seite von Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt (verlinkt auf /themen/gerda-hasselfeldt/) die CSU-Positionen zur inneren Sicherheit. In Umfragen ist es das wichtigste Thema für die Wähler – und es ist einer der letzten Markenkerne, die der CSU geblieben sind. Um die Bedeutung zu unterstreichen, wird in Banz gegen die Gepflogenheiten ein sicherheitspolitisches Beschluss-Papier verabschiedet. Die CSU spricht sich darin für die Schließung autonomer Zentren und eine europäische Extremistendatei aus. Herrmann bekräftigt die Forderung nach mindestens 15.000 zusätzlichen Polizeistellen. Bis Herbst sollten sich Bund und Länder einigen, wie und wo sie geschaffen und wie die Haushaltsplanungen darauf ausgerichtet werden, sagt Herrmann, ganz als sei er schon Bundesinnenminister. Er tritt viel weniger martialisch an als die CSU-Granden Generalsekretär Andreas Scheuer oder Verkehrsminister Alexander Dobrindt (verlinkt auf /themen/alexander-dobrindt/) , die empört poltern und ein Ende von „Bambule und Anarchie“ fordern, die eine „linke Saubande, linker Mob, linke Spinner“ veranstalten. Herrmann liebt es sachlich. Er weist auf die bayerische Linie hin und mahnt allenfalls das Umdenken bei SPD, Grünen und natürlich der Linken (verlinkt auf /geschichte/article166531184/Linke-und-Gewalt-passen-nicht-zusammen-Oh-doch.html) an. Der Landesinnenminister verfällt auch nicht in den Reflex, nach neuen Gesetzen zu rufen. Das Beschlusspapier der Landesgruppe prangert viel mehr die Vollzugsdefizite durch Bundes- und Länderbehörden (außerhalb Bayerns) an: „Angesichts der schon im Vorfeld klar erkennbaren Gewaltneigung muss stärker von Versammlungsauflagen und -verboten Gebrauch gemacht werden.“ Es müssten „alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, etwa der Einsatz von Meldeauflagen, die nicht nur national, sondern auch europaweit Wirkung entfalten“. Bayern als Vorbild für den Bund zu präsentieren fällt Herrmann leicht. Seit den Zeiten von Ex-Innenminister Günther Beckstein gilt, dass im Freistaat kein Haus länger als 24 Stunden besetzt sein darf. Den G-7-Gipfel in Elmau bei Garmisch-Partenkirchen hatten die Sicherheitsbehörden im Griff. Auch weil Herrmann zuvor in zahlreichen Bürgersprechstunden der Bevölkerung Rede und Antwort stand. Die allgemeine Kriminalitätsbelastung in Bayern ist geringer als in anderen Ländern. Damit lässt sich jetzt gut Wahlkampf machen. Herrmann bleibt aber auch in dieser Situation seiner Linie treu, den politischen Gegner nicht direkt anzugreifen. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (verlinkt auf /themen/olaf-scholz/) wird geschont. Natürlich auch, weil ja noch Fehleinschätzungen der Bundesbehörden zutage kommen können. Und Thomas de Maizière (verlinkt auf /themen/thomas-de-maiziere/) ist durch den Anspruch der CSU, nach der Wahl das Innenministerium zu besetzen, schon genug herausgefordert. Streit sucht die CSU nämlich nicht mehr. Umfragen und die Parteibasis melden, dass die Kanzlerin auch im Südstaat hohe Anerkennung genieße. Außerdem diszipliniert die nahe Wahl. Die CSU ist überzeugt, dass der bürgerliche Wähler Uneinigkeit nicht schätzt, sondern eher die Bestärkung der eigenen Position sucht. Ehe für alle spielt als Thema keine Rolle Das hat Herrmann verinnerlicht. Er freundet sich langsam mit seiner neuen Rolle als Spitzenkandidat an, die sich nicht auf das Sicherheitsthema beschränken kann. Mit seiner spröden Sachlichkeit erscheint er auch als Gegenentwurf zum Polterer Seehofer. Nicht nur im Bierzelt, sondern auch vor der Landesgruppe spricht er zunächst über die gute wirtschaftliche Lage Bayerns, die Steuersenkungspläne der Union, den Straßenbau, dann erst über Sicherheit. Er spart sich Beschimpfungen des politischen Gegners oder gar der Schwesterpartei. Am Merkel-Bashing in der Flüchtlingspolitik beteiligte sich Herrmann nicht. Momentan sorgt das Thema wegen der rückläufigen Flüchtlingszahlen auch nicht für Aufregung an der Basis. So kann Parteichef Horst Seehofer der Kanzlerin in Banz mit Überzeugung vermelden: „Die Stimmung ist ernsthaft, aber auch sehr entspannt.“ Der vierstündige Besuch der gemeinsamen Kandidatin verläuft entsprechend. Die CSU-Abgeordneten drängen zum Fototermin mit der Kanzlerin – das macht sich auf jeder Homepage gut. Merkel berichtet zunächst vor dem Plenum, dann beim gemütlichen Grillabend über den G-20-Gipfel (verlinkt auf /themen/g-20-gipfel/) und die Lage der Nation. Wie Teilnehmer berichten, lauscht die CSU interessiert. Die bestehenden Dissenspunkte werden einfach ausgeklammert: Obergrenze, Ausweitung der Mütterrente, Volksabstimmungen auf Bundesebene – kein Thema in Banz. Der Hinweis auf den Beschluss von vergangener Woche, als Merkel und Seehofer das gemeinsame Wahlprogramm vorlegten, reicht aus. Die CSU darf dann Ende Juli bei einem „Bürgerfest“ ihre speziellen Positionen in einem „Bayernplan“ festschreiben. Das muss für die Gesichtswahrung bis zu den Koalitionsverhandlungen im Herbst reichen. Selbst die Ehe für alle spielt als Thema keine Rolle – auch wenn es „die Leute aufwühlt“, wie einer aus der Landesgruppe sagt. Von einer Klage beim Bundesverfassungsgericht, wie sie die Münchner erwägen, sind die Berliner CSUler wenig begeistert. Die Neigung der Landesgruppe, mit Merkel zu streiten, war immer geringer als bei den rauflustigen Münchner Parteifreunden. Wie sich das entwickelt, ist offen. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, eine Freundin der Kanzlerin und Seehofer oft zu kompromissbereit, kandidiert nicht mehr. Als Nachfolger wird Alexander Dobrindt gehandelt. Und Joachim Herrmann soll, als von Seehofer erklärtes „politisches Alphatier“, für die CSU-Akzente in der Bundesregierung sorgen. Ob das für mehr Zoff oder mehr Sachlichkeit sorgen wird, darüber spekuliert auch die CSU. Hasselfeldt wird ihrer Rolle auf ihrer letzten Klausurtagung gerecht. Sie erklärt den Besuch der Kanzlerin zur puren Selbstverständlichkeit. Und in Erinnerung an den gelegentlichen Ärger mit Seehofer zitiert sie aus Johann Strauss’ Operette „Die Fledermaus“: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist.“
Peter Issig, Kloster Banz
Zum Abschluss der CSU-Klausurtagung profiliert sich Spitzenkandidat Joachim Herrmann – und setzt andere Akzente als Horst Seehofer. Herrmann bereitet sich offenkundig auf seine neue Rolle in Berlin vor.
Politik
Deutschland
2017-07-11T15:43:51Z
2017-07-11T15:43:51Z
Keiner in der CSU ist so gefragt wie er
https://www.welt.de//politik/deutschland/article166538383/Keiner-in-der-CSU-ist-so-gefragt-wie-er.html
US-Präsidenten: Ist Trump ein Wiedergänger von Andrew Jackson?
Der Wahlkampf war extrem hart: Der politisch unerfahrene Außenseiterkandidat griff die etablierten Kreise von Kongress und Regierungsapparat in Washington scharf an. Er warf ihnen Korruption vor, Abgehobenheit und Desinteresse für die Wünsche der Menschen draußen im Land. Die attackierte Elite wehrte sich und beschimpfte den Konkurrenten als „Häuptling“, dem sowohl die Fähigkeiten wie der Charakter für das Präsidentenamt fehlten. Als auch die Frau des Kandidaten in Kreuzfeuer geriet, versanken die Vereinigten Staaten in eine „Polarisierung des politischen Lebens“, wie Horst Dippel in dem jetzt besonders spannenden Sammelband „Die amerikanischen Präsidenten“ (Verlag C. H. Beck München. 529 S., 19,95 Euro) schreibt. Die Rede ist nicht von der gerade zurückliegenden Wahl und dem unerwarteten Sieg Donald Trumps (verlinkt auf /politik/ausland/article159357361/Wie-konnte-das-passieren.html) . Sondern vom Jahr 1828 und dem ersten Triumph eines Populisten beim Kampf um das höchste Amt der ältesten noch bestehenden Demokratie der Welt. Andrew Jackson (verlinkt auf https://www.whitehouse.gov/1600/presidents/andrewjackson) gewann seinerzeit, mit einem radikal gegen die politische Klasse gerichteten Versprechen: Er werde die Korruption auskehren und „ Reinheit und ökonomischen Sachverstand im Regierungsapparat (verlinkt auf http://millercenter.org/president/biography/jackson-campaigns-and-elections) “ wiederherstellen. Vergleiche sind das wichtigste Instrument, um aus der Vergangenheit Schlüsse zu ziehen. Denn sie erlauben es, Ähnlichkeiten, aber eben auch Unterschiede präzise zu erkennen. Insofern lohnt es sich, im Hinblick auf die mögliche Entwicklung des künftigen Präsidenten Donald Trump seinen vor 188 Jahren gewählten Vorgänger zu betrachten – auch wenn die USA damals natürlich noch ein völlig anderes Land waren. Zunächst fallen einige Parallelen bei den Persönlichkeiten des siebten und des 45. Präsidenten auf: Beide waren lange vor und unabhängig von ihren Kandidaturen in der Bevölkerung populär – Jackson als Milizgeneral (verlinkt auf http://millercenter.org/president/biography/jackson-life-before-the-presidency) , dem im zweiten Unabhängigkeitskrieg der USA 1815 und in den Kämpfen mit Indianern militärische Erfolge gelungen waren, Trump als Immobilienunternehmer und Medienstar. Trotzdem wurde Andrew Jackson vom Establishment in Washington zunächst so wenig ernst genommen wie zuletzt Donald Trump. Das hatte vor allem mit ihrem präsentierten Arbeitsstil zu tun: Beide verstanden sich selbst als Macher, die keine Rücksicht auf Bedenkenträger nehmen, sondern schlicht das ihrer Ansicht nach Richtige tun. Andererseits gibt es große Unterschiede zwischen den beiden. Jackson stammte aus einfachen Verhältnissen und hatte sich durch Hilfsarbeiten bei einem Rechtsanwalt ein Jurastudium verdient. Als Staatsanwalt und Richter bekleidete er staatliche Ämter, zog sich aber auch als Farmer aus dem öffentlichen Leben zurück. Seiner Durchsetzungskraft wegen trat er an die Spitze von Milizeinheiten, die er gut führte. Trotzdem waren seine Siege nicht so bedeutend, wie sein Ruf bei Anhängern vermuten ließe. Das ist wiederum ähnlich bei Trump. Anders als Jackson stammt er aus reichem Haus und stieg als junger Mann in das Immobilienunternehmen seines Vaters ein. Als er sich selbstständig machte, erzielte er einige Erfolge, aber auch herbe Rückschläge; viermal ging sein Firmenkonglomerat in die Insolvenz. An seiner Popularität jedenfalls bei Unterstützern änderten diese Pleiten jedoch erstaunlicherweise nichts. Jackson war für das höchste Staatsamt so wenig qualifiziert wie Trump heute, jedenfalls was verantwortliche politische Ämter angeht. Die wenigen Jahre als Abgeordneter und Senator für seinen Heimatstaat Tennessee zählten kaum, denn auf Bundesebene hatte er weder einen Ministerposten noch eine wichtige Beraterfunktion innegehabt. Ganz ähnlich wie Trump gelang es ihm aber, diesen Mangel als Stärke darzustellen. Jackson sah sich als erster „Volkspräsident“ der damals noch relativ jungen Vereinigten Staaten, als erster, der nicht mehr aus dem Kreis der Gründerväter stammte oder wenigstens – wie sein direkter Vorgänger John Quincy Adams – mit ihnen verwandt war. Als Andrew Jackson, damals der viel langsameren Verkehrsmittel als heute wegen vier Monate nach der Wahl, Anfang März 1829, in sein Amt eingeführt wurde, galt sein politisches Programm als ausgesprochen vage – nicht anders als gegenwärtig bei Donald Trump (verlinkt auf /politik/ausland/article158975263/In-Trumps-100-Tage-Plan-steckt-sogar-Revolutionaeres.html) . Gewonnen hatte Jackson die Wahl mit der Konzentration auf Kritik an der „Korruption“ in Washington. Seine Alternative lautete „Rotation im Amt“. Tatsächlich aber setzte sich eine andere Praxis durch, das „Beuteprinzip“ (Englisch „ spoils system (verlinkt auf http://history1800s.about.com/od/1800sglossary/g/Spoils-System.htm) “): Unterstützer seiner Kampagne wurden mit lukrativen Posten „belohnt“. Teilweise ging das gut, weil es überkommene Strukturen und tatsächlich vorhandene Vetternwirtschaft aufbrach. Jedoch gelangten auf diesem Wege auch einige ihrerseits hoch korrupte Personen in öffentliche Ämter. Der schlimmste Fall war sicherlich Samuel Swartwout (verlinkt auf http://swarthoutfamily.org/History/NYSamuel.htm) , den Jackson 1829 mit der Verwaltung der Einnahmen aus dem Hafen von New York betraut hatte. Als 1838 seine mehrfach verlängerte Amtszeit endete, fehlte die enorme Summe von 1,22 Millionen Dollar in der Kasse – nach heutigem Wert mehrere Milliarden. Herumschlagen mit diesem Skandal musste sich allerdings Jacksons Nachfolger im Weißen Haus, Martin Van Buren (verlinkt auf https://www.whitehouse.gov/1600/presidents/martinvanburen) . Insgesamt aber tauschte auch Jackson nur ungefähr jeden zehnten Mitarbeiter des Regierungsapparates aus – vor allem, weil es für viele Positionen kein annähernd geeignetes Alternativpersonal gab. Das „spoils system“ allerdings etablierte sich für wichtige Funktionen und spielt bis heute, etwa beim Finanzminister und bei Botschafterposten in wichtigen Hauptstädten wie London, Rom, Paris und Berlin, eine große Rolle – voraussichtlich auch in der Trump-Regierung. Seine Wähler und nach ihm viele Historiker reihten Andrew Jackson in die Liste der großen US-Präsidenten ein. Arkansas und Michigan wurden während seiner Amtszeit in die Union aufgenommen, die öffentlichen Finanzen verstaatlicht und reorganisiert, die Grundlagen der Industrialisierung gelegt. Ohne Probleme wurde er 1832 für eine weitere Amtszeit wiedergewählt. Auch als Parteipolitiker machte Jackson sich einen Namen, zählte er doch zu den Gründervätern der Demokratischen Partei. (verlinkt auf /kultur/history/article111283817/Wie-die-US-Republikaner-zu-Sezessionisten-wurden.html) Derartige Ambitionen wird man Donald Trump nicht nachsagen können. Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like. (verlinkt auf https://www.facebook.com/weltgeschichte/)
Sven-Felix Kellerhoff
Der erste Populist wurde 1828 ins Weiße Haus gewählt. Andrew Jackson hatte einen Wahlkampf gegen die politische Elite geführt. Als er das Amt antrat, war sein politisches Programm aber äußerst vage.
Geschichte
2016-11-12T08:00:50Z
2016-11-12T08:01:29Z
Ist Trump ein Wiedergänger von Andrew Jackson?
https://www.welt.de//geschichte/article159437334/Ist-Trump-ein-Wiedergaenger-von-Andrew-Jackson.html
FC Bayern: Salihamidzic – „Wir wollen Hudson-Odoi unbedingt“
Donnerstag endet nach fünf vollen Tagen das Trainingslager des FC Bayern in Katar, am Nachmittag fliegt die Mannschaft mit einer Sondermaschine zurück nach München. Zum Abschluss des Camps in der Hauptstadt Doha sprach Hasan Salihamidzic im Teamhotel „al-Aziziyah“ über … … das Trainingslager: „Trainer und Mannschaft haben sehr konzentriert gearbeitet, die Belastung war hoch, das Training sehr gut. Alle sind gesund geblieben bislang. Das Wichtigste ist, dass alle Konzentration auf dem ersten Spiel gegen Hoffenheim liegt, dass wir da gut starten. Im vergangenen Jahr haben wir uns dort nicht gut präsentiert, wir haben etwas gutzumachen. Gegen Hoffenheim ist es immer schwer, sie spielen guten Fußball.“ … den Transfer von Stuttgarts Verteidiger Benjamin Pavard: „Er hat in den vergangenen Tagen einen Vertrag für fünf Jahre unterschrieben. Das ist ein junger Spieler, der Weltmeister ist. Wir sind sehr froh und stolz, dass wir so einen Spieler für den FC Bayern (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/) gewinnen konnten. Wir haben ihn schon vor der WM beobachtet und frühzeitig entschieden. Das ist eine sehr gute Geschichte für den FC Bayern.“ … die geplante Position für Pavard: „Er ist auf mehreren Positionen einsetzbar. Klar wissen wir, dass Benjamin gern Innenverteidiger spielt. Bei der WM hat er aber auch auf der rechten Seite richtig gute Leistungen gebracht. Das gibt uns mehrere Optionen.“ … die künftige Position von Joshua Kimmich angesichts des Pavard-Transfers: „Er ist auf der rechten Seite eine Bank und hat es auch in der Mitte sehr gut gemacht. Es ist wichtig, dass man längere Zeit auf einer Position spielt, um super Leistungen bringen zu können.“ … die Frage, ob die Transferplanungen in Sachen Innenverteidiger nun abgeschlossen sind: „Wir lassen unsere Augen offen und werden schauen, wo wir noch Bedarf haben. Ich möchte nichts ausschließen.“ … einen möglichen Transfer von Atlético Madrids Innenverteidiger Lucas Hernández: „Das ist auch ein interessanter Spieler. Man muss schauen, was möglich ist.“ … Chelseas 18-jähriges Offensivtalent Callum Hudson-Odoi, über dessen Wechsel für knapp 40 Millionen Euro man sich laut Medienberichten einig ist: „Das ist ein sehr interessanter Spieler, den wir unbedingt verpflichten wollen und schon lange beobachten. Er hat die Qualitäten, die zu unserem Spiel passen. Er ist dribbelstark, schnell und hat einen guten Zug zum Tor. Er hat großes Potenzial, sich zu entwickeln, und würde uns sicher gut zu Gesicht stehen. Ich kenne den Spieler ganz genau und bin fest davon überzeugt, dass er uns helfen kann. Deswegen wollen wir das machen.“ … Arjen Robben (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/arjen-robben/) : „Er hat hier in Katar leider noch nicht mit der Mannschaft trainiert. Wir müssen abwarten, wie es sich weiterentwickelt. Er ist auf einem guten Weg denke ich, er hat viel im Kraftraum trainiert.“ … den Rückstand auf Borussia Dortmund (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/borussia-dortmund/) und die erhoffte Aufholjagd: „Jeder Spieler weiß, dass wir noch mehr von Spiel zu Spiel denken müssen, auch wenn das eine Floskel ist. Vor der Winterpause haben wir guten Fußball gespielt am Ende. Jeder weiß, worum es geht. Wir wollen da weitermachen, wo wir vor der Winterpause aufgehört haben. Wir haben uns rangearbeitet. Ich würde den FC Bayern nie abschreiben. Ich weiß, was die Mannschaft vorhat.“ … den internen Konkurrenzkampf: „Der Konkurrenzkampf ist gesund, die Spieler nehmen ihn an. Der Trainer möchte ihn entfachen und allen die Chance geben, sich zu zeigen. Jeder hat eine Chance, wenn er gut trainiert.“ … das Verhältnis zwischen Trainer Niko Kovac und der Mannschaft: „Der Trainer hat in der Hinrunde erst mal seine Linie gesucht. Es hat sich eingespielt. Wir haben Punkte liegen lassen, dann wurde es viel besser. Wir haben es hingekriegt und sind enger zusammengerückt und ziehen an einem Strang. Das war wichtig. Die Spieler verstehen, dass der Trainer seine Idee immer besser erklärt.“ … die Frage, ob er überlegt habe, Franck Ribéry wegen dessen Onlinebeschimpfungen im Zuge des Eklats um sein goldenes Steak zu suspendieren: „Ich habe mich zu diesem Fall vor einigen Tagen geäußert. Das war ganz klar und deutlich, und dabei bleibt es auch.“ … die Aussichten Ribérys auf einen neuen Vertrag ab Sommer: „Ich bin sehr glücklich, dass Franck gute Leistungen bringt und vor der Winterpause gezeigt hat, wie wichtig er für diese Mannschaft ist. Wir sind sehr stolz auf solch einen Spieler, der wie Arjen Robben eine Ära geprägt hat. Unser Präsident hat gesagt, dass es wahrscheinlich Francks letztes Jahr wird. Das habe ich auch schon mal gesagt. Belassen wir es dabei. Wir wollen die beiden durch ein großes Tor verabschieden. Der gegenseitige Respekt ist sehr wichtig.“ … mögliche Abgänge bis zum Ende der Wintertransferperiode am 31. Januar: „Heute denken wir überhaupt nicht daran, einen Spieler abzugeben.“
Julien Wolff
Nach dem Transfer von Benjamin Pavard hat der FC Bayern noch zwei weitere Spieler im Visier. Daraus macht Sportdirektor Salihamidzic in seiner Trainingslager-Bilanz keinen Hehl. Bei Ribéry ist er weniger auskunftsfreudig.
Sport
Fußball
2019-01-09T11:40:21Z
2019-01-09T11:40:21Z
„Wir wollen Hudson-Odoi unbedingt“
https://www.welt.de//sport/fussball/bundesliga/article186779442/FC-Bayern-Salihamidzic-Wir-wollen-Hudson-Odoi-unbedingt.html
Schuldenerlass für Griechen: Finanzminister Schäuble - „IWF-Regeln ernst nehmen“
Nach Obamas Ruf nach einem Schuldenerlass für Griechenland hat sich Schäuble klar dagegen ausgesprochen: "Wenn ich die IWF-Regeln ernst nehme, dann muss ich darauf bestehen, dass Griechenland die Auflagen erfüllt.“
WELT
Nach Obamas Ruf nach einem Schuldenerlass für Griechenland hat sich Schäuble klar dagegen ausgesprochen: "Wenn ich die IWF-Regeln ernst nehme, dann muss ich darauf bestehen, dass Griechenland die Auflagen erfüllt.“
Ausland
2016-11-19T08:35:21Z
2022-05-11T20:10:39Z
Finanzminister Schäuble - „IWF-Regeln ernst nehmen“
https://www.welt.de//politik/ausland/video159604383/Finanzminister-Schaeuble-IWF-Regeln-ernst-nehmen.html
Warum man an den Hosen seinen Traummann erkennt
In der U-Bahn. Diese Situation, wenn man den letzten Platz zwischen einer Großmutter und dem Lehrer der lärmenden Schulklasse ergattert hat und nun, um Augenkontakt zu vermeiden, abwesend auf den Boden starrt. Schnell ist zu bemerken, dass die jungen Männer gegenüber alle ihre Hosen hochgekrempelt tragen, dabei nackte Knöchel oder sehr viel Strumpf zeigen. Kann man daraus ein Muster ableiten? Oder gar die Anwort auf eine der drängendsten Fragen allzu vieler Frauen finden - nämlich: Wie erkenne ich meinen Traummann (verlinkt auf /icon/partnerschaft/article167421918/Eine-Serie-lehrt-was-Maenner-wirklich-attraktiv-macht.html) auf den ersten Blick? Keine selbstbewusste Frau gibt heutzutage gerne zu, dass sie bei der Wahl des Partners im ersten Augenblick die Äußerlichkeiten (verlinkt auf /icon/article163660265/Selfies-sind-fuer-mich-das-Bloedeste-das-es-gibt.html) in den Vordergrund stellt. Aber sie tut es, manchmal sogar mehr unbewusst als willentlich. Viele denken, einen stilbewussten Mann bemerke jeder sofort. Man schaue sich dazu einfach das Gesamtpaket an. Passen die Farben (verlinkt auf /icon/mode/article168019953/Ich-habe-immer-sehr-emotional-auf-Farben-reagiert.html) zusammen, die er trägt? Welche Kleidungsstücke hat er bewusst kombiniert? Wie sitzt die Hose? Doch die Wahrheit liegt da im Detail. Denn Kleidung spricht, Mode sendet Signale darüber, wie man wahrgenommen werden will. Selbst Menschen, die sich angeblich nicht für Mode interessieren oder gar stets das Gleiche tragen, transportieren damit Botschaften. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zum Beispiel trägt fast immer ein graues T-Shirt und Jeans. Angeblich, weil er wichtigere Entscheidungen zu treffen hat, als die zwischen T-Shirt-Farben. Und genau das erzählt eben: Ich bin echter Workaholic, im Sinne der größeren Sache. Doch nutzt er für diese Botschaft dann eben doch wieder Kleidung. Das, was Menschen anziehen, verrät viel über ihren Lebensstil. Die Klamotten sind auf den ersten Blick das präsenteste Medium nonverbaler Kommunikation. Daher zurück zu den Fußgelenken der Männer. Denn dieses vermeintlich so unwichtige Stück Bein, der „Knöchelpart“ des Mannes, das Stück von der Schuhsohle bis zum Hosensaumen, verrät ihr mehr, als man denkt. Wie trägt er seine Hose (verlinkt auf /icon/mode/article168131418/Wie-traegt-man-Boyfriend-Jeans-richtig.html) ? Ist sie umgeschlagen oder vielleicht sogar etwas zu kurz? Es gilt hier, zwischen drei verschiedenen Typen zu unterscheiden: Typ 1 trägt seine Knöchel bedeckt, sodass man weder Haut noch Socken sehen kann. Meist halten sich diese Typen auch in ihrem Lebenstil bedeckter. Sie sind strenger mit sich selbst, jedoch sehr engagiert in Dingen, die ihnen Spaß bereiten. Man weiß nicht immer, woran man ist. Typ 2 zeigt seine Strümpfe. Des Öfteren ist dieser Typ experimentierfreudiger als die anderen. Es würde ihm gefallen, würde man ihn mit seinen meist bunten, auffälligen Socken (verlinkt auf /icon/maenner/article165812227/Endlich-Die-weisse-Tennissocke-fuer-Maenner-ist-Trend.html) , als Freigeist bezeichnen. Auch will er gerne signalisieren: Ich bin cool, modisch verwegen, trau mich was. Aber oft eben doch nur bei den Socken. Typ 3 zeigt in der Knöchelregion auch mal Haut. Dieser Mann liebt seine Freiheiten, leider nicht nur im Knöchelbereich. Er war in der diesjährigen Staffel von „Die Bachelorette“ häufiger zu sehen. Man kann wenig über seine sonstigen Vorlieben verraten. Nur so viel: er hält sich für sehr jugendlich, ist meist sportlich und eher eitel. Zugegeben, eine subjektive Theorie, ohne Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit - die aber zumindest für eines sorgen wird. Dass, wer diesen Text gelesen hat, in Zukunft häufiger auf die Hosen der Männer achten wird. Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook (verlinkt auf https://www.facebook.com/ICONISTbyicon/) , Instagram (verlinkt auf https://www.instagram.com/iconistbyicon/) und Twitter (verlinkt auf https://twitter.com/iconistbyicon) .
Celine Herrmann
Hat Anziehung wirklich etwas damit zu tun, wie er, ja, angezogen ist? Eine Theorie rund um Männer und ihre Hosenbeine will dabei helfen, den Richtigen zu finden. Denn wie und ob er krempelt, verrät mehr als man denkt.
Iconist
Mode
2017-10-03T06:25:59Z
2017-10-03T06:26:05Z
Warum man seinen Traummann an den Hosen erkennt
https://www.welt.de//icon/mode/article169024033/Warum-man-seinen-Traummann-an-den-Hosen-erkennt.html
Medien: "Das Internet wird immer schneller sein"
WELT ONLINE: In dieser Woche erschien die vierte Ausgabe von „Vanity Fair“. Wäre das Blatt nach bisheriger Erkenntnis ein Kandidat für einen der Lead Awards 2008? Markus Peichl: Es gehört zum Regelwerk der Lead Awards, dass ein neues Wochenmagazin erst beurteilt wird, wenn mindestens zehn bis zwölf Ausgaben vorliegen. Sie werden es mir daher nachsehen, dass ich nicht in den Chor derer einstimme, die sich bereits nach ein oder zwei Nummern ein Urteil anmaßen. Ich kann nur soviel sagen: Das Heft ist viel besser als die vorschnellen Kritiker meinen. Es hat eine Chance. WELT ONLINE: Ähnliches sagte die Lead Academy im vergangenen Jahr über „Park Avenue“, das zum „Newcomer des Jahres“ gewählt wurde. Peichl: Die ersten fünf oder sechs Ausgaben waren ja auch vielversprechend. Aber man kennt das: Das Konzept und die ersten Schritte sind das eine, was dann daraus gemacht wird, etwas völlig anderes. Ein Kernproblem deutscher Verlage. WELT ONLINE: Was meinen Sie damit? Peichl: Mal entwickeln die Verlage ein Projekt zu Tode, mal wird es viel zu schnell auf den Markt geworfen. In diesen Extremen zeigt sich das Dilemma: Verlage gehen nicht so planerisch vor wie andere Industriezweige. Wenn die Automobilindustrie so arbeiten würde, hätten wir Autos mit acht Rädern, von denen manche quergestellt sind und andere blockieren. „Park Avenue“ hatte und hat einen richtigen Ansatz: ein gehobenes Reportagemagazin über Menschen. Aber für so etwas braucht es Schreiber, blattmacherischen Instinkt, die richtige Themenmischung, Emotion, Recherche, Kontakte. All das fehlte bei „Park Avenue“. Also entstand wie üblich bei deutschen Verlagen: Hektik. Und wozu führt Hektik? Das ohnehin wenig planerische Vorgehen wird chaotisch. Da gibt es dann Konzeptwechsel, Chefredakteure werden ausgetauscht und bekommen über, neben oder unter sich weitere Häuptlinge zur Seite gestellt. Mal ehrlich, bei „Park Avenue“ wusste doch zeitweise keiner mehr, wer das Sagen hat. WELT ONLINE: Im Moment „Stern“-Chef Andreas Petzold. Peichl: Zum Glück ist unter ihm Ruhe eingekehrt und das Blatt scheint sich zu finden. Aber was macht der Verlag: Setzt den Preis auf ein Euro runter. Ein Magazin für Reiche zum Aldi-Schleuderpreis. Das ist ungefähr so, als würde man Louis-Vuitton-Taschen für 49,99 Euro verscherbeln. Einen Monat später wäre die Marke tot. WELT ONLINE: Ist „Park Avenue“ nicht nur Mittel zum Zweck, um „Vanity Fair“ Steine in den Weg zu legen, damit der eigene „Stern“ möglichst unbeschadet bleibt? Peichl: Wenn es so wäre, frage ich: Was ist das für eine Branche, in der man Menschen, Geld, Ideen und Kreativität vergeudet, um andere Menschen und andere Ideen zu zerstören? Aber ich glaube nicht, dass es so ist. Gruner + Jahr hat „Park Avenue“ herausgebracht, um etwas zu schaffen, nicht um etwas zu zerstören. Man sollte das anerkennen, auch wenn es jetzt vielleicht nicht so rund läuft. WELT ONLINE: Am Kiosk verkaufen sich gerade Wochenmagazine immer schlechter. Die Blattmacher sind verunsichert, wie ein Titelbild auszusehen hat, damit es beim Leser ankommt. Haben sich die Magazine zu weit von der Lebenswirklichkeit entfernt? Peichl: Dazu ein Beispiel: Wir haben eine Geschichte über Murat Kurnaz aus dem „Stern“ mit Gold für den „Beitrag des Jahres“ ausgezeichnet. Ästhetisch wie inhaltlich war das eine vorbildliche journalistische Leistung. Der „Stern“ hatte nicht nur exklusiv mit Kurnaz gesprochen, sondern war in Guantanamo und vermittelte so als erstes Blatt einen umfassenden Eindruck über dieses Unding der Post-9/11-Gesellschaft. Das Problem ist nur: Man nimmt solche herausragenden Beiträge nicht mehr richtig wahr. Sie gehen unter. WELT ONLINE: Sie glauben, guter Journalismus wird vom Leser nicht geschätzt? Doch, aber die Leute werden mit so viel Mittelmaß erschlagen, dass sie das Gute nicht mehr sehen. Erinnern Sie sich an die Hitler-Parodie mit Helge Schneider? Die Frage „Darf man über Hitler lachen?“ war die Sau, die eine Woche lang durchs mediale Dorf gejagt wurde. Danach war die Sache vergessen, der Film floppte, basta. Dasselbe passierte mit dem Uschi-Obermaier-Film. Ein Riesenzirkus. Bereits vor dem Filmstart war alles vorbei, der Film ein Riesenflop, kein Mensch redete mehr darüber. Das ist das Problem, mit dem die Printmedien zu kämpfen haben. Selbstverschuldet lassen sie sich im Kampf gegen schnellere Medien auf das Gebot der Nichtsubstanz und das Verdikt der Geschwindigkeit ein. Journalisten haben keine Zeit mehr zu recherchieren, sich etwas genau anzuschauen und darüber nachzudenken. Peichl: Sie wollen doch nicht leugnen, dass zur Hitler-Parodie kluge, gut geschriebene Artikel erschienen sind. WELT ONLINE: Natürlich gab es die, aber sie sind von der Vielzahl der Husch-Husch-Erregungen verblasen worden. Der Leser wurde zugekleistert mit einem Wust von substanzlosem Kram, weil jeder glaubte, auch etwas zum Thema absondern zu müssen. „Huch, das ist ein Thema, da müssen wir jetzt ganz schnell was dazu machen.“ Das ist der Mechanismus, der Redaktionen treibt. Und dann bombardieren sie den Leser mit allem, was auf die Schnelle beizuschaffen ist. Also fehlen den Journalisten die Zeit und die Kraft, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen. Macht es aber doch einer, wird seine Mühe nicht belohnt, weil es der Leser in all dem Wust gar nicht mehr erkennen kann. Wissen Sie, was ich deshalb nicht mehr hören möchte? WELT ONLINE: Was denn? Peichl: Diesen Satz, den Printmedien-Leute so gern von sich geben, wenn sie ihre Angst vor Online-Medien vertreiben wollen: „Wir werden gegen das Fast-Food-Medium Internet bestehen, denn der Leser möchte Selektion, und genau die geben wir ihm: Wir trennen das Wichtige vom Unwichtigen.“ Stimmt einfach nicht. Alles nur Alibi-Wunschdenken. Die Printmedien verbreiten viel zu viel völlig ungefilterte Information im Affenzacken hinaus in die Welt. Bei zwei entscheidenden Storys war das anders: bei Susanne Osthoff und bei Murat Kurnaz. Da hatte der „Stern“ wirklich exklusive, selbst recherchierte Informationen und ist damit wie in guten alten Illustriertenzeiten breitenwirksam durchgedrungen. Deshalb hat der „Stern“ Silber bekommen als Lead Magazin 2007. WELT ONLINE: Gold gewonnen hat aber das „SZ-Magazin“. Peichl: Dieses Heft hat den Supplement-Journalismus in Deutschland nicht nur am Leben gehalten, sondern etliche Verlage dazu angeregt, selbst wieder Zeitungsbeilagen zu entwickeln. Die Zeitungsverlage scheinen in Ansätzen erkannt zu haben, wie sie gegen das Internet bestehen können. Indem sie die Belange von Zeitschriften wahrnehmen, indem sie mit Supplements haptische, emotionale Leseerlebnisse schaffen, die früher Magazinen vorbehalten waren. WELT ONLINE: Zurück zum „SZ-Magazin“, das auch in der Kategorie „Cover des Jahres“ Gold gewonnen hat. Was ist das Besondere an dem Titelbild zu Rudi Carrells letztem Interview? Peichl: In diesem einen Foto steckt so viel Hoffnung und zugleich Verzweiflung, da wird so viel über das Sterben erzählt, so viel über die Angst davor, aber auch über den würdevollen Umgang mit dem Tod, wie man es lange nicht gesehen hat. Im Boulevardjournalismus erleben wir oft so einen grauenhaften Umgang mit Sterbenden ... WELT ONLINE: ... worüber sich Carrell in eben diesem Interview beschwert und sich dafür über seinen Tod hinaus juristischen Ärger eingehandelt hat. Peichl: Da tut es erst recht gut, mit so einem Cover beweisen zu können, dass es auch anders geht. Dafür hat das Magazin die Gold-Medaille verdient. WELT ONLINE: Das Bild vom alten Menschen war neben dem Religiösen, Mystischen, Spirituellen das Thema, das Icon des vergangenen Jahres. Peichl: Beide Trends dauern an. Denken Sie an die aktuelle Dove-Werbung mit den nackten älteren Frauen. Dazu kam das neue Deutschland-Bild. Nie zuvor wehten durch Printmedien so viele Deutschland-Flaggen – nicht nur wegen der WM-Berichterstattung, sondern weil eine Umbewertung jüngerer deutscher Geschichte stattfindet. In Magazinen wie „Zeit Geschichte“ oder „Geo Epoche“ gibt es viele herausragende und aufwendige Serien, die ein neues Geschichts- und Nationalbewusstsein fördern. Der Glanz und Gloria Preußens wird dort zelebriert wie der Glamour von Hollywood in „Gala“ oder „Bunte“. WELT ONLINE: Es geht also doch: Themen mit inhaltlichem Tiefgang optisch opulent umzusetzen. Peichl: Ja, aber nur zu besonderen Anlässen oder bei Nischen- und verlagsunabhängigen Magazinen. Leider klappt es nicht bei Themen, die aktuell relevant sind. Da scheint die Angst größer zu sein, dass der Konkurrent das Thema schneller aufgreift. Die Magazine müssen sich damit abfinden: Das Internet wird immer schneller sein. Auf Geschwindigkeit allein zu setzen heißt, von vornherein verloren zu haben. WELT ONLINE: Sie klingen nicht gerade optimistisch. Peichl: Man muss sich doch nur die Auswahl anschauen, die wir in der Kategorie „Cover des Jahres“ hatten. Das war der schwächste Zeitschriftenjahrgang aller Zeiten. Als wir all die Titelbilder vor uns hängen hatten, konnte man nur mit Schulterzucken sagen: Da ist nichts, was einen packt oder neugierig macht. Da muss man dann auch mal den Schluss zulassen: Auflagenrückgänge liegen nicht nur an der Konkurrenz durch das böse Internet und das böse Fernsehen, sondern auch an hausgemachten Fehlern wie mediokren Covern und langweiligen Themenumsetzungen. Trotzdem, und gerade weil das Herausragende im Mittelmaß untergeht: Wir haben in 19 Kategorien je drei Preisträger. An ihnen sollten sich alle ein Beispiel nehmen, das Mittelmaß zurückdrängen und die Spitzenleistungen fördern.
Ulrike Simon
Das "SZ-Magazin" ist die beste Zeitschrift Deutschlands. Zu diesem Ergebnis kommt die Jury der Lead Academy. Sie vergibt jährlich die "Oscars der Medienbranche". Juryvorsitzender Markus Peichl erklärt im Gespräch mit WELT ONLINE, dass es nicht nur Grund zum Feiern gibt.
Kultur
2007-02-28T19:01:18Z
2015-10-02T19:17:27Z
"Das Internet wird immer schneller sein"
https://www.welt.de//kultur/article740174/Das-Internet-wird-immer-schneller-sein.html
Fans feiern Gold von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben als erste euorpäische Frauen Gold im Beachvolleyball gewonnen. Die brasilianischen Fans sind nach dem Finale enttäuscht, die deutschen Fans feiern umso mehr.
WELT
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben als erste euorpäische Frauen Gold im Beachvolleyball gewonnen. Die brasilianischen Fans sind nach dem Finale enttäuscht, die deutschen Fans feiern umso mehr.
2016-08-18T11:40:33Z
2016-12-18T09:25:10Z
Die deutschen Fans feiern Gold im Beachvolleyball
https://www.welt.de//sport/video157737819/Die-deutschen-Fans-feiern-Gold-im-Beachvolleyball.html
Andreas Scheuer lässt Diesel-Gipfel in Brüssel platzen
Ein für kommende Woche in Brüssel geplanter Dieselgipfel findet wegen der Absage aus Deutschland nur noch auf Fachebene statt: EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska sagte dem „Handelsblatt“ vom Donnerstag, es sei „sinnlos“, ein solches Treffen ohne den Staat mit der größten Automobilindustrie auszurichten und nannte die Absage von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) „enttäuschend“. Scheuer selbst sagte, er habe gar nichts von einem Gipfel gewusst. „Vor Monaten“ habe er aus Brüssel eine Einladung zu einer „Veranstaltung über das Thema Diesel und Mobilität“ erhalten und bereits gesagt, dass dieser Termin nicht möglich sei, da Sitzungswoche im Parlament sei, sagte Scheuer am Donnerstag. „Wir können uns gerne weiter über Diesel unterhalten in Europa. Nur zu einem anderen Zeitpunkt.“ Auf der Internetseite der Kommission ist im Terminkalender für kommenden Dienstag seit längerem eingetragen, dass Bienkowska die Minister der EU-Länder zu einem Dieselgipfel in Brüssel eingeladen hat. Die Diskussionsrunde solle unter anderem dazu dienen, drei Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals „Bilanz zu ziehen, bewährte Praktiken auszutauschen und festzustellen, was Automobilhersteller und Mitgliedsstaaten noch tun müssen“. Dem „Handelsblatt“ zufolge soll das Treffen nun auf Ebene von Fachexperten stattfinden. Kritik von SPD und Grünen Für Diskussionen sorgten auch weiter die Pläne von Scheuers Ministerium zur Überwachung von Fahrverboten, wie sie zuletzt für immer mehr Städte angeordnet worden waren. Mit einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes will die Bundesregierung künftig eine elektronische Massenüberwachung ermöglichen, um die Einhaltung der Vorgaben zu kontrollieren. Der Entwurf passierte Anfang November das Kabinett und muss nun ins Parlament. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte dem „Handelsblatt“, Scheuer solle sich „gefälligst darum kümmern, dass die Autoindustrie endlich vernünftige Nachrüstlösungen für Diesel-PKW anbietet und nicht die Innenstädte mit Kameras zupflastern“. Das sei „völlig unverhältnismäßig und würde vom Dieselskandal betroffene Autofahrer zum zweiten Mal zu Opfern machen“. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, eine umfassende Videoerfassung aller Autofahrer, um eine Ordnungswidrigkeit nachzuweisen, sei „unverhältnismäßig, gefährlich und verfassungswidrig“. Das von der Regierung geplante Gesetz sei ein „krasser Angriff auf die Bürgerrechte“ und werde außerdem ein „riesiges neues Bürokratiemonster schaffen“. In den vergangenen Tagen hatten sich bereits Datenschützer skeptisch zu den Plänen geäußert (verlinkt auf /wirtschaft/article184289202/Diesel-Fahrverbote-Datenschuetzer-fuerchten-Totalueberwachung.html) . Das Verkehrsministerium hatte die Pläne am Mittwoch verteidigt und erklärt, die erhobenen Daten würden danach „unverzüglich gelöscht“. Justiz- und Innenministerium sowie die Bundesbeauftragte für den Datenschutz hätten dem Entwurf zugestimmt. Allerdings gibt es in dem Entwurf auch einen Passus, wonach Daten erst spätestens nach sechs Monaten gelöscht werden müssen. Einige Fälle könnten also unter Umständen bis zu einem halben Jahr aufbewahrt werden.
WELT
Brüssel hat einen Diesel-Gipfel mit 13 EU-Staaten nach der Absage des Verkehrsminister Scheuer gestrichen. Die EU-Industriekommissarin zeigt sich „enttäuscht“. Doch Scheuer sagt, er habe das Treffen bereits vor Monaten abgesagt.
Politik
Deutschland
2018-11-22T07:04:56Z
2019-01-07T12:53:22Z
Scheuer sagt, er habe nichts von einem Diesel-Gipfel gewusst
https://www.welt.de//politik/deutschland/article184293038/Andreas-Scheuer-laesst-Diesel-Gipfel-in-Bruessel-platzen.html
Rezept: Grünkohl mit Linsen, Zwiebeln und Äpfeln – Lecker!
Seit ein paar Tagen liegt der erste Grünkohl (verlinkt auf /icon/article151002653/Gruenkohl-Tarte-mit-Eiern-und-Kuemmel.html) an den Marktständen. Anstatt ihn lange zu schmoren und mit fetten Würsten und Bauchspeck zu servieren, koche ich ihn nur kurz. Zusammen mit roten Linsen, Äpfeln und Zwiebeln wird daraus ein Salat, den man für sich allein oder als Begleitung zum Steak (verlinkt auf /icon/article153302568/Diese-Steaks-gelten-als-die-besten-der-Welt.html) oder Käsebrot essen kann. Die roten Linsen liefern Eiweiß und komplexe Kohlenhydrate und nehmen dem Grünkohl die Bitterkeit, der Apfel und die Zwiebeln liefern Säure und Süße. Natürlich könnte man auch andere Linsen verwenden, doch rote Linsen sind schon geschält und haben mit Abstand die kürzeste Garzeit, sie sind einfacher zu verarbeiten und leichter verdaulich. Auch das Kurkuma ist doppelt gut: Es verleiht dem Grünkohl einen leicht erdig-bitteren Geschmack und soll angeblich Heilkräfte haben. Das sind die Zutaten 300 g Grünkohl 200 g rote Linsen 6 EL Sonnenblumenöl 2 rote Zwiebeln 1 Apfel (Boskop) 1 gestrichener TL Kurkuma 4 EL Apfelbalsamessig Salz, Pfeffer So wird’s zubereitet Den Grünkohl in reichlich Wasser waschen. Den Blattstiel entfernt man am besten, indem man das Blatt auf die Rückseite dreht, den weichen, krausen Teil am Stielansatz mit einer Hand festhält und mit der anderen den Stiel zur Blattspitze hin herausreißt. Dabei löst sich auch der größte Teil der Fasern aus den Blattrippen. Der Grünkohl wird nun für 2–3 Minuten in gut gesalzenem Wasser blanchiert und anschließend kalt abgeschreckt. Nach dem Abschrecken die Blätter gründlich ausdrücken und zum Abtropfen auf ein Tuch legen. Die roten Linsen in einem kleinen Topf mit ca. drei Fingerbreit Wasser bedecken und etwa zehn Minuten auf kleiner Flamme weich kochen (verlinkt auf /themen/kochrezepte/) . Abgießen, gut abtropfen lassen und erst jetzt salzen. Die Zwiebeln schälen und blättrig in 1 cm große Stücke schneiden. Den Apfel (verlinkt auf /themen/aepfel/) samt Schale, aber ohne Kerngehäuse in etwa 1 cm große Würfel schneiden. Zuerst die Zwiebeln in drei EL Sonnenblumenöl glasig dünsten, dann die Apfelwürfel und das Kurkuma dazugeben. Bei geschlossenem Deckel bei milder Hitze einige Minuten weich dünsten. Anschließend mit Apfelbalsamessig, Salz und Pfeffer abschmecken. Den abgetropften Grünkohl in Streifen schneiden und mit den Linsen, den Äpfeln, den Zwiebeln und dem übrigen Öl (verlinkt auf /themen/olivenoel/) anmachen, mit Salz und Pfeffer würzen und bei Bedarf mit etwas Apfelbalsamessig abschmecken. Mehr Rezept-Inspiration finden Sie in unserem Archiv (verlinkt auf /themen/kochrezepte/) .
Volker Hobl
Dass man Grünkohl nicht nur typisch mit Würstchen und Speck servieren muss, beweist dieses Rezept. Kombiniert mit Linsen, Äpfeln und Zwiebeln wird aus dem Wintergemüse zum Beispiel ein feiner Salat.
Iconist
Essen & Trinken
2016-11-04T06:24:28Z
2024-01-12T10:55:10Z
So haben Sie Grünkohl wohl noch nie gegessen
https://www.welt.de//icon/essen-und-trinken/article159157429/So-haben-Sie-Gruenkohl-wohl-noch-nie-gegessen.html
Reisegesellschaft: Westerwelle und die Folgen einer Dienstfahrt
Im lautstark geführten Streit um die Auswahl von Reisegästen durch Außenminister Guido Westerwelle hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Koalitionspartner gegen Vorwürfe der Vetternwirtschaft in Schutz nehmen lassen. Die Kanzlerin sei „überzeugt, dass der Außenminister in Übereinstimmung mit den Usancen und den Regeln vorgegangen ist“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Dies gelte auch für die besonders kritisierte Asienreise Westerwelles im Januar. Die Kritik hatte sich vor allem an der Mitnahme des Geschäftsführers der Ludwigshafener Firma Far Eastern Ltd, Ralf Marohn, und des Gründers der Schweizer Mountain Partners Group, Cornelius Boersch, entzündet. An Marohns Firma halten Boersch sowie Guido Westerwelles jüngerer Bruder Kai Westerwelle Anteile. Dieser sitzt auch im Beratergremium einer von Boersch gegründeten schweizerisch-chinesischen Risikokapital-Firma. Marohn ist aktiver FDP-Politiker in Rheinland-Pfalz. Boersch ist Großspender der Bundes-FDP, und unterhält zu Westerwelles Partner Michael Mronz geschäftliche Kontakte. Aus dem Auswärtigen Amt war zu hören, die Auswahl der Gäste sei nach den üblichen Kriterien erfolgt – Empfehlungen seitens der Botschaften und der Wirtschaftsverbände, sowie der Zuschnitt auf wichtige Besuchspunkte. Mehrere Dax-Firmen hätten signalisiert, Vorstände seien für den fraglichen Zeitraum nicht frei; das AA wiederum wollte keine Reisenden auf Abteilungsleiterebene akzeptieren. Man habe unter Verweis auf die thematischen Punkte zudem Firmen abgelehnt, die Interesse bekundet hätten und, so eine mit Sarkasmus gemischte Ergänzung, der FDP gespendet hatten. Im Übrigen obliege die Vorauswahl der Delegation denselben Beamten wie unter Westerwelles Vorgänger Frank-Walter Steinmeier. Ausdrücklich wies das Auswärtige Amt eine Meldung zurück, Westerwelle habe bei seiner Türkeireise im Januar auf Steuerzahlerkosten das stellvertretende FDP-Mitglied im Kulturausschuss der Stadt Bonn, die türkischstämmige Nurten Schlinkert, als „Sondergast“ mitgenommen. Schlinkert habe die Reise- und Hotelkosten privat bezahlt. Unterdessen hat der Streit eine erste handfeste Folge für einen der Genannten. Ralf Marohn hatte dieser Tage darauf verwiesen, dass er auch bereits Mitglied einer Delegation der Mainzer Landesregierung unter Kurt Beck (SPD) gewesen sei. Beck bestritt das entschieden. Marohn legte Fotos von ihm und sich selbst in Peking vor. Beck blieb bei seiner Aussage. Sein Regierungssprecher sagte, Marohn sei nur zu einem Abendessen dazugestoßen. Seine 1992 gegründete Far Eastern Ltd besaß bereits seit 1994 einen Beratervertrag mit dem Mainzer Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft des Landes. Diesen Vertrag kündigte das Ministerium. Ein Verhalten wie bei Marohn könne „ein Auftraggeber nicht hinnehmen“. Eine offizielle Reaktion aus der Bundes-FDP darauf gab es nicht. Inoffiziell war das Wort von „parteipolitischer Bestrafung“ zu hören. Es fällt auf, dass überhaupt nur wenige dem Außenminister in der aktuellen Streitfrage offen beispringen. Der Generalsekretär der Bundes-FDP, Christian Lindner, verschärfte seine Kritik an den Vorwürfen. „Wir müssen aufpassen, dass die Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die da konstruiert werden“, sagte er im ZDF. Demokratie brauche „minimale Anstandsregeln“. Zuvor hatte die designierte Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, gesagt, Westerwelle sorge „liebevoll dafür, dass sein Lebenspartner, seine Familie und FDP-Großspender anstrengungslos zu noch mehr Wohlstand kommen“. Man müsse „korrupte Politiker“ korrupt nennen dürfen“. Die FDP-Landesverbände aber blieben bis auf NRW weitgehend stumm. Die nordrhein-westfälische FDP steht nach den Worten ihres Chefs Andreas Pinkwart geschlossen hinter Westerwelle. „Er hat die volle Unterstützung des Landesverbands.“ Stumm blieb, vermutlich zur Erleichterung der Koalitionspartner, auch die CSU. In der CDU erhob der Chef der Jungen Union Philip Mißfelder seine Stimme. Seit Tagen versuche man Westerwelle „in Misskredit zu bringen“. Inoffiziell war in Berlin FDP-Zirkeln zu hören, „nach den Maßstäben, die jetzt an Westerwelle angelegt werden, kann man bei jedem Politiker etwas finden“ oder „Wahrscheinlich kann man in jeder Delegation jemanden ausfindig machen, der persönliche Beziehungen in die Politik hat“. Westerwelle neige zu etwas schrillem Auftreten. „Da müssen wir jetzt mit ihm durch.“ Es gebe aber keinerlei Debatte über ihn als Vorsitzenden. Eher sei die Partei „noch geschlossener“. Aus einem Landesverband kamen vorsichtig skeptische Anmerkungen wie „Es darf nicht der Anschein erweckt werden, es würden Gefälligkeiten verteilt. Da muss man höllisch aufpassen.“ Westerwelle müsse in Zukunft darauf achten, „sich vor ähnlichen Vorwürfen zu schützen“. Aus anderem Munde kam die Sorge, Unternehmer führen nun vielleicht nicht mehr so zahlreich mit wie bisher, weil sie die schlechte Presse fürchteten. Derweil räumte Westerwelles Vorgänger Frank-Walter Steinmeier gegenüber „stern.de“ ein, dass er auf seinen Reisen auch den mit ihm privat bekannten Berliner Verleger Detlef Prinz mitgenommen habe. Prinz wiederum war Mitmieter einer Wohnung im brandenburgischen Saaringen, die Steinmeier derzeit noch als Untermieter nutzt. In den Publikationen Detlef Prinz’ inserierte ein enger Freund Steinmeiers. Detlef Prinz habe die Reisen gemäß den Richtlinien anteilig bezahlt. Prinz verlegt eine Reihe von Zeitungen, die deutsche Politik Lesern in Übersee erläutern.
Torsten Krauel
Auch am letzten Tag der Südamerika-Reise von Außenminister Westerwelle sind die Nebengeräusche nicht zu überhören. Erstaunlich ist, wie die FDP mit den Angriffen gegen ihren Chef umgeht: Viele Landesverbände bleiben weitgehend stumm. Doch in Berlin spricht man von neuer Geschlossenheit.
Politik
Deutschland
2010-03-12T18:32:52Z
2015-09-01T09:39:42Z
Westerwelle und die Folgen einer Dienstfahrt
https://www.welt.de//politik/deutschland/article6747340/Westerwelle-und-die-Folgen-einer-Dienstfahrt.html
Alternative Verkehrskonzepte: Eine Super-App gegen den Mega-Stau
Der Blick aus dem 14. Stock auf den Ernst-Reuter-Platz ist beängstigend. Weniger wegen der Höhe, sondern wegen des aufbrandenden Feierabendverkehrs, der den Berliner Kreisel auf dem Weg nach Westen verstopft. Wer hier in dem 80 Meter hohen Telefunkenhochhaus arbeitet, muss nur einen Blick in die Tiefe werfen, um zu sehen, was Deutschland dringend braucht. Oder eben nicht braucht: noch mehr Autos. Auch den wissenschaftlichen Mitarbeitern des „Distributed Artificial Intelligence Laboratory“ der Technischen Universität Berlin, kurz DAI-Labor genannt, steht jeden Tag vor Augen, welches Problem ihre Algorithmen lösen könnten – wenn sie denn dürften, wie sie wollten. Zwar wird im Weltmeisterland Deutschland weltmeisterlich geforscht, wenn es um Nachhaltigkeit geht, doch eines ist bislang nicht gelungen: Eine App zu schaffen, die alle verfügbaren Mobilitätsangebote zusammenfasst und damit den privaten Fahrzeugbesitz wenigstens in Teilen obsolet macht. Bei diesem Problem gebe es „vier Ebenen“, sagt Johannes Fähndrich, Informatiker am 1992 von Professor Sahin Albayrak (verlinkt auf http://www.tu-berlin.de/?149753) gegründeten DAI-Labor. „Die organisatorische, politische, rechtliche und technische Ebene. Die technische macht uns am wenigsten zu schaffen.“ Doch selbst wenn es technische Standards gebe, werde oft versucht, diese zu umgehen und eigene Lösungen zu kreieren. Mehr als eine Million Nutzer von Carsharing Rund 150 Carsharing-Anbieter (verlinkt auf http://www.getestet.de/carsharing-vergleich/?cid=Carsharing&gclid=CPW2xPmCm8ICFSX4wgodDQIApA) gibt es am Markt, von denen die meisten ihr eigenes Süppchen kochen. Die Entwicklung dieser Form der Mobilität scheint rasant. Laut Angaben der Fachzeitschrift „Connect“ habe es 2012 erst 22.000 registrierte Nutzer bei Carsharern gegeben. Heute sind es schon weit mehr als eine Million. Für 2020 werden gar 15 Millionen prognostiziert. Doch solche Angaben sind mit Vorsicht zu genießen – weil die Zahlen von den Anbietern selbst kommen und Mehrfachregistrierungen einzelner Nutzer bei verschiedenen Unternehmen eher die Regel sein dürften. Eine Art Super-App, die alle Anbieter zusammenfasst, könnte aus diesem Dilemma heraushelfen. Bei so einem „intermodalen Routenplaner“, wie diese Applikation für Smartphones bezeichne t wird, müsste man sich nur einmal anmelden und könnte fortan sämtliche Mobilitätsangebote – inklusive ÖPNV, Fahrradverleihdienste, Taxis und Mitfahrgelegenheiten – nutzen. „Es wäre wünschenswert, dass man nur einen Vertrag abschließt und nicht zehn verschiedene“, sagt Marcus Voß von den „Next Generation Services“ des DAI-Labors. Auch dort forscht man an der Entwicklung solch eines Routenplaners namens „Intermodale Mobilitätsassistenz für Großstädte“ (IMA). Dieses Projekt ist zwar politisch hoch aufgehängt, wird auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und in Partnerschaft mit dem German-Turkish Advanced Research Centre durchgeführt – dennoch muss es bislang mit den Daten von nur sechs Anbietern auskommen. „Ziel ist ein einheitlicher Marktplatz für Mobilitätsangebote mit Schnittstellen, über die die Anbieter ihre Angebote austauschen können“, sagt Nils Masuch. Je mehr Anbieter, desto komplexer die Suche Derzeit muss der Forscher des DAI-Labors zum Teil auch mit statischen Daten arbeiten, die nicht dynamisch abrufbar sind, um das System mit vielen Anbietern zu testen. „Je mehr hinzukommen, desto größer ist der Suchraum und desto komplexer sind die algorithmischen Herausforderungen (verlinkt auf /kultur/literarischewelt/article133151223/Technologie-ist-eine-Religion-geworden.html) .“ Immerhin haben die Berliner dank der Daten von „Car2Go“ einen der größten Anbieter integriert. 3500 Fahrzeuge ist die bundesweite Flotte der Daimler-Tochter groß und teilt sich damit, was die Anzahl der Autos angeht, die Spitze mit „Stadtmobil“ (3500), einem Zusammenschluss regionaler Mietwagen-Anbieter. Es folgen „Flinkster“ (3100) der Deutschen Bahn und „DriveNow“ (2400) von BMW. Doch selbst wenn alle 150 Carsharer über ähnliche Flottenzahlen verfügen würden: Gemessen an den mehr als 40 Millionen Autos auf deutschen Straßen sind die Unternehmen bislang fast unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Wenn das Teilen und temporäre Besitzen von Autos aber eine wirkliche und nachhaltige Marktmacht werden soll, wird man auf Dauer nicht um eine App herumkommen, die die Mehrzahl der Anbieter integriert. Warum zieren sich also die Unternehmen? Noch fehlen die Sicherheitsfeatures Die Antwort ist simpel: Die Mitbewerber sollen so wenig Informationen wie möglich über das eigene Geschäftsmodell erhalten. Schnittstellen, über die sich Unternehmen bei einem intermodalen Routenplaner andocken können, bieten nicht nur die Möglichkeit, dass Daten ein-, sondern eben auch ausgelesen werden können. „Deshalb wird an Sicherheitsfeatures gearbeitet, mit deren Hilfe Anbieter genau deklarieren können, welche Informationen weitergegeben werden dürfen und welche nicht“, erläutert Johannes Fähndrich die aktuellen Bestrebungen, den Routenplaner so zu gestalten, dass jeder Anbieter sich beteiligen kann, ohne zu viel von seinem Geschäftsmodell preisgeben zu müssen. Derzeit verdienen die intermodalen Routenplaner, die am Markt sind, eigentlich kaum ihre Bezeichnung. „Intermodal“ bedeutet im Gegensatz zu „multimodal“ die Möglichkeit, einen Weg von A nach B mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten. Multimodal heißt nur, dass jemand grundsätzlich zwischen verschiedenen Fortbewegungsmitteln wählt und sich nicht zum Beispiel nur „monomodal“ ins Auto setzt. Die meisten Routenplaner haben nur ein Carsharing-Angebot Beispiele für intermodale Routenplaner sind Apps wie „Qixxit“, „Moovel“ oder „Allryder“. Doch die Programme haben meist nur einen einzigen Carsharer integriert. „Qixxit“, eine App der Deutschen Bahn und Sieger im Test von „Connect“, setzt ganz auf das eigene Unternehmen „Flinkster“. Immerhin hat man Fernbus-Konkurrenten wie „FlixBus“, „BerlinLinienbus“ oder „City2City“ neben Zugverbindungen, öffentlichem Nahverkehr, Bikesharing und Taxiunternehmen integriert. „Allryder“ wartet neben ÖPNV, Taxis und „Nextbike“ mit zwei Carsharern, „Car2go“ und „DriveNow“, auf. „Moovel“, eine App von Daimler, setzt neben „MyTaxi“, „Mitfahrgelegenheit.de“, ÖPNV und Fahrradverleihern – wenig überraschend – auf das hauseigene „Car2go“. Alles hübsch, aber wenig zielführend. Es lässt sich also nur hoffen, dass die Entwicklung der Sicherheitsfeatures im DAI-Labor viele Anbieter überzeugt, ihre Daten dem intermodalen Routenplaner der TU Berlin zur Verfügung zu stellen.
Björn Engel
Das Teilen von Autos könnte die Mobilität nachhaltig verändern. Ein Projekt der TU Berlin will Carsharing-Anbieter untereinander verknüpfen, doch die Resonanz bei den Unternehmen ist eher verhalten.
Sonderthemen
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
2014-11-27T16:01:04Z
2015-10-16T06:27:01Z
Eine Super-App gegen den Mega-Stau
https://www.welt.de//sonderthemen/deutscher-nachhaltigkeitspreis/article134673617/Eine-Super-App-gegen-den-Mega-Stau.html
Gedenkstätte Buchenwald: Eklat bei Holocaust-Gedenken – Jugendliche spricht von „Genozid“ in Palästina
Bei einer Gedenkveranstaltung mit KZ-Überlebenden zur Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora vor 80 Jahren hat eine junge Teilnehmerin einen Eklat ausgelöst. Sie sprach bei der Präsentation eines Jugendprojekts in Weimar auf Englisch von einem „Genozid“ in Palästina. Einige Gäste äußerten ihr Missfallen mit Buh-Rufen. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens Christian Wagner, griff direkt ein: Es müsse um die unschuldig Getöteten dort getrauert werden können – aber von einem „Genozid“ zu sprechen, gerade an einem Ort wie Buchenwald gehöre sich nicht. Auch der Botschafter Israels, Ron Prosor, war zur Kranzniederlegung gekommen. Die junge Teilnehmerin hatte darüber gesprochen, dass aus Buchenwald Lehren gezogen werden müssten – und man auch heute laut werden müsse bei Ungerechtigkeiten. Zuvor sprach der 92-jährige Naftali Fürst, Überlebender der KZ Auschwitz und Buchenwald. „Wir sind nur noch sehr wenige, bald werden wir Ihnen endgültig den Stab der Erinnerung weitergeben und damit verleihen wir Ihnen eine historische Verantwortung“, so Fürst an die Zuhörenden. Neun KZ-Überlebende waren laut Stiftung bei der Kranzniederlegung. Gedenkstättenleiter Wagner, sprach von einer großen Ehre, dass die hochbetagten Überlebenden aus Israel, Polen, Frankreich, Rumänien und Belarus, darunter zwei über 100-Jährige, für das Gedenken an den Ort ihres Leidens zurückgekehrt seien. Dieser Tag sei nicht nur ein Tag des Gedenkens, sondern auch Tag des Nachdenkens, was die Lehren aus den Nazi-Verbrechen von damals für uns heute bedeuten, sagte Wagner mit Hinweis auf den erstarkenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Christian Wulff: AfD gefährdet Menschen Auch Altbundespräsident Christian Wulff als Hauptredner warnte eindringlich vor der zunehmenden Verrohung und Radikalisierung der Gesellschaft. Verrohung sei das „schleichende Gift der Rechtspopulisten“, sagte Wulff und zitierte die Worte der heute 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer: „So hat es damals auch angefangen“. Wenn Friedländer heute so etwas sage, „dann muss uns das antreiben“, sagte Wulff. Er kritisierte die AfD deutlich. „Die Verharmloser der AfD ignorieren, dass die AfD mit ihrer Ideologie den Nährboden bereitet, dass sich Menschen in Deutschland unwohl fühlen und tatsächlich konkret gefährdet sind.“ Jene, die glaubten, man könne die AfD entzaubern durch Einbindung, lägen falsch. Nicht mit der AfD müsse man reden, sondern mit ihren Wählern. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) sagte, die damalige Nähe des KZ Buchenwalds zur Kulturstadt Weimar zeige, dass Bildung, Kunst und moralische Selbstvergewisserung nicht immun machten gegen das Böse: „Hier die Stadt der Klassik, dort der Ort der Barbarei“. „Goethe und Gewalt“ würden sich nicht ausschließen. Diese Unmenschlichkeit sei es, „die uns heute so fassungslos macht“, sagte Voigt. Streit über Rede des Philosophen Boehm Tagelang überschattete auch ein Streit über die Auswahl der Redner das Gedenken. Die Gedenkstätte sagte einen Auftritt des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm (verlinkt auf /article255854116) ab. Hintergrund ist scharfe Ablehnung aus der israelischen Botschaft gegen Boehm, die ihm Holocaust-Relativierung vorwirft. Stiftungsdirektor Wagner hatte erklärt, er habe durch die Verschiebung der Rede verhindern wollen, dass die Überlebenden weiter in den Konflikt hineingezogen würden. In das KZ Buchenwald bei Weimar und seine 139 Außenlager hatten die Nationalsozialisten seit dem Sommer 1937 etwa 280.000 Menschen verschleppt. 56.000 Menschen wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten, durch Zwangsarbeit oder medizinische Experimente. US-Truppen erreichten das Lager am 11. April 1945.
WELT
Die Wortwahl einer Jugendlichen überschattet das Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald: Sie sprach von einem „Genozid“ in Palästina. Altbundespräsident Christian Wulff kritisierte in seiner Rede die AfD.
Politik
Deutschland
2025-04-07T11:26:32Z
2025-04-07T11:26:39Z
Eklat bei Holocaust-Gedenken – Jugendliche spricht von „Genozid“ in Palästina
https://www.welt.de//politik/deutschland/article255879924/Gedenkstaette-Buchenwald-Eklat-bei-Holocaust-Gedenken-Jugendliche-spricht-von-Genozid-in-Palaestina.html
Wer ist wer der Ringe
"Der Herr der Ringe" ( Kinostart: 19.12.) spielt in einer merkwürdigen Welt voller Fabelwesen. Hier erklären die Darsteller ihre Rollen und die Bewohner von Mittelerde
WELT
"Der Herr der Ringe" ( Kinostart: 19.12.) spielt in einer merkwürdigen Welt voller Fabelwesen. Hier erklären die Darsteller ihre Rollen und die Bewohner von Mittelerde
Print-wams
2001-12-15T23:00:00Z
2011-11-16T12:43:34Z
Wer ist wer der Ringe
https://www.welt.de//print-wams/article618059/Wer-ist-wer-der-Ringe.html
Vergleichstest: So tricksen Online-Reisebüros bei Angebotspreisen
Computer Bild hat 133 Reisen bei fünf großen Internet-Reiseanbietern überprüft. Das Ergebnis: In 106 Fällen war die Reise am Schluss teurer als zunächst angepriesen. Den traurigen Rekord hält Anbieter Opodo, der deshalb in diesem Test auf dem letzten Platz landete. Jede der 30 untersuchten Reisen war am Schluss teurer – je nach Reise kamen zwischen 4 und 57 Prozent dazu. Bei drei- oder gar vierstelligen Reisepreisen ergab das einen Mehrpreis von bis zu 600 Euro! Wie kommt es zu diesen Preissteigerungen? - Zwangsversicherung: Klammheimlich wollen viele Anbieter den Kunden eine Reiseversicherung unterschieben, indem sie auf dem Buchungsformular vorab ausgewählt ist. Nur wer genau hinschaut, kann die Versicherungsoption mit einem gezielten Mausklick entfernen. - Kreditkartengebühr: Alle Anbieter knöpfen den Kreditkartenkunden für den Karteneinsatz fast jedes Mal pauschal 15 Euro, oft sogar zusätzliche 0,6 bis 1 Prozent vom Reisepreis ab. Das macht zum Beispiel eine Reise auf die Seychellen für 2200 Euro noch einmal mindestens 13,20 Euro teurer. Extra-Gebühren werden sogar dann verlangt, wenn die Kreditkarte (verlinkt auf http://kreditkartenvergleich.welt.de/vergleich) die einzige Bezahlmöglichkeit ist. In vielen Fällen lassen sich etwa mit Bezahlung per Lastschrift Kosten sparen. Aber selbst für Überweisungen verlangte Anbieter Expedia schon mal 3 Euro Aufschlag. - Unerwartete Preisaufschläge: Regelmäßig steigen die Preise im Laufe des Bestellvorgangs. Lassen Sie sich deshalb nicht zur Buchung drängeln, auch wenn zum Beispiel Ab-in-den-Urlaub die Preiserhöhung von 803 auf stolze 998 Euro für den Algarve-Urlaub mit der Aufforderung garniert: "Kurzfristige Preisänderung. Achtung – begrenztes Angebot! Zu Ihrer Sicherheit bitte schnell buchen." Ist das alles überhaupt rechtens? Leider ja, denn jede Preissteigerung war mit einem kleinen Hinweis versehen. Untersagt sind dagegen die nicht einberechneten, aber vorab eingestellten Reiseversicherungen: Das entsprechende Urteil des Oberlandesgerichts Dresden, ausgerechnet gegen die Betreiber von Ab-in-den-Urlaub, wurde bereits vom Bundesgerichtshof bestätigt. Fazit: Alle Reiseanbieter versuchten, zusätzliche Kosten auf die Angebotspreise zu schlagen. Die höchste Preisstabilität und die beste Verfügbarkeit bot Lastminute. Ab-in-den-Urlaub und Opodo lieferten die schlimmsten Preisüberraschungen. Die Tricks der Online-Reisebüros - Verfügbarkeit: Online-Reisebüros pflegen ihre Internetseiten und halten sie stets aktuell? Der Eindruck trügt: So war im Durchschnitt etwa jede fünfte angebotene Reise sogar beim Erstplatzierten lastminute.de ausgebucht und somit nicht verfügbar. - Abofallen: Der bei der Firma ab-in-den-urlaub.de vorab eingestellte "Reiseschutz" endet nicht automatisch, sondern läuft für 118 Euro jährlich weiter, bis der Kunde kündigt. Bei der Buchung sollte er die Versicherung abwählen und sich nicht von der folgenden Formulierung einschüchtern lassen: "Ich verzichte ausdrücklich auf den angebotenen Reiseschutz, zahle im Notfall alle Kosten und trage das Risiko im Schadensfall selbst." - Zahlungsgebühren: Jedes Online-Reisebüro ist verpflichtet, seinen Kunden stets den Gesamtpreis inklusive aller Zuschläge anzuzeigen. Trotzdem kann man nach der Buchung noch sein blaues Wunder erleben. Wenn etwa als Zahlungsart die Kreditkarte vorab eingestellt ist, können leicht weitere Gebühren fällig werden. Zum Beispiel bei Expedia in Höhe von 0,6 Prozent des Reisepreises. Bei 600 Euro wären das also 3,60 Euro mehr. - Reiseversicherung: Reiseversicherungen sollte jeder Kunde nach seinen Bedürfnissen abschließen und nicht untergeschoben bekommen wie von opodo.de (ab 60 Euro), l’tur.de (ab 78 Euro) und ab-in-den-urlaub.de (58 Euro). Alle drei Anbieter setzen auf der Buchungsseite automatisch ein Bestell-Häkchen vor den Versicherungsvertrag. Laut Urteil des Bundesgerichtshofs eine illegale Praxis. Dennoch: Wer nicht gut aufgepasst hat, zahlt – und schließt mit jeder Reise eine neue Versicherung ab. Mit "Welt Online" können Sie sich in den Sozialen Netzwerken verbinden: • WELT ONLINE auf Twitter (verlinkt auf http://www.twitter.com/weltonline) • WELT ONLINE auf Facebook (verlinkt auf http://www.facebook.com/weltonline) • WELT ONLINE auf Google+ (verlinkt auf https://plus.google.com/110729159808906909328) Mehr zum Thema: Übersicht: Samsungs Smartphone-Klassifizierung (verlinkt auf http://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Handy-Samsung-Galaxy-Smartphone-Konzept-IFA-Premiere-6413000.html) Quelle: Computer Bild. Mehr Tests bei computerbild.de (verlinkt auf http://www.computerbild.de)
WELT
Reisebüros im Internet versuchen, Zusatzkosten auf die Angebotspreise aufzuschlagen. Eine günstig angepriesene Reise kann sich so während der Buchung stark verteuern. Die Anbieter im Preis-Check.
Wirtschaft
Webwelt & Technik
2012-07-01T09:10:11Z
2012-07-01T11:28:11Z
So tricksen Online-Reisebüros bei Angebotspreisen
https://www.welt.de//wirtschaft/webwelt/article107281679/So-tricksen-Online-Reisebueros-bei-Angebotspreisen.html
Gefängnis Hohenschönhausen: SPD will Aktion von Stasi-Häftling unterbinden
Auf Stadtplänen war das Gefängnis der DDR- Staatssicherheit in Hohenschönhausen als weißer Fleck getarnt. Hinter den hohen Mauern saßen streng isoliert DDR-Oppositionelle wie Bärbel Bohley oder Jürgen Fuchs. Heute führen ehemalige Gefangene durch die original erhaltenen Zellen in der Gedenkstätte und berichten von ihrem Häftlings-Alltag. Öfter begegnen sie auch ihren früheren Vernehmern oder Wärtern – viele der einstigen Stasi-Leute wohnen noch in der Nähe. Der 65-jährige Carl-Wolfgang Holzapfel will nun mit einer spektakulären Internet-Aktion ein neues Zeichen gegen das Vergessen setzen. Am Donnerstagmittag wird der frühere Stasi-Häftling die Zelle 207 in der zweiten Etage des Neubaus beziehen. Die schwere Tür mit Durchreich-Klappe wird hinter ihm geschlossen. Eine Woche will Holzapfel im blauen Trainingsauszug von einst und Filzlatschen ausharren. Per Webcam wird er rund um die Uhr gefilmt. Er werde sich an Vernehmungen und Einsamkeit erinnern sowie das laut aussprechen, was er damals nur denken durfte, sagt Holzapfel. Im Internet kann die Aktion unter www.stasi-live-haft.de verfolgt werden. Die Idee hatte neben Holzapfel die Fotokünstlerin Franziska Vu. Unterdessen fordert die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, die Aktion abzublasen. „Das Anliegen ist in Ordnung, aber Holzapfel ist eine mehr als dubiose Person“, sagt der Abgeordnete Tom Schreiber. „Er hat eine zweigeteilte Biografie.“ So sei Holzapfel Mitglied der Republikaner gewesen. Die rechtsgerichtete Partei wurde früher zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet. Heute spielt sie auch in der rechten Szene politisch keine Rolle mehr. Schreiber sagt, er habe die Gedenkstätte informiert. „Das ist keine Big Brother Show“, sagt Pensionär Holzapfel. Er wolle an die erinnern, die im Freudentaumel über den 20. Jahrestag des Mauerfalls unterzugehen drohten. „Neben den Helden von 1989 gibt es ganz, ganz viele große und kleine Helden, die sich seit 1949 gegen das DDR-Regime gewandt haben.“ Viele fühlten sich benachteiligt, müssten um eine kleine Opferrente kämpfen oder litten weiter an den Haftfolgen. Besonders bitter sei es, dass sich Stasi-Leute straff organisiert hätten und noch von ihrem Vereins-Status steuerlich profitierten. Eine neue Diskussion über das Schicksal der mehr als 250.000 politisch Verfolgten in der DDR solle angestoßen werden, sagt auch der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte, Hubertus Knabe. Die Gedenkstätte habe nur die Zelle zur Verfügung gestellt. Es gehe nicht um die Befriedigung von Voyeurismus, betont der Historiker. Insbesondere junge Menschen sollten durch den Livestream erreicht werden. Die dreimal vier Meter große Zelle ist mit einer Holzpritsche und Matratze, Decke und blau-weiß karierter Bettwäsche ausgestattet, es gibt Tisch und Schemel. Für Dusche und Toilette muss Holzapfel die Zelle verlassen, da die alten Sanitäranlagen stillgelegt sind. Neben der historischen Häftlingskleidung soll auch mit festen Essenszeiten der damalige Alltag der Häftlinge realitätsgenau gezeigt werden. Dazu gehört auch das Verbot, sich tagsüber in das Häftlingsbett zu legen. Er erinnere sich auch an Kontrollen, ob er vorschriftsmäßig auf dem Rücken lag und die Hände auf der Decke hatte, sagt der heutige Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni 1953, die an den Volksaufstand in der DDR erinnert. Für Holzapfel ist der 29. Oktober, an dem seine Aktion beginnt, seit 43 Jahren ein besonderer Tag. Damals wurde der West-Berliner von der Bundesrepublik freigekauft – für 90.000 Mark. Er war nach einer Demonstration für die Freilassung von politischen DDR-Gefangenen im Oktober 1965 am Berliner Checkpoint Charlie verhaftet und nach Hohenschönhausen gebracht worden. Holzapfel wurde zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und saß13 Monate ab – in Einzelhaft in Hohenschönhausen neun Monate, sowie drei in Bautzen (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bautzen/) . http://www.stasi-live-haft.de/
WELT
Der 65-jährige Carl-Wolfgang Holzapfel will mit einer Internet-Aktion ein Zeichen gegen das Vergessen setzen. Der frühere Stasi-Häftling in Hohenschönhausen will sich von Donnerstag an für eine Woche in einer Zelle des Gefängnisses einsperren lassen. Per Webcam wird er rund um die Uhr gefilmt. Die SPD im Abgeordnetenhaus will die Aktion unterbinden. Denn Holzapfel war Mitglied der Republikaner.
Regionales
Berlin & Brandenburg
2009-10-28T23:01:53Z
2012-03-06T08:49:52Z
SPD will Aktion von Stasi-Häftling unterbinden
https://www.welt.de//regionales/berlin/article5011651/SPD-will-Aktion-von-Stasi-Haeftling-unterbinden.html
Spekulationen: Fall Haider – Verschwörung oder doch nur Mord?
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WELT
Jörg Haiders Tod gibt nach wie vor Rätsel auf. Woher bekam der Politiker - außerhalb Bayerns - so viel zu trinken? Warum überholte er vor dem Unfall noch eine Frau, anstatt sie einfach von der Straße abzudrängen? Mittlerweile ist klar: Geheimdienste hatten ihre Finger im Spiel.
Jahresrueckblick-2008
Spass
2008-10-17T09:45:59Z
2011-11-17T02:18:49Z
Fall Haider – Verschwörung oder doch nur Mord?
https://www.welt.de//jahresrueckblick-2008/spass/article2737960/Fall-Haider-Verschwoerung-oder-doch-nur-Mord.html
Flucht vor Donald Trump: Illegale Einwanderer schlagen sich von USA nach Kanada durch
Die folgenden Berichte sind nur eine Auswahl unter vielen. Sie dokumentieren, von welcher Verzweiflung Menschen angetrieben werden, die sich ohne Papiere in den USA aufhalten. Menschen, die ihre Abschiebung befürchten, fliehen derzeit in großer Zahl über die nördliche Grenze nach Kanada. Sie suchen sich einen Weg dorthin durch unwegsames Gelände (verlinkt auf http://www.vox.com/policy-and-politics/2017/2/20/14596990/american-dream-refugees-canada) , Wälder und Schnee so tief, dass man bis zur Brust darin versinken kann. Auch die Temperaturen sind unter dem Gefierpunkt. Ohne gefährliche Situationen sind diese Strecken kaum zu bewätligen. Am Wochenende berichteten Staatsanwaltschaft und der kanadische Sender CTV von einer siebenköpfigen Familie, die in ihrer Not auch Kleinkindern die Grenzüberschreitung an schwierigen Stellen zugemutet hatte. Eine Fotografin hielt fest, wie die Familie auf der Flucht vor US-Grenzkontrollbeamten das letzte Stück nach Kanada durch eine große Wasserfurche wagte. An der US-kanadischen Grenze bei Hemmingford in der Provinz Quebec trug sich das zu. An anderer Stelle musste eine Frau ins Krankenhaus gebracht werden, weil sie zuvor auf Eis gestürzt war. Und ein Mann aus Nigeria erlitt so starke Erfrierungen (verlinkt auf http://www.vox.com/policy-and-politics/2017/2/20/14596990/american-dream-refugees-canada) , dass ihm mehrere Finger amputiert werden mussten. Wer sich illegal durchschlägt, darf erst einmal bleiben „Leider unterschätzen einige die extremen Wetterbedingungen und die Geographie, wenn sie illegal nach Kanada kommen. Das kann schreckliche Effekte auf ihr leibliches Wohl haben“, sagte ein Sprecher der Royal Canadian Mounted Police dem US-Sender ABC News (verlinkt auf http://abcnews.go.com/International/canadas-border-sees-surge-families-crossing-illegally-us/story?id=45608777) . „Sie sind ganz klar verzweifelt“, stellte auch Anwalt Eric Taillefer fest, der sich in Quebec auf Immigrationsrecht spezialisiert hat. Überrascht sei er von der steigenden Anzahl an Menschen, die nach Kanada kommen. „Ich glaube nicht, dass es in diesem Jahr nachlassen wird“, sagte er. Seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump steigt tatsächlich die Zahl der sich illegal in den USA aufhaltenden Menschen, die nach Kanada streben. Dem kanadischen Grenzschutz Canada Border Services Agency (CBSA) zufolge stieg die Zahl der ankommenden Asylbewerber in Quebec im Januar auf 452. Vor einem Jahr waren es noch 137. Laut CBSA haben 2016 in Kanada mehr als 7000 Flüchtlinge einen Antrag auf Asyl gestellt. Das sind mehr als 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Laut Nachrichtenagentur Reuters haben zudem 2000 Menschen innerhalb des selben Zeitraums das Land irregulär betreten. Asylsuchende aus den USA werden zwar nach einer bilateralen Vereinbarung an den offiziellen Grenzübergängen zu Kanada von den dortigen Behörden wieder zurückgeschickt. Wer sich jedoch illegal an anderer Stelle durchschlägt, darf erst einmal bleiben. Wenn jemand bei der Überquerung auf Grenzpolizisten stößt, wird er von ihnen pro forma festgenommen und der kanadischen Grenzbehörde übergeben, wo er seinen Asylantrag stellen kann. Trudeau will weiterhin illegale Grenzüberquerungen zulassen Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau hatte zuletzt immer wieder erklärt, in seinem Land seien Flüchtlinge willkommen. Unter ihm hat das Land bisher 40000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Trudeau kündigte am Dienstag zudem an, dass Kanada weiterhin Asylsuchende aufnehmen würde, die illegal über die Grenze kommen. Nichtregierungsorganisationen wie das Canadian Council for Refugees betrachten seine Worte etwas mistrauischer. Denn die 40.000 Syrer aus dem Jahr 2016 werden zu mehr als einem Drittel von engagierten Kanadiern unterstützt, die sich in ihren Regionen um die Asylsuchenden kümmern. 2017 soll sich dieser Anteil sogar auf rund zwei Drittel erhöhen (verlinkt auf http://ccrweb.ca/en/2017-immigration-levels-comments) . „In diesem Jahr wird die Verantwortung noch mehr auf Einzelne in der Bevölkerung abgewälzt, während die Regierung sich mehr heraushält. Am Ende wird sie es aber sein, die das Lob für die Aufnahme von Flüchtlingen einsammelt“, sagte Colleen French im Namen der Organisation vor einigen Tagen im Gespräch mit der „Welt“ (verlinkt auf /politik/ausland/article162162930/Fluechtlingsorganisation-enttaeuscht-von-Kanadas-Willkommens-Premier.html) . Abseits vom Geplänkel über Deutungshoheiten verstärkt die kanadische Polizei wegen der steigenden Zahl von Asylbewerbern ihre Kräfte an der Grenze. Sowohl die Grenzschutzbehörde CBSA als auch die Bundespolizei RCMP hätten mehr Personal in die Provinz Quebec beordert, erklärten beide Behörden zu Beginn der Woche. Auch ein provisorisches Aufnahmezentrum wurde eingerichtet, um die wachsende Zahl an Neuankömmlingen zu bewältigen.
Nils Nordmann
Immer mehr Menschen fliehen aus Angst vor der Abschiebungs-Politik des US-Präsidenten nach Kanada und hoffen auf Asyl. In ihrer Verzweiflung bringen sie sich und manchmal auch ihre Kinder in große Gefahr.
Politik
Ausland
2017-02-23T15:42:56Z
2017-02-23T17:08:10Z
Illegale Einwanderer schlagen sich von USA nach Kanada durch
https://www.welt.de//politik/ausland/article162313979/Illegale-Einwanderer-schlagen-sich-von-USA-nach-Kanada-durch.html
Hartz-IV-Debatte: Warum sollen wir eigentlich noch arbeiten?
Eine Reportage über die freiwillig von Hartz IV lebende Susanne Müller (verlinkt auf /vermischtes/article115094785/Warum-sich-jemand-bewusst-fuer-Hartz-IV-entscheidet.html) (Name von der Red. geändert) in der „Welt am Sonntag“ hatte eine heftige Debatte ausgelöst: über Arbeit, Faulheit und den Sinn des Lebens. Müller hatte sich in einem Online-Chat der „Welt“ eineinhalb Stunden lang mit den Lesern unterhalten (verlinkt auf /vermischtes/article115134868/Ich-will-nicht-arbeiten-Hartz-IV-reicht-mir.html) . Fast 700 Fragen und Kommentare gingen ein. So fand Nutzer „Frohsinn“ etwa: „Dass jemand auf vieles verzichtet und trotzdem nicht unglücklich ist, ist interessant. Das materielle Denken will uns heute suggerieren, dass man vor allem viel Geld haben müsste, um glücklich zu sein.“ Nutzer „Klartext“ hingegen befand: „Fest steht nur, dass sie faul und eine Betrügerin ist!“ Ähnlich äußerte sich „Welt“-Leser „Meisterlein“: „Für mich – und die meisten anderen Menschen wohl ebenfalls – ist dieser Fall nichts weiter als Faulheit. Oder Frechheit.“ Worauf Müller freimütig entgegnete: „Es ist sowohl faul als frech – aber es ist eben auch frei.“ Buchautor Volker Kitz hat sich über das Thema viele Gedanken gemacht. Der Verfasser des Buches „Die 365-Tage-Freiheit“ lebt in der Münchner Maxvorstadt. Kitz wohnt bescheiden in einem Wohnblock aus den 60er-Jahren. Er hat einen anderen Begriff von Luxus. Hektik vermeiden zum Beispiel. Für dieses Gespräch nahm er sich luxuriös viel Zeit. Genau wie für die erlesenen Pralinen auf dem Tisch, die er selbst herstellt. Welt am Sonntag: Herr Kitz, haben wir verlernt, das zu tun, wozu wir Lust haben? Volker Kitz: Ich glaube, wir haben es vergessen. Auf meinen Veranstaltungen frage ich die Leute immer, was sie sie glücklich macht. Meist traut sich niemand, etwas zu sagen. Und dann murmelt jemand verschämt ein Wort vor sich hin: Sex. Und genauso ist es. Sex steht ganz vorne. Aber wir verbringen damit im Durchschnitt nur zwölf Minuten am Tag. Welt am Sonntag: Zwölf Minuten halte ich aber schon für ziemlich engagiert. Kitz: Stimmt. Aber der Tag ist ja auch lang. Und wir verbringen ihn in erster Linie mit Arbeit, die nimmt etwa sieben Stunden in Anspruch. Die Arbeit steht aber auf der Glücklichmacher-Liste ganz weit hinten. Warum verbringen wir so viel Zeit mit etwas, das wir gar nicht mögen? Doch wir stellen diese Frage gar nicht mehr, weil wir glauben, sie stehe uns nicht zu. Sie wird schon den Kindern abgewöhnt: Hausaufgaben haben einen höheren Sinn und sind gut für dich, basta. Die Arbeit wird so zu einem Korsett für das Leben, in dem man sich die Frage gar nicht mehr stellt, ob es auch anders sein könnte. Ich propagiere nicht die Faulheit – also nur auf dem Sofa sitzen –, ich glaube, damit wird man nicht glücklich. Man sollte sich aber schon überlegen: Was suche ich? Welt am Sonntag: Stellen wir den gewohnten Arbeitstrott auch deshalb nicht infrage, weil das letztendlich unbequem ist? Kitz: Arbeit ist für die meisten ein Gerüst, das das Leben strukturiert. Du kriegst eine Visitenkarte, auf der steht, wer du bist. Daraus ergibt sich, wer du später mal sein solltest, weil das Unternehmen die Hierarchieebenen vorgibt. Dir wird gesagt, was du zu tun hast, wann du das an welchem Ort zu tun hast, und mit welchen Menschen du dich abzugeben hast. Ich glaube, dass ganz viele Leute in ein tiefes Loch fallen, wenn dieses Gerüst wegbricht. Deshalb sage ich auch nicht, dass das klassische Arbeitsleben grundsätzlich für jeden schlecht ist. Welt am Sonntag: Brav arbeiten gehen ist also die bequemere Lösung. Warum soll man dann was daran ändern? Ist doch viel zu anstrengend. Kitz: Man weiß im Berufsleben immer genau, worüber man sich ärgern soll und wer daran Schuld hat, nämlich die anderen: Die Mitarbeiter klagen über den Chef, und der Chef klagt über die Mitarbeiter. An dieser Sicherheit kann man sich festklammern, ohne selbst für irgendetwas verantwortlich zu sein. Das zu ändern, ist nicht jedermanns Sache. Es kann durchaus schmerzhaft sein, sich zu fragen, was man wirklich gerne tun möchte. Und in gewisser Weise natürlich auch anstrengend, denn von etwas muss jeder leben. Die Welt wäre möglicherweise schön ohne Geld, aber so ist sie nun mal nicht. Welt am Sonntag: Unabhängig davon, welchen Beruf jemand hat, sind die Art der Klagen über den Job oft nahezu identisch: der selbstherrliche Vorgesetzte, die ahnungslose Geschäftsleitung, die ignoranten Kollegen, das zu geringe Gehalt und so weiter. Die Unzufriedenheit hat also ganz offenbar nichts mit dem individuellen Beruf zu tun. Kitz: Nach zwei Bier jammern die Leute über zwei Dinge: entweder die Partnerschaft oder den Job. Da gibt es überhaupt viele Parallelen. Oft denkt man, jemand führe eine sehr glückliche Partnerschaft, und nach zehn Minuten wird man über das Gegenteil aufgeklärt. Und so ist das auch mit dem Beruf. Da denkt man, jemand hat es nun geschafft und wirklich alles erreicht, was er will – und der fängt dann plötzlich an zu jammern. Oder noch besser: Er erzählt, wie toll sein Job ist – und zwei Wochen später erfährt man, er habe gekündigt. Welt am Sonntag: Wann ist denn der Moment gekommen, wo man sich ernsthaft überlegen muss, etwas zu ändern? Kitz: Das kommt auf die Vorstellungskraft an, was man überhaupt für möglich hält. Viele Leute, die mit ihrem Job nicht zufrieden sind, suchen sich den nächsten. Doch das führt meist nicht weiter, weil die Probleme in kurzer Zeit die gleichen sind wie zuvor. Es ist die Suche nach einem Ort, den es gar nicht gibt. Man muss sich schon etwas grundsätzlicher fragen, ob man nicht mehr aus seinem Leben machen könnte. Welt am Sonntag: Wie hat das denn bei Ihnen persönlich funktioniert? Sie waren unter anderem als Anwalt in einem großen Medienunternehmen tätig und haben diese Karriere von sich aus beendet. Kitz: Ich hatte schon in der Schule den Drang, zu schreiben. Und irgendwann habe ich das dann tatsächlich probiert und mein erstes Buch geschrieben, einen Ratgeber über Schüleraustausch. Da ging es mir gar nicht ums Geld, sondern ich habe mich einfach gefreut, als es erschien. Das war ein gutes Gefühl, und ich war zufrieden mit dem, was ich da tue. Später habe ich zusammen mit Manuel Tusch „Das Frustjobkillerbuch“ geschrieben, das ein großes Echo hervorrief. Ich habe dann Vorträge darüber gehalten, wie man die Arbeit ehrlicher gestalten und Enttäuschungen vermeiden kann. Und irgendwann habe ich bemerkt, dass solche Vorträge gut bezahlt werden. Es hat aber ein paar Jahre gedauert, bis klar wurde, dass ich meinen erlernten Beruf und meine neue Berufung nicht mehr unter einen Hut bringen kann und will. Ich habe dann so viele Vorträge angenommen, dass die Urlaubstage dafür nicht mehr reichten. Ich habe mich sozusagen selbst in eine Situation manövriert, in der ich mich entscheiden musste. Ich erinnere mich heute mit Staunen daran, wie schwer ich mich getan habe, eine Vollzeitstellung aufzugeben. Einfach einmal etwas anderes zu versuchen. Ich hatte eine Angst, von der ich inzwischen weiß, dass sie unbegründet war. Ich verstehe aber jeden, der diese Angst empfindet, insbesondere wenn er Verpflichtungen hat, zum Beispiel Kinder. Welt am Sonntag: Aber hat das Ganze nicht auch etwas mit Glück zu tun? Glück im rechten Moment, die rechte Idee zu haben, beispielsweise? Kitz: Alles im Leben hat auch mit Glück zu tun. Dafür sollte man sich zunächst einmal in die Situation begeben, überhaupt Glück haben zu können. Das Glück wahrzunehmen, wenn es kommt. Das setzt voraus, dass man sich das Glück überhaupt vorstellen kann. Beispielsweise das Glück, im Lotto zu gewinnen. Oder reich zu heiraten. Das sind gewissermaßen die Glücks-Klassiker. Und sie funktionieren tatsächlich jeden Tag irgendwo da draußen. Nicht für alle, aber für einige. Das ist jetzt natürlich ein bisschen zugespitzt, aber man muss sich das Glück schon zutrauen, um es zu haben. Welt am Sonntag: Gehen wir mal von dem wahrscheinlicheren Glück aus, aus seinem Hobby oder einem anderen Freizeit-Engagement einen neuen Beruf zu machen. Wenn man damit erfolgreich ist, läuft man doch in die Falle, dass das ganz schnell in Arbeit ausartet. Man hat dann schon wieder keine Zeit. Kitz: Das kommt darauf an, wie weit man sich von der Geldgier treiben lässt. Mehr geht immer. Ich zum Beispiel bin nicht so ohne weiteres zu erreichen. Ich gehe nicht hausieren mit einen Vorträgen. Mein Ziel ist es nicht, mit möglichst viel Arbeit möglichst viel Geld zu verdienen. Mein Ziel ist es, mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld zu verdienen. Das ist Effizienz. Ich nehme nicht jeden Auftrag an – zum Ausgleich lebe ich auf einem bescheideneren Niveau, als ich vielleicht könnte, damit ich über meine Zeit souveräner bestimmen kann. Der Grund, alles zu machen, ist bei vielen die Geldgier. Die Kunst besteht darin zu sagen, das reicht mir. Solange jemand das nicht beherrscht, hat er immer nur eines von beidem: entweder Zeit oder Geld. Ich besitze beispielsweise kein Auto, trage keine teuren Markenklamotten oder richte mich mit überteuerten Designermöbeln ein. Mein Luxus besteht in mehr Zeit. Gestern habe ich ein Sofa gesehen, das mir sehr gut gefallen hat. Der Verkäufer hat mir verschämt auf dem Taschenrechner den Preis gezeigt: 18.000 Euro. Mit so was stürzt man sich ins Hamsterrad. Zum Glück gibt’s auch schöne Sofas für 800 Euro. Mein Luxus besteht in mehr Zeit. Welt am Sonntag: Janis Joplin sang einmal: „Freedom is just another word for nothing left to lose“. Kitz: Freiheit und Selbstverantwortung gehören zusammen. Und Freiheit kommt eben auch durch eine bewusste Entscheidung darüber zustande, was man wirklich zum Leben braucht. Ich propagiere nicht, in Armut zu leben – aber für ein anständiges Auskommen braucht man viel weniger, als die meisten glauben. Welt am Sonntag: Jetzt könnte man ja sagen, Armut oder Arbeitslosigkeit sind kein Problem, weil man dann doch so viel Zeit hat. Kitz: Ja, da steht manchmal der Vorwurf im Raum, mein Buch sei ein Schlag ins Gesicht für die, die keine Arbeit haben, aber gerne welche hätten. Doch sage ich nicht, dass das Leben am schönsten ist, wenn man nichts arbeitet. Es ist aber auch nicht zwangsläufig besser, weil man“ arbeitet. Das Wort „arbeitslos“ darf man ja gar nicht benutzen, das ist politisch nicht korrekt, weil ja klar ist, erst die Arbeit macht den Menschen zu Menschen. Und deshalb ist jemand, der nichts arbeitet, automatisch ein Arbeitssuchender. Die Vorstellung, dass jemand bewusst entscheidet, nicht am normalen Arbeitsleben teilzunehmen – dafür haben wir noch nicht einmal einen Begriff. Das gibt’s sprachlich gar nicht. Es sollte doch jeder für sich entscheiden können, wie er sein Leben am liebsten leben will. Es ist gut, dass wir uns darum bemühen, den Menschen, die gerne arbeiten möchten, auch Arbeit zu geben. Es ist aber genauso wichtig, über Wege nachzudenken, jenen Wahlfreiheit zu geben, die eben nicht jeden Tag zur Arbeit gehen möchten. Das ist auch ein großes und leidendes Heer von Menschen, die wir überhaupt nicht ernst nehmen. Es kann ja durchaus sein, dass am Ende beiden Gruppen geholfen ist. Wenn jemand für sich eine alternative Lebensweise entdeckt hat, dann macht er einen regulären Arbeitsplatz frei für jemanden, der ihn gern hätte. Welt am Sonntag: Sie haben in Ihrem Buch den schönen Begriff vom „Vollzeitleben“ geprägt. Kitz: Das ist das Gegenteil der Vollzeitbeschäftigung. Damit meine ich, dass jemand rund um die Uhr merkt: Ich lebe. Ich entscheide selbst darüber, was ich mache. Und ich kann mich umschauen, was es sonst noch so um mich herum an interessanten Dingen gibt. Vollzeitarbeit heißt ja im Gegensatz dazu, dass mein ganzes Leben von der Arbeit eingenommen ist, nicht nur zeitlich, sondern auch von der Identifikation her. Viele Arbeitgeber erwarten, dass man sozusagen komplett mit ihnen lebt. Welt am Sonntag: Und jetzt ist man auch noch am elektronischen Gängelband, weil das Handy auch nach Feierabend klingelt oder die Mailbox gecheckt werden muss. Kitz: Als ich während meiner Angestelltenzeit einmal nach Indien in den Urlaub aufbrach, fragte mich mein Chef, unter welcher Handynummer ich erreichbar sei. Da hab ich ihm geantwortet: „Unter gar keiner“. Da schaute er missmutig und murmelte: „Na, die Welt wird hoffentlich nicht untergehen.“ Da habe ich ihm geantwortet: „Vielleicht schon. Aber wenn ich dann der Einzige bin, der sie retten kann, dann müssen wir noch mal grundsätzlich über mein Gehalt reden.“ Die Frage ist einfach, ob man bereit ist, sich nicht ganz so wichtig zu nehmen – oder ob man im tiefsten Inneren schon erreichbar sein möchte, weil man es für sein Ego braucht. Und dann ist es ja auch wieder in Ordnung. Welt am Sonntag: Meine Erfahrung ist, dass sich die meisten Anrufe, die man aus irgendeinem Grund nicht entgegen genommen hat, in der Zwischenzeit von selbst erledigt haben. Kitz: Das hat etwas mit dem zu tun, was ich die „Inszenierung von Arbeit“ nenne. Ein großer Teil dieser Rundmails nach Feierabend mit einem riesigen Verteiler hat beispielsweise nichts mit der eigentlichen Arbeit zu tun, sondern ist eine Inszenierung von Wichtigkeit und Geschäftigkeit. Ich glaube, man braucht seinen Job nicht gleich aufzugeben, um dafür zu sorgen, dass er nicht das ganze Leben einnimmt. Wenn ich meine Sichtweise ändere, ist der Job nur ein Teil meines Lebens und meiner Identität. Ohne den ganzen Wirbel und dieses ganze Theater hätten wir nicht nur viel früher Feierabend. Auch die Ergebnisse werden besser, wenn wir die Arbeit einfach machen, statt sie zu inszenieren. Welt am Sonntag: Es gibt ja auch den Typus des Stress-Darstellers, zum Beispiel in der Politik. Da wird ja grundsätzlich Sonntagnachts ein Gipfeltreffen einberufen, das genauso gut Montagmorgens stattfinden könnte. Aber das wäre schlecht für die Dramaturgie. Kitz: In den Unternehmen ist das nicht anders. Wir haben uns ja schon an diese Zielvereinbarungen gewöhnt, die fordern, dass die Leistung ständig steigen muss. Vorjahr plus fünf Prozent, wenn man Glück hat. Die Beschäftigten sollen kontinuierlich über einhundert Prozent Leistung bringen. Aber das alleine reicht nicht mehr: Wirklich anerkannt wird, wer nicht nur Leistung bringt, sondern dabei auch Stress hat. Wer in Terminen ständig zu spät kommt und früher gehen muss, weil er noch was in der gern zitierten „Pipeline“ hat, wer auf zwei Leitungen gleichzeitig telefoniert, der ist hoch angesehen. Genauso wie der, der seine Urlaubstage verfallen lässt und morgens um halb sieben ins Büro kommt, außer sonntags, dann erscheint er erst um halb zehn. Die Leute, die ihre Arbeit ruhig machen und pünktlich abliefern, die ihren Urlaub nehmen, den Sonntag mit der Familie verbringen und deren Schreibtisch aufgeräumt ist, die werden nicht befördert. Dabei stellen gerade die unter Beweis: Ich habe Kapazitäten, ich kann mich organisieren, ich bin effizient. Es sind vor allem diese Leute, die der Wirtschaft den Lebensatem einhauchen. Ein Krankenhaus, eine Versicherung, eine Zeitungsredaktion: Was wären die ohne die Leute, die einfach ganz normal ihre Arbeit machen. Die ganz normale Arbeit hat ihren ehrenwerten Status verloren. Stattdessen hofieren wir die Heißluft-Produzenten, die uns dann allen die Freizeit rauben. Welt am Sonntag: Wobei das mit der Freizeit ja auch nicht so einfach ist, schließlich klagen immer mehr über Freizeitstress. Kitz: Viele Probleme fangen in der Arbeitswelt an und schwappen dann ins Privatleben über. Nur wer Stress hat, hat auch Anerkennung. Früher haben wir Freunde verloren, weil wir zu wenig Zeit hatten. Heute verlieren wir manchmal Freunde, wenn wir zu viel Zeit haben, weil wir dann einfach nicht mehr interessant genug sind. Es wird erwartet, dass das ganze Wochenende durchorganisiert ist. Wer einfach nichts macht, gilt als langweilig. Man darf um Himmels willen auch für Freunde nicht sofort verfügbar sein. Wenn sich Freunde mit mir treffen wollen, sage ich: „Ich kann immer.“ Das klingt für viele geradezu verdächtig, und dieser Verdacht kommt aus dem Arbeitsleben: Wer Zeit hat, kann ja nicht besonders wichtig sein. Welt am Sonntag: Und deshalb macht man sich rar, auch wenn man eigentlich Zeit hat? Kitz: Es gibt ja Leute in den Führungsetagen, von denen man denkt, sie sind schon rund um die Uhr total beschäftigt. Und dann kommen ständig noch weitere Jobs dazu: Ein nationaler Vorstand wird auch noch zum Europa-Chef befördert und schließlich obendrauf noch zum Welt-Vorstand gekürt. Und das schaffen die dann auch alles noch zusätzlich. Das zeigt, wie viel Kapazität selbst ganz oben noch ist. Die grundsätzliche Frage lautet: Kann ich mein Ziel nicht mit viel, viel weniger Aufwand erreichen? Dass ein Arbeitsergebnis, das in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand erzielt wurde, auch etwas wert sein könnte, können sich viele nicht vorstellen. Mir hat während meines Arbeitslebens auch mal jemand gesagt, meine Ergebnisse seien tadellos, ich müsse nur mehr in sie investieren. Das fand ich abenteuerlich. Welt am Sonntag: Ich werde vorsorglich erzählen, dieses Interview sei das Ergebnis von vier Wochen härtester Anstrengung... Kitz: Wenn ich etwas zu schnell abliefere, dann ist das nichts wert, das ist leider oft so. Wer wirklich intelligent und effizient ist, hat es schwer in unsere Arbeitskultur. Es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Entweder provozieren, also sagen: Ich bin eben so gut und effizient, und deshalb habe ich jetzt Feierabend, tschüss. Ob jemand das so durchziehen kann, hängt natürlich damit zusammen, wie selbstbewusst er ist, was das Ergebnis seiner Arbeit betrifft. Motto: Ich habe es gar nicht nötig, darum einen großen Wirbel zu machen. Das ruft aber den Neid derjenigen hervor, die viele Jahre lang ihr Privatleben geopfert haben, um in einem Unternehmen aufzusteigen. Denen tut es weh, wenn jemand das Gleiche scheinbar mühelos und ohne Opfer erreicht. Oder man spielt das Spiel mit, macht seine Arbeit ruckzuck fertig und lässt sie dann unter Vortäuschung zusätzlicher Aktivitäten erst mal zwei Wochen liegen. Dann spielt man äußerlich mit, ist aber innerlich trotzdem zufrieden, weil man weiß, dass es ein Spiel ist. Man durchschaut es. Das macht dann auch Spaß.
Dirk Maxeiner
Autor Volker Kitz findet, dass viele Menschen von der Arbeit besessen sind – und unglücklich. „Heißluft-Produzenten“ im Chefsessel raubten allen die Freizeit. Sind Hartz-IV-Empfänger glücklicher?
Politik
Deutschland
2013-04-14T05:39:06Z
2017-08-23T18:21:28Z
Warum sollen wir eigentlich noch arbeiten?
https://www.welt.de//politik/deutschland/article115264235/Warum-sollen-wir-eigentlich-noch-arbeiten.html
Zippert zappt: Händeringen ist gar nicht so einfach, wie man denkt
Deutsche Unternehmen beklagen einen eklatanten Fachkräftemangel, vor allem im IT-Bereich. Hier werden, wie es heißt, händeringend Bewerber gesucht. Aber wer beherrscht eigentlich noch die gute alte Kunst des Händeringens? Und ist das überhaupt die richtige Art und Weise nach IT-Experten zu suchen? Sollte man nicht lieber Stellenanzeigen aufgeben oder auf irgendwelchen Portalen suchen? Natürlich ist es bestimmt nicht vollkommen verkehrt, händeringend nach jemand zu suchen aber man muss es richtig anstellen. Sumo-Ringer schütteln den Kopf Im Internet gibt es leider keine befriedigende Erklärung, man findet nicht die geringste Anleitung für fachgerechtes Händeringen. Es gibt Sumoringer, Freistilringer und griechisch-römische Ringer, aber Händeringen gilt nicht als Sportart mit festgelegten Regeln. Anscheinend ringt man einfach die ganze Zeit mit sich selbst, also die linke Hand ringt mit der rechten. Der Kampf kann ziemlich lange dauern, Woche für Woche und Monat für Monat ringen die Hände, bis dann irgendwann der IT-Experte da ist. Dann hat man gewonnen.
Hans Zippert
In vielen Branchen werden Fachkräfte „händeringend“ gesucht. Warum so? Warum nicht mit Anzeigen? Auf alle Fälle dauert die Sache ziemlich lange, bis irgendwann die Stellen besetzt sind.
Debatte
Kolumnen
2019-12-01T15:11:12Z
2019-12-01T15:11:12Z
Händeringen ist gar nicht so einfach, wie man denkt
https://www.welt.de//debatte/kolumnen/zippert_zappt/article203964080/Zippert-zappt-Haenderingen-ist-gar-nicht-so-einfach-wie-man-denkt.html
Mülheimer Dramatikerpreis: Jelinek, Pollesch und die üblichen Verdächtigen
Die Stücke – alles aktuelle Uraufführungen deutschsprachiger Theater – werden bis Anfang Juni in Mülheim inszeniert, eine fünfköpfige Jury vergibt den Preis für Gegenwartsdramen nach öffentlicher Diskussion. Elfriede Jelineks Beitrag „Rechnitz“ (Münchner Kammerspiele, Kritik hier (verlinkt auf /kultur/theater/article2798152/Jelinek-auf-der-Blutspur-der-Thyssen-Graefin.html) ) hat das Massaker an 180 Juden im März 1945 nahe dem Thyssen-Schloss im österreichischen Burgenland zum Thema. Dabei gehe es weniger um die Geschichte des Massakers, als vielmehr um die Verleugnungsakrobatik, sagte Franz Wille, der Sprecher des Auswahlgremiums. Hohe organisatorische Anforderungen stellt Roland Schimmelpfennigs Stück „Hier und Jetzt“ (Schauspielhaus Zürich, Kritik hier (verlinkt auf /kultur/article1954965/Dafuer_verpasste_Christine_Schorn_sogar_ihren_Filmpreis.html) ) über eine betrunkene Hochzeitsgesellschaft, die jeden Bezug zur Zeit verloren hat. Das Stück wird in Zürich in einer ehemaligen Schiffbauhalle gespielt, die Festivalleitung steht in Mülheim noch in Verhandlungen für eine ausreichend große Spielstätte. Bukowski zeigt in „Kritische Masse“ (Schauspielhaus Hamburg, Kritik hier (verlinkt auf /kultur/theater/article3240383/Peinliche-Pseudo-Arbeitslose-im-Schauspielhaus.html) ) Hartz-IV-Empfänger, die sich vor dem Arbeitsamt treffen. In Sybille Bergs „Die goldenen letzten Jahre“ (Theater Bonn) stehen ein Behinderter, ein Dicker, ein Hässlicher und ein von der Gesellschaft Ausgestoßener im Mittelpunkt. Der in jüngster Zeit viel gespielte Lutz Hübner wirft mit seinem in Hannover uraufgeführten „Geisterfahrer“ ( Kritik hier (verlinkt auf /welt_print/article2534918/Im-Theater-ist-Wein-ein-prima-Krisenausloeser.html) ) einen Blick in ein Haus mit drei Akademikerehepaaren, die viel spießiger leben als es ihnen selbst scheint. Vom Wiener Burgtheater kommt René Polleschs "Fantasma" mit den Stars Sophie Rois und Martin Wuttke ( Kritik hier (verlinkt auf /welt_print/article2866677/Liebe-ist-auch-nur-Spekulation.html) ). Der Mülheimer Dramatikerpreis gilt als wichtigster Preis für deutschsprachige Theaterautoren. Er wird seit 1976 vergeben. Der Vorverkauf der Karten, die zwischen 19,50 und 29 Euro kosten, starte voraussichtlich Ende nächster Woche, sagte Festivalleiter Udo Balzer-Reher.
WELT
Um den mit 15000 Euro dotierten Mülheimer Theaterpreis konkurrieren in diesem Jahr sieben Autoren, darunter Elfriede Jelinek, Oliver Bukowski und René Pollesch. Die übrigen Nominierten sind Sybille Berg, Roland Schimmelpfennig und Ulrike Syha sowie Lutz Hübner als einziger Debütant.
Kultur
Theater
2009-03-19T11:53:39Z
2011-11-17T19:19:24Z
Jelinek, Pollesch und die üblichen Verdächtigen
https://www.welt.de//kultur/theater/article3405031/Jelinek-Pollesch-und-die-ueblichen-Verdaechtigen.html
Europawahl: Bundeswahlleiterin lässt 35 Parteien zu – auch BSW und Dava
Für die Europawahl im Juni sind in Deutschland 35 Parteien und sonstige Gruppierungen zugelassen worden. Dies gab die Behörde der Bundeswahlleiterin am Freitag bekannt. Antreten darf neben der Neugründung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und vielen kleineren Vereinigungen auch die Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (Dava). Dava gilt als Ableger der Partei der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert worden. Die Partei weist dies zurück. Recherchen von WELT (verlinkt auf /politik/deutschland/plus249801684/Dava-Partei-Hass-auf-Israel-und-Lobbyismus-fuer-Erdogan-das-steht-hinter-der-neuen-Partei.html) zeigen jedoch, dass die zentralen Personen in der Partei den Kurs des türkischen Präsidenten stützten – also den Kurs eines autoritären Nationalisten und Islamisten, der mit Rechtsextremen koaliert. Zugelassen wurden ebenfalls zwei Parteien von Klimaaktivisten – eine Partei der „Letzten Generation“ (verlinkt auf /themen/letzte-generation/) sowie die „Klimaliste“. Abgelehnt wurden unter anderem Parteien und Gruppierungen wie die „Planetaren Demokrat_innen“ oder „Zukunft Mega“. Der Bundeswahlausschuss, dem die Bundeswahlleiterin Ruth Brand, vorsteht, hatte in einer öffentlichen Sitzung über insgesamt 59 Anträge beraten – 40 für die Teilnahme auf Bundesebene und 19 Anträge für einzelne Bundesländer. Von letzteren entfielen jedoch allein 16 Anträge auf die CSU in Bayern und die CDU in den restlichen 15 Bundesländern. Europawahl ohne Fünf-Prozent-Hürde Anders als bei der Bundestagswahl (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bundestagswahl/) gibt es bei der Europawahl keine Sperrklausel in Deutschland – eine Mindestschwelle, die übersprungen werden muss, um im EU-Parlament vertreten zu sein. Rechnerisch reicht weniger als ein Prozent der Stimmen, um einen Abgeordneten zu entsenden. So bekamen 2019 neben den im Bundestag vertretenen Parteien auch sieben weitere Parteien mindestens ein Mandat: die Piraten, die Tierschutzpartei, die Partei Familie, die ÖDP, die Satirepartei Die Partei, Volt und die Freien Wähler, die in dieser Gruppe als einzige zwei Mandate erhielten. Alle diese Parteien wurden nun erneut zugelassen.
WELT
Am 9. Juni werden 35 Parteien auf dem Wahlzettel zur Europawahl stehen. Auch mehrere Neugründungen erhielten am Freitag die Zulassung von der Bundeswahlleiterin, darunter das Bündnis Sahra Wagenknecht und die Dava-Partei, die der türkischen Regierung nahesteht.
Politik
Deutschland
2024-03-29T16:58:47Z
2024-03-29T16:58:47Z
Bundeswahlleiterin lässt 35 Parteien zu – auch BSW und Dava
https://www.welt.de//politik/deutschland/article250809412/Europawahl-Bundeswahlleiterin-laesst-35-Parteien-zu-auch-BSW-und-Dava.html
Parkinson-Patienten: Hirnschrittmacher gegen das Neuronenfeuer
Winzige elektrische Signale regieren über unser Sein. Von Botenstoffen angespornt, ändert sich das chemische Milieu der Zelle. Das löst wie ein Funken das Feuern unserer Gehirnzellen aus und bestimmt über Bewegungen und Gedanken, Erinnern und Vergessen. Manchmal jedoch feuern die Neuronen falsch, so wie im Fall von Bärbel Knaack. Ihr Gehirn sendet unsinnige Befehle an ihre Beine. Wenn sie still stehen möchte, beginnen ihre Gliedmaßen zu schlottern, wie nach einem Bad in eiskaltem Wasser. „Man weiß gar nicht, wie viel man steht“, sagt die Rentnerin. Vor der Schlange an der Kasse im Supermarkt hat sie Angst. Sie fürchtet sich vor dem Urteil der anderen Wartenden, wenn ihr Leib wieder anfängt zu zittern. Ärzte fanden schließlich die Ursache ihres Leidens: Ein orthostatischer Tremor – eine seltene Erkrankung, bei der sich im Stehen entgegenwirkende Muskelgruppen rhythmisch zusammenziehen. Medikamente schlagen nicht an. Frau Knaack benötigt Hightech im Gehirn. Immer mehr Menschen bräuchten ein Hilfsmittel, um ihr Neuronenfeuer in Schach zu halten: Neben neurologischen Problemen, die alle Altersgruppen treffen können, sind besonders Demenzerkrankungen ein gesellschaftliches Problem. Nach Angaben des Robert Koch Instituts leiden eine Millionen Menschen im Alter über 65 Jahren an einer Demenzerkrankung – Tendenz stark steigend. Der Pflegereport der Krankenkasse Barmer GEK sagt voraus, dass jeder dritte Mann und jede zweite Frau damit rechnen muss, im Lauf des Lebens an Alzheimer (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/alzheimer/) oder Parkinson (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/parkinson/) zu erkranken. Bis 2060 gehen die Experten von 2,5 Millionen Menschen mit Demenz (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/demenz/) in Deutschland aus. Rund zwei Drittel dieser Patienten werden womöglich pflegebedürftig sein. Die Symptome von Alzheimer und Parkinson lassen sich durch Medikamente lindern, heilbar ist die Demenz noch nicht. So werden Teile des Gehirns unbrauchbar, die Folge ist ein qualvoller Verfall bis hin zum Tod. Ist der Kopf krank, helfen in vielen Fällen Medikamente, die in den Gehirnstoffwechsel eingreifen und Botenstoffe regulieren. Wirken diese nicht, beeinflussen Mediziner mit Strom die Kommunikation der Gehirnzellen. Sie entwickeln immer genauere Techniken. In Zukunft wollen Forscher sogar über die Aktivität einer einzelnen Zelle bestimmen. Die elektrische Reizung von Neuronen zur Heilung ist schon lange bekannt. Die alten Ägypter und Römer nutzen die Fähigkeiten des Zitteraals und Zitterrochens, um Schmerzen und Gicht (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/gicht/) zu behandeln, schreibt Psychiater Daniel Huys in einer Übersichtsstudie im Fachmagazin „Der Nervenarzt“. Nach ersten Versuchen an Tieren setzte der amerikanische Arzt J. Lawrence Pool im Jahr 1948 erstmals eine Silberelektrode zur Therapie schwerer Depressionen (verlinkt auf /themen/depression/) ins Gehirn ein. Die Methode wurde immer weiter verfeinert und resultiert in der gängigen Tiefen Hirnstimulation. Bis heute sei nicht bekannt, warum und wie genau diese Behandlung wirke, sagt Professor Günther Deuschl, Direktor für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Insbesondere Patienten mit Parkinson (verlinkt auf /themen/parkinson/) , deren Hände stark zittern und die in ihrer Bewegung durch die Krankheit eingeschränkt werden, bekommen einen „Hirnschrittmacher“ implantiert. Dazu wird ein kleines Loch in die Schädeldecke gebohrt. Durch dieses werden mindestens vier Elektroden eingeführt. Sie erreichen den Nucleus Subthalamicus – einen Teil des Gehirns, der für die Hemmung von Bewegungen zuständig ist. Der Strom, in unregelmäßigen Intervallen mit einer Frequenz von 90-180 Herz, bewirke eine Verbesserung der Beweglichkeit und Lebensqualität. „Das Risiko dieser Operation ist überschaubar“, sagt Deuschl. In der Therapie des orthostatischen Tremor s mit der Tiefen Hirnstimulation gibt es wenig Erfahrung. Knaack lässt sich auf das Experiment ein und unterzieht sich der Operation. Das Ergebnis ist eine leichte Verbesserung: Im Stehen setzt das Zittern nun erst nach einer halben Minute ein. „Die nutze ich, um mich in Schwung zu bringen“, sagt Knaack. Auf eine neue Methode, die ihr vollkommene Beschwerdefreiheit verschafft, wartet sie noch. Dann könnte sie die Elektroden in ihrem Gehirn einfach ausschalten. Womöglich arbeitet Ed Boyden vom Labor für Neuroingenieurwesen des Massachusetts Institute for Technology (MIT) in Cambridge gerade an einer solchen Heilung. Er will den „Brain Co-Processor“ erschaffen, eine Art Gehirn-Prothese. Der Koprozessor soll Informationen aufnehmen, verarbeiten, und an das Gehirn (verlinkt auf /themen/gehirn/) zurück leiten – genauso, wie eine ausgefeilte Konstruktion am Stumpf eines Oberschenkels einem Versehrten das Laufen erlaubt. Es wird wahrscheinlich noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern, bis ein solches Ersatzgehirn in einen menschlichen Kopf eingebaut wird. Doch die Gruppe von Forschern am MIT erfindet in Kooperation mit Wissenschaftlern weltweit immer neue Bausteine für das komplexe System. Zunächst will Boyden die Aktivität der gesunden Zellen im Gehirn aufzeichnen. Das soll durch Elektroden geschehen, die ähnlich wie bei der Tiefen Hirnstimulation ins Gehirn implantiert werden. Sie sollen die gewonnenen Informationen an einen Computer weiterleiten. Der soll die Signale aufnehmen und fehlende Informationen ergänzen. Der letzte Schritt ist die Erteilung der Befehle, zielgenau an einzelne Gehirnzellen. Noch schlucken Menschen mit neurologischen Problemen oft Psychopharmaka (verlinkt auf /themen/psychopharmaka/) . Diese Arzneistoffe greifen in das Gefüge der Botenstoffe im Gehirn ein. Der Denkapparat wird in eine Wirkstoffbrühe getaucht. Nur einigen Arealen hilft die Behandlung, andere reagieren nicht, oder es kommt zu Nebenwirkungen. Boyden wollte die Steuerung präzisieren und auf einzelne Neuronen einwirken. Anfang des Jahrtausends kam ihm eine Idee: Eiweiße, die als Kanäle in den Membranen verschiedener Mikroben beheimatet sind, können eine Zelle durch Licht aktivieren. Diese sogenannten Opsine wurden seit den 1970er Jahren erforscht. Es gab folglich schon einen Ein-/Ausschalter für Zellen. Dieser musste nur seinen Weg in das Neuron finden. Hier kam Boyden die Entwicklung in der Gentechnik zu Gute. Er setzte das Erbgut der Opsine in Viren ein. Diese tragen auf ihrer Hülle Proteine, mit denen sie nur an bestimmten Gehirnzellen andocken können. Die Viren „attackierten“ diese Neuronen und schleusten ihr Erbgut – also das der Opsine – in die Gehirnzelle ein. Nach dem genetischen Bauplan stellt das Neuron die lichtaktiven Opsine her und baut sie in ihre eigene Zellmembran ein. Ein Prozess, den auch ein Mensch über sich ergehen lassen müsste, damit der Brain-Coprocessor funktioniert. Boyden gelang der Versuch an einer Nervenzelle außerhalb des Körpers erstmals im Jahr 2004. Er bestrahlte ein Neuron mit blauem Licht. Daraufhin sandte die Zelle ein elektrisches Signal aus, das Aktionspotential. Der Forscher konnte mit Hilfe dieses Lichtschalters nun dem Gehirn punktgenau Befehle erteilen. Mittlerweile gelingt das auch im Tierversuch. Ein Klick am Computer genügt, um Dioden am Kopf von 83 Mäusen zu erleuchten. Die Tiere drehen sich daraufhin im Kreis, in eine Richtung und gleichzeitig. Das Herzstück der „Gehirnprothese“ wäre der Computer. Er soll die Informationen aus dem Gehirn aufnehmen, analysieren und korrigieren oder ergänzen. Boyden und sein Team arbeiten daran, den Rechner mit Software auszustatten. Er wird mit Karten gespeist, die zeigen, welche Informationen von welchen Zellen in bestimmten Regionen des Gehirns verarbeitet werden. „Das System funktioniert ähnlich wie Google. Mit einer großen Menge an Daten gelingt auch eine ausgeklügelte Analyse“, sagt Boyden. Vom Computer würden die Informationen an ein Gerät gesandt, das gezielt Lichtstrahlen aussenden kann. Auch dieses Instrument gibt es schon und wird von Mäusen im Versuch getragen. Die Lichtstrahlen aus dem münzgroßen Leuchtapparat würden schließlich punktgenau einzelne Zellen aktivieren. Die Vorstellung einer Gehirnprothese kann Angst machen vor dem Kontrollverlust über die eigenen Gedanken – und zugleich Hoffnung schüren auf ein langes Leben mit klarem Kopf. Das primäre Ziel des Gehirn-Koprozessors solle sein, Menschen mit lebensbedrohlichen oder unheilbaren neurologischen Erkrankungen zu helfen. Schließlich, sagt Boyden, handelten die Forscher im Sinne der ethischen Medizin nach dem Prinzip „non-maleficence“, richte keinen Schaden an. Selbst bei schwer kranken Menschen, so Boyden, sei eine ausführliche Risiko-Nutzen-Analyse für jeden Patienten nötig. Doch das flaue Gefühl schwindet im Gespräch mit dem Neuroingenieur nicht. Sollte sich das Verfahren als ungefährlich und hilfreich erweisen, könnte sich Boyden auch eine Anwendung seines Systems zur Verbesserung oder Steigerung des menschlichen Denkvermögens vorstellen. In einem Blogartikel auf der Website der von MIT herausgegebenen Zeitschrift „Technology Review“ schreibt Boyden: „Hoffentlich werden wir im kommenden Jahrhundert vom Grundsatz ‚richte keinen Schaden an’ zum Prinzip ‚tue Gutes’ voranschreiten.“ Hoffentlich.
Danielle Bengsch
Noch lässt sich das menschliche Gehirn durch kein Gerät ersetzen. Mit Schrittmachern versuchen Ärzte, die Leistung aufrechtzuerhalten – bis eine Lösung gefunden wird.
Gesundheit
2011-12-08T11:06:44Z
2014-12-01T16:44:10Z
Hirnschrittmacher gegen das Neuronenfeuer
https://www.welt.de//gesundheit/article13755798/Hirnschrittmacher-gegen-das-Neuronenfeuer.html
Steuererhöhungen? „Man soll nie ‚nie‘ sagen“, findet Friedrich Merz
Er steht kurz vor seinem Ziel. Noch drei Wochen trennen Friedrich Merz von seiner Wahl zum zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Bis dahin müssen sich allerdings noch die SPD-Mitglieder in einem Mitgliedervotum und ein Kleiner Parteitag der CDU für den Koalitionsvertrag (verlinkt auf /article255906968) aussprechen. Mit den Verhandlungsergebnissen beschäftigte sich am Sonntagabend auch ARD-Moderatorin Caren Miosga. „Geht so Ihr Politikwechsel, Herr Merz?“, lautete die konfrontative Fragestellung an den CDU-Vorsitzenden. „Das waren jetzt außergewöhnlich herausfordernde Wochen und Monate“, blickte Merz eingangs auf die kräftezehrende Zeit des Wahlkampfs, der Sondierungen und der Koalitionsverhandlungen zurück. „Jetzt brauche ich ein paar Tage Urlaub.“ Ob dafür viel Zeit bleibt, scheint angesichts der selbst beschriebenen Herausforderungen eher unwahrscheinlich. „Es ist in den letzten Jahrzehnten selten eine Regierung ins Amt gekommen, die eine solche Fülle von Aufgaben zu bewältigen hat“, konstatierte der CDU-Vorsitzende. „Da verbietet sich jetzt aus meiner Sicht jedes Pathos. Wir machen uns an die Arbeit.“ Merz wehrte sich gegen den Eindruck, dass sich vor allem die SPD in den Verhandlungen durchgesetzt habe. Die Ressorts seien „fair und anständig“ verteilt worden. Erstmals seit 60 Jahren werde die Union wieder den Bundesaußenminister stellen. Das Wirtschafts- und Verkehrsministerium sowie das neue Digitalministerium kämen noch hinzu. Abseits von Ämtern habe sich seine Partei auch inhaltlich durchgesetzt – etwa in Fragen der Migration. Anfang des Jahres hatte er dauerhafte Grenzkontrollen und Zurückweisungen bei illegalen Einreisen angekündigt. „Das steht fast wörtlich so im Koalitionsvertrag“, stellte er nun zufrieden fest. Er stimme sich dabei mit den deutschen Nachbarländern ab. Dabei helfe ihm sein „sehr gutes persönliches Verhältnis“ zu Emmanuel Macron, der ihn „voll und ganz“ in seiner Migrationspolitik unterstütze. Auch zur dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen pflege er einen „sehr engen Draht“. Dass er mit den geplanten Zurückweisungen umsetze, was Angela Merkel immer gewollt habe, wie diese unlängst behauptet hatte, wies er zurück. „Das ist jetzt eine etwas beschönigende Rückschau“, bemerkte er. Vielmehr habe das Kanzleramt entsprechende Vermerke des Innen- und Justizministeriums 2017 „harsch abgelehnt“. Auf anderen Feldern schien sein eigenes Interesse an einstigen oder jüngeren CDU-Positionen erkaltet zu sein. Einen möglichen Wiedereinstieg in die Atomenergie wischte er mit Verweis auf den Koalitionspartner beiseite. „Die SPD wollte das nicht. Das haben wir zu akzeptieren gehabt“, sagte Merz lapidar. „Wir setzen auf Fusion.“ Auch in der Drogenpolitik trat er weniger scharf auf. Zwar halte er die Cannabislegalisierung nach wie vor für einen Fehler, doch die Folgen des Gesetzes wolle er im Herbst „ergebnisoffen“ überprüfen. Und homosexuelle Paare dürften künftig darauf vertrauen, beim Adoptionsrecht gleichgestellt zu werden. In außenpolitischen Fragen skizzierte Merz wie schon am Wahlabend eine dramatische Lage. Mit Blick auf die Münchner Sicherheitskonferenz, die im Februar unter dem Eindruck der provokativen Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance gestanden hatte, zeigte er sich noch immer schockiert. „Ich bin jetzt seit 30 Jahren auf dieser Konferenz. Ich habe so etwas noch nie erlebt – auch eine so offene Konfrontation der Amerikaner gegen uns“, erklärte der CDU-Vorsitzende. „Plötzlich stehen die Amerikaner auf der anderen Seite und belehren uns über unsere Demokratie.“ Der Vorgang habe „Spuren hinterlassen – auch bei mir.“ Mittelstand hat „nicht alle Seiten des Koalitionsvertrags gelesen“ Es sei ein „ganz besonderer Stil“, dem sich Donald Trump bediene. „Er richtet ja nicht nur großen Schaden außerhalb Amerikas an, er richtet ja auch großen Schaden innerhalb Amerikas an“, bemerkte Merz im Hinblick auf die US-Zollpolitik der vergangenen Woche. Zwar gebe es noch immer „mehr gemeinsame Interessen als gegenläufige“ mit den US-Amerikanern, doch künftig müsse Europa als „handlungsfähige politische Einheit“ vor allem seine eigenen Interessen vertreten. Darunter falle auch, den Binnenmarkt zu stärken und „sehr schnell“ auf weitere Partner zuzugehen, um Freihandelsverträge abzuschließen. Sein eigenes wirtschaftspolitisches Programm vertrat Merz eine Spur zu selbstbewusst. Konfrontiert mit kritischen Stimmen vom Zukunftstag des Mittelstands unterstellte er diesen, „sehr spontan“ reagiert zu haben und nicht alle Seiten des Koalitionsvertrags gelesen zu haben. „Wenn sie sie gelesen hätten, wäre das Urteil wahrscheinlich etwas differenzierter ausgefallen“, bemerkte er arg überheblich. „Sie können in Deutschland in den nächsten drei Jahren in einem Umfang steuerbegünstigt investieren, wie wir es noch nie gehabt haben. Danach geht die Körperschaftsteuer schrittweise auf zehn Prozent herunter.“ Auch steuerpolitisch sei er zu 90 Prozent mit dem Koalitionsvertrag zufrieden, selbst wenn er sich die Soli-Abschaffung und eine deutlichere Senkung der Einkommensteuer (verlinkt auf /article255933810) gewünscht hätte. Dass sich Saskia Esken unlängst wieder für Steuererhöhungen stark gemacht hatte, tat Merz als „Meinungsverschiedenheit“ ab. Im Vertrag stehe keine höhere Belastung – „und es wird auch keine geben“. An anderer Stelle des Gesprächs klang er weniger entschieden. „Unter Ihrer Kanzlerschaft wird es keine Steuererhöhungen geben?“, fragte Miosga schon zu Beginn. „Man soll nie ‚nie‘ sagen. Wir wissen nicht, was noch auf dieser Welt passiert.“ Als Schlusspunkt bemühte sich die ARD-Moderatorin noch um einen persönlichen Zugang zu Merz, der nun vor der Erfüllung eines jahrzehntealten Traumes stehe. Doch dieser leugnete besagte Wunschvorstellung rundheraus. „Ich bin 2009 aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden nicht in der Annahme und Erwartung, dass ich noch einmal in die Politik zurückkehre“, insistierte er. Er gehe mit großem Respekt, aber ebenso Mut und Zuversicht an die Aufgabe heran. „Ich würde es nicht machen, wenn ich diesen Optimismus nicht hätte (verlinkt auf /plus255916922) , dass aus unserem Land mehr zu machen ist, als wir im Augenblick zeigen.“ Dominik Lippe (verlinkt auf /autor/dominik-lippe/) berichtet für WELT regelmäßig über die abendlichen Polit-Talkshows. Der studierte Biologe ist Absolvent der Axel Springer. FreeTech Academy.
Dominik Lippe
Friedrich Merz wehrt sich bei „Caren Miosga“ gegen den Eindruck, dass sich in den Koalitionsverhandlungen vor allem die SPD durchgesetzt hat. Den Wiedereinstieg in die Atomenergie wischt er mit Verweis auf den Regierungspartner beiseite. Beim Thema Wirtschaft ändert sich plötzlich der Ton.
Vermischtes
2025-04-14T13:13:44Z
2025-04-14T13:13:59Z
Steuererhöhungen? „Man soll nie ‚nie‘ sagen“, findet Friedrich Merz
https://www.welt.de//vermischtes/article255933900/Steuererhoehungen-Man-soll-nie-nie-sagen-findet-Friedrich-Merz.html
Mesut Özil in zwei kargen Sätzen bei Fenerbahçe Istanbul suspendiert
Das Kapitel Fenerbahçe Istanbul könnte für Mesut Özil nach nur gut einem Jahr beendet sein. Der im Januar 2021 unter großem Brimborium ablösefrei vom FC Arsenal verpflichtete Weltmeister von 2014 wurde am Donnerstag gemeinsam mit einem anderen Profi suspendiert. Dies gab der Klub in einer an Kürze und Nüchternheit kaum zu unterbietenden Mitteilung bekannt. Auf seiner Website schrieb Fenerbahçe: „Unsere Fußball-A-Spieler Mesut Özil und Ozan Tufan wurden aus dem Kader ausgeschlossen. Dies wird der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Fenerbahçe Sports Club.“ Laut der Sportzeitung „Fanatik“ sei die Entscheidung für unbestimmte Zeit getroffen worden. Zu den Gründen, warum Özil und Mittelfeldspieler Tufan nicht mehr im Kader stehen, äußerten sich die Istanbuler nicht. Laut türkischer Medien sei Özil mit Trainer Ismail Kartal am vergangenen Sonntag während des Spiels gegen Konyaspor (2:1) aneinandergeraten. Der Coach hatte seinen Kapitän in der Halbzeit ausgewechselt, es sollen den Berichten zufolge Beleidigungen gefallen sein. Tufan habe mit dem Trainer gestritten, weil dieser ihn erst in der Nachspielzeit eingewechselt habe. Der ehemalige deutsche Nationalspieler Özil konnte die hohen Erwartungen in der Türkei nur selten erfüllen. In der laufenden Saison kommt der 33-Jährige in 26 Pflichtspielen auf neun Tore und zwei Vorlagen, verpasste wegen verschiedener Verletzungen und Krankheiten aber bereits 14 Partien. Zieht es Özil in die USA? Zuletzt gab es Meldungen, nach denen Özil während seiner vergangenen Verletzungspause eigentlich gestreikt habe, da Fenerbahçe mit seinen Gehaltszahlungen in Rückstand sei. Der Klub sah sich genötigt, dies öffentlich zu dementieren, räumte in seiner Stellungnahme aber finanzielle Schwierigkeiten ein. Die türkische Zeitung „Takvim“ berichtete zudem in dieser Woche, dass Özil gewillt sei, seinen bis 2024 gültigen Vertrag nach Ende dieser Saison aufzulösen, um sich einem neuen Verein anschließen zu können. In dem Bericht war von der amerikanischen Major League Soccer die Rede.   Vereinspräsident Ali Koc hatte bereits im November in einem Interview gesagt, Özil müsse sich endlich auf seine Arbeit konzentrieren. „Er muss seine geschäftlichen Angelegenheiten beiseite legen und sich mehr darauf konzentrieren, wie er für Fenerbahce den besten Beitrag leisten und sein Bestes geben kann“, sagte Koc. Schon Arsenal wollte Özil so schnell wie möglich loswerden Fenerbahçe steht nach 30 von 38 Spieltagen auf dem dritten Platz der Süper Lig, hat aber eigentlich keine Chancen mehr auf den Titelgewinn. Der Vorsprung von Tabellenführer Trabzonspor beträgt bereits 17 Punkte. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Karriereabschnitt von Özil geräuschvoll zu Ende geht. Vor der verkorksten WM 2018 in Russland war er wegen seiner Fotos mit dem türkischen Staatschef Erdogan in die Kritik geraten. Nach dem Turnier trat er aus der deutschen Nationalmannschaft zurück und kritisierte den Umgang mit sich. Auch sein Abschied aus London verlief wenig harmonisch. Für die Saison 2020/21 hatte der Londoner Verein den Ex-Profi von Schalke 04 und Werder Bremen schon nicht mehr für die Premier League und die Europa League gemeldet. Am Ende wollte Arsenal seinen Top-Verdiener so schnell wie möglich loswerden. Nun hat Fenerbahce möglicherweise Ähnliches vor.
WELT
Von der anfänglichen Euphorie ist nicht mehr viel übrig: Der türkische Spitzenklub Fenerbahçe Istanbul streicht Mesut Özil aus dem Kader. Dies gibt der Verein in einer kurzen Mitteilung bekannt. Es soll schon länger Ärger geben.
Sport
Fußball
2022-03-24T13:11:44Z
2022-03-24T13:11:44Z
In zwei kargen Sätzen wird Mesut Özil suspendiert
https://www.welt.de//sport/fussball/article237751507/Mesut-Oezil-in-zwei-kargen-Saetzen-bei-Fenerbahce-Istanbul-suspendiert.html
Schulstress: Maximal eine Stunde Hausaufgaben für Gymnasiasten?
Die Lern- und Arbeitsbelastung für Hamburgs Gymnasiasten (verlinkt auf /regionales/hamburg/article128635596/Jedes-vierte-Kind-muss-Gymnasium-wieder-verlassen.html) soll künftig gleichmäßiger über das Schuljahr verteilt werden. Schulsenator Ties Rabe (SPD) will mit der Einführung von Obergrenzen für die Zahl der Unterrichtsstunden, für Hausaufgaben und Klausuren vermeiden, dass es Wochen der Überbelastung gibt. „Es geht nicht darum, dass die Schüler weniger lernen. Wir verringern das Arbeitspensum nicht, sondern verteilen es vernünftiger“, sagte der Senator. Die Entlastung der Gymnasiasten steht im Zusammenhang mit der Diskussion (verlinkt auf /regionales/hamburg/article128175784/Grundlegende-Reform-des-Gymnasiums-ist-noetig.html) über die Rückkehr zum längeren Weg zum Abitur (G9). Mit den Maßnahmen reagiert Rabe auch auf die Kritik, dass der um ein Jahr kürzere G8-Bildungsgang zu viel Stress für die Schüler (verlinkt auf /regionales/hamburg/article121313399/Stress-pur-Zu-viele-Ueberstunden-fuer-Gymnasiasten.html) bedeute und ihnen zu wenig Freizeit lasse. Die Zeit, die die Schüler für Hausaufgaben (verlinkt auf /regionales/hamburg/article128813139/Streit-ueber-Sitzenbleiben-und-Hausaufgaben.html) aufwenden, soll maximal fünf Stunden pro Woche betragen, also täglich nicht mehr als eine Stunde. Wie die Übungszeit auf die einzelnen Fächer verteilt wird, entscheiden die Schulen selbst. „Bis 2007 galten in Hamburg (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/hamburg-staedtereise/) über 30 Jahre lang für jede Klassenstufe klare zeitliche Obergrenzen für die täglichen Hausaufgaben“, so Rabe. „An diese vernünftige Tradition knüpfen wir an.“ Allerdings werde darauf verzichtet, „detaillistische Vorgaben“ zu machen. Die Schulkonferenzen sollen eigene pädagogische Schwerpunkte setzen können. Als Rabe im März erstmals seine Pläne zur Entlastung der Gymnasiasten vorstellte, hatte er noch deutlich rigidere Vorstellungen: Damals sollten die Schüler in den Hauptfächern nur noch eine Hausaufgabe pro Woche, in den Nebenfächern sogar nur alle zwei Wochen aufbekommen. Die Opposition und mehrere Schulen hatten das als schweren Eingriff in die Selbstverwaltung der Schule kritisiert. „Wir haben auf die Kritik reagiert. Unsere Vorgaben sind nicht mehr so kleinteilig wie ursprünglich vorgesehen“, räumte der SPD-Politiker ein. „Alle anderen Bundesländer schaffen das auch“ Um den Lern- und Vorbereitungsstress zu verringern, dürfen künftig höchstens zwei Klausuren pro Woche geschrieben werden. „Das ist leicht zu schaffen“, sagte Rabe zuversichtlich. Je nach Klassenstufe würden zwischen 25 und 30 Klausuren pro Schuljahr geschrieben – bei 39 Unterrichtswochen. „Immer wieder wird beklagt, dass es in bestimmten Wochen zu einer Zusammenballung von hohen Lernanforderungen, Klausuren und Referaten kommt“, so der Senator. So liefe der Unterricht nach den Sommerferien häufig schleppend an, und dann folge eine Phase, in der in kurzer Zeit viele Arbeiten geschrieben würden. „Dieser Wechsel von Unterforderung und Überforderung ist nicht vernünftig“, sagte Rabe. Voraussetzung für eine andere Praxis sei, dass sich die Lehrer untereinander absprechen. Auch für die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden gibt es eine Obergrenze am Gymnasium: In den Klassen sieben bis zehn sind es 34 Stunden, in der fünften 30 und der sechsten 31 Stunden. Es wird wenige Ausnahmen zum Beispiel für die altsprachlichen Gymnasien geben, die die Schulbehörde künftig aber im Einzelfall genehmigen muss. Auch für Schüler, die freiwillig eine dritte Fremdsprache erlernen, können Ausnahmen gelten. „Ich bin allerdings sicher, dass man innerhalb der Obergrenzen hervorragend Schule machen kann, alle anderen Bundesländer schaffen das auch“, betonte Rabe. Positive Reaktionen der Opposition Von der Opposition gab es ausnahmsweise einmal Lob für den Schulsenator. „Es ist gut, dass sich Senator Rabe dem öffentlichen Druck aus Schulen und Parteien beugt“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien. Die Unionsfraktion hatte die zunächst vorgesehenen kleinteiligen Vorgaben scharf kritisiert und den Stopp gefordert. „Die Festlegung einer Wochen-Obergrenze für die Hausaufgaben halte ich für vertretbar“, sagte Prien. Eine starre Vorgabe von einer Stunde pro Tag sei dagegen überflüssig. Ähnlich klang es bei der FDP. „Der Schulsenator hört auf kritische Stimmen und zeigt sich lernfähig, was kaum noch einer glaubte“, sagte FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels. Das sei eine gute Nachricht für die selbstverantwortete Schule, für Eltern, Lehrer und Schüler, die „nun unter den Bedingungen ihrer Schule das Richtige tun können“. Die Grünen haben einen anderen Ansatz: Sie fordern die Einführung des Ganztagsunterrichts auch an den Gymnasien. „Dann können die Hausaufgaben ganz abgeschafft werden, weil die Schüler alles in der Schule erledigen“, sagte die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Dennoch: „Wir sind erleichtert, dass der Senator diese Maßnahmen jetzt umsetzt.“ Rabe wies darauf hin, dass die Obergrenzen nichts Neues seien. „Neu ist, dass sie künftig verbindlich eingehalten werden müssen“, so der Senator. Die Verordnung müssen die Gymnasien spätestens zum Schuljahr 2015/16 umsetzen, sodass Zeit zur Umorganisation bleibt.
Peter Ulrich Meyer
Schüler sollen auf dem Weg zum schnellen Abitur G8 entlastet werden. Höchstens zwei Klausuren und fünf Stunden Hausaufgaben pro Woche. Von der Opposition gab es Lob für Hamburgs Schulsenator.
Regionales
Hamburg
2014-06-11T12:06:24Z
2015-10-01T13:22:13Z
Maximal eine Stunde Hausaufgaben für Gymnasiasten?
https://www.welt.de//regionales/hamburg/article128954423/Maximal-eine-Stunde-Hausaufgaben-fuer-Gymnasiasten.html
Flüchtlingskrise: Aggressive Stimmung am Budapester Ostbahnhof
Die Situation am Budapester Ostbahnhof wird immer dramatischer. Polizei und Behörden scheinen mit der Masse der dort wartenden Migranten überfordert, wie N24-Reporterin Nadine Mierdof beobachtet.
WELT
Die Situation am Budapester Ostbahnhof wird immer dramatischer. Polizei und Behörden scheinen mit der Masse der dort wartenden Migranten überfordert, wie N24-Reporterin Nadine Mierdof beobachtet.
2015-09-02T16:24:02Z
2016-12-17T13:16:00Z
Aggressive Stimmung am Budapester Ostbahnhof
https://www.welt.de//videos/video145980182/Aggressive-Stimmung-am-Budapester-Ostbahnhof.html
Katholische Kirche: Bistum entlässt erstmals Priester wegen Missbrauchs
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat erstmals einen Priester wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern aus dem Klerikerstand entlassen. Damit verhängte er die kirchenrechtliche Höchststrafe. Der Priester, der keinen seelsorglichen Auftrag mehr hatte, verliere sämtliche mit seinem Amt verbundenen Rechte. Auch seine Ruhestandsbezüge würden gemindert. Der Priester habe fünf minderjährige Jungen zwischen 1966 und 1980 missbraucht, bei zweien auch über einen längeren Zeitraum, teilte das Bistum mit. Eine Anzeige des Bistums bei der Staatanwaltschaft wurde wegen Verjährung nicht weiterverfolgt. Es sei das erste Mal in der jüngsten Geschichte des Bistums, dass diese Strafe gegen einen Priester wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ausgesprochen werde. Die Glaubenskongregation in Rom habe der Entlassung zugestimmt. Der Bischof habe die Opfer des Priesters über die Entscheidung informiert und sein Bedauern für deren Leid zum Ausdruck gebracht, teilte das Bistum weiter mit. Zugleich bat Ackermann die Opfer um Entschuldigung "für das, was ein Priester unseres Bistums getan hat, wohl wissend, dass damit nicht ungeschehen gemacht werden kann, was Ihnen widerfahren ist". Bislang leitete das Bistum Trier seit Februar 2010 16 kirchenrechtliche Voruntersuchungen wegen sexuellen Missbrauchs ein. Dies sei der erste Fall, der mit der Aberkennung der Priesterrechte endete, hieß es.
WELT
Ein Priester, der fünf minderjährige Jungen missbraucht haben soll, ist vom Bistum Trier aus dem Klerikerstand entlassen worden. Das bedeutet die kirchenrechtliche Höchststrafe.
Politik
Deutschland
2012-07-13T13:56:25Z
2015-10-04T19:26:19Z
Bistum entlässt erstmals Priester wegen Missbrauchs
https://www.welt.de//politik/deutschland/article108286020/Bistum-entlaesst-erstmals-Priester-wegen-Missbrauchs.html
Biermeile und Gauklerfest: Berlin trinkt, feiert und genießt
Die Zapfhähne stehen auf Dauerbetrieb. Der schäumende Gerstensaft fließt in Strömen. Langsam zwängt sich eine Menschenmenge durch die enge Gasse der Stände und Theken. Das elfte Berliner Bierfestival auf der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain hat begonnen. Kirschbier aus Hersfeld, Honigbier aus Litauen und Braunbier und Pils aus Tschechien – das schenken die Damen im Trachtenkleid am Stand von „Mundschenk“ aus, einer Firma aus Wurzen. „Die meisten wollen Braunbier“, sagt Teamchefin Kirsten Melchior. Uwe Greitel vom Hamburger „Haus der 131 Biere“ ergänzt: „Das stärkste Bier ist am stärksten gefragt.“ Wohlwissend haben die Hansestädter Unmengen von Flaschen mit dem vierzehnprozentigen österreichischen „Samichlaus“ mitgebracht. 200 Biersorten hat die Hamburger Firma an der Karl-Marx-Allee zu bieten. Die Vielfalt lockt. „Das ist das Schönste, was es gibt.“ Der Dresdener Ronny Müller gerät ins Schwärmen, er ist nur wegen der Biermeile angereist. Dort sind viele englische Stimmen zu hören. „Come on boys“, ruft ein junger Mann zu seinen Begleitern zu. Die Gruppe kommt nur langsam vorwärts, von Stand zu Stand. Die Strecke ist lang, die Herausforderung groß. 2,2 Kilometer muss der Festivalbesucher zwischen Frankfurter Tor und Strausberger Platz zurückzulegen und dabei unter 1780 Biersorten von 250 Brauereien aus 86 Ländern auswählen. „Wir probieren das, was es sonst in Berlin (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/berlin-staedtereise/) nicht gibt“, sagt Juri Blando aus Köpenick. Er hat es sich an einer Bank auf der Wiese, zwischen Gehweg und Allee, bequem gemacht, mit ihm seine Frau Elke und der Lichtenberger Hans-Joachim Sage. Das Trio genießt drei verschiedene Getränke: „Raubritter Dunkel“ aus Thüringen und dunkles und helles Gessner Pils. Mit englischem und schottischem Bier haben die drei ihren Biermeilen-Trip begonnen. Zuviel trinken wollen sie aber nicht. „Man muss noch etwas davon haben“, sagt Juri Blando. Heute kommen die Köpenicker noch einmal, mit Bekannten von außerhalb. Denn: „Die Biermeile hat sich herumgesprochen.“ Auf rund 700.000 Besucher hoffen die Veranstalter am Wochenende. Mit übermäßig trinkenden Jugendlichen rechne man nicht, heißt es im Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg. „Unsere Einsatzkräfte halten aber die Augen offen“, sagt ein Mitarbeiter. Man rechne eher damit, Verkaufsstände auf der Meile zu finden, die nicht angemeldet seien. Sternekoch am Opernpalais Am Opernpalais Unter den Linden steht ebenfalls das leibliche Wohl im Vordergrund. Dort laden seit gestern Magier, Artisten, Akrobaten, Musikanten, Jongleure und Clowns zum 17.Berliner Gauklerfest ein. Bis zum 12.August bieten mehr als 60 Aussteller auf dem Kunstmarkt Keramiken und Malerei, Schmuckstücke und Spielzeug zum Verkauf. Für einen gelungenen Auftakt des Festes wollte gestern Abend die Band „Soul Syndicate“ mit Funk- und Soul-Musik sorgen und von der Jazz-Bühne an der Oper herab dem Publikum mit Klassikern von Stevie Wonder, James Brown und Joe Cocker einheizen. Bereits am späten Nachmittag schlenderten Michaela Mittendorf mit Tochter Miriam und Bruder Thomas Trebst über den Kunstmarkt. „Hier ist jedes Jahr eine einzigartige Stimmung, die wir immer wieder aufs Neue genießen“, sagt Michaela Mittendorf. Für kulinarische Genüsse ist seit gestern Sternekoch Karlheinz Hauser zuständig, einst langjähriger Küchendirektor im Hotel Adlon. Hauser wird für zehn Tage die Spitzengastronomie vom Süllberg in Hamburg-Blankenese nach Berlin holen. Zusammen mit seinem Team offeriert er dem Publikum seine Süllberg-Spezialcurrywurst mit getrüffelten Pommes Frites, Trüffelravioli mit Champagnersauce sowie pochierten Gascogne-Pfirsich mit weißem Schokoladenmousse und Erdbeermark. Lukullische Gaumenfreuden sind garantiert. Für Hauser sind mit dem Berlin-Besuch viele persönliche Erinnerungen verbunden. Von 1997 bis 2002 war er Küchendirektor und Gastronomischer Leiter im Hotel Adlon. „Trotz der langen Zeit ist es so, als ob ich nie weg gewesen wäre“, sagt der Spitzenkoch. Heute beginnt das Fest bereits um 13 Uhr. Auf der Jazz-Bühne an der Oper wird dann unter anderem die Band „Easy Goin'“ mit ihrem African-Jazz für ausgelassene Stimmung sorgen. Die Gruppe kombiniert originell arrangierte Jazz-, Pop-, Afro-, Funk-, und Blues-Klassiker mit eigenen Kompositionen. Der Entertainer Craig Lee tritt auf der Opernpalais-Bühne auf und präsentiert Songs der 50er- bis 90er-Jahre sowie aktuelle Hits.
Sabine Flatau, Dominik Ehrentraut
Zwei Veranstaltungen laufen derzeit in der Hauptstadt: Alkoholisches steht auf dem elften internationalen Bierfestival in Friedrichshain im Vordergrund. Am Opernpalais Unter den Linden kommen Kulturliebhaber und Fans von kulinarischem auf ihre Kosten.
Regionales
Berlin & Brandenburg
2007-08-03T16:54:11Z
2011-11-16T01:23:36Z
Berlin trinkt, feiert und genießt
https://www.welt.de//regionales/berlin/article1079200/Berlin-trinkt-feiert-und-geniesst.html
Wachsende Armut: Spekulanten treiben Preise für Lebensmittel hoch
Angesichts weltweit steigender Preise hat die Föderation der Rotkreuz- und Roter Halbmond-Gesellschaften (IFRC) gefordert, der Spekulation mit Nahrungsmitteln Einhalt zu gebieten. Durch die Preisentwicklung seien vor allem wieder die Ärmsten der Armen bedroht, heißt es im IFRC-Weltkatastrophenbericht 2011, der in Genf veröffentlicht wurde. Dazu trügen spekulativer Rohstoffhandel, starkes Bevölkerungswachstum, Klimawandel und der deutliche Rückgang einheimischer Agrarproduktionen bei. „Die Nahrungsmittelpreise kommen den alarmierenden Höhen (verlinkt auf /wirtschaft/article13616187/Lebensmittelindustrie-kuendigt-steigende-Preise-an.html) der Krise von 2008 wieder näher, wobei die Ärmsten der Armen am stärksten betroffen sind“, wird IFRC-Generalsekretär Bekele Geleta zitiert. Es müsse unbedingt wieder in die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion investiert und die Spekulation gestoppt werden. „Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Händler in London oder New York entscheidet, ob ein Vater in einem Land wie Indien es sich leisten kann, seine Kinder zu ernähren“, sagte Geleta. Derzeit gebe es wieder eine neue Runde inflationärer Preisentwicklungen bei Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen, Öl, Zucker und Salz. So sei der Preis für Mais nach Angaben der kenianischen Behörden in dem ostafrikanischen Land binnen eines Jahres um 160 Prozent gestiegen; der für Zucker allein zwischen Juni und August dieses Jahres um fast 20 Prozent. Dies treibe die Armen, etwa auch am Horn von Afrika, immer weiter in die Armut, warnte die Organisation. Folge könnten wieder Unruhen sein, wie etwa 2010 in Mosambik, als 13 Menschen getötet wurden.
WELT
Die Preise für Getreide, Mais oder Zucker steigen weltweit. Experten fürchten Hungerkatastrophen und Ausschreitungen in armen Ländern.
Wirtschaft
2011-09-22T05:51:38Z
2015-09-01T11:27:25Z
Spekulanten treiben Preise für Lebensmittel hoch
https://www.welt.de//wirtschaft/article13619256/Spekulanten-treiben-Preise-fuer-Lebensmittel-hoch.html
Bundespräsident: Gauck warnt Medien vor Parteilichkeit
Eigentlich, sagt Joachim Gauck, eigentlich sei die Medienwelt in Deutschland vorbildlich. So werde die Pressefreiheit von staatlichen Instanzen respektiert und verteidigt. Und dies sei keine Selbstverständlichkeit – „wie wir leider in vielen Staaten der Welt sehen, in diesen Tagen auch in der Türkei“. Und doch gibt es dieses Eigentlich in Gaucks (verlinkt auf /themen/joachim-gauck/) Einschätzung, diese Einschränkung. Der Bundespräsident sorgt sich um die Presse im Land. „Wenn ich ‚eigentlich‘ sage, so hören Sie schon eine Sorge, ein Bedenken“, sagt Gauck am Donnerstagabend bei der Verleihung des europäischen Medienpreises Civis in Berlin. Ihn beunruhige der Vorwurf, die Medien berichteten bisweilen einseitig und unvollständig besonders über die Probleme, die mit Flucht und Einwanderung einhergingen. Von einer Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus (verlinkt auf /themen/journalismus/) sei die Rede, auch von Medienverdrossenheit und sogar von „Lügenpresse“. Der „Lügenpresse“-Vorwurf, der vor allem von der Pegida (verlinkt auf /themen/pegida/) -Bewegung sowie auch aus der rechtspopulistischen AfD (verlinkt auf /themen/afd/) erhoben wird, geht Gauck zwar viel zu weit. Er wisse, was Lügenpresse sei, erklärt der frühere Pastor: „Ich habe sie erlebt, jahrzehntelang, in der DDR (verlinkt auf /themen/ddr/) .“ Da habe eine zentrale Stelle bestimmt, welche Informationen und welche Meinungen verpflichtend gewesen seien. „Zensur und Desinformation bestimmten den Medienalltag.“ Heute sei dies völlig anders, sagt er. Und dann kommt sein großes Aber. Die Behauptung von einer gelenkten Presse und von „Systemmedien“ sei falsch, unterstreicht Gauck. „Aber wie konnte es dazu kommen, dass die Diffamierung als ,Lügenpresse‘ bei einem Teil der Öffentlichkeit verfangen hat?“ Und dann greift Gauck zu einem seiner Kniffe, wenn er unmissverständliche Kritik so verpackt, dass Betroffene sie leichter annehmen können. Er kleidet seine Kritik in Fragen. „Hat beispielsweise die Sorge vor der Stigmatisierung von Fremden bisweilen dazu geführt, über Kriminalität durch Migranten nur zögerlich zu berichten? Warum fanden etwa die Übergriffe von Köln (verlinkt auf /themen/uebergriffe-in-koeln/) in wichtigen Medien erst Tage später Erwähnung?“ Angst vor gesellschaftlicher Spaltung treibt Gauck um Schon öfter hat Gauck sich gegen falsch verstandene Zurückhaltung und Schönfärberei in der Flüchtlingsfrage (verlinkt auf /themen/fluechtlinge/) gewandt. Denn der Bundespräsident befürchtet, dass Schönreden nur denjenigen in die Hände spielt, die die tatsächlich vorhandenen Probleme dann in verzerrender Überzeichnung vortragen. Zugleich warnte Gauck bereits mehrfach davor, diejenigen, die Zweifel an der Bewältigung des Flüchtlingszuzugs und der anstehenden Integrationsaufgabe äußern, als Fremdenfeinde abzustempeln. Kurz: Die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft durch eine unehrliche Debatte treibt Gauck um. Und so ermahnt er die Presse: „Gerade in einem aufgeregten Umfeld kann es hilfreich sein, sich an Grundsätze zu erinnern, die so einfach wie ehern sind.“ Zu sagen, was sei, gehöre ebenso dazu wie die klare Trennung von Informieren und Kommentieren, Distanz zu wahren und sich nicht hinreißen zu lassen, wegen einer guten Sache Fakten selektiv zu benennen. „Wer es mit diesen anerkannten Prinzipien nicht so genau nimmt, kann schon morgen vom Berichterstatter zum politischen Akteur werden“, warnt Gauck die Journalisten. „Und dann ist es nicht mehr weit, bis der Fluch der edlen Absicht dazu verführt, etwas zu verschweigen, um nicht den Falschen Argumente zu liefern.“ Die Lebenserfahrung zeige aber: „Nicht wer ein Problem benennt, vergrößert es, sondern wer es verschweigt.“ Am Schluss zeigt Gauck sich zuversichtlich. Das Schöne an den freien Medien in unserer Demokratie sei, dass sie ein selbstkorrigierendes System seien. Journalisten hätten aus allzu grobschlächtigen Berichten während der Asyldebatte der 90er-Jahre gelernt genauso wie aus der bisweilen „pädagogischen Bearbeitung“ von Integrations- und Migrationsthemen. „Dies und die Fähigkeit zur Selbstkritik sind es, auf die Leser, Zuschauer und Zuhörer am Ende vertrauen dürfen.“ Und hier ist Gauck ohne Zweifel. Da gibt es kein Eigentlich.
Claudia Kade
Der Bundespräsident nimmt die Presse vor Verschwörungstheoretikern in Schutz. Doch mit Blick auf die Köln-Übergriffe warnt Gauck Medien vor dem Verschweigen von Fakten als „Fluch der guten Absicht“.
Politik
Deutschland
2016-05-12T17:46:45Z
2016-05-13T03:48:07Z
„Wer ein Problem verschweigt, vergrößert es“
https://www.welt.de//politik/deutschland/article155306951/Wer-ein-Problem-verschweigt-vergroessert-es.html
Cornwall: Der Mann, der überfahrene Katzen und Dachse isst
Wenn Tiere von Autos angefahren werden, braucht es Wochen, bis die Kadaver verrottet sind und Maden die Überreste gefressen haben. Es sei denn, Arthur Boyt kommt vorbei. Der Der 74-jährige pensionierte Biologe aus Davidstow Cornwall im Südwesten sammelt tote Tiere von der Straße auf und isst sie. Hunde, Katzen, Iltisse. Seine Delikatesse: Geschmorter Dachskopf mit Sauce und Gemüse. Die Welt: Herr Boyt, wie kommt man darauf, totgefahrene Eichhörnchen, Katzen oder Iltisse von der Straße zu essen? Arthur Boyt: Ganz einfach: Im Supermarkt gibt man 20 Pfund für ein Rinderfilet aus – dabei gibt es Fleisch mit besserer Qualität ganz umsonst. Totgefahrene Tiere leben in freier Wildbahn, werden also nicht mit Medikamenten, Hormonen und Antibiotika vollgepumpt. Wir essen Unmengen verseuchtes Industriefleisch, während auf der Straße bestes Bio-Fleisch zu finden ist. Die Welt: Essen Sie wirklich alle Tiere, die Sie finden? Boyt: Ja. Dachs zum Beispiel schmeckt wunderbar, wenn er richtig gekocht wird. Vor allem der Kopf ist ein richtiges Geschmacksabenteuer mit vielen verschiedenen Konsistenzen und Aromen. Augen, Zunge, Gehirn, Backen – das sind alles sehr eigene und würzige Geschmäcker. Natürlich muss er richtig zubereitet sein. Einen Dachskopf koche ich lange in Gemüse ein. Katze dagegen hat keinen starken Eigengeschmack und ist deshalb vielfältig kombinierbar. Außer die Katzenzunge, die ist sehr speziell. Aber köstlich! Iltisse, Eichhörnchen oder Hunde sind auch gut. Die Welt: Hatten Sie mal ein Tier auf dem Teller, das sie dann doch eklig fanden? Boyt: Einmal habe ich einen Dachs gegessen, der schon zwei Wochen auf der Straße gelegen hatte und ziemlich verwest war. Er war aufgebläht und innen ganz grün. Er stank heftig und als ich ihn kochte wurde es noch schlimmer. Das war sicher grenzwertig, aber geschmeckt hat er trotzdem. Krank geworden bin ich auch nicht. Die Welt: Wann haben Sie damit angefangen, tote Tiere von der Straße aufzusammeln und zu essen? Boyt: So mit 18, 19 Jahren. Ich habe schon als Teenager Tiere ausgestopft. Auch solche, die von Autos totgefahren wurden. Mich hat es immer gestört, wie viel von dem toten Tier dabei einfach weggeworfen wird. „Warum nicht essen?“, habe ich mich gefragt. So fing das an. Die Welt: Haben Sie Verständnis für Menschen, denen bei dieser Vorstellung schlecht wird? Boyt: Welche Tiere und welche Bestandteile von Tieren wir essen, ist doch nur eine kulturelle Prägung. Rational lässt sich nicht begründen, warum man etwa Kaninchen isst, Ratten dagegen nicht. Oder warum uns Hühnchen und Gänse schmecken, wir aber von Schwänen und Bussarden die Finger lassen. Es ist nur eine Kopfsache. Alles in allem wird viel zu viel Fleisch gegessen. Ich gönne mir etwa alle ein bis zwei Wochen ein Festmahl mit Fleisch, mehr braucht der Mensch nicht. Die Welt: Verrückt sind also eigentlich die Menschen, die jeden Tag Industriefleisch essen und dafür auch noch Geld bezahlen? Boyt: Jeder soll machen, was er für richtig hält. Aber ich finde es Irrsinn, wie die Menschen Milliarden Tiere züchten, abschlachten und dann die meisten Bestandteile in die Tonne werfen. Nur damit jeder täglich sein Hühnerbrustfilet oder seine Schweinshaxe auf dem Teller hat. Trotzdem versuche ich nicht, andere davon zu überzeugen, es genau so wie ich zu machen. Ich will niemanden missionieren. Die Welt: Würden Sie auch Menschenfleisch essen? Boyt: Biologisch betrachtet sind wir Menschen doch auch Tiere. Ich hätte prinzipiell kein Problem damit, Menschenfleisch zu essen. Aber da würde ich wohl als Kannibale stigmatisiert werden.
Pia Frey
Arthur Boyt aus Cornwall sammelt tote Tiere von der Straße und kocht sie. Der 74-Jährige sieht keinen großen Unterschied zum Fleisch aus dem Supermarkt. „Dachskopf schmeckt wunderbar!“, sagt er.
Vermischtes
2013-10-03T11:02:47Z
2015-10-15T13:38:45Z
Der Mann, der überfahrene Katzen und Dachse isst
https://www.welt.de//vermischtes/article120608346/Der-Mann-der-ueberfahrene-Katzen-und-Dachse-isst.html
Neuer Jahresverlust: Deutsche Bank mit drittem Verlustjahr in Folge
Die Deutsche Bank hat auch im dritten Jahr unter Sanierer John Cryan rote Zahlen geschrieben. Knapp eine halbe Milliarde Euro Verlust stand Ende 2017 in den Büchern, wie Deutschlands größtes Geldhaus am Freitag in Frankfurt mitteilte. 2015 hatte die Deutsche Bank (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/deutsche-bank/) ein Rekordminus von rund 6,8 Milliarden Euro verbucht, für 2016 summierte sich das Minus auf 1,4 Milliarden Euro. Der Dax-Konzern hatte bereits Anfang Januar auf den erneuten Jahresverlust eingestimmt – wegen einmaliger Belastungen in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro infolge der US-Steuerreform. „Nur durch die Belastungen der US-Steuerreform zum Jahresende haben wir nach Steuern einen Verlust verbuchen müssen“, erklärte Konzernchef Cryan. Vor Steuern erzielte die Bank mit plus 1,3 Milliarden Euro (Vorjahr: minus 810 Millionen Euro) erstmals seit drei Jahren ein positives Ergebnis. „Wir sind auf einem guten Weg zu nachhaltigem Wachstum und einer höheren Rendite“, bilanzierte Cryan, der das Institut seit Sommer 2015 führt. „Wir haben Fortschritte gemacht“ Die Vorbereitungen für den Teilbörsengang der Vermögensverwaltungstochter DWS kämen ebenso gut voran wie die Integration der Postbank. Im gemeinsamen Privat- und Firmenkundengeschäft sollen ab dem zweiten Quartal rund 13.000 Beschäftigte der Deutschen Bank und etwa 17.000 Beschäftigte der Bonner Tochter unter einem rechtlichen Dach arbeiten. „Wir haben also Fortschritte gemacht, sind aber mit unseren Ergebnissen noch nicht zufrieden“, stellte Cryan fest. In den Vorjahren hatten vor allem teure Rechtsstreitigkeiten das Geldhaus belastet. Seit seinem Amtsantritt drückt Cryan beim Abbau solcher Altlasten aufs Tempo. Kurz vor der Bilanzvorlage konnte die Bank ein weiteres Kapitel schließen: Wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation muss die Deutsche Bank in den USA 70 Millionen Dollar Geldbuße zahlen. Die Aufsichtsbehörde CFTC sieht es als erwiesen an, dass die Bank von 2007 bis 2012 durch falsche Angaben den Referenzzinssatz Isdafix zu ihren Gunsten beeinflussen wollte. Erst zu Wochenbeginn hatte die CFTC dem Institut wegen des Vorwurfs der Manipulation von Edelmetallpreisen eine Geldbuße von 30 Millionen Dollar aufgebrummt. Schlechtes Tagesgeschäft Aber auch im Tagesgeschäft lief es zuletzt nicht rund beim deutschen Branchenprimus. Im Gesamtjahr rutschten die Erträge – also die gesamten Einnahmen – auf 26,4 Milliarden Euro ab nach 30,0 Milliarden beziehungsweise 33,5 Milliarden Euro in den beiden Vorjahren. Das Geldhaus begründete den Einbruch um 12 Prozent im vergangenen Jahr zum einen mit Verkäufen von Tochtergesellschaften und Beteiligungen etwa an der chinesischen Hua Xia Bank oder der britischen Lebensversicherung (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/lebensversicherung/) Abbey Life. Zum anderen machten sich die niedrigen Zinsen und insbesondere die Flaute am Kapitalmarkt negativ bemerkbar. Besonders drastisch sah es im Schlussquartal aus, in dem die Erträge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro sanken. Vor allem das Geschäft des einstigen Goldesels – der Handel mit Anleihen (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/anleihen/) und Währungen – brach ein: um 29 Prozent. Der Aktienhandel ging um 25 Prozent zurück. Damit litt die Deutsche Bank stärker unter den ruhigen Kapitalmärkten als viele Konkurrenten. Die neuen Steuergesetze in den USA belasten indes auch bei etlichen US-Konkurrenten der Deutschen Bank die Jahresbilanzen 2017 – auch wenn die Institute auf längere Sicht profitieren dürften. Unter anderem können Banken US-Steuern nicht mehr so stark durch frühere Verluste drücken: Bisher konnten frühere Fehlbeträge mit künftigen Gewinnen verrechnet werden, was die Steuerlast senkte.
WELT
Rote Zahlen statt Trendwende: Die Deutsche Bank verbucht den dritten Jahresverlust in Folge. Schuld seien die US-Steuergesetze, erklärt der Vorstand. Denn eigentlich sei der Konzern auf einem guten Weg.
Wirtschaft
2018-02-02T08:55:35Z
2018-02-02T14:16:50Z
Deutsche Bank mit drittem Verlustjahr in Folge
https://www.welt.de//wirtschaft/article173122269/Neuer-Jahresverlust-Deutsche-Bank-mit-drittem-Verlustjahr-in-Folge.html
Cum-Ex-Skandal: Veröffentlichung von Passagen der Olearius-Tagebücher ist zulässig
Im Rechtsstreit mit dem früheren Warburg-Bankchef Christian Olearius hat die „Süddeutsche Zeitung“ einen Erfolg vor dem Bundesgerichtshof (BGH) errungen. Der BGH entschied am Dienstag, dass die Zeitung in einem Artikel über den Cum-Ex-Skandal Auszüge aus Olearius‘ Tagebüchern veröffentlichen durfte. Das zuvor von Gerichten in Hamburg ausgesprochene Verbot der Veröffentlichung wurde aufgehoben. (Az. VI ZR 116/22) Die Tagebücher waren vor Erscheinen des Artikels bei Ermittlungen gegen den Bankier wegen Steuerhinterziehung von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Die Warburg-Bank war in den Cum-Ex-Skandal verstrickt, der das womöglich umfassendste System der Steuerhinterziehung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte darstellt. Der Staat wurde um Milliarden geprellt. Olearius muss sich demnächst wegen des Vorwurfs der besonders schweren Steuerhinterziehung in 14 Fällen vor Gericht verantworten. Darum ging es in dem Zeitungsartikel aber nicht. Dieser handelte von einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörde. Die Hamburger Steuerverwaltung hatte 2016 auf die Rückzahlung von 47 Millionen Euro durch die Warburg-Bank verzichtet. Durch den strittigen Artikel und Veröffentlichungen in anderen Medien wurde bekannt, dass Olearius sich mehrmals mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte. Olearius zog gegen die Veröffentlichung seiner Tagebuchauszüge in der „Süddeutschen“ in Hamburg vor Gericht und hatte zunächst Erfolg. Das Landgericht verbot fast alle zitierten Passagen, das Oberlandesgericht wies die Berufung der Zeitung größtenteils zurück. Der BGH änderte diese Entscheidungen nun und wies Olearius‘ Klage insgesamt ab. Ihm stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Unterlassung der wörtlichen Zitierung vor, erklärte der BGH. Das Oberlandesgericht hatte sich auf eine Bestimmung im Strafgesetzbuch berufen, wonach amtliche Dokumente in Strafverfahren vor einer öffentlichen Verhandlung oder dem Abschluss des Verfahrens nicht wörtlich zitiert werden dürfen. Ein Unterlassungsanspruch sei hier aber nicht unabhängig von einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen, erklärte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Zudem handle es sich bei den Tagebüchern gar nicht um amtliche Dokumente. „Private Aufzeichnungen verwandeln sich nicht in amtliche Dokumente, weil sie beschlagnahmt werden.“ Sonst sei die Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ übermäßig eingeschränkt. Medienfreiheit wiegt schwerer Zwar sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bankiers berührt. Dieses müsse aber gegen die Medienfreiheit abgewogen werden – und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei hier „überragend“, erklärte Seiters. Der Aufbau des Artikels mit den eingebauten Zitaten ermögliche es, ein vollständiges und unverzerrtes Bild zu vermitteln. Leserinnen und Leser könnten so ihre eigenen Schlüsse ziehen. Die Veröffentlichung sei zulässig. In Hamburg arbeitet seit November 2020 ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss und geht der Frage nach, ob Scholz Einfluss auf die Entscheidung der Finanzbehörden zur Warburg-Bank nahm. Scholz gibt an, sich an den Inhalt der Treffen nicht erinnern zu können.
WELT
Die „Süddeutsche Zeitung“ setzt sich vor dem Bundesgerichtshof durch, der ein Hamburger Urteil kassiert. Ein Tagebucheintrag werde nicht in einem Prozess zu einem geschützten amtlichen Dokument, so die Begründung. Das Interesse der Öffentlichkeit sei in diesem Fall „überragend“.
Regionales
Hamburg
2023-05-16T11:28:10Z
2023-05-16T11:28:10Z
Veröffentlichung von Passagen der Olearius-Tagebücher ist zulässig
https://www.welt.de//regionales/hamburg/article245374056/Cum-Ex-Skandal-Veroeffentlichung-von-Passagen-der-Olearius-Tagebuecher-ist-zulaessig.html
Italien: Nicola Zigaretti rückt die Sozialdemokraten nach links
Nicola Zingaretti konnte es selbst kaum fassen. „Ich gebe es zu, ich habe noch nicht genau verstanden, warum ich es bin, aber nun bin ich es eben…“, erklärte der Demokrat und Gouverneur der Hauptstadtregion Latium, kurz nachdem er am Sonntag die Urwahl zum Parteisekretär der Demokratischen Partei, des Partito Democratico (PD), haushoch für sich entschieden hatte. Mehr als zwei Drittel der 1,7 Millionen Italiener, die an die Wahlurnen der Demokraten gegangen waren, hatten Zingaretti gewählt. Warum? Der frühere Kommunist war bisher ein über die Grenzen des Latium hinaus eher Unbekannter. Bevor der 53-jährige Berufspolitiker dort sein Gouverneursamt antrat, war er hintereinander zweimal Präsident der Provinz Rom. Anders als sein Vorgänger, der frühere Premier Matteo Renzi, hat er kaum Charisma. Doch total unbekannt war Zingaretti seinen Mitbürgern dennoch nicht: Sein großer Bruder ist der Schauspieler Luca Zingaretti, 57, und den kennt jeder Italiener (verlinkt auf welt.de/themen/italien-politik) : Luca spielt den Commissario Montalbano in der TV-Version der berühmten Kriminalromane. Die Italiener identifizieren sich gerne mit ihm: dem guten, aufrechten, solidarischen Kommissar, der die Dinge selbst im chaotischen Sizilien zu richten weiß. Genau diese Qualitäten besitzt der stillere Nicola im politischen Leben. Er hat der Region wirtschaftlichen Aufwind verschafft, ist als guter Verwalter und Vermittler bekannt. Aber vor allem ist er ein Linker. Mit Zingaretti dürfte der PD sich wieder klarer links aufstellen. Der frühere Chef und Premier, Matteo Renzi, hatte den PD in die Mitte gerückt, versucht, liberale Arbeitsmarktreformen durchzudrücken, und die Partei damit an den Rand des politischen Ruins gebracht. Weil Arbeiter, Arbeitnehmer, Arbeitslose und andere soziale Randgruppen sich von dieser Linken nicht mehr repräsentiert sahen, liefen die Wähler zu den Populisten über. Danach zerfleischten sich die Restdemokraten in einem Kampf um Posten und Personalien selbst. Es war im vergangenen Sommer, als Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega) begann, die Grenzen für Migranten (verlinkt auf welt.de/themen/migration) aus Afrika abzuschotten, und damit immer mehr Prozentpunkte in Umfragen holte, dass Zingaretti als Kandidat für die Führung der Demokratischen Partei auftauchte. Er forderte die Rückkehr zu sozialen Themen: die abgerutschte Mittelschicht auffangen, die Arbeitslosigkeit bekämpfen, Migranten integrieren. Politische Beobachter belächelten das in Italiens politischem Klima, das immer mehr nach rechts abrutschte. Niemand konnte sich vorstellen, dass überhaupt jemand zu den Urwahlen der Demokraten gehen würde. „Die Menschen zuerst“, hieß Zingarettis Wahlkampfslogan, dem Erfolg der Populisten zum Trotz. Den jungen Leuten, die für die Rettung der Umwelt auf die Straße gingen, den fünf Millionen Armen, den Arbeitslosen wolle er den Wahlsieg und seine zukünftige Arbeit an der Parteispitze widmen, sagte er am Sonntagabend. Dass Zingaretti kein Reformer ist, war von vornherein klar. Er startete seine politische Laufbahn in der damaligen Kommunistischen Partei, auch wenn er später alle Wandlungen bis zum heutigen Partito Democratico mitmachte. Zingaretti ist ein europafreundlicher Politiker. „ Europa (verlinkt auf http://welt.de/themen/europaeische-union) ist unser Schicksal“, sagt er. „Die aktuelle Regierung will es zerstören, statt es zu reformieren. Sie liebäugelt mit gefährlichen Allianzen mit nicht liberalen Regierungen.“ In kurzer Zeit habe Italien sich von einem der Gründerländer Europas in eine „tickende Zeitbombe“ verwandelt. Zingaretti bringt EU-Erfahrung mit: Von 2004 bis 2008 war er EU-Abgeordneter. Er verkörpert jene Linke – und zwar weit über die Partei hinaus –, die urplötzlich in Italien zurück ist. Am Samstag gingen in Mailand über 200.000 Menschen auf die Straße, demonstrierten für ein „neues Italien“, für Europa, gegen die aktuelle Regierung, Ausgrenzung und Rassismus. Zingarettis Urgroßmutter war Jüdin, sie starb im Konzentrationslager. Den alten Apparat bekämpfen Der Journalist Carmine Fotia kennt Zingaretti persönlich, er glaubt, dass die Wähler besonders von seiner Bodenhaftung angezogen werden. „Zingaretti ist der Mann von nebenan, ihm ist seine Familie wichtig, er ist ein Kumpel.“ Er sei ein erfahrener Politiker, er kenne die Partei von innen heraus, sei aber dennoch kein „Mann des Apparates“, sondern ein „Politiker aus Berufung, ganz nach Max Weber“, auf Augenhöhe mit den Wählern. Dass viele ihn mit dem großen Bruder Luca verwechseln, wisse er zu schätzen. „Mein Wahlkampfteam hat meine Auftritte in Sizilien an jenem Montag organisiert, als die neue Folge vom ,Commissario Montalbano‘ im Fernsehen lief“, habe Zingaretti ihm am Rande eines Interviews erklärt. Doch auf den Politiker Zingaretti komme eine viel kompliziertere Aufgabe zu: „Er muss die Partei für die EU-Wahlen fit machen, gegen den alten Apparat der früheren Mächtigen“, sagt Fotia.
Constanze Reuscher
Nicola Zingaretti ist zum neuen Chef der Demokratischen Partei in Italien gewählt worden. Der bisherige Regionalpolitiker will sich für Arme und Flüchtlinge stark machen – und setzt sich klar vom Mitte-Kurs seines Vorgängers Renzi ab.
Politik
Ausland
2019-03-04T16:38:06Z
2019-03-04T16:38:06Z
Der Ex-Kommunist, der Italiens Opposition wieder hoffen lässt
https://www.welt.de//politik/ausland/article189768335/Italien-Nicola-Zigaretti-rueckt-die-Sozialdemokraten-nach-links.html
„Wetten, dass..?“: Markus Lanz moderiert ohne Assistentin
Schon wieder wird an „ Wetten, dass..? (verlinkt auf http://wettendass.zdf.de/) “ herumgeschraubt: Cindy aus Marzahn (verlinkt auf /vermischtes/article117415563/Tschuess-Cindy-Ein-neuer-Chef-soll-Lanz-retten.html) ist weg – und sie wird auch nicht mehr ersetzt. Markus Lanz (44) wird die ZDF-Show künftig allein moderieren, teilte das ZDF am Sonntag mit und bestätigte damit einen Bericht der „Bild am Sonntag”. Eine Ausnahme wird es allerdings noch geben: In der kommenden Ausgabe vom 5. Oktober wird die frühere Co-Moderatorin Michelle Hunziker ihre Wettschuld begleichen und dem Moderator assistieren. Weitere Änderungen betreffen das Bühnenbild (soll für die Promi-Gäste gemütlicher werden) und die „Lanz-Challenge“, bei der ein Gast aus dem Publikum gegen den Moderator antrat: Sie soll vorerst gestrichen werden. Der Wettkönig bekommt zudem kein Auto mehr, sondern 50.000 Euro. Auch bei den Gästen will die Redaktion Änderungen vornehmen. Generell soll die Tendenz auf mehr wertige Stars gelegt werden. Als Gäste in der 207. Ausgabe in Bremen erwartet Lanz deshalb die Schauspieler Ruth Maria Kubitschek, Matthias Schweighöfer und Anja Kling sowie die Hollywood-Altstars Harrison Ford und Sylvester Stallone. Lästerei und Trash-Auftritte Es sind nicht die erste Änderungen, mit denen die bröckelnde Quote der einstigen Erfolgsshow am Samstagabend aufgefangen werden soll. Schon als Lanz die Nachfolge von Thomas Gottschalk antrat, hatte es unter anderem eine neue Sofa- und Studiolandschaft gegeben, um der Show einen moderneren Auftritt zu geben. Außerdem wurde die Internetpräsenz verstärkt. Das änderte jedoch nicht daran, dass die Kritik anhielt: Erst lästerte Hollywood-Schauspieler Tom Hanks nach seinem Besuch, bei dem er mit Katzenmütze Sackhüpfen musste (verlinkt auf /vermischtes/prominente/article110615759/Tom-Hanks-laestert-ueber-Wetten-dass.html) . Und dann folgte das Debakel bei der Spezialausgabe auf Mallorca. Ein hochrangiger Gast nach dem anderen sagte kurzfristig ab, darunter Pamela Anderson und Paris Jackson, die Tochter von Michael Jackson. Als einziger internationaler Star saß der britische Schauspieler Gerard Butler auf der Mallorca-Couch, musste sich Eisklumpen in die Hose schütten und dabei den "Erlkönig" rezitieren. Zum Schluss sollte das Millionärspaar Carmen und Geissen, die mit ihrer Dokusoap auf RTL 2 berühmt wurden, die Show retten (verlinkt auf /fernsehen/article115518546/Vorsicht-in-der-Tuerkei-Die-Geissens-kommen.html) . Danach hatte das ZDF der Sendung eine Kurskorrektur verordnet (verlinkt auf /vermischtes/article117157693/ZDF-verordnet-Wetten-dass-eine-Kurskorrektur.html) . Die Person von Moderator Markus Lanz stünde, so hieß es damals in dem Bericht, allerdings nicht zur Diskussion.
WELT
Kurskorrektur bei „Wetten, dass..?“: Markus Lanz wird nach dem Weggang von Cindy aus Marzahn künftig allein durch die Sendung führen. Die Gäste sollen hochrangiger werden – und Kuschelkissen bekommen.
Vermischtes
2013-09-22T13:03:47Z
2015-10-15T13:20:35Z
Markus Lanz moderiert ohne Assistentin
https://www.welt.de//vermischtes/article120266451/Markus-Lanz-moderiert-ohne-Assistentin.html
Syrien: Darum lässt Obama den Kongress entscheiden
Wird Syrien auch angegriffen, falls der Kongress Nein sagt zu dem entsprechenden Antrag des Präsidenten? „Das kann ich mir nicht vorstellen“, wich der amerikanische Außenminister am Sonntagmorgen im Interview des Senders CNN (verlinkt auf http://politicalticker.blogs.cnn.com/2013/09/01/286489/) aus. John Kerry fügte hinzu: „Wir haben Vertrauen in den Kongress“, der die Verantwortung der USA auch mit Blick auf das mögliche Vorbild Syriens für den Iran oder Nordkorea wahrnehmen werde. Und er schob die Information nach, inzwischen habe man durch die Auswertung von Blut- und Haarproben von Opfern den Beweis, dass die syrische Armee bei der Giftgasattacke vom 21. August in Ghuta Sarin eingesetzt habe. Doch die vermeintliche Gewissheit einer unmittelbar bevorstehenden Strafaktion der USA in Form eines begrenzten Militärschlages beginnt zu erodieren, seit Barack Obama am Samstag im Rosengarten (verlinkt auf http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2013/08/31/statement-president-syria) des Weißen Hauses zwei spektakuläre Ankündigungen machte. „Nach sorgsamer Prüfung habe ich beschlossen, dass die Vereinigten Staaten Militärschläge gegen Ziele des syrischen Regimes ausführen sollen“, sagte der Präsident zunächst in Bestätigung einer verbreiteten Erwartung. Dann schob er die eigentliche Neuigkeit nach: „Ich habe eine zweite Entscheidung getroffen: Ich werde für den Militäreinsatz die Zustimmung der Repräsentanten des amerikanischen Volkes im Kongress suchen.“ Feindseliges Repräsentantenhaus Rückt Washington an die Themse? Nur drei Tage nach der krachenden Niederlage von Premier David Cameron, dem vermeintlich wichtigsten Verbündeten der USA, im Londoner Unterhaus bei dem Versuch, militärische Unterstützung für Washington zu organisieren, überantwortet Obama die Syrien-Entscheidung dem Senat und dem ihm besonders feindselig gegenüberstehenden Repräsentantenhaus. Gemäß der „War Powers Resolution“ von 1973 muss ein Präsident für einen begrenzten Militärschlag nicht die Zustimmung des Kongresses einholen. Als Obama im Frühjahr 2011 amerikanische Streitkräfte ins Mittelmeer schickte, um die Flugverbotszone in Libyen durchzusetzen, informierte er die Exekutive erst mit zweitägiger Verspätung per Brief. Andere Präsidenten machten es ähnlich: Bill Clinton startete die Militäraktion zur Verteidigung des Kosovo ohne Befragung des Kongresses, und Ronald Reagan schickte auf eigene Faust Raketen nach Libyen und Truppen nach Grenada. Harry S. Truman entsandte 1950 gar die Streitkräfte nach Korea ohne Rückendeckung durch den „Hill“. Diesmal aber soll alles anders sein. Der Brief an den „Mr. Speaker“ „Dear Mr. Speaker“, beginnt der Dreizeiler des Präsidenten an den „lieben Mister Sprecher“ des Repräsentantenhauses, John Boehner, „hiermit übermittle ich den angefügten Antragsentwurf bezüglich der Autorisierung zum Einsatz der bewaffneten Streitkräfte der Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Konflikt in Syrien. Hochachtungsvoll Barack Obama“. Dieser Brief vom Samstag (verlinkt auf http://www.nytimes.com/interactive/2013/09/01/world/middleeast/syria-resolution.html?ref=middleeast&_r=0) samt einem anderthalbseitigen Antrag an das Repräsentantenhaus, der mit gleichem Wortlaut auch an Vizepräsident Joe Biden als Chef des Senats ging, verschiebt eine mögliche Attacke auf Syrien zumindest bis nach dem 9. September. An jenem Montag kehren die Senatoren und Abgeordneten aus der Sommerpause zurück nach Washington. Der Senat mit seiner demokratischen Mehrheit dürfte dem Antrag des Präsidenten folgen, obwohl in Obamas Partei die Abneigung gegen weitere militärische Abenteuer im tiefen Einklang mit der Stimmung in der Bevölkerung groß ist. Boehner hat einer umgehenden Debatte auch im „House“ zugestimmt. Dort gibt es ebenfalls gute Chancen, dass die Mehrheit dem Präsidenten folgt. Sicher allerdings ist das Ergebnis keineswegs. Forderung nach starkem US-Engagement Denn die Republikaner attackieren die Syrien-Pläne des Weißen Hauses gleich aus zwei Richtungen. Den einen geht ein eng begrenzter Militärschlag, der die Kräfteverhältnisse zwischen Regime und Rebellen nicht verändern soll, nicht weit genug; sie fordern ein starkes US-Engagement mit dem Ziel eines „Regime Changes“, also den Sturz von Diktator Baschar al-Assad. Andere Republikaner sehen in Syrien die nationalen Interessen nicht berührt und warnen daher vor jeder Verstrickung in den Konflikt. So hatte der Republikaner Scott Rigell aus Virginia im Vorfeld von Obamas Kehrtwende 140 Abgeordnete nicht nur aus seiner Partei als Absender eines Briefes an Obama (verlinkt auf http://thehill.com/blogs/blog-briefing-room/news/319127-55-house-members-say-obama-needs-approval-from-congress-in-syria-strikes) versammelt, in dem es heißt, Syrien stelle „keine direkte Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar“. Der Brief forderte eine Abstimmung im Kongress über den Syrien-Einsatz. Im Senat steht für diese Stimmung vor allem John McCain. Er blieb isoliert in seiner Partei, als er über viele Monate unablässig die Unterstützung der Rebellen durch die USA, ihre Bewaffnung und die Einrichtung einer Flugverbotszone forderte. Aber McCain, der als Präsidentschaftskandidat 2008 gegen Obama deutlich unterlag, genießt gleichwohl Ansehen in seiner Partei. Auf seine Stimme hören auch Kongressabgeordnete. Republikaner begrüßt die Entscheidung Vielsagend ist, dass Boehner, der Sprecher des Houses, nicht zu den Unterzeichnern gehört. Er forderte Obama auch nicht öffentlich auf, den Kongress um Zustimmung zu bitten. Boehner reagierte am Samstag zwar positiv auf das Ansinnen Obamas. „Wir begrüßen es, dass der Präsident angesichts von wichtigen, grundsätzlichen Fragen Autorisierung sucht für jeden Militäreinsatz in Syrien“, sagte der republikanische Sprecher. Er selbst hatte vergangene Woche unter anderem die Frage nach den Kosten eines solchen Militäreinsatzes gestellt und sieht diesen Punkt offenkundig als nicht beantwortet an. Doch Boehner dürfte die bevorstehende Abstimmung nicht mögen. Denn sie stellt auch für seine Partei ein hohes Risiko dar. Lehnt die „Grand Old Party“ den Waffengang ab, werden Obama und Menschenrechtler ihr vorhalten, unberührt zu bleiben vom Gastod von (laut dem deklassifizierten Geheimdienst-Bericht des Weißen Hauses (verlinkt auf http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2013/08/30/government-assessment-syrian-government-s-use-chemical-weapons-august-21) ) mindestens 1429 Menschen bei den Attacken in Ghouta, unter ihnen 426 Kinder. Stimmen die Republikaner aber zu (was letztlich wahrscheinlicher bleibt), können sie anschließend nicht mehr glaubwürdig die Syrien-Politik des Weißen Hauses kritisieren. Juristisch die Hände gebunden Im Falle der Ablehnung eines Militärschlags wären Obama juristisch die Hände gebunden. Er hätte die Kompetenz des Commanders-in-Chief an den Kongress delegiert und könnte sie allenfalls vor deutlich veränderten Rahmenbedingungen erneut reklamieren. Noch verheerender aber wären die Folgen für Obamas verbleibende Amtszeit. Die Klinge, in die er sich ohne Not gestürzt hätte, würde ihn für die verbleibenden guten drei Jahre seiner letzten Legislatur mutmaßlich nicht nur außenpolitisch zur „lame duck“ machen. Auch militärstrategisch verschlechtert die Verschiebung des Angriffs um mindestens anderthalb Wochen die Ausgangssituation der USA. Assad hat nicht nur die Möglichkeit, potenzielle Ziele zu härten oder zu evakuieren. Er kann auch seine PR-Maschine nochmals anwerfen. Die Rebellen, unter denen Dschihadisten bis hin zu Al-Qaida-nahen Truppen offenkundig einen wachsenden Einfluss haben, lassen sich in diesem auf beiden Seiten schmutzig geführten Bürgerkrieg genug zuschulden kommen, was per Video und Twitter in die Öffentlichkeit lanciert werden kann. Spaziergang mit seinem Berater Dass Obama sich dennoch zu diesem Schritt entschlossen hat, ist auf seine innen- und außenpolitische Isolierung zurückzuführen. Im UN-Sicherheitsrat blockierten Russland und China jede Syrien-Resolution. In Umfragen sprachen sich mitunter nur neun Prozent der Bevölkerung für eine Militärintervention aus. Dann ging Cameron in London von der Fahne. Nur mit dem Franzosen Francois Hollande, einem noch weitergehende Aktionen fordernden Recep Tayyip Erdogan in Ankara und und rhetorischem Schulterklopfen von Angela Merkel mochte der US-Präsident nicht in den Kampf ziehen. Am Freitagabend beschloss er nach einem 45-minütigen Spaziergang mit seinem Stabschef Denis McDonough, den Kongress in die Mitverantwortung zu zwingen. Der 43-jährige McDonough, bis Januar Obamas stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater, hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen ein US-Engagement in Syrien ausgesprochen. Er fürchtete eine schleichende Verwicklung der Vereinigten Staaten in einen Konflikt, der etliche Jahre dauern könnte. Damit lag McDonough auf der Linie des Präsidenten, der entgegen dem vorübergehend starken Druck auf dem Außen- und dem Verteidigungsministerium lange Zeit selbst Waffenlieferungen an die Rebellen abgelehnt hatte. Erst nach dem massiven Giftgasangriff in Ghouta vom 21. August, der von Augenzeugen und den US-Geheimdiensten dem Assad-Regime angelastet wird, sah sich Obama zu einer Militäraktion genötigt. Jetzt setzt Obama alles auf eine Karte. Aber er hinterlässt den Eindruck, wieder einmal mehr von den Ereignissen getrieben zu werden, als sie selbst zu bestimmen.
Ansgar Graw
Der US-Präsident ist in seiner Syrien-Politik weitgehend isoliert. Nun zwingt er den Kongress in die Mitverantwortung. Mit diesem diplomatischen Schachzug riskiert er aber auch viel.
Politik
Ausland
2013-09-01T16:56:05Z
2015-10-15T12:49:00Z
Darum lässt Obama den Kongress entscheiden
https://www.welt.de//politik/ausland/article119601456/Darum-laesst-Obama-den-Kongress-entscheiden.html
Patentstreit: Motorola darf Apple iPhone-Verkauf verbieten
Schwerer Rückschlag für Apple: Der Konkurrent Motorola hat vor dem Landgericht Mannheim ein Patenturteil erwirkt, mit dem er den Verkauf von iPhones und iPads in Deutschland stoppen kann. Motorola hatte ein Technik-Patent ins Feld geführt (Europäische Patentnummer 1010336 B1), das zum Grundstock des GPRS-Datenfunkstandards gehört. Apple (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/apple/) kündigte umgehend rechtliche Schritte gegen das Urteil an und erklärte: "Beim Weihnachtseinkauf in Deutschland sollte es kein Problem geben, das iPad oder iPhone zu bekommen, das die Kunden wünschen." Laut dem Urteilstext, der vom deutschen Patentexperten Florian Müller veröffentlicht wurde, wird Apple untersagt, mobile Geräte anzubieten und zu liefern, in denen ein bestimmtes "Verfahren zur Verwendung in einem drahtlosen Kommunikationssystem" zum Einsatz kommt. Gegen eine Sicherheitsleistung von 100 Millionen Euro kann Motorola das Urteil demnach vollstrecken. Das Gericht konnte am Freitag auf Anfrage zunächst keine Angaben zum Stand ds Verfahrens(Az. 7 O 122/11) machen. Wie sich die Entscheidung auf den Verkauf der Apple-Geräte auswirkt (verlinkt auf /wirtschaft/article13703150/Motorola-siegt-im-Patentstreit-gegen-Apple.html) , ist nach Einschätzung des Patentexperten Müller nicht klar. Der iPhone-Hersteller werde vermutlich Berufung einlegen und die Aussetzung der Vollstreckung beantragen – darüber müsse dann das Gericht befinden. Vor deutschen Gerichten laufen noch weitere Patentverfahren mit Motorola-Beteiligung (verlinkt auf /wirtschaft/webwelt/article13699841/Motorola-gelingt-Etappensieg-gegen-Apple.html) . Google (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/google/) ist dabei, Motorola für 12,5 Milliarden Dollar zu übernehmen, um mit den Patenten des Mobilfunk-Pioniers sein Smartphone-Betriebssystem Android besser gegen Angriffe von Rivalen wie Apple und Microsoft (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/microsoft/) schützen zu können. Mit der Entscheidung in Mannheim tritt Motorola im weltweiten Patentstreit in die erste Reihe. Bisher lag die Aufmerksamkeit eher auf dem weltweiten Konflikt von Apple und Samsung (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/samsung/) . Dort ging es jetzt mit Nachrichten gleich von drei Kontinenten Schlag auf Schlag. Im Fokus stehen Verkaufsverbote, die die Kontrahenten gegen die Geräte der anderen durchsetzen wollen. In den USA versucht Apple, den Verkauf mehrerer Smartphones und des Galaxy-Tablets von Samsung vorläufig verbieten zu lassen. Das Verfahren im wichtigen US-Markt ist ein zentraler Schauplatz des Streits. In Australien darf Samsungs Tablet Galaxy Tab 10.1 nun doch in den Handel (verlinkt auf /wirtschaft/webwelt/article13742601/Samsung-darf-iPad-Konkurrenten-wieder-verkaufen.html) , nachdem Apples Berufung gegen die Aufhebung eines vorläufigen Verkaufsstopps am Freitag abgeschmettert wurde. In Frankreich scheiterte Samsung am Donnerstag mit dem Versuch, den Verkauf von Apples neuem iPhone 4S zu stoppen. Aus dem Pariser Urteil geht hervor, dass Apple die Südkoreaner im Juni wegen sechs weiterer Patente vor dem Landgericht Mannheim verklagt hat. Ärger gibt es für Apple auch in China: Ein Gericht sprach nach Medienberichten dem Monitorhersteller Proview Technology das Recht auf die Marke iPad zu. Jetzt will Proview ein Verkaufsverbot für die Apple-Tablets in China erwirken.
WELT
Apple wird im Patentkrieg der Mobilfunkbranche in Deutschland vom Jäger zum Gejagten. Rivale Motorola darf den Verkauf von iPhone und iPad-Modellen hierzulande untersagen.
Wirtschaft
2011-12-09T23:16:33Z
2015-10-04T06:39:41Z
Motorola darf Apple iPhone-Verkauf verbieten
https://www.welt.de//wirtschaft/article13760422/Motorola-darf-Apple-iPhone-Verkauf-verbieten.html
Bald Flatrate-Ende: Wegen Telekom – Deutsche hamstern Internetvorräte
In Deutschland gab es in den vergangenen Tagen einen gigantischen Run auf das Internet. Ein riesiger Besucher-Pulk drängelte sich durch das weltweite Netz, selbst Seiten, die sonst kaum besucht werden (verlinkt auf /satire/article107279662/Total-sinnloser-Artikel-ueberraschend-oft-gelesen.html) , erfreuten sich ungeahnten Zuspruchs. Experten sind sich einig: Dieser Ansturm, der Züge von Torschlusspanik trägt, liegt ursächlich mit der Ankündigung der Deutschen Telekom zusammen, in fünf Jahren das Internet bei seinen DSL-Kunden zu beschränken (verlinkt auf /wirtschaft/webwelt/article115770164/Telekom-will-Netz-nun-doch-fuer-alle-Kunden-drosseln.html) . Wer viel und oft surft, soll ab 2018 mehr zahlen, so der Bonner Konzern. Diese Regelung betrifft nicht nur Neu-, sondern auch 12 Millionen Bestandskunden. Vorsorge für schwere Zeiten Der Besucherrekord der vergangenen Tage war aber nur der Anfang: Viele Bundesbürger haben damit angefangen, gezielt ihre Internetvorräte zu horten. „Da ich mir kein teureres Internet leisten kann, lege ich mir jetzt schon etwas für die schweren Zeiten zurück“, sagt Volker S. aus K., der sich in einem Baumarkt mit einer großen Anzahl von Umzugskartons eingedeckt hat. Der ehemalige Viel-Surfer traut den Versprechen der Daten-Banken nicht und plant, seine Internetbestände vorerst im Keller zu lagern. „Unter der Matratze geht ja schlecht“, lacht S., der seinen Humor noch nicht verloren hat. Das zurückgelegte Internet und seine gut gepflegten Caches betrachtet S. als Altersvorsorge - „außerdem ist es etwas, das ich meinen Kindern hinterlassen kann.“ Auch Hoeneß bedroht Wirtschaftskenner wie Vieltrinker und GLASAUGE-Augur Karl Sack-Reis befürchten jedoch, dass das Internet auf Dauer zum Spekulationsobjekt werden könnte. „Das Netz wird zum Eldorado von Zockern, die mit den Wertschwankungen schnelle und dreckige Geschäfte machen wollen. Man sollte also Uli Hoeneß jetzt dringend aus dem Internet verbannen!“ Aber nicht jeder sieht die Ressourcen-Verknappung der Deutschen Telekom mit Besorgnis. Webdesigner Ulf W. aus D. wittert sogar ein großes Geschäft: „In den vergangenen Tagen häuften sich die Anfragen von Oligarchen, die sich ihren kostbaren DSL-Highspeed-Zugang mit Swarovski-Kristallen verschönern lassen wollen.“ Werden Sie trotzdem Fan von GLASAUGE auf Facebook (verlinkt auf http://www.facebook.com/glasauge.satire) - und verpassen Sie künftig keinen Artikel und billige Zusatzscherze!
Jean Gnatzig
Nachdem bekannt wurde, dass die von der Telekom ab 2018 geplante Internet-Beschränkung alle Breitbandkunden betrifft, haben die Bundesbürger mit dem Horten ihrer kostbaren Ressourcen begonnen.
Satire
2013-05-02T11:52:35Z
2015-08-07T11:22:01Z
Wegen Telekom – Deutsche hamstern Internetvorräte
https://www.welt.de//satire/article115804361/Wegen-Telekom-Deutsche-hamstern-Internetvorraete.html
Gratis-Downloads: Diese Office-Vorlagen helfen Ihnen beim Schreiben
Sie möchten eine Einladung, Geburtstagskarte oder Bewerbung schreiben? Sie planen eine Präsentation an der Uni, im Sportclub oder bei einer Hochzeit? Eine Office-Vorlage sorgt für das passende Seitenlayout! Der Technik-Fachverlag Franzis (verlinkt auf http://www.franzis.de/) hat gleich mehrere Tausend davon „auf Lager“. Normalerweise kosten allein die Word-Vorlagen 20 Euro (verlinkt auf http://www.franzis.de/office/vorlagen/5.000-vorlagen-fuer-office-2010) – aktuell hat der Verlag Tausende Word-, Excel-, PowerPoint- und Outlook-Vorlagen für lau im Angebot. Die Vorlagen kommen aufgeteilt in vier Paketen. Derzeit stehen drei zum Herunterladen bereit; den letzten Schwung will der Anbieter am 22. Oktober 2013 freischalten. Alle Pakete zusammen beinhalten 6000 Word-, 2000 Excel-, 1000 PowerPoint- und 1000 Outlook-Vorlagen. Darunter finden Sie allerlei Nützliches für Anschreiben, Abmahnungen, Geschäftskorrespondenz, aber auch Vorlagen für das Fahrtenbuch und zur Stundenabrechnung sowie interessante Wissenskarten. So funktioniert’s Bevor Sie die heruntergeladenen Pakete auf Ihrem PC entpacken, registrieren Sie sich mit einer E-Mail-Adresse bei Franzis. Anschließend erhalten Sie einen Zugangscode zugeschickt, mit dem Sie die Vorlagen auf Ihrem Computer freischalten. Haben Sie den Prozess abgeschlossen, navigieren Sie durch die Vorlagen-Pakete. Damit Sie nicht den Überblick verlieren, sind die Dokumente nach Anwendungsfällen wie Grußmail, Briefpapier oder Fest- und Feiertage sortiert. Mehr zum Thema: Gratis: Tausende Office-Vorlagen herunterladen (verlinkt auf http://www.computerbild.de/download/10.000-Vorlagen-fuer-Office-2007-2010-Kostenlose-Vollversion-8759745.html) Quelle: "Computer Bild". Mehr Tests bei computerbild.de (verlinkt auf http://www.computerbild.de) .
Rike Fabia Lohmann, Markus Schmidt
Einladung, Bewerbung, Geburtstagskarte: Mit einer Vorlage für Microsoft Office haben Sie immer das passende Layout parat. Der Franzis Verlag bietet derzeit viele Tausend kostenlos zum Download an.
Wirtschaft
Webwelt & Technik
2013-10-19T08:24:16Z
2015-10-15T14:44:37Z
Diese Office-Vorlagen helfen Ihnen beim Schreiben
https://www.welt.de//wirtschaft/webwelt/article121037932/Diese-Office-Vorlagen-helfen-Ihnen-beim-Schreiben.html
Hinrunden-Bilanz: Das sind die Gewinner und Verlierer beim HSV
Auch wenn es zum Abschluss der Hinserie eine bittere Heimniederlage gegen den FC Augsburg gab, ist der Hamburger SV als Tabellenzehnter eigentlich im Soll laut der Vorgabe. Dass die Hanseaten überhaupt erstklassig spielen, haben sie Bruno Labbadia (verlinkt auf /regionales/hamburg/article150177012/Das-emotionalste-Jahr-meiner-Trainerkarriere.html) zu verdanken, der den HSV in der vergangenen Saison vor dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte bewahrt hatte. Kein Wunder, dass der Klub den auslaufenden Vertrag mit dem 49-Jährigen verlängern will. „Wir haben Gespräche geführt. Die werden wir 2016 fortführen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer der „Bild“. Labbadia hat die grundsätzliche Einigung bereits bestätigt. „Wir wollen es ja beide. Auf den einen oder anderen Tag mehr kommt es jetzt auch nicht an“, sagt der Cheftrainer. Dazu passt, dass Labbadia den Sparkurs des klammen Vereins (verlinkt auf /regionales/hamburg/article149536111/Millionen-Minus-daempft-sportlichen-Aufwind-beim-HSV.html) , der nach 16,9 Millionen Euro Bilanz-Minus finanziell erst gesunden muss, mittragen will. „Wir gehen davon aus, dass wir keine großen Sprünge machen können“, sagte er. Aber neben dem Trainer gab es weitere Gewinner und auch Verlierer. DIE GEWINNER Lewis Holtby: Sein erstes Jahr an der Elbe war von vielen Enttäuschungen, einer schweren Verletzung gezeichnet und endete mit dem Fastabstieg. Seit Sommer nun ist der umtriebige Blondschopf Denker und Lenker in der Mittelfeldzentrale. Der 25-Jährige ist für einen rein destruktiven Sechser spielerisch zu intelligent, für einen Regisseur hinter den Spitzen mangelt es ihm aber an Feinsinn und Torgefahr. Die „Acht“ ist sein taktisches Mantra. Im Land der Balleroberung und des Umschaltens blüht er auf und versprüht das neue HSV-Selbstbewusstsein. Das einstige Mitglied der Mainzer „Boygroup“ ist an der Elbe zu einem echten Mann gereift. Michael Gregoritsch: Der 21-jährige Österreicher wurde als Rohdiamant geholt und sollte behutsam ans Team herangeführt werden, doch „Michi“ landete meistens in der Startelf. Der 1,90-Meter-Schlaks wirkt einerseits noch ein wenig ungelenk, dennoch erzielte er drei Tore. Der Hagestolz besticht durch seine Unbekümmertheit, die Gegner sollten ihn dennoch ernst nehmen: Gregoritsch verfügt über Spielintelligenz, ist technisch gut und hat einen Hammerschuss. Ivo Ilicevic: Der Kroate, seit 2011 beim HSV, war schon fast abgeschrieben. Immer wieder litt der Außenstürmer unter Krankheiten und Verletzungen, soll auch mental nicht der Stabilste sein. Der 29-Jährige erzielte seitdem acht Tore in 70 Spielen, unterdurchschnittlich für einen Angreifer. Doch dass er bei Labbadia zur Stammkraft mutierte, hat seine Gründe: Der einst zur Devianz Neigende ist nun angepasst, mannschaftsdienlich und setzt den linken Flügel immens unter Dampf (verlinkt auf /regionales/hamburg/article149415098/Das-war-mein-schoenstes-Tor-fuer-den-HSV.html) . Ilicevic zeigte, dass sensible Fußballer zum gewissen Etwas neigen und ein Team bereichern können. Nicolai Müller: Auch „Mü“ ist ein Solitär. Doch ebenso wie er mit den Cliquen- und Kumpeltypen im Team außerhalb des Platzes gut kann, ist der 28-Jährige auf dem Feld ein kompatibler Geselle. In seinem ersten HSV-Jahr ließ er noch all seine spektakulären Skills, die ihn bei Mainz (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/mainz/) 05 zu einem begehrten Flügelspieler gemacht hatten, vermissen. Nun blüht er peu à peu auf, auch das Schüchtern-Verschmitzte bei Interviews wirkt zunehmend kokett, denn Müller liefert: drei Tore bisher, und auch seine Flankenläufe werden bei hohem Tempo immer konturierter. René Adler: Ein guter Zerberus muss auch charakterlich über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen. Adler hat genug Kerben in den Pfosten geschnitzt: Verletzungen, persönliche Niederlagen, die die einstige deutsche Nummer eins haben reifen lassen. Nun hält, hechtet und dirigiert der 30-jährige gebürtige Leipziger wieder wie in blühenden Jahren und ist Rückgrat dieses noch sensiblen Mannschaftskonstruktes. Adler ist mit den besten deutschen Keepern auf Augenhöhe, auch für Nationaltrainer Joachim Löw sollte er ein Thema bleiben. DIE VERLIERER Dennis Diekmeier: Beim stylischen Tattoo-Mann auf der rechten Verteidigerseite scheiden sich die Geister. Zuletzt wegen einer Verletzung längere Zeit außer Gefecht, war er zuvor relativ gut in Form. Dennoch muss beim dienstältesten HSVer eine höhere Messlatte angelegt werden, als kruden Durchschnitt abzubilden. 117 Einsätze, null Tore in fünfeinhalb Jahren sind nicht zwingend ein negativ ausschlagender Seismograph für einen Abwehrmann, kaum brauchbare Flanken schon. Wenn der 26-Jährige nicht konstruktiver nach vorne wirkt, wird er aber auf Sicht den Platz an Gotoku Sakai verlieren, der mit den Hufen scharrt. Zoltán Stieber: Der Ungar mit der schnittigen Sturmfrisur legte in der dramatischen Rückrunde der Vorsaison einige couragierte Auftritte als Offensivwirbel hin und erzielte ein paar Treffer. Dennoch rutschte er bei Coach Labbadia in die zweite Reihe, wo er seitdem verharrt. Gibt sich mit Fönen nicht zufrieden, trainiert gut. Soll nicht wirklich weg, will auch nicht. Muss aber, wenn der 27-Jährige in Ungarns EM-Kader im Sommer eine Rolle spielen will. Ivica Olic: Der einstige Superstar und Publikumsliebling ist zum Bankdrücker mutiert. Sein herzensfrohes Lachen wurde im Orkus der Arena-Katakomben einbetoniert. Wer Olic und seinen grundehrlichen Wesenskern kennt, weiß, hier wird es kein Nachkarten geben, dafür verdient der 36-Jährige auch zu gut. Doch einige gekaufte Neubauwohnungen in der hippen Schanze werden den Vollblutfußballer kaum besänftigen. Und am Montag gab der HSV seinen Stürmer offiziell frei (verlinkt auf /regionales/hamburg/article150203421/HSV-gibt-seinen-Stuermer-Ivica-Olic-offiziell-frei.html) . Er sei ein besonderer Spieler, der sich Verdienste um den HSV erworben habe, sagte Labbadia am Montag: „Ivica entscheidet, wie lange er ein Bestandteil von uns sein möchte. Es liegt an ihm.“ Der 104-malige kroatische Nationalspieler will zur EM 2016 in Frankreich und muss für eine Nominierung regelmäßig spielen. Falls sich die Verhandlungen mit einem neuen Klub hinziehen, darf der 36-Jährige auch das HSV-Trainingslager vom 6. bis 16. Januar im türkischen Belek auslassen. Sven Schipplock: Wer bei der Verpflichtung im Sommer genau hinsah, dem fielen schon damals einige Ungereimtheiten im Stürmer-Profil von ihm auf. So hatte Schipplock in fünf Jahren Profifußball für die TSG Hoffenheim und den VfB Stuttgart (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/stuttgart/) zwar 17 Tore erzielt, in den meisten Spielen aber als Ein- oder Auswechselspieler agiert. Auch beim HSV – null Tore in 13 Einsätzen – kam der 27-Jährige nicht über den Reservistenstatus hinaus. Marcelo Díaz: Die Liste der Missverständnisse des Nichtabstiegshelden vom Sommer ist lang: Erst stieß der 28-jährige Chilene wegen der gewonnenen Copa América sehr spät zum Team, dann schaffte es der Defensivstratege nie, sich zu akklimatisieren. Schließlich reüssierte auch noch Holtby in der Stammformation, den er als Sechser zu ähnlich ist, um mit ihm gemeinsam zu agieren. Nun verletzte sich Díaz im Training so schwer, sodass ein von ihm gewünschter Transfer (verlinkt auf /regionales/hamburg/article149719774/Lockruf-aus-der-Heimat-Ex-Klub-buhlt-um-D-az.html) zunichte gemacht wurde.
Martin Sonnleitner
Nach der Zittersaison mit dem Fast-Abstieg hat der Hamburger SV eine ordentliche Hinrunde abgeliefert. Daran hat vor allem Trainer Bruno Labbadia Anteil. Ein Blick auf die Gewinner und Verlierer.
Regionales
Hamburg
2015-12-22T06:45:31Z
2015-12-22T06:45:31Z
Das sind die Gewinner und Verlierer beim HSV
https://www.welt.de//regionales/hamburg/article150213872/Das-sind-die-Gewinner-und-Verlierer-beim-HSV.html
Xenotransplantation: Schweineherzen schlagen in Affen
Banges Warten – das verbindet Menschen, die ein Spenderorgan benötigen. Denn für eine Transplantation stehen viel zu wenig Lungen, Nieren oder Herzen zur Verfügung. Die Wissenschaft forscht deshalb seit Langem an sogenannten Xenotransplantationen. Dahinter steht die Vision, eines Tages Organe etwa von Schweinen in den menschlichen Körper zu verpflanzen. Münchner Forscher sind dieser Idee nun etwas näher gekommen. Dank eines speziellen Wirkstoffcocktails hat ein Schweineherz im Körper eines Affen gut zweieinhalb Jahre geschlagen – so lange wie nie zuvor. 945 Tage lang arbeitete das in den Bauchraum des Pavians implantierte Organ, berichten US-amerikanische und deutsche Forscher im Fachmagazin „ Nature Communications (verlinkt auf http://www.nature.com/ncomms/index.html) “. In Versuchen zuvor habe dies nur maximal halb so lange funktioniert. Der Organaustausch über Artgrenzen hinweg, Xenotransplantation genannt, wird angesichts fehlender Spenderorgane als mögliche Alternative für Menschen erforscht. Das größte Problem dabei sind bisher die heftigen Abstoßreaktionen bei speziesfremden Implantaten. Diese Reaktionen hat das Team um Muhammad Mohiuddin von den National Institutes of Health (verlinkt auf http://www.nih.gov/) (NIH) in Bethesda (US-Staat Maryland) nun bei fünf Anubispavianen relativ lange verhindern können. Den zwei bis drei Jahre alten Affen wurden Herzen genmodifizierter, sechs bis acht Wochen alter Schweine eingesetzt. Im Schnitt arbeiteten die Organe 298 Tage. Sie waren im Bauchraum der Affen an deren Blutversorgung angeschlossen, pumpten aber, ohne deren normale Herzfunktion zu ersetzen. Als Nächstes sollen sie anstatt des eigenen Herzen schlagen „Diese wirklich zu ersetzen wird der nächste Schritt sein, an dem wir in München gerade arbeiten“, sagt Bruno Reichart, Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs für Xenotransplantation (Transregio 127). Zwei Kollegen von der Ludwig-Maximilians-Universität in München (verlinkt auf https://www.uni-muenchen.de/index.html) wirkten bei der US-Studie mit. „Die Meisterleistung bei diesen Versuchen war die erfolgreiche Immunsuppression“, sagt Reichart. „Sie ist sehr simpel, nicht toxisch und auch beim Menschen machbar.“ Mohiuddins Team verwendete einen Mix aus bestimmten Antikörpern und Medikamenten, der verhinderte, dass die Affenkörper die Schweineherzen als fremd abstießen. „Die Organe starben erst ab, nachdem die Immunsuppression abgesetzt wurde, um zu testen, ob die Organe sich eventuell angepasst hätten“, erläutert Reichart. Die Schweineherzen stammten von genmodifizierten Tieren, deren Organe sich unter anderem besser an die menschlichen Blutgerinnungsfaktoren anpassten. Schweine sind auch für Menschen potenzielle Organspender, da ihr Stoffwechsel dem menschlichen ähnelt. 2015 gab es nach Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (verlinkt auf http://www.dso.de/) (DSO) allein in Deutschland mehr als 280 Herztransplantationen. Im Jahr zuvor standen gut 300 Transplantationen mehr als 500 Menschen gegenüber, die auf ein Spenderherz warteten.
WELT
Weil menschliche Spenderorgane fehlen, wollen Forscher versuchen, irgendwann Schweineorgane zu verpflanzen. Erstmals ist es jetzt gelungen, Affen Schweineherzen zu transplantieren.
Gesundheit
2016-04-05T15:38:49Z
2016-04-05T15:38:49Z
Schweineherzen schlagen zwei Jahre lang in Affen
https://www.welt.de//gesundheit/article154035835/Schweineherzen-schlagen-zwei-Jahre-lang-in-Affen.html
Energiekrise: „Putin hält Deutschland an der kurzen Leine“
„Putin gibt immer wieder zu bedenken, wie groß die Abhängigkeit ist“, sagt WELT-Korrespondent Christoph Wanner. Er rechne damit, dass wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen wird. Dennoch verfolge Putin ein wichtiges strategisches Ziel.
WELT
„Putin gibt immer wieder zu bedenken, wie groß die Abhängigkeit ist“, sagt WELT-Korrespondent Christoph Wanner. Er rechne damit, dass wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen wird. Dennoch verfolge Putin ein wichtiges strategisches Ziel.
Ausland
2022-07-20T11:14:00Z
2022-07-20T11:14:00Z
„Putin hält Deutschland an der kurzen Leine“
https://www.welt.de//politik/ausland/video240016959/Energiekrise-Putin-haelt-Deutschland-an-der-kurzen-Leine.html
Was für die Fußbodenheizung spricht – und was dagegen
Wer ein Haus baut oder ein altes saniert, muss sich entscheiden: Wird über den Fußboden oder einen Heizkörper im Raum geheizt? Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Eine Fußbodenheizung ist unsichtbar und sorgt für wohlig warme Fußsohlen. Viele Bauherren entscheiden sich heute für diese Heizvariante. Doch welche Vor- und Nachteile hat das System tatsächlich gegenüber einer Radiatorheizung? Kosten Laut einer Studie der Freien Universität Berlin im Auftrag des Bundesverbands Flächenheizungen und Flächenkühlungen (BVF) ist eine Fußbodenheizung nicht teurer als eine Radiatorheizung. „Material- und Arbeitskosten sind annähernd gleich“, sagt BVF-Geschäftsführer Joachim Plate. Falls es Mehrkosten gibt, sollte der Bauherr (verlinkt auf /finanzen/immobilien/article143510779/Hier-hat-Ihre-Immobilie-auch-in-15-Jahren-noch-Wert.html) sich erkundigen, wie diese zustande kommen. Ähnlich sieht das Matthias Wagnitz vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK): „Der Einbau ist etwas teurer, aber gerade beim Neubau ist das nicht gravierend.“ Der höhere Preis für Fußbodenheizungen gehe etwa auf die Dämmung zurück, die im Preis einkalkuliert ist. Bei einer Radiatorheizung spielt diese zum Beispiel in die Kalkulation des Estrichlegers hinein, was dessen Arbeit verteuert. Optik Eine Fußbodenheizung sieht man nicht. Plate rät zum Beispiel daher zu dieser Heizart bei raumhohen Fenstern. „Heizkörper müssen regelmäßig gereinigt werden, das entfällt bei Fußbodenheizungen“, ergänzt Wagnitz. Der Anblick scheint die meisten aber nicht zu stören: Laut einer Branchenumfrage wünschen sich nur rund zehn Prozent der Befragten kleinere Heizkörper. Allerdings können diese sogar bewusster Hingucker im Raum sein: Manche Designermodelle wirken wie Kunstwerke. Einbau und Nachrüsten Der Kessel einer Radiatorheizung nimmt relativ viel Platz ein, der Einbau ist allerdings leicht. Das gilt auch für das Verlegen von Fußbodenheizungen im Neubau: Auf den Rohbeton wird eine Wärme- und Trittschalldämmung verlegt, darauf kommen die Leitungen der Fußbodenheizung, ehe der Estrich aufgebracht wird, erklärt Plate. „In einem bewohnten Altbau eine Fußbodenheizung nachzurüsten, ist möglich, aber sehr aufwendig“, sagt Wagner. Entweder muss der Fußbodenaufbau um mehrere Zentimeter erhöht oder entsprechende Kanäle in den Fußboden gefräst werden, die die Rohre aufnehmen. Hier kann es sich unter Umständen eher anbieten, eine Wandheizung einzubauen, erklärt Plate. Auch Birgit Holfert von der Verbraucherzentrale Energieberatung rät, abzuwägen, ob eine Nachrüstung im Altbau Sinn macht. „Ob einem das wert ist, hängt von der eigenen Befindlichkeit ab.“ Denn der Aufwand sei recht hoch, und beide Heizsysteme haben ihre Berechtigung. „Vor dem Verlegen einer Fußbodenheizung muss man sich auch im Klaren sein, welchen Fußbodenbelag man wählt“, erklärt die Expertin. Wenn es zum Beispiel Kork oder Holz sein soll, ist eine spezielle Fußbodenheizung nötig. Wagnitz rät davon ab, beide Systeme zu mischen, also eine Radiatorheizung zu wählen und obendrein Rohre zur Fußbodenerwärmung im Bad zu verlegen. „Das ist nicht effizient. Außerdem lässt sich die Temperatur nur schwer kontrollieren, und es wird im Raum möglicherweise zu warm“, erklärt er. Wer unbedingt beide Systeme einbauen will, sollte allenfalls etagenweise mischen. Wartung Kunststoffrohre von Fußbodenheizungen haben bei ordnungsgemäßem Betrieb eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren, erklärt Wagnitz. Entgegen mancher Befürchtungen altern sie nicht so leicht, weil das System nur mit geringen Temperaturen und wenig Druck betrieben wird. „Wichtig ist, dass man Material verwendet, in das kein Sauerstoff hineindiffundiert“, ergänzt Holfert. „Sonst kann es schon nach ein oder zwei Jahren in den Rohren zur Verschlammung kommen.“ Das wird dann teuer. Deshalb sollte man sich beim Material nicht an den niedrigsten Preisen orientieren. Der Aufwand zum Austausch der Rohre ist bei der Flächenheizung höher als bei einer Radiatorheizung. Effizienz Fußbodenheizungen sind effizienter als Radiatoren. „In Neubauten mit Wärmepumpen oder Solarkollektoren kommt man an ihnen nicht vorbei“, sagt Holfert. Flächenheizungen können schon bei niedriger Temperatur betrieben werden. Sie benötigten lediglich eine Vorlauftemperatur von 30 bis 35 Grad. „Um die gleiche Heizleistung (verlinkt auf /finanzen/immobilien/article140169649/Den-Behoerden-ist-der-Energieausweis-voellig-egal.html) bei Radiatoren zu erzeugen, braucht man eine Vorlauftemperatur von 50 bis 60 Grad, denn die Oberfläche des Heizkörpers ist viel kleiner“, erklärt die Expertin. Dementsprechend sind Fußbodenheizungen ökologisch vorteilhaft und auch gut für den eigenen Geldbeutel. „Rund zehn Prozent Betriebskosten lassen sich so einsparen“, sagt Plate. Wohlfühlen Hier gibt es verschiedene Ansichten: Branchenvertreter Plate findet die thermische Behaglichkeit bei Flächenheizungen größer. „Wenn die Raumumschließung warm ist, empfindet man die Raumluft insgesamt als wärmer.“ Bis zu zwei Grad kühler könne es im Raum sein, man empfinde es aber gleich behaglich. Außerdem sei die Raum-Luft-Strömung bei Fußbodenheizungen besser, denn sie verströmen die Wärme über den Boden gleichmäßig nach oben. Bei Heizkörpern gebe es dagegen partielle Luftbewegungen. „Der Vorteil von Radiatoren ist jedoch, dass sie viel schneller reagieren“, sagt Holfert. Es wird also zügiger warm. Da die Fußbodenheizung eine große Fläche hat und der mehrere Zentimeter starke Estrich ein großer Speicherkörper ist, ist diese Heizungsart träge. Eine Nachtabsenkung ist kaum möglich, genauso wenig wie schnelles Abschalten an warmen Tagen (verlinkt auf /finanzen/immobilien/article135016105/Die-verborgenen-Gefahren-der-Fussbodenheizung.html) . „Ehe sich die Fläche abkühlt, dauert es in Neubauten bis zu anderthalb Tage“, ergänzt Wagnitz. „Bei Räumen mit sehr geringem Wärmebedarf (verlinkt auf /finanzen/immobilien/article145661737/Deutsche-zahlen-weniger-fuer-Heizung-und-Warmwasser.html) und großen Fenstern kann es an sonnigen Wintertagen, wenn die Räume durch die Sonnenstrahlen aufgewärmt werden, schnell zu heiß werden.“ Abhilfe können hier besonders dünne Estrichschichten schaffen.
WELT
Eine Fußbodenheizung ist gar nicht teurer als Heizkörper. Und sie verbraucht auch weniger Energie. Nur bei der Regulierung gibt es Probleme: Fußbodenheizungen kühlen langsamer ab.
Finanzen
Immobilien
2015-11-14T09:45:13Z
2017-05-11T16:13:53Z
Sich eine Fußbodenheizung gönnen – oder besser nicht?
https://www.welt.de//finanzen/immobilien/article148844493/Sich-eine-Fussbodenheizung-goennen-oder-besser-nicht.html
Naturkatastrophen: Als Schröder mit Gummistiefeln zum Wahlsieg stapfte
Tropensturm „Sandy“ (verlinkt auf /themen/wirbelsturm-sandy/) könnte die US-Wahl (verlinkt auf /politik/wahl/us-wahl-2012/) beeinflussen, vielleicht sogar entscheiden. Präsident Barack Obama kann sich in der Naturkatastrophe als Krisenmanager profilieren, sich mit misslungenem Krisenmanagement aber auch die Wahlniederlage sichern. Umweltkatastrophen können politische Stimmungen verändern und manchmal auch Wahlen entscheiden. Zunächst allerdings brachte „Sandy“ hat den US-Wahlkampf genau eine Woche vor der Wahl nahezu zum Erliegen. Obama sagte nach Montag auch am Dienstag alle Auftritte ab und blieb im Weißen Haus, um das Krisenmanagement zu koordinieren. Auch Vizepräsident Joe Biden verzichtete am Dienstag auf Wahlkampfauftritte. Obamas republikanischer Herausforderer Mitt Romney wollte zumindest einen Termin im umkämpften US-Staat Ohio wahrnehmen. Sein Team betonte aber, dass es dabei vor allem um Hilfe für die Sturmopfer gehen sollte. Romneys Vizekandidat Paul Ryan sagte drei Auftritte in Colorado ab. Beide Präsidentschaftskandidaten bemühten sich, nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie politische Auseinandersetzungen über das Wohlergehen der betroffenen Menschen stellten. Der Sturm traf auch wahlentscheidende Ostküstenstaaten wie North Carolina, Virginia und New Hampshire und drang ins Landesinnere vor, wo er auch Teile Ohios bedrohte. Politiker im Rampenlicht Die Politik gerät in Katastrophenfällen schnell ins Rampenlicht. Für den Umgang mit großen Unglücksfällen sehen die Bürger die Verantwortung bei führenden Politikern, auch und besonders bei Staats- und Regierungschefs. Wer in Katastrophenzeiten zeigt, dass er für die Leute da ist, hat bei ihnen einen Stein im Brett. So geschah es im Jahr 2002. Edmund Stoiber (CSU) war Kanzlerkandidat der Union, Gerhard Schröder der amtierende Bundeskanzler. Der eine erwies sich als verlässlicher Verwaltungsmann, der andere als Macher und begnadeter Populist. Der Wahlkampf war bis dahin nicht gut gelaufen für Rot-Grün. Bis es dann im Osten Deutschlands und in der Tschechischen Republik jenseits des Gebirges zu regnen begann und nicht mehr aufhörte. Stunde der Exekutive Die Elbe stieg und stieg, und während in Dessau noch die Sonne schien, schoben sich aus dem Süden gewaltige Wassermassen heran: Die Elbe wurde zur Sintflut, die Dämme brachen, Häuser wurden weggerissen, Soldaten des Bundeswehr und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks schufteten bis zum Umfallen um zu retten, was zu retten war. Die Lage war da, und niemand brauchte Gerhard Schröder nahezulegen, dass dies die Stunde der Exekutive war. Stoiber dagegen äußerte sich gegen Hochwassertourismus und fand es – vielleicht zurecht – schäbig, aus dem Desaster der Sachsen wahlpolitisches Kapital zu schlagen. Regierungschef Schröder, wenn er sich vielleicht auch nicht an den ungeliebten Vorgänger Helmut Schmidt erinnerte und dessen Aufstieg als Innensenator in Hamburg durch konsequentes Auftreten als „Herr“ der anderen großen Elbeflut 1962, begriff die zwingende Symbolik: Der Kanzler ist da, und dann wird alles gut – und wenn es nicht gut wird an der Wasserfront, dann doch am Wahltag – wie es ja auch geschah. Schröder gewann mit der Marge von ein paar tausend Stimmen, und Stoiber verlor. Platzeck, Putin – und Mappus Matthias Platzeck zeigte bei der Oderflut 1997 unermüdliches und überlegtes Engagement, wurde als „Deichgraf“ tituliert, bundesweit bekannt und später Ministerpräsident von Brandenburg. Wladimir Putin schwang sich während der Brandkatastrophe in Russland 2010 zum starken Mann auf und brachte sich für die nächste Präsidentenwahl in Stellung – die er gewann. Stefan Mappus, CDU-Politiker und mittlerweile ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sagte dagegen in einer Büttenrede in Freiburg: „Mir hat Fukushima das Genick gebrochen / ich wünscht, es wär nur was zum Kochen.“ Worauf er anspielte, war die Nuklearkatastrophe von Fukushima infolge eines Erdbebens im Frühling 2011, die nach Meinung vieler die politische Stimmung so veränderte, dass die Grünen bei den Landtagswahlen profitierten. Und seitdem Winfried Kretschmann und eben nicht mehr Mappus das Land regiert. Auf negative Weise bekam auch Barack Obamas Vorgänger George W. Bush die Auswirkungen einer Naturkatastrophe zu spüren. Beim Hurrikan „Katrina“ kamen an der Golfküste der USA im August 2005 mehr als 1800 Menschen ums Leben. Die Wucht des Sturms ließ die schlecht gebauten Dämme um New Orleans brechen, die Südstaaten-Metropole versank in den Fluten. Zehntausende Menschen verbrachten Tage ohne Lebensmittel und frisches Wasser auf Dächern und in chaotisch organisierten Notunterkünften. Das miserable Krisenmanagement fiel auf Bush zurück, dessen Ansehen wegen der zögerlichen Reaktion auf die Katastrophe abstürzte. Der Umgang der Bush-Regierung mit „Katrina“ sei „einer der gröbsten Schnitzer in der modernen Geschichte der US-Präsidenten“ gewesen, schrieb das Online-Portal „Politico“. Zugleich habe das Ereignis dazu geführt, dass „kein Präsident oder Kandidat mehr auf eine drohende Naturkatastrophe unterreagieren werden“.
WELT
Zeigen Politiker in Katastrophenzeiten, dass sie für die Leute da sind, haben sie bei ihnen einen Stein im Brett. Dafür gibt es Beispiele – positive und negative, von Helmut Schmidt bis George Bush.
Politik
Deutschland
2012-10-30T14:14:35Z
2015-10-05T14:08:57Z
Als Schröder mit Gummistiefeln zum Wahlsieg stapfte
https://www.welt.de//politik/deutschland/article110400170/Als-Schroeder-mit-Gummistiefeln-zum-Wahlsieg-stapfte.html
Kayla Itsines - beim Bikini-Bootcamp in Berlin
Die Masse hüpft. Beine auf, zu, Arme hoch, runter, Jumping Jacks nennt man das in Fitnesskreisen, weil das sportlicher klingt als „Hampelmänner“. Danach: die Arme nach vorne, springen, bis die Knie sie berühren. Die Masse hoppelt. Viele Pferdeschwänze wippen auf und ab. Insgesamt sieben Minuten geht das so, hüpfen, springen, hopsen, in Bewegung bleiben, dann ist das Warm-up vorbei. Die Trainerin, Kayla Itsines (verlinkt auf /icon/article148329975/Die-athletische-Frau-ist-das-neue-Schoenheitsideal.html) , lobt. Die Masse jubelt. Banales Fitnesstraining? Nein, ein Phänomen. Gut 2000 junge Frauen – die jüngsten ungefähr 15, die ältesten wohl 25 – sind an diesem Tag in die Arena Berlin gekommen, eine riesige Veranstaltungshalle, in der sonst Messen oder Konzerte stattfinden. Heute ist Kayla Itsines da und lädt zum „Bikini Bootcamp“. Die kostenlosen Tickets waren innerhalb von Minuten weg. „Was macht der? Oder die?“, fragen Passanten, die draußen fasziniert an der Schlange aus jungen Frauen vorbeigehen, die nicht nur bis zum Ende der Straße reicht, sondern bis in die Nebenstraße hinein. Und zwar schon zwei Stunden, bevor der Einlass überhaupt beginnt. Also: Kayla Itsines ist eine Sie, 24 Jahre alt, Australierin. Und Fitness-Göttin, Bikini-Wunder, Instagram-Phänomen (verlinkt auf /icon/article148250361/Instagram-ruiniert-wirklich-jeden-coolen-Trend.html) , Sport-Sensation, – so wird sie von Lifestyle- und Frauenmagazinen genannt, die angesichts von Kaylas Instagram-Account völlig aus dem Häuschen geraten. Er ist aber auch beeindruckend: Fast 4,5 Millionen Menschen folgen der ausgebildeten Personal Trainerin, die hier einen perfekt definierten und sportlich geformten Körper in täglichen Spiegel-Selfies präsentiert. Das ist nichts Neues, nichts Besonderes auf der Selbstdarsteller-Plattform, doch auf Kaylas Account (verlinkt auf https://www.instagram.com/kayla_itsines/) findet sich noch etwas anderes: Die Vorher-nachher-Bilder von Frauen, die mit ihrem „Bikini Body Guide“ trainieren oder trainiert haben. ICON-Redakteurin Nicola Erdmann beim Bootcamp: Kayla Itsines ist mit ihrem Trainingskonzept Vorturnerin einer Sportbewegung (verlinkt auf /sport/fitness/) , die es so nur geben kann, weil es soziale Netzwerke gibt. Fitness war seit jeher ein Mittel, sich und seinen Körper in besserem Licht zu zeigen. Doch die verspiegelten Wände der Studios der 80er-Jahre, in denen man selbst und andere das Muskelwachstum beobachten konnten, waren ein Witz im Vergleich zu dem Publikum, dem man sich heute virtuell präsentieren kann. Smartphone statt Spiegel. Eine Branche, in der es auch um Eitelkeit und Narzissmus geht, erreicht durch Social Media völlig neue Zielgruppen. Denen sich neue Möglichkeiten bieten – Online-Fitnessstudios und Sport-Apps ermöglichen professionelles Training jederzeit und überall, über soziale Netzwerke wächst der soziale Druck: Ob Jogging-Bestzeiten via Runtastic-App (verlinkt auf /gesundheit/article151286521/Man-muss-es-auch-schaffen-das-Ding-abzuschalten.html) oder Fitnessstudio-Selfies – wer Sport macht, teilt das seinen Mitmenschen mit. Und die wollen dann genauso schnell, fit oder schlank sein. Neue Formen der Fitness-Vermarktung Mit diesem menschlichen Mechanismus arbeitet Kayla Itsines. 2008 begann sie damit, ein Programm zu entwickeln, das „stärker, fitter, selbstbewusster und gesünder“ machen soll. „Ich habe nach meiner Ausbildung als Trainerin in einem normalen Fitnessstudio (verlinkt auf /sport/fitness/article151753120/Diese-nervigen-Sprueche-will-niemand-mehr-hoeren.html) in Adelaide angefangen“, erzählt sie, „die Methoden, mit denen man dort gearbeitet hat, haben aber nicht das erzielt, was die Frauen sich gewünscht haben.“ Die hätten sich von dem Training straffe Innenschenkel, muskulösere Arme und einen „flachen Bauch mit schönen Bauchmuskeln“ erwartet. „Ich habe dann recherchiert, eigene Übungen entwickelt, die sich speziell auf diese Bereiche konzentrieren.“ Und bald das Studio verlassen, um eine eigene Firma zu gründen. Mit der konzipierte sie ihren „Bikini Body Guide“, der in zwölf Wochen zur Bikini-Figur (verlinkt auf /icon/article143311954/So-erbittert-kaempfen-Frauen-fuer-die-Bikini-Figur.html) führen soll. Ein Eindruck von Kaylas Sportlichkeit: Das Prinzip: In zunächst drei Einheiten pro Woche trainiert man seine Kraft mit dem eigenen Körpergewicht, etwa mit tiefen Kniebeugen oder Ausfallschritten. Die Übungen werden in Intervallen von zwei mal sieben Minuten absolviert und wiederholt, insgesamt dauert ein Training also 28 Minuten. „Jeder hat doch 28 Minuten Zeit, einmal am Tag“, sagt Kayla. Dazu kommen zwei Ausdauereinheiten pro Woche. Allerdings wird das Programm von Woche zu Woche strenger, am Ende besteht es, laut Plan, aus Krafttraining an vier Tagen, aus leichten Cardiotraining an drei, hartem Cardiotraining (verlinkt auf /gesundheit/article115227906/Ausdauertraining-hilft-sogar-gegen-Krebs.html) an zwei Tagen. Dass man dabei abnimmt und fit wird, das ist kein Wunder – vielmehr ist ein Wunder, wie Kayla Itsines ihre Kundinnen zu diesem Programm motiviert und die Motivation über zwölf Wochen aufrechterhält. Denn auch die Übungen sind an sich nichts Besonderes, keine eigens „entwickelten“ Techniken, die man so nicht schon im Bauch-Beine-Po-Kurs absolviert hätte. Doch irgendwann in ihrer Anfangszeit, in der Kayla noch persönlich Kundinnen nach ihrem Guide trainierte, startete sie einen Instagram-Account, fing an, Bilder von sich und von ihren Kundinnen hochzuladen. Sie fotografierte sie vor Beginn des Trainings, währenddessen und nach zwölf Wochen, postete diese Fotos als Montage. Ihre Fotos verbreiteten sich, die Abonnentenzahlen wurden vier-, fünf-, sechsstellig, nach kaum einem Jahr stand sie bei einer Million. Fragt man an diesem Nachmittag in Berlin die Teilnehmerinnen des Bootcamps, woher sie Kayla kennen, antwortet jede, ausnahmslos: „Von Instagram.“ Fragt man, warum sie mit ihrem Programm trainieren, sagen sie: „Weil es effektiv ist.“ Und das sehen sie eben nicht nur an Sport-Übermensch Kayla, die mit ihrem gebräunten, muskulösen Körper die Idealversion des „Bikini Bodys“ (verlinkt auf /icon/article144160221/11-Regeln-fuer-einen-blamagefreien-Strandauftritt.html) verkörpert, sondern das sehen sie auch an der jungen Mutter, die mit dem Training langsam ihr Bauchfett zum Schmelzen bringt, an der übergewichtigen Amerikanerin, die immer noch zu viel wiegt – aber nach acht Wochen schon sichtbar abgenommen hat. Oder an der Frau mit Größe S, die nach zwölf Wochen immer noch S trägt – aber mit geformten Oberschenkeln und einer definierten Taille. Kayla Itsines postet die Bilder verschiedenster Frauen und Figurtypen in unterschiedlichen Stadien ihres Training: „Ich wähle Frauen aus, deren Reise man auf ihren Bildern nachverfolgen kann.“ Diese „Inspiration“ gibt es mindestens zwei Mal jeden Tag. Itsines ist nicht die Einzige, die auf die Vorher-nachher-Show setzt. Auch Apps wie „Freeletics“ arbeiten mit Transformations-Fotos, der einkalkulierte Effekt: Das will ich auch! Und: Wenn die das kann, kann ich das auch. Vorher-nachher-Inspiration auf Kaylas Instagram-Account: Anfang 2014 veröffentlichte Kayla Itsines ihr Programm als E-Book, ergänzend gibt es einen Ernährungsratgeber, den sie jedoch nicht selbst verfasst hat. Eine DVD oder YouTube-Videos gibt es nicht, auch ist kein Programm für Männer geplant: „Ich kenne Frauen und den weiblichen Körper, Männer zu trainieren maße ich mir nicht an.“ Ihre Werke kosten umgerechnet um 50 Euro, nach eigenen Angaben hat sie bisher mehr als eine Million Exemplare verkauft. Weitere Angaben zum Geschäft macht sie nicht, Fragen danach sind nicht erwünscht. Ohne Instagram wäre alles wohl viel kleiner geblieben: „Mein Business funktioniert nur so. Auf meinem Account geht es nicht um mich, aber er ist wichtig, um die Transformationen zu zeigen. Für die Mädchen ist es wichtig, weil sie damit Teil der größten Fitness-Community (verlinkt auf /sport/fitness/) der Welt werden.“ Es ist die soziale Kontrolle der Neuzeit, mit der sich die Frauen und Mädchen ganz in Kaylas Sinne bei der Stange halten. Laura, 21 Jahre, hat sich extra einen eigenen Instagram-Account für das Training angelegt: „Ich habe die Vorher-nacher-Bilder gesehen und dann selbst angefangen. Ich poste mich eigentlich sonst nicht im Internet, aber so muss ich den anderen meinen Fortschritt zeigen. Und kann dann auch nicht einfach aufgeben.“ Die Fans nennen sich „Kayla Army“ Mehr als 50 Hashtags gibt es, mit denen sie ihre Bilder kennzeichnen und Postings von anderen finden und kommentieren. Auch für das Berliner Bootcamp (verlinkt auf /regionales/koeln/article121512825/Bootcamp-statt-Fitnesstudio.html) gibt Kayla Hashtags vor, mit denen sich schon während des großen Schwitzens Hunderte Bilder von dort posenden Mädchen finden lassen: #bbg #bbgberlin #sweatwithkayla. „So gewinnt man natürlich auch selbst Follower“, sagt Laura. Für sie sei die virtuelle Solidarität der „Kayla Army“, wie sich die Fans nennen, etwas ganz Neues: „Man kennt das ja sonst gar nicht, dass Frauen sich gegenseitig so unterstützen.“ Auch Itsines berichtet, dass sich aus virtuellen Verbindungen oft reale Kontakte ergeben würden, Außenseiter neue Freunde finden und ihr dafür danken. Tatsächlich finden sich im Internet Hunderte solcher Heilsgeschichten – als ginge es nicht um ein Fitnessprogramm, sondern um eine Religion. „Nessa_bbg“ etwa schreibt: „Ich wäre nicht, wo ich bin, ohne diese großartigen Mädchen, ihre Liebe und ihre Unterstützung.“ Und: „Ich bin so dankbar für die Gemeinschaft. Ich habe hier so viele Freunde, so viel Freude gefunden, so viel Positivität, die ich im Alltag vermisse. Ich liebe dich Kayla.“ „We can do this as a team!“, ruft Kayla, wenn die Übungen sehr anstrengend werden – und all die Arme mit rosa Kayla-Armband (gab es gratis am Eingang) senken sich gemeinsam zur letzten Liegestütze. Es ist eine Art Schneeballkonzept aus Motivation (verlinkt auf /icon/article123020161/Der-Weg-zum-Glueck-fuehrt-ueber-den-eisernen-Willen.html) , Eitelkeit, der Suche nach Anerkennung und Gemeinschaft, das perfekt funktioniert. Inzwischen gibt es von Kayla auch pinkfarbene Handtücher mit eingestickter Unterschrift, Trinkflaschen, Yogamatten und eine Schaumstoffrolle zur Muskelentspannung samt Schaumstoffrollen-Ratgeber. 2015 launchte sie die „Sweat with Kayla“-App, die das Vorher-nacher-Foto als festes Feature integriert hat. Authentisch, sympathisch, bodenständig Ihr Freund Tobi kümmert sich um die technische Seite ihres Geschäfts, das längst bis ins Detail professionalisiert ist. Den Instagram-Account betreut Kayla mit einem Team, Postings werden von Werbepartnern unterstützt. Und doch antworten ihre Fans in Berlin, die nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus dem Ausland angereist sind, auf die Frage, was sie an ihrem Sport-Vorbild schätzten, erneut überraschend einhellig: „Dass sie so authentisch ist“, „Sie ist so sympathisch“ und immer wieder „Sie ist so bodenständig“. Es ist der typische Mechanismus, der so vielen Social-Media-Phänomenen (verlinkt auf /regionales/hamburg/article143144628/Kann-man-diesen-Instagram-Star-lieben.html) zu ihrer Bekanntheit verhalf: Das Wissen der Rezipienten, dass derjenige mal einer von ihnen war, ein „ganz normaler Mensch“ und es dann, ganz aus eigener Kraft, zum „Star“ geschafft hat. Und Kayla ist selbstverständlich auch im Bodenständigsein perfekt. Beim „Meet and Greet“ nach dem Training in Berlin darf jedes Mitglied der „Kayla Army“ gefühlte fünf Sekunden mit ihr sprechen und für ein Foto posieren, Kayla strahlt ein hübsches Lächeln, freut sich bei jedem neu und sehr stark, dabei zwirbelt sie ihren Zopf. Wenn Sport der Sinn des Lebens ist „Sie umarmt einen einfach, auch wenn man verschwitzt ist“, erzählt ein Mädchen danach begeistert. Und sie mache nicht so viel Werbung wie viele andere –„also, sie sagt schon, dass sie Nike mag, aber das ist ganz dezent.“ In der Goodie-Bag zum Abschied findet sich der Flyer eines Onlineshops mit „Workout Styles Selected By Kayla“ – es ist das Outfit (verlinkt auf /icon/mode/) , in dem sie hier auftrat, dazu ein Rabattgutschein für ihre Sportuhr. Auch ihr Kurzaufenthalt in Berlin (sie war tatsächlich nur für das Bootcamp aus Australien angereist) ist bis ins Detail durchorganisiert, weswegen das Interview ein paar Tage später telefonisch stattfinden muss. Der Anruf, natürlich, überpünktlich, sie spricht routiniert und ist unglaublich höflich. Und sonst, wo andere Leute mit Sport entspannen, wie erholt sie sich von ihrer Arbeit? „Ich brauche nichts anderes, ich liebe, was ich tue.“ Sie hat Hunde, kein Vorbild, ernährt sich gesund, liebt Obst, isst aber auch Brot oder Pasta und sieht ihre Familie jeden Tag. Nein, sie habe kein Privatleben, das sie auf Instagram nicht zeige: „Was man da sieht, bin ich, ich verstecke nichts.“ Dann fügt sie hinzu: „Eigentlich bin ich eine ziemlich langweilige Person.“ Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook (verlinkt auf https://www.facebook.com/ICONISTbyicon/?fref=ts) , Instagram (verlinkt auf https://www.instagram.com/iconistbyicon/) und Twitter (verlinkt auf https://twitter.com/ICONISTbyicon) .
Nicola Erdmann
Kayla Itsines ist der Superstar unter den Fitnesstrainerinnen. Millionen junge Frauen folgen den Anweisungen der Australierin und werden Teil der „Kayla Army“. Wir waren beim Probetraining dabei.
Iconist
Fitness & Wellness
2016-02-14T07:47:04Z
2017-08-09T15:35:20Z
Schwitzen mit der Bikini-Body-Göttin von Instagram
https://www.welt.de//iconist/fitness/article152170848/Schwitzen-mit-der-Bikini-Body-Goettin-von-Instagram.html
Blockade durch Berlin-Marathon: „Wir sprechen hier von einer Bundestagswahl“
Mehrere TV-Sender können wegen des Marathons am Sonntag nicht über die Bundestagswahl (verlinkt auf /themen/bundestagswahl/) vom Berliner Reichstag aus berichten. Wie das Bezirksamt Mitte am Dienstag mitteilte, hätten nicht alle Übertragungswagen in der unmittelbaren Umgebung des Gebäudes Platz. Als Ersatz soll für sieben Sender mit neun Übertragungswagen der Washingtonplatz am Hauptbahnhof dienen. Weitere Sender verwies das Amt nach eigenen Angaben an Parteizentralen und Landesvertretungen. Probleme hatten in erster Linie ausländische TV-Sender, die keine Dauerakkreditierung besitzen. Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ wurden sie mit ihren Standortanfragen von der Bundestagsverwaltung an das Bezirksamt verwiesen; dieses habe sie wieder zum Bundestag zurückgeschickt. Die zuständige Bezirksstadträtin Sabine Weißler bezeichnete dies später als Missverständnis. Dennoch heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des Amtes: „Die bei allen früheren Wahlen geübte Praxis, dass die Bundestagsverwaltung die Medienanfragen sammelt und koordiniert, wurde in diesem Jahr nicht umgesetzt.“ Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert, dass die Bundestagsverwaltung nicht die Koordination übernommen habe. „Wir sprechen hier von einer Bundestagswahl (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bundestagswahl/) “, betonte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. Vor allem durch die AfD (verlinkt auf /themen/alternative-fuer-deutschland/) habe sie in diesem Jahr eine hohe Bedeutung für ausländische Medien. Üblicherweise berichten die Fernsehsender bei der Bundestagswahl von der Scheidemannstraße, der Reichstagswiese und der Paul-Löbe-Allee aus. Das ist aufgrund der Marathon-Absperrungen in diesem Jahr nicht möglich.
WELT
Die Bundestagsverwaltung koordiniert die Medienanfragen bei einer Bundestagswahl. Nur dieses Mal nicht. Grund sei der Berliner Marathon – doch dahinter offenbart sich ein Organisationschaos. Der Journalistenverband reagiert scharf.
Politik
Deutschland
2017-09-20T03:19:53Z
2017-09-22T13:06:39Z
„Wir sprechen hier von einer Bundestagswahl“
https://www.welt.de//politik/deutschland/article168812896/Wir-sprechen-hier-von-einer-Bundestagswahl.html
Formel 1: Red Bull – Nicht jede Krise lässt sich weglächeln
Die Story hätte keine noch so renommierte Werbeagentur besser aushecken können. Das Formel-1-Team von Red Bull verschickte Mitte der Woche ein gestelltes Foto in die Redaktionen, das vor Selbstwitz nur so strotzt: Sebastian Vettel und Mark Webber lachen sich vergnügt an und kehren die Handflächen zu einer Geste der Gleichgültigkeit nach außen. Botschaft: Passiert ist passiert. Für Leute mit langer Leitung noch eine erklärende Unterschrift: „Shit happens.“ Mit einer filmreifen Inszenierung verkehrt der Rennstall eine Blamage ins Ironische. Bei Red Bull hat man schon immer gern gejuxt. Mal sah die Mitteilung, wer was zum Rennen zu sagen hat, wie ein Comic aus, mal war sie wie beim Schwesterteam Toro Rosso die Anleitung zum Falten eines hübschen Origamis. Und einmal, als ihre Boliden grandios scheiterten, stand nach einem Grand Prix zu lesen: „Heute gibt es nichts zu sagen.“ Der lockere Umgang mit den kleineren und größeren Krisen ist Programm im Team der Berufsjugendlichen und wenn Teamkollegen, die am vergangenen Sonntag einander liebend gern an die Gurgel gegangen wären, zu einem Versöhnungsgipfel zusammentreffen, liegt eine bühnenreife Katharsis auf der Hand. Um des lieben Friedens willen vor dem Rennen am kommenden Sonntag in Kanada wurde eine Sprachregelung gefunden, mit der die explosive Atmosphäre zwischen den beiden Unfallgegnern entschärft werden soll. Vettel und Webber trifft am peinlichen Crash im Istanbul Park die Schuld zu gleichen Teilen. Vorhang zu? Nicht ganz. Die Animositäten zwischen dem in der WM führenden Australier und des nach dem Ausfall auf Rang fünf abgerutschten Deutschen haben sich nicht in Luft aufgelöst. Unmittelbar nach dem Rennen hatte sich noch gezeigt, dass der 22 Jahre alte Vettel nicht lange genug in der Formel 1 (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/formel1/) dabei ist, um auf Anhieb ein perfekter Schauspieler zu sein. Mit einer verächtlichen Drehbewegung seines Zeigefingers verunglimpfte er den elf Jahre älteren Stallgefährten noch an der Rennstrecke. Wiederholung nicht ausgeschlossen. Die Taktik des inszenierten Weglächelns macht aus Piloten, die sich nicht grün sind, keine Freunde. Doch für den Moment beschert es den Bullen eine größere Aufmerksamkeit, als ein WM-Anwärter erwarten kann. „Von der PR her konnte nichts Besseres passieren als dieser Crash“, sagt der Ex-Red-Bull-Pilot David Coulthard. „Die ganze Welt schreibt darüber.“ Die Nachwehen der Rempelei im Bullenstall des österreichischen Brauseherstellers wirft ein Schlaglicht auf die Gemengelage innerhalb der aufstrebenden Mannschaft mit Sitz in Milton Keynes bei London. Anders als Ferrari, Williams und McLaren ist das Team nicht mit den Jahren behutsam gewachsen, sondern wurde mit den Millionen des Konzernchefs Dietrich Mateschitz schnell gepäppelt. Der Rennabteilung steht im früheren Rennfahrer Christian Horner, 36, der jüngste Strippenzieher der Branche vor. Auch hat er kein erfahrenes Team hinter sich. Beim WM-Rivalen McLaren hat man Lehren aus dem legendären Zweikampf zwischen Alain Prost und Ayrton Senna gezogen. „Ein Fahrerduo zu managen erfordert höchste Sensibilität. Die erreichst du erst mit den Jahren“, sagt Ex-Champion Jackie Stewart. Mateschitz ist zwar ein begeisterter Sportfan und hält viel von Fairplay, aber er gilt der Branche immer noch als Exot. Er war der erste Privatier mit riesigen Ambitionen und reichlich Schotter. Er holte Stardesigner Adrian Newey, der bei McLaren und Williams Weltmeisterautos am Reißbrett entwarf, und den Aerodynamiker Peter Prodromou dazu. Die Apanagen für das Ingenieur-Duo bewegen sich im zweistelligen Millionenbereich jährlich. So viel verdient das Fahrerpaar bei Williams nicht einmal annähernd. Die Auftritte im PS-Zirkus dienen Mateschitz vornehmlich dazu, die Marke Red Bull populär zu machen. 60 Prozent des Marketingbudgets kommen diversen hippen, dynamischen Red-Bull-Sportlern zugute, Basejumpern, Surfern, Streetrunnern. Eine freche Vermarktung gehört dazu. „Wir waren mal ein Spaßrennstall“, gab der drittplatzierte Webber am vergangenen Sonntag selbst zu. Doch mit den Entwicklungs?coups von Newey sind die Ansprüche gewachsen. Parallel zum technischen Aufschwung gedieh Mateschitz’ Juwel Sebastian Vettel, den er 2007 BMW abgeschwatzt hatte. Newey und Vettel sollen der Garantieschein für den WM-Titel sein. Webber sollte der Ergänzungsfahrer sein. Niemand rechnete damit, dass er nach dem ersten Saisondrittel das Gesamtklassement anführt. In Barcelona und Monaco hat er den Jungen vorgeführt, jetzt versucht der Rennstall aus der Not eine Tugend zu machen. Die Protektion Vettels hat im Fahrerlager eine Gegenbewegung ausgelöst. Kaum ein Fahrer, der nach dem Grand Prix der Türkei ein gutes Haar an Vettel ließ. Hamilton, Button, Rosberg schlugen sich auf die Seite des Underdogs, der längst keiner mehr ist. Die Red-Bull-Piloten scheinen sich bei der Regieführung ihrer Bosse nicht unwohl zu fühlen. Sowohl Webber als auch Vettel sind in Gesprächen über ihre Vertragsverlängerungen.
Robert Dunker, Burkhard Nuppeney
Der Crash von Sebstian Vettel und Mark Webber in Istanbul offenbarte wieder einmal Red Bulls mangelnde Formel-1-Erfahrung.
Sport
Formel 1
2010-06-05T12:10:29Z
2015-10-03T04:45:35Z
Red Bull – Nicht jede Krise lässt sich weglächeln
https://www.welt.de//sport/formel1/article7919681/Red-Bull-Nicht-jede-Krise-laesst-sich-weglaecheln.html
Zurück auf der Oppositionsbank: Grüne wollen aus ihrer krachenden Niederlage lernen
Von der Schulpolitik bis zum Thema Umwelt: Nach der Niederlage bei der Landtagswahl (verlinkt auf /regionales/nrw/article165873818/Neue-NRW-Regierung-neue-Konfliktzonen.html) wollen die Grünen am Samstag bei einem Landesparteitag ihre Fehler analysieren. Die Partei sei während der Regierungszeit zu wenig sichtbar gewesen, heißt es in einem Leitantrag des Landesvorstands. Sie habe „staatstragend und den Status quo verwaltend“ gewirkt. „Wir benennen klar und offen Fehler, die in den Regierungsjahren passiert sind und werden daraus für unsere Neuaufstellung lernen“, sagt Mona Neubaur, Landesvorsitzende der Grünen. Die Grünen haben bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen krachend verloren: Sie holten 6,4 Prozent – das sind 4,9 Prozentpunkte weniger als bei der vorherigen Wahl 2012. Mit nur noch 14 Abgeordneten stellt die frühere Regierungspartei nun die kleinste Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Als eine Ursache der Wahlschlappe wird in dem Antrag die Schulpolitik ausgemacht. So seien bei der Umsetzung von Inklusion an den Schulen Fehler gemacht worden. Man habe den „vielen Menschen in den Schulen zu viel abverlangt“, heißt es in dem Antrag. Gleichzeitig habe man zu lange versucht, das „schlechte G8-Erbe von Schwarz-Gelb zu heilen“. Die für Schulpolitik zuständige grüne Ministerin Sylvia Löhrmann hatte das Schulministerium kurz nach der Einführung von G8 durch die schwarz-gelbe Koalition (verlinkt auf /regionales/nrw/article165873818/Neue-NRW-Regierung-neue-Konfliktzonen.html) unter Jürgen Rüttgers (CDU) übernommen. Die Brisanz in der Polarisierung zwischen G8 und G9 habe man unterschätzt. Kritik an der Umweltpolitik Auch an der Umweltpolitik wird in dem Leitantrag zum Teil harsche Kritik geübt. Es sei nicht ausreichend gelungen, die „Chancen des ökologischen Wandels“ für Nordrhein-Westfalen herauszustellen und konkret zu machen. Bei vielen Bürgern habe die Umweltpolitik eher den Eindruck von „Bürokratie“ und „Gängelung des Mittelstands“ hervorgerufen. Neben der Fehleranalyse soll auf dem Parteitag aber auch nach vorne geblickt werden. „Wir stellen uns auf diesem Parteitag als starke Oppositionspartei für NRW auf“, sagte Neubaur. Die Partei wolle konstruktiv, aber auch unbequem sein. So dürfe die neue schwarz-gelbe Regierung nicht durchkommen mit „ihrem Generalangriff auf die Energiewende und den Klimaschutz“, sagte Neubaur.
WELT
Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben die Grünen krachend verloren. Bei dem Landesparteitag wollen sie nun gründlich die Fehler der Vergangenheit analysieren – und versprechen, eine unbequeme Opposition zu werden.
Regionales
Nordrhein-Westfalen
2017-06-28T10:12:30Z
2021-05-03T13:16:24Z
Grüne wollen aus ihrer krachenden Niederlage lernen
https://www.welt.de//regionales/nrw/article166020013/Gruene-wollen-aus-ihrer-krachenden-Niederlage-lernen.html
Prozess: Die tödliche Ignoranz im Fall Kevin
"Mensch, wo bist Du?“, fragt ein Plakat die Passanten, die am Evangelischen Kircheninformationszentrum „Kapitel 8“ vorbeilaufen, gleich gegenüber dem Bremer Landgericht. Hier wird an diesem sonnigen, warmen Nachmittag im „Fall Kevin“ das Urteil verkündet. Ja, wo sind sie gewesen, die Menschen, die Kevin hätten helfen können, es aber nicht geschafft haben? Die entweder das Falsche, zu wenig oder auch gar nichts getan haben, so dass das zweijährige Kind in der Obhut seines aggressiven, drogensüchtigen Ziehvaters sterben musste? Gleich neben dem Plakat hat ein Fernsehteam seinen Übertragungswagen positioniert. Die Kameras sind aufgebaut, die Scheinwerfer auch. Der Blick auf die Gerichtsfassade ist von hier aus auch am schönsten. Öffentlichkeit, ja, die gibt es jetzt mehr als genug. Kevin steht im Rampenlicht –nach seinem Tod. Vor anderthalb Jahren, am 10.Oktober 2006, fanden Polizeibeamte den Jungen im Kühlschrank in der Wohnung des 43jährigen Angeklagten Bernd K. Eingewickelt in drei gelbe Plastikmüllsäcke, umgeben von Maden und Fruchtfliegen. Ein Horror für die Beamten, ein Schock für die Stadt, vor allem für das sozialdemokratisch geführte Sozialressort, dessen Senatorin Karin Röpke sofort zurücktrat. Ein Horror aber auch für das ganze Land, denn mit einem Schlag öffnete sich eine Welt, die der Öffentlichkeit allzu lange verborgen geblieben schien. Von der man zwar wusste, dass es sie gibt, die man aber eben auch verdrängt. Dass der Staat es nicht vermag, ein unter seiner Vormundschaft stehendes Kind zu schützen. Dass die Drogenhilfen zum Beispiel Kinder gern als Therapie ihrer süchtigen Eltern nutzen, um diese zu stützen. Dass Ämter „Fallkonferenzen“ führen, ohne Positives zu bewirken; dass gefährdete Kinder in den arbeitsmäßig überlasteten Sozialbehörden nicht mal als sorgfältige Akte, sondern nur als Lose-Blatt-Sammlung auftauchen – das sind die Fakten, die jetzt auf den Tisch kamen und nicht nur in Bremen für heftige Debatten sorgten. Jede Woche, so Angaben des Deutschen Kinderschutzbunds, sterben zwei bis drei Kinder ähnlich wie Kevin. Scheinwerfer und Mikrofone werden erst aufgebaut, wenn diese Kinder tot sind. Der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann, 52, lässt denn auch keinen Zweifel daran: Es gibt weitere Schuldige. „Es ist aber nicht unsere Aufgabe, die strafrechtliche Verantwortung anderer zu prüfen“, sagt er. Sicher, der „Fall Kevin“ sei zum „Synonym für die Struktur der Behörde bei knappen Kassen“ geworden. Das sei aber „keine Frage des Gerichts“. „Hinterher“, fügt er hinzu, sei man „doch immer schlauer“. Natürlich könne man als einzelner Arzt oder Jurist „moralische Vorwürfe“ gegen sich selbst erheben. „Aber bestehen diese auch vor Gericht?“ Insgesamt 85 Zeugen, davon 25 überwiegend medizinische Sachverständige, wurden vernommen. Die Urteilsverkündigung ist der 29. Verhandlungstag. „Wir haben uns alle Mühe gegeben“, erklärt Kellermann, nachdem er das Urteil verkündet hat. Zehn Jahre Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung Schutzbefohlener. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre gefordert, die Verteidigung hatte das Strafmaß in ihrem Schlussplädoyer aber offen gelassen. Der Angeklagte hatte den gesamten Prozess über geschwiegen. „Das war sein gutes Recht. Wir dürfen dieses Grundrecht des Beschuldigten nicht aushebeln, sondern müssen es hinnehmen“, betont Kellermann. Am vorletzten Verhandlungstag hatte Bernd K. aber sein Schweigen dann doch noch gebrochen und überraschend „drastische Reue“ gezeigt. Er wisse nicht, wie das mit Kevin hätte passieren können, hatte Bernd K. gestammelt. Doch das nimmt der Richter ihm nicht ab: „Ich glaube dem Angeklagten nicht, dass er nicht weiß, was passiert ist.“ Detailliert listet der Richter gut eine Stunde lang die Chronologie dessen auf, was man über Kevins kurzes Leben weiß. Man habe nur ein „unscharfes Bild“ gewonnen, weil die einzigen Sozialkontakte, die Bernd K. besaß, behördlicher oder medizinischer Art waren. Alle von der Gerichtsmedizin festgestellten Knochenbrüche – insgesamt 24 – seien aber erst nach dem 27.Dezember 2005 entstanden – und damit nach dem Tod von Kevins Mutter am 12.November 2005. Da die drogenkranke, HIV-positive Mutter sich immer noch für eine medizinische Versorgung Kevins eingesetzt hätte, erkennt das Gericht in dem arbeitsunfähigen Bernd K. den einzigen Tatverdächtigen. Im März 2006 habe Kevin „weitere Frakturen und Gewalt durch den Angeklagten erlitten“. Kevin habe „erhebliche Beschwerden gehabt und sehr gelitten“, aber der Angeklagte „unterließ es, medizinische Hilfe zu holen“. Ein Bein Kevins habe „ausgesehen wie eine krumme Banane“, schilderte eine Zeugin, die Kevin kurze Zeit als Tagesmutter betreut hatte. Zusammen mit einer anderen Mutter hätten sich diese beiden Frauen ans Jugendamt gewandt, um den Jungen angesichts des erschreckenden Zustands nicht an seinen Ziehvater zurückgeben zu müssen. „Leider wurden diese beiden Frauen aber von den Jugendamtsmitarbeitern nicht ausreichend ernst genommen“, klagt Richter Kellermann. Das Wort „leider“ dehnt er extra in die Länge, um den möglichen Scheitelpunkt in Kevins Leben klar zu machen. Solche mögliche Wendepunkte hatte es mehrfach gegeben. Ob man ein Frühgeborenes, das eine komplizierte intensivmedizinische Versorgung und einen Drogenentzug hinter sich hat, in die Hände seiner drogensüchtigen Eltern zurückgeben darf? Die Geburtsklinik hatte damals dagegen gestimmt, es gab eine nach Zeugenaussagen „heftig geführte“ Klinikkonferenz. Anwalt Thomas Becker, der jetzt auch den Angeklagten vor Gericht verteidigte, erreichte aber, dass man den drogensüchtigen Eltern – dass Bernd K. nicht der leibliche Vater war, wusste zu der Zeit noch niemand – das Kind aushändigte. Ein Jahr später, am 6. März 2006, tagte eine Fallkonferenz, bei der sich Kevins Ziehvater, der Leiter des Sozialzentrums Gröpelingen, die zuständige Stadtteilleiterin, der Methadon-Arzt, Kevins Amtsvormund und Kevins Sachbearbeiter trafen. Diese Konferenz hätte die Lage ändern müssen – und auch können. Ein interner Bericht der Sozialbehörde hatte nämlich höchste Alarmstufe gezeigt. Doch passiert ist auch nach dieser Konferenz nichts. Bernd K., so wurde vereinbart, sollte sich einer Trauerarbeitsgruppe anschließen, um den Tod seiner Frau zu verarbeiten, und Kevin sollte bei seiner Tagesmutter bleiben und in der Kinderklinik vorgestellt werden. Am 20. April 2006 wurde Kevin zum letzten Mal von Mitarbeitern der Behörden gesehen, Mitte Mai wollen ihn Nachbarn noch einmal beobachtet haben. Im September 2006, als „der Ball endlich ins Rollen kam“, wie Richter Kellermann sagt, und das Kind abgeholt werden sollte, weil Bernd K. förmlich abgetaucht war, war es längst zu spät. Ende Juni, Anfang Juli, so der Richter, sei Kevin wohl gestorben. Genau wird man es nie wissen.
Birgitta vom Lehn
Der Prozess gegen den Ziehvater des toten Kevin aus Bremen offenbart das Versagen der Behörden – und das Martyrium des Kindes. Es stand unter staatlicher Vormundschaft und starb trotzdem. Insgesamt 85 Zeugen wurden vernommen, der Ziehvater des Tages nun zu zehnJahren Haft verurteilt.
Vermischtes
2008-06-05T15:31:50Z
2015-10-03T04:47:43Z
Die tödliche Ignoranz im Fall Kevin
https://www.welt.de//vermischtes/article2069245/Die-toedliche-Ignoranz-im-Fall-Kevin.html
Economy: Germany approves law on bank nationalization
In setting aside a postwar commitment to respect private property, Germany became the latest government to edge away from free market policies, instead using state support to prop up flagging banks and industries. WHAT IS THE GOAL OF THE NEW LEGISLATION? The draft legislation, an extension of Germany's existing bank rescue law, was formulated to allow the government to take control of Munich-based lender Hypo Real Estate, a high-profile casualty of the financial crisis. Hypo has received a total of 102 billion euros ($129 billion) in guarantees from the state and fellow banks but its financial condition remains uncertain. Because of its key role in the 800 billion euro Pfandbrief covered bond market, the government has said it cannot be allowed to fail. WHY DOES BERLIN NEED A LAW TO NATIONALISE A BANK? Germany's „Basic Law“, or constitution, forbids the expropriation of shareholders without the establishment of a new law. In the case of Hypo Real Estate, the government wants the option of expropriation because without it, it might have trouble taking full control of the bank. This is because U.S. private equity investor JC Flowers owns nearly a quarter of Hypo's shares. WILL BERLIN EXPROPRIATE JC FLOWERS SHARES? Berlin is keen to avoid this step, in part because expropriation, or „Enteignung“ in German, is a step associated in the minds of many Germans to the Nazis seizure of Jewish assets in the 1930s and the assault of private business owners by the former communist government of East Germany. The government will continue to try to negotiate a settlement with JC Flowers and if that fails, it could seek to gain control by pushing through a capital increase at a Hypo shareholders meeting. The new legislation makes this possible by reducing the shareholding majority needed to inject fresh capital to 50 percent plus one share from a previous threshold of 75 percent plus one share. COULD OTHER BANKS BE NATIONALISED? The German government has made clear that it wants to avoid taking control of its banks and would only do so if it deemed the broader financial system to be at risk. The draft law imposes strict limits on any expropriation of shareholders, making clear that this would have to occur by Oct. 31, 2009 and that any cabinet decree ordering this would have to be submitted by the end of June. This aims to limit application of the expropriation option to Hypo Real Estate alone. Germany has said no other banks are in the same difficult position as Hypo Real Estate, but if the financial crisis worsens, other German financial institutions could come under pressure and force the government to intervene. Last month the government took a 25 percent stake in Commerzbank, which on Wednesday reported an operating loss of 822 million euros for the fourth quarter. President Barack Obama on Tuesday signed into law a $787 billion package of spending and tax cuts, the biggest initiative of its kind in U.S. history. He said the stimulus package would "mark the beginning of the end“ of the ills facing the economy. But with new problems emerging all the time from a twin collapse in asset prices and availability of credit, financial markets remained jittery about the outlook. "The problem is that we don’t have any clear answers from the Obama government regarding the banking rescue package,“ said Thierry Lacraz, strategist at Pictet in Geneva. "Until we have more visibility on the U.S. banks and more positive wording from companies, it’s difficult to see markets climbing again.“ U.S. automakers General Motors Corp and Chrysler LLC are also seeking almost $22 billion in extra government aid on top of the $17.4 billion already received. But analysts say the U.S. auto makers may not be able to return to profitability without first going through bankruptcy reorganisation that would likely mean plant closures and tens of thousands of job losses. If this were to happen, it would be a "messy and lengthy process which would further undermine confidence in the fragile economy“, said Michael Sheldon of Connecticut’s RDM Financial. GM said it could run out of cash as early as next month and its shares fell 12.8 percent on Tuesday. Chrysler said it sees the downturn in the U.S. car market lasting another three years. Governments worldwide are struggling to find their own solutions to the financial crisis, while trying to avoid accusations of protectionism and state intervention that could slow global trade or undermine confidence in their economies. Germany’s cabinet approved a draft law paving the way for the government to take control of Hypo Real Estate which has received billions of euros in state guarantees. The law leaves open the possibility of an expropriation of Hypo’s shareholders as a last resort. Other countries, including Britain and Ireland, have already seized control of banks, justifying this by pointing to the nature of the crisis and the need to protect taxpayers. But Germany has agonised over "Enteignung“ (expropriation) of shareholders, a loaded term linked in the minds of many to Nazi seizures of Jewish property in the 1930s and East Germany’s assault on private business after World War Two. LITTLE REPRIEVE FOR MARKETS Government actions so far have failed to reassure financial markets. Global share prices, as measured by MSCI’s world equity index, were down on Wednesday reflecting hefty falls in Asia overnight. The euro edged up against the dollar after hitting a 2-1/2 month low on Tuesday on concerns about euro zone banks with heavy exposure to weakening economies in Central Europe. Overall, investors were still heading into safe assets such as gold as worries spread the recession could drag down economies which had so far resisted the worst of the crisis. In China -- which many had hoped might be able to power the global economy out of the worst downturn since the Great Depression -- a trade union official warned against "hostile forces“ stirring up trouble amongst its newly employed workers. Beijing’s Communist Party leadership has said legions of idle rural workers gathered in the country’s struggling export hubs could pose a threat to the stability. About 20 million jobs have been lost in southern China’s manufacturing hub of Guangdong alone. Sun Chunlan, vice-chairman of the state-backed All-China Federation of Trade Unions, said police had been rushed to all regions to "understand the situation with regional social stability“. Beijing said it would increasingly use its $2 trillion in foreign exchange to support domestic growth and finance the expansion of Chinese companies overseas. But it denied a magazine report quoting a senior official as saying its slowing economy meant the yuan might weaken to as low as 6.95 to 7 per dollar. The news across Asia has been almost uniformly bad with Japan, the world’s second-largest economy, reeling from its worst downturn in a generation. In Taiwan, a source close to the government said GDP fell 8.36 percent in the fourth quarter of 2008. The rare exception was in Australia where retail sales data showed a rise of 0.8 percent in the fourth quarter as shoppers took advantage of stimulus measures and falling interest rates. Back to English News homepage (verlinkt auf http://welt.de/english-news)
WELT
The German cabinet approved a law on Wednesday letting it nationalise banks, setting aside a reluctance to seize private property in the latest government intervention worldwide to tackle the financial crisis. The bill could lead to the forced nationalisation of struggling German lender Hypo Real Estate.
English-news
2009-02-18T11:03:31Z
2013-03-04T11:41:06Z
Germany approves law on bank nationalization
https://www.welt.de//english-news/article3226119/Germany-approves-law-on-bank-nationalization.html
Eskalation: FC Bayern ruft Eiszeit im Streit mit dem BVB aus
Es ist ja oft so bei einem Streit im Sandkasten, dass am Ende keiner mehr weiß, wer nun wem zuerst den Eimer weggenommen und dafür mit dem Schäufelchen auf den Kopf bekommen hat. Am Ende haben alle Nasenbluten, das Geheule ist groß und es wird mit vorgeschobener Unterlippe geschmollt. Willkommen in der Welt von Bayern München (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/) und Borussia Dortmund (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/borussia-dortmund/) . Auch hier weiß niemand mehr, wer nun eigentlich angefangen hat in einem Streit, der die Verantwortlichen der beiden deutschen Premiumklubs in Rage versetzt hat und den Rest der Liga klammheimlich schmunzeln lässt. Doch jeder weiß, wohin der Zoff geführt hat: Zum totalen Zerwürfnis zwischen den Süddeutschen und den Westfalen. „Wir brauchen keinen Friedensgipfel und auch kein Treffen mehr“, zeterte nun Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/) . In der Zukunft werde es auch keine gemeinsamen Mittagessen vor den Bundesligaspielen geben, führte er weiter aus. Ein solches hatte der BVB (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/borussia-dortmund/) vor dem vergangenen Aufeinandertreffen (verlinkt auf /sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article126877640/Borussia-Dortmund-demuetigt-den-FC-Bayern.html) demonstrativ abgesagt. Nun ist’s also Essig mit Kalbsfilet und getrüffeltem Kartoffelbrei: „Das ist vielleicht ein ehrlicherer Umgang, als wenn man sich trifft und dabei gegenseitig seine – nicht vorhandenen – Hochachtung versichert“, sagte Rummenigge. Doch wie konnte es nur so weit kommen? Wer hat zuerst mit Sand geworfen und wer zuerst geschubst? Eigentlich, so viel ist wohl sicher, hat das Ganze recht harmonisch angefangen. Die Dortmunder steckten 2004 finanziell arg in der Klemme, und so fragte der damalige Geschäftsführer Michael Meier freundlich in München an, ob die Bayern dem klammen BVB nicht kurzfristig mit zwei Millionen Euro aus der Patsche helfen könnten. Ein eher unübliches Verfahren in einem Business, in dem die Vereine sich normalerweise nicht mal den Dreck unter den Stollenschuhen gönnen. Doch der Branchenprimus gab sich generös, spendierte das Geld zinsfrei und die Borussen versprachen hoch und heilig, die Summe nach einem Monat zurückzuerstatten. Nach der Frist hatte der BVB allerdings erst 1,5 Millionen Euro zusammengekratzt und zurücküberwiesen. „Ich wäre lieber betteln gegangen“ Die verbliebene halbe Million sollte bis zum Saisonende im Sommer 2005 erstattet werden. Auf Wunsch von Michael Meyer, so die Aussage der Bayern, sogar verzinst mit fünf Prozent. So geschah es auch. So weit, so gut – doch das Darlehen des Erzfeindes gärte offenbar in der Dortmunder Seele. Hans-Joachim Watzke (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/hans-joachim-watzke/) , Nachfolger des BVB-Pleitiers Meyer, merkte jedenfalls 2012 an, er wäre lieber in der Fußgängerzone betteln gegangen anstatt die Bayern anzupumpen: „Du kannst unmöglich Geld von einem Wettbewerber nehmen. Das war eine der größten Sünden meines Vorgängers.“ Dabei hätte man es wunderbar belassen können. Doch, ach: Die Dortmunder schwangen sich – frisch erstarkt – zum Dauerkonkurrenten der Münchner auf und füllten nicht nur sportlich, sondern auch verbal diese neue Rolle aus. Denn es gehört ja quasi zum guten Ton, dass der jeweilige Rivale der Bayern auch vor den Mikrofonen zum Gegenpressing ausholt – Werders Willi Lemke (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/willi-lemke/) oder Leverkusens Christoph Daum sind dafür nur die prominentesten Beispiele. Und so stach Hans-Joachim Watzke der Hafer, als er vor einigen Wochen in einem Kicker-Interview erneut auf den Bayern-Kredit angesprochen wurde. Der FC Bayern habe keinen Beitrag (verlinkt auf /finanzen/geldanlage/article127115831/BVB-wirft-den-Bayern-Geschichtsverfaelschung-vor.html) zur Rettung von Borussia Dortmund geleistet, sagte er. Außerdem habe der Zinssatz acht Prozent betragen. Gekuschelt wird nicht mehr Letzteres war leider nachweislich falsch, was Watzke später zerknirscht einräumen musste. Da hatte die Münchner Kavallerie allerdings längst durchgeladen. Ein Vergleich zwischen Baron Münchhausen und Watzke wäre noch geschmeichelt, verkündete der designierte Bayern-Präsident Karl Hopfner (verlinkt auf /sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article126890260/Hoeness-Nachfolger-profiliert-sich-per-Tiefschlag.html) . Der Dortmunder verwehrte sich dagegen auf das Entschiedendste, und als der BVB Mitte April zum Ligaspiel nach München reiste, sagten Watze und Co. das traditionelle Mittagessen ab. Nun hat also Karl-Heinz Rummenigge nachgelegt. Natürlich können die Bayern den Emporkömmlingen nicht das letzte Wort überlassen, und so sagte Rummenigge auch die kommenden Mittagessen und jegliche weitere Treffen ab. „Dann haben wir aktuell eben ein wenig Eiszeit. Wir müssen hier nicht nur kuscheln“, sagte er. Angesichts des DFB-Pokalendspiels zwischen den beiden Klubs am 17. Mai sei an dieser Stelle die Prognose gewagt: Dieser Streit ist vermutlich noch nicht beendet, Dortmund ist am Zuge. Im Sandkasten ist weiter der Teufel los...
Lars Wallrodt
Seit Wochen zoffen sich die Bosse des FC Bayern und von Borussia Dortmund. Nun hat Münchens Vorstandsvorsitzender nachgelegt im Sandkastenstreit der Fußball-Giganten. Er sagt alle Treffen ab.
Sport
Fußball
2014-04-23T08:19:41Z
2015-09-21T13:11:44Z
FC Bayern ruft Eiszeit im Streit mit dem BVB aus
https://www.welt.de//sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article127213485/FC-Bayern-ruft-Eiszeit-im-Streit-mit-dem-BVB-aus.html
Kommentar: Merkel will von den Sünden der Politik ablenken
Nun ist es raus. Angela Merkels hat ihre Sicht auf die Finanz- und Euro-Krise offenbart: Erst stürzten die Banken die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise, so grollte sie gestern. Dann habe die Politik Konjunkturpakete auflegen müssen, und nun spekulierten die Banken auf die dafür notwendigerweise gemachten Schulden. Im Übrigen, so Merkel weiter, befinde man sich im Krieg mit den Märkten, im Krieg mit den Spekulanten. Die Kanzlerin hat die große Vereinfachungsmaschine angeworfen. Doch die muss schleunigst zum Stillstand gebracht werden. Denn der Beobachter spürt, dass hier nicht souverän und bedacht gehandelt wird, sondern aus Groll und Unsicherheit heraus. Beides sind keine guten Ratgeber. Ganz offenbar fühlt sich die Kanzlerin angesichts der neusten Entwicklungen beim Euro und auf den Aktienmärkten ohnmächtig – wie viele Politiker im In- und Ausland. Begleitet von Leitartiklern rufen sie nach einer Bändigung der angeblich so unmoralischen Geschäftemacher, oder rufen gar Demokratiealarm aus - als sei ein Finanzmarkt völlig undemokratisch und von bösen Geistern beherrscht. Dabei wirken die Aufschreie wie das sprichwörtliche Bellen der Hunde, die vor lauter Unsicherheit nicht mehr zum Beißen geschweige denn zu vernünftigem Handeln in der Lage sind. Und gepaart mit dieser Mutlosigkeit ist ein frappierendes Unverständnis für das ökonomische Geschehen zu erkennen. Im konkreten Fall vor allem eine tiefe Ignoranz gegenüber der eigenen Mitschuld an der so misslichen Situation. Denn die Gründe für die Finanzkrise 2.0 – als die wir sie angesichts von Euroverfall, Griechenlandpleite und Aktienkurseinbruch nun nennen dürfen – sind vielschichtig. Und es ist ein sträflich vereinfachtes Bild, wenn man bei ihrer Besichtigung den Scheinwerfer nur auf die Spekulanten richtet, eine durchaus unbestimmbare Gruppe von Banken und Hedgefonds. Tatsächlich haben sich auf den Märkten Geschäfte entwickelt, etwa der Handel mit sogenannten Kreditversicherungen für Staatsanleihen, die es hoch verschuldeten Ländern immer schwerer machen, aus einer klammen Lage herauszukommen. Sie lassen die potenzielle Zinslast ansteigen und verengen die Kreditkanäle immer drastischer. Doch in Wahrheit gibt es für solche Wett-Geschäfte immer auch Verkäufer, oder besser: Investoren, die genau anderer Meinung als die angeblichen Spekulanten sind. Allein deshalb stimmt das Bild vom Herdentrieb nicht, der vermeintlich selbst auf Kosten von Staatspleiten die Meute antreibt. Aber wenn dies nicht als Feindbild ausreicht, werden Verschwörungstheorien ins Feld geführt. Am populärsten ist: Hedgefonds – übrigens nichts als ein Überbegriff für Investorengruppen, die besonders risikoreiche, also nicht klassische Finanzmarktgeschäfte betreiben – hätten sich verabredet, erst Griechenland in die Pleite zu treiben und schließlich den Eurokurs in den Keller. Dazu passt freilich nicht, dass die Umsätze in den vergangenen Monaten bei Schuldpapieren aus Athen enorm groß waren. Selbst die größten Spieler am Markt können da kaum über mehr als zwei Prozent des Marktvolumens verfügen. Damit können sie kurzfristig die Nachfrage beeinflussen, aber nicht auf Dauer. Letzteres geht schon gar nicht auf dem gigantischen Euro-Devisenmarkt, auf dem täglich mehr als eine Billion umgesetzt wird. Natürlich lässt sich hervorragend auf gewisse Entwicklungen spekulieren, aber sicher sind diese noch lange nicht. Für eine längere Zeitspanne zu beeinflussen ist der Markt also nur kaum. Das muss er ja auch nicht, denn es gibt fundamentale Gründe für den Niedergang der Gemeinschaftswährung – und die liegen in der Politik der Euroländer begründet. Nicht allein Griechenland gehört zu den Schuldensündern par excellence. Mit wenigen Ausnahmen haben alle Euroländer jahrelang – und nicht erst zur Bankenrettung bzw. zur Konjunkturstützung – über ihre Verhältnisse gelebt, weite Teile ihrer Etats über Schulden finanziert. Sie haben Lasten in die Zukunft verschoben, wo künftige Generationen sie abtragen sollen. Übrigens Generationen, die fast überall weit kleiner sein werden als die Schuldenmacher-Generationen. Die Demografie will es so. Möglich war dieser Schuldenrausch in Wirklichkeit nur deshalb, weil die Finanzmärkte bereit waren, in historisch ungeahntem Maße Kredite auszuleihen. Das gelang obendrein nur, weil sie in der Lage waren, mit neuen Finanzinstrumenten Risiken weit zu streuen. Nur weil es also diese nun so gegeißelten Derivate gab, konnten die Regierungen sich in diesem Ausmaß berauschen. Letztlich war also die Politik zumindest Profiteur jener globalen Risikoverteilung, die am Ende selbst angesehene Investoren und Geldhäuser nicht mehr überblickten. Gleichzeitig – und das verstehen nun immer mehr Investoren – wurden die geborgten Summen wie in Griechenland ohne Sinn und Verstand unters Volk gebracht. Oder wie soll man interpretieren, dass griechische Beamte bis vor kurzem im Dienst weniger verdienten als in Pension? Da dies nun deutlich wird und mit jeder Schlagzeile immer mehr Menschen bewusst, ist es kein Wunder, dass die Bereitschaft zum Geldverleih an solchermaßen berauschte Staaten nachlässt. Dafür braucht man nicht die bösen Spekulanten und deshalb auch keinen Krieg gegen sie. Denn von einem anderen Blickwinkel betrachtet, legen die erst die wahren Sünden der Politik offen – nur etwas schneller als man hätte vermuten können. Die Schulden haben nun einmal nicht die Verleiher gemacht, sondern die Regierungen. Und weil dies auch Nicht-Ökonomen verstehen, wird die Unsicherheit immer größer. Im besten Fall greift eine Art ernüchterte Endzeitstimmung um sich. Gut zu spüren ist dies an der Wahrnehmung großer Summen: Eine Milliarde vor vier Jahren war gefühlt mindestens so viel wie heute zehn Milliarden. Nur das eigene Geld erscheint so (wenig) wert wie immer – oder gar noch weniger. So geht es natürlich auch den Investoren an den Finanzmärkten. Deshalb wird den Griechen eben kein Geld mehr geliehen. Ihnen wird jene Rechnung präsentiert, deren Begleichung die Europäer vielleicht nur dieses eine Mal zu leisten im Stande sind. Selbst wenn andere Euro-Länder eine solche Pleite erspart bleiben sollte, vermittelt die Politik den Eindruck von Unvernunft gepaart mit Unkenntnis und Unsicherheit.
Marcus Heithecker
Angela Merkel tut so, als befänden wir uns im Krieg mit den Spekulanten. Dabei haben die Euro-Länder den Niedergang ihrer Währung selbst herbeigeführt: Alle lebten über ihre Verhältnisse. Und es störte sie nicht, dass die Finanzmärkte diese Maßlosigkeit nur mit riskanten Instrumenten befriedigen konnten.
Politik
Deutschland
2010-05-07T12:43:21Z
2015-10-03T04:29:11Z
Merkel will von den Sünden der Politik ablenken
https://www.welt.de//politik/deutschland/article7519436/Merkel-will-von-den-Suenden-der-Politik-ablenken.html
Glatt rasiert: Miley Cyrus zeigt sich schon wieder nackig
Die Sängerin Miley Cyrus provoziert und polarisiert - und das im eher prüden Amerika. Doch ihren Followern scheint die nackte Skandalnudel zu gefallen.
WELT
Die Sängerin Miley Cyrus provoziert und polarisiert - und das im eher prüden Amerika. Doch ihren Followern scheint die nackte Skandalnudel zu gefallen.
2015-07-24T07:49:00Z
2016-12-16T14:33:13Z
Miley Cyrus zeigt sich schon wieder nackig
https://www.welt.de//videos/video144393374/Miley-Cyrus-zeigt-sich-schon-wieder-nackig.html
Tottenham: Als Heung-min Son die Folgen seines Fouls sieht, weint er
Es läuft die 78. Minute im Spiel des FC Everton gegen Tottenham Hotspur. Es steht 1:0 für die Gäste. An der Seitenlinie bringt Tottenhams Heung-min Son den enteilten André Gomes von hinten mit einem Foul zu Fall. Der kommt ins Straucheln, kracht dann noch mit Tottenhams Serge Aurier zusammen. Es ist nicht ganz klar, was letztlich zu der entsetzlichen Verletzung von Gomes führte. Das Foul von Son, dass der Schuh eventuell im Rasen hängen blieb oder die Einwirkung von Aurier auf den rechten Knöchel von Gomes. Der windet sich jedenfalls mit weit aufgerissenen Augen, schreiend und von Schmerzen geschüttelt auf dem Rasen. Wie der Verein später mitteilte, erlitt Gomes einen Knöchelbruch. Er soll an diesem Montag im Aintree Hospital operiert werden. Es gibt Stimmen, die sagen, es könnte aufgrund der Schwere der komplizierten Verletzung sogar zum Karriereende für den 26 Jahre alten Portugiesen kommen. Son sieht dafür sofort die Gelbe Karte von Schiedsrichter Martin Atkinson, doch das interessiert ihn in diesem Moment schon gar nicht mehr. Er blickt auf Gomes, den unnatürlich abknickenden Fuß und ihm wird bewusst, dass seine Aktion böse Folgen haben wird. Er schlägt die Hände an die Schläfen, winkt Evertons Ärzte herbei. Spieler beider Mannschaften und Zuschauer am Spielfeldrand wandten sich beim Anblick der üblen Verletzung schockiert ab. Große Geste von Evertons Kapitän Coleman Evertons Cenk Tosun ist einer der Ersten am Tatort, er hält Gomes’ Kopf. „Er schrie nur, ich konnte nicht verstehen was. Einige Spieler haben nach Fouls Schmerzen, er hatte ganz offensichtlich einen Schock“, erzählte Tosun später. Für Son ist das offensichtlich alles zu viel. Er bricht in Tränen aus, ist emotional tief berührt. Ein Betreuer nimmt sich seiner an, gibt ihm Halt, aber Son ist untröstlich. Ein paar Spieler von Everton realisieren, wie betroffen Son ist, versuchen ihn zu beruhigen. Tottenhams Trainer Mauricio Pochettino berichtete, dass Evertons Kapitän Seamus Coleman sogar noch mal in der Kabine vorstellig geworden war, um ihn aufzumuntern. Tenor: nicht deine Schuld, kein Vorsatz. In den Momenten nach dem Foul aber war Son erst mal nicht zu beruhigen. Dabei erwartete ihn zusätzlich noch Ungemach. Schiedsrichter Martin Atkinson versuchte, sich einen Weg durch den Son tröstenden Spielerpulk zu bahnen und aus der ursprünglich Gelben Karte eine Rote zu verhängen. Dieser Platzverweis für den früheren Hamburger und Leverkusener Bundesligaprofi hat nun im englischen Fußball die Debatte über den Videobeweis weiter angeheizt. Sons Verein kündigte nach dem schlussendlichen 1:1 (verlinkt auf https://sportdaten.welt.de/welt/ergebnisse-und-tabellen/fussball/england/saison-1920) Protest gegen die Rote Karte an, weil der Südkoreaner offenkundig erst unter dem Eindruck der TV-Bilder von der schweren Verletzung auf Anweisung des Videoschiedsrichters vom Platz gestellt worden war. „Der VAR hat Sons Tackling und die Szene zu beurteilen und nicht das, was danach passierte“, begründete Spurs-Teammanager Mauricio Pochettino den Einspruch der Londoner. Son hatte Gomes zwar attackiert. Die Fraktur erlitt der Europameister jedoch nach Ansicht mehrerer TV-Bilder und Zeitlupen mutmaßlich erst danach, als er durch die Einwirkung von Son auf Tottenhams Verteidiger Aurier prallte. „Die Rote Karte erfolgte wegen der Gefährdung der Gesundheit eines Spielers, die als Folge seines ursprünglichen Einsatzes eintrat“, begründete die Premier League in einer Mitteilung die Entscheidung für den nachträglichen Platzverweis gegen Son. In der achten Minute der Nachspielzeit hatte Tosun seinem Klub mit einem Kopfballtreffer noch das späte Remis gesichert. „Wenn ich den Treffer gegen einen gesunden Knöchel von Gomes eintauschen könnte, dann würde ich es tun. Wir alle“, sagte Tosun.
WELT
André Gomes vom FC Everton bricht sich im Spiel gegen Tottenham den Knöchel. Auslöser ist ein Foul von Heung-min Son. Der sieht dafür erst Gelb, dann doch noch Rot. Da wurde er aber längst von seinen Gefühlen übermannt.
Sport
Fußball
2019-11-04T13:21:59Z
2019-11-04T14:33:38Z
Als Son die Folgen seines Fouls sieht, weint er
https://www.welt.de//sport/fussball/article202953206/Tottenham-Als-Heung-min-Son-die-Folgen-seines-Fouls-sieht-weint-er.html
Michael Müller: Verschärfter Lockdown in Berlin – Schließung von Geschäften, längere Ferien
Berlin plant deutliche Einschränkungen für den Einzelhandel und Schulen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Das kündigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus an. „Wir werden den Einzelhandel herunterfahren müssen. Jenseits vom Lebensmitteleinzelhandel müssen alle anderen Shoppingangebote geschlossen werden, und zwar bis zum 10. Januar, es geht nicht anders“, sagte Müller in der Plenarsitzung. Ab wann das gelten soll, stehe noch nicht fest. Auch an den Schulen muss es aus Sicht des SPD-Politikers Konsequenzen geben: „Es gibt wahnsinnig viele Kontakte durch Schulgeschehen, durch den Unterricht. Und wir müssen Kontakte vermeiden“, sagte Müller. „Aus diesem Grund komme ich zu dem Ergebnis, dass wir unsere Schulferien bis zum 10. Januar verlängern müssen beziehungsweise es auch eine Variante ist, die Ferien am 4. enden zu lassen, aber die Schülerinnen und Schüler dann in einer digitalen Form oder auf andere Weise zu unterrichten.“ Müller kündigte an, er wolle das am Dienstag dem Senat vorschlagen. „Wir werden das miteinander beraten. Ich denke, es ist ein gangbarer Weg.“ „Nichts, womit man sich abfinden kann“ Ab wann das gelten soll, steht Müller zufolge noch nicht fest – es kann aber durchaus noch vor Weihnachten sein. „Ich kann Ihnen noch nicht konkret den Tag sagen, ob es nun der 23. ist oder der 20., weil wir das auch mit Brandenburg abstimmen müssen und abstimmen wollen“, sagte er. Müller verwies auf volle Intensivstationen und zweistellige Todeszahlen pro Tag in Berlin im Zusammenhang mit dem Coronavirus. „Das ist alles nichts, womit man sich abfinden kann.“ Absehbar ist, dass die Koalitionspartner von Linken und Grünen Müller auf seinem Kurs unterstützen. Nach Angaben des Berliner „Tagesspiegels“ (verlinkt auf https://www.tagesspiegel.de/berlin/es-geht-nicht-anders-mueller-kuendigt-corona-lockdown-in-berlin-bis-10-januar-an/25655678.html) hatte Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel in ihrer Rede erklärt: „Lasst uns 14 Tage das Virus zu Hause in Berlin aussitzen.“ Sie sprach sich dafür aus, Reisen zu Weihnachten auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und auf Verwandtenbesuche zu verzichten. Carsten Schatz, Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, nannte die Infektionszahlen dem „Tagesspiegel“ zufolge „viel zu hoch“. Er stellte die Berlinerinnen und Berliner darauf ein: „Vor uns liegen weitere schwere Wochen.“ „Es ist zu viel los“ Der Regierende Bürgermeister äußerte sich auch weiter zu den Geschäftsöffnungen. Auch am vierten Advent dürfen die Geschäfte wohl nicht zum vorweihnachtlichen Sonntagsshopping öffnen. „Das können wir nicht zulassen“, sagte Müller. Er habe sich die Situation am verkaufsoffenen Sonntag am 6. Dezember selbst auf der Tauentzienstraße, einer Einkaufsmeile in Charlottenburg und Schöneberg, angeschaut. „Es geht so nicht. Es ist viel los, es ist eine dichtes Gedränge auf den Straßen“, beschrieb Müller seine Eindrücke. Und wenn man sich überlege, dass am 20. Dezember noch Menschen aus Brandenburg in die Stadt strömten und kurz vor dem Fest das „typische Weihnachtsfieber“ ausbreche, „dann entstehen Situationen im Einzelhandel und auf den Geschäftsstraßen, die wir nicht akzeptieren können“. Müller weiter: „Es geht nicht in einer weltweiten Krise, in der Menschen sterben, dass wir sagen, uns ist dieser Adventssonntag wichtiger.“ Er bleibe dabei: „Die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner ist mir wichtiger als ein Shoppingerlebnis.“
WELT
Berlins Regierender Bürgermeister Müller (SPD) hat angekündigt, die Corona-Maßnahmen zu verschärfen. Einzelhandel und Schulen sollen geschlossen werden. Ein Zeitpunkt steht noch nicht fest, sie könnten schon ab dem 20. Dezember gelten.
Politik
Deutschland
2020-12-10T11:56:33Z
2020-12-10T11:56:33Z
Verschärfter Lockdown in Berlin – Schließung von Geschäften, längere Ferien
https://www.welt.de/politik/deutschland/article222195864/Michael-Mueller-Verschaerfter-Lockdown-in-Berlin-Schliessung-von-Geschaeften-laengere-Ferien.html
Joachim Hermann: Bayerns Innenminister warnt vor Salafisten-Terror
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt vor terrorbereiten Salafisten im Freistaat. "Wir müssen auf der Hut sein, weil die Gefahr salafistischer Straftaten auch in Bayern ganz klar gegeben ist", sagte Herrmann in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse". Er befürchte, dass die Vertreter der radikal-islamischen Bewegung "vor terroristischen Gewalttaten nicht zurückschrecken". Im Moment gebe es jedoch keine Anhaltspunkte für Anschlagsplanungen, sagte Herrmann. "Aber es gibt uns zu denken, dass bei großen Gewalttaten der jüngeren Vergangenheit – von den Soldatenmorden in Frankfurt (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/frankfurt-am-maIn/) am Main bis zu den Morden in Toulouse - die salafistische Ideologie eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat." Verbot schwierig Ein Verbot der Salafisten hält Herrmann für schwer möglich. Die Bewegung habe keine feste Organisationsstruktur, die man verbieten könne. Die Herausforderung für die Sicherheitsbehörden sei daher, die Szene möglichst genau zu beobachten. "Ich bin aber eindeutig dafür, dass man jemanden, der als Ausländer bei uns Hass predigt oder zu Gewalt aufruft, abschiebt. So etwas dulden wir nicht in unserem Land." Herrmann geht davon aus, dass in Bayern 450 Personen dem Salafismus anhängen, bundesweit sollen es 3.800 sein. Die Schwerpunkte lägen in München (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/muenchen/) , Augsburg (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/augsburg/) , Regensburg (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/regensburg/) und Bayreuth (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bayreuth/) . Bei Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei waren am Samstag in Bonn (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bonn/) 29 Polizisten verletzt worden, zwei durch Messerstiche schwer. Zu den Ausschreitungen war es am Rande einer Kundgebung der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Gruppierung Pro NRW gekommen. Daraufhin hatten Unionspolitiker ein Verbot der radikal-islamischen Bewegung gefordert.
WELT
Nach den blutigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Salafisten in Nordrhein-Westfalen ist auch Bayerns Innenminister Hermann besorgt. Er will die 450 Salafisten im Freistaat genau beobachten lassen.
Regionales
München
2012-05-10T09:45:33Z
2015-10-04T13:53:24Z
Bayerns Innenminister warnt vor Salafisten-Terror
https://www.welt.de//regionales/muenchen/article106284516/Bayerns-Innenminister-warnt-vor-Salafisten-Terror.html
Kritik an Lindner: „Viele Bürgergeldempfänger verlieren ihr Zuhause“
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, kritisiert den Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner (FDP), bei den Wohnungskosten für Bürgergeld-Empfänger zu sparen. Das Einsparpotenzial bei den Ärmsten sei „jetzt schon ausgesprochen gering, da die Wohnkosten bereits auf Angemessenheit überprüft werden“, sagte Engelmeier dem „ Redaktionsnetzwerk Deutschland (verlinkt auf https://www.rnd.de/wirtschaft/wirtschaftskrise-scholz-lindner-und-habeck-haben-keinen-gemeinsamen-plan-KYOT4IELIVG3ZLGLSAUNS5YA7I.html) “. „Eine Pauschalierung von Wohn- und Heizkosten hätte dramatische Folgen – viele Bürgergeldbeziehende (verlinkt auf /politik/deutschland/plus252884286/Buergergeld-Manche-habe-ich-seit-sechs-Jahren-nicht-gesehen-sagt-die-Jobcenter-Mitarbeiterin.html) würden ihr Zuhause verlieren, weil die Pauschale in ihrer Region nicht für die Mieten reicht“, fuhr Engelmeier fort. „Beim Bürgergeld immer wieder alle Betroffenen über einen Kamm zu scheren, führt nur zu noch mehr Stigmatisierung“, sagte sie weiter. Engelmeier forderte „vernünftige Unterstützungsangebote statt banalem Bashing und pauschalen Sanktionsverschärfungen mit Einsparandrohungen“. Lindner solle „auf der Suche nach einer zukunftsfesten Haushaltskonsolidierung (…) endlich an die Steuerprivilegien für Superreiche ran“, fügte Engelmeier hinzu. Wer als Alleinstehender Bürgergeld bezieht, erhält derzeit monatlich 563 Euro. Aktuell übernehmen die Kommunen in bestimmten Grenzen die Kosten für Miete und Heizung von Bürgergeld-Empfängern und ihren Familien. Der Bund unterstützt sie dabei. Von den 2,94 Millionen Bedarfsgemeinschaften, also in der Regel zusammenwohnende Familien, werden derzeit bei 2,73 Millionen Kosten der Unterkunft anerkannt – Kostenpunkt: 1,77 Milliarden Euro. Dazu kommen einmalige Ausgaben in Höhe von 43 Millionen Euro. Pro Bedarfsgemeinschaft werden im Schnitt 649,96 Euro bezahlt, pro Quadratmeter im Schnitt 11,82 Euro. Bund, Länder oder Kommunen – Wer zahlt für Lindners Bürgergeld-Pläne? Lindner hatte vorgeschlagen, die Erstattung der Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger auf eine Pauschale umzustellen, statt die tatsächlichen Kosten zu übernehmen. „Dann können die Leistungsempfänger entscheiden, ob sie eine kleinere Wohnung beziehen und wie sie heizen“, sagte der Finanzminister in einem Interview der „ Wirtschaftswoche (verlinkt auf https://www.wiwo.de/politik/deutschland/finanzminister-christian-lindner-geht-voll-auf-konfrontationskurs-zum-kanzler/30051254.html) “. „Ich glaube, dass wir hier Milliarden Euro einsparen können.“ Aktuell übernimmt das Jobcenter die Kosten für Unterkunft und Heizung „in angemessener Höhe“. Zudem hatte Lindner in dem Beitrag der „Wirtschaftswoche“ überlegt, den Rechtsstatus der ukrainischen Geflüchteten zu ändern und ihnen somit den Bürgergeld-Anspruch zu entziehen. Ihm schwebe eine Kombination „aus den Leistungen für Asylbewerber in Verbindung mit den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten (verlinkt auf /wirtschaft/article254149184/Kein-Buergergeld-fuer-Ukrainer-Lindners-fragwuerdiges-Wahlkampf-Getoese.html) des Bürgergeldes“ vor. „Ukrainer müssen wegen des Krieges in ihrer Heimat nicht eigens ein Asylbewerberverfahren durchlaufen“, erläuterte Lindner. „Sie sollten aber auf der anderen Seite nicht gleich ein Bürgergeld erhalten, das auf ein sozioökonomisches Existenzminimum mit gesellschaftlicher Teilhabe auch ohne Arbeit ausgerichtet ist.“ Offen ist, was Lindners Vorschlag in der Praxis bedeuten würde. Müssten Bund, Länder oder die Kommunen die neue Pauschale zahlen? Was, wenn betroffene Ukrainer trotzdem einen Asylantrag stellten und auf diesem Umweg ins Bürgergeld zurückgingen? WELT fragte im Finanzministerium nach. Ein Sprecher antwortete, dass „der Vorschlag des Ministers“ sich auf einen „grundsätzlich neu zu schaffenden Rechtsstatus“ beziehe. „Die konkreten Modalitäten wären in der weiteren Ausgestaltung zu beraten“, hieß es weiter.
WELT
FDP-Finanzminister Christian Lindner will beim Bürgergeld sparen und deshalb die Wohnkosten-Übernahme in eine Wohn-Pauschale ändern. Wer das zahlen soll, ist noch unklar. Der Sozialverband Deutschland warnt, dass dadurch viele Bürgergeld-Empfänger „ihr Zuhause verlieren“ könnten.
Politik
Deutschland
2024-10-31T11:17:37Z
2024-10-31T11:17:39Z
„Viele Bürgergeldempfänger verlieren ihr Zuhause“
https://www.welt.de//politik/deutschland/article254163982/Kritik-an-Lindner-Viele-Buergergeldempfaenger-verlieren-ihr-Zuhause.html
Menstruation: „Wir Frauen sind es gewohnt, uns zusammenzureißen“
Ihre erste Periode erinnert sie als „schrecklich“: „Ich war 13, besuchte über Silvester meine Cousine in Berlin und war überhaupt nicht auf meine Periode vorbereitet! Ich hatte keine Periodenprodukte dabei, und ich war zu unsicher, um es jemanden zu erzählen“, schreibt Britta Wiebe in ihrem Newsletter. Wiebe ist Gründerin des Hamburger Startups Vulvani, einem Bildungsportal „rund um Menstruation und zyklische Gesundheit“, das Onlinekurse und Informationen bietet. Auslöser für sie selbst, sich mit Mitte 20 näher mit dem Thema zu beschäftigen, waren Reisen. Im Ausland gab es nicht die gewohnten Produkte zu kaufen, da habe sie zum ersten Mal von „Free Bleeding“ gehört und sich gefragt, warum sie so wenig über ihren eigenen Körper wusste: „Wir beschäftigen uns andauernd mit der Außenwelt und wissen so vieles über alles Mögliche – nur über uns und unsere Innenwelt nicht“, so Wiebe. Im Austausch mit ihrem Partner Jamin Mahmood entstand die Geschäftsidee zu Vulvani. Das Unternehmen verdient mit ihren selbst produzierten Kursen und durch Kooperationen mit Unternehmen Geld. Im Oktober 2019 startete Wiebe, die einen Bachelor in Mehrsprachiger Kommunikation und einen Master in Lateinamerikastudien hat, zunächst ein Onlinemagazin auf vulvani.com (verlinkt auf https://www.vulvani.com/) . Sie schrieb Artikel über das Prämenstruelle Syndrom, Yogaübungen während der Periode und natürliche Familienplanung. „Anfangs habe ich über Dinge geschrieben, die mich selbst interessieren“, erinnert sie sich. Das Feedback sei durchweg positiv gewesen, auf ihrer Seite konnte sie sehen, dass Leserinnen über die Googlesuche auf die Artikel stießen. Daraufhin machte sie in einem Fernkurs bei einem US-amerikanischen Anbieter noch eine Ausbildung zur Zyklusberaterin. Ihr Partner Mahmood ist Betriebswirt und hat bereits Gründungserfahrung. Mit „Kojo People“, einem Konzept mit Gastronomie, Einzelhandel und Co-Working-Space rund um das japanische Streetfood-Restaurant „Sando & Ichi“ in der Langen Reihe gewannen er und sein Businesspartner 2018 den Deutschen Gastro-Gründerpreis. Zudem verkauft er über einen Webshop Berufsbekleidung. Zusammen gründete das Paar 2021 die Vulvani UG, seither wächst der Zuspruch für die angebotenen Online-Kurse. An der Universität Hamburg holten sie sich Gründungsberatung, gewannen Stipendien, Mentoring- und Förder-Programme. Noch 2021 wurde Wiebe von der Plattform Hamburg Startups zu einer von drei „Gründerinnen des Jahres“ gewählt. Sie findet: „Hamburg als Gründerstadt hat uns auf unterschiedlichen Ebenen gefördert, es gibt hier so viele Möglichkeiten – wir haben alle genutzt und wurden immer mit offenen Armen empfangen.“ Vorbehalte habe es auch mal gegeben, berichtet Mahmood. „Zum Teil war das inhaltliche Kritik, manchmal aber auch ein grundsätzliches Unverständnis, sich diesem Thema zu widmen.“ Ein gemischtgeschlechtliches Gründungsteam zu sein, sei ein Vorteil. „Das kam überall gut an. Männer stellen Männern andere Fragen, vielleicht trauen sie sich da, direkter zu sein“, so Mahmood. Wiebe mutmaßt: „Wenn ich unsere Ideen allein präsentiert hätte, hätten manche Investoren oder Jurys vielleicht anders reagiert, weniger aufgeschlossen, schamhafter.“ Entgegen ihrer Erwartung seien männliche Gegenüber oft sogar aufgeschlossener gewesen als Frauen, so Mahmood. Vielleicht eine Frage der Sozialisierung, meint Wiebe: „Wir Frauen sind es gewohnt, uns zusammenzureißen und kein Aufhebens um unsere Periode zu machen, sondern sie bloß nicht als Schwäche zu zeigen.“ Mittlerweile hat sich zwar einiges getan. Nicht nur ist die Menstruation nun nachrichtentauglich – zuletzt wurde über eine Ankündigung Spaniens diskutiert, Arbeitnehmerinnen bei Regelschmerzen Krankentage zu gewähren. Kurz vorher hatte die 19-jährige Tennisspielerin Qinwen Zheng nach ihrem French Open-Aus offen über starke Unterleibsschmerzen gesprochen (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/tennis/article239105389/French-Open-Zheng-Qinwen-Ich-wuenschte-ich-waere-ein-Mann-auf-dem-Platz.html) . Auch die Wirtschaft hat das erkannt: Ob Einweg-, wiederverwertbar, nachhaltig hergestellt oder konventionell – die Produktpalette hat sich von Tampons und Binden über auslaufsichere Periodenslips, Menstruationstassen und zig anderen Hilfsmitteln stetig erweitert. Auf Instagram und TikTok beschäftigen sich Influencerinnen nun öffentlich mit ihrem Zyklus und damit zusammenhängenden Problemen. Die wohl bekannteste „Menstruationsaktivistin“ und Buchautorin ist die Berlinerin Franka Frei (verlinkt auf https://www.welt.de/kultur/plus230322975/Die-Hoehle-der-Loewen-Darum-nervt-der-Shitstorm-ueber-Pinky-Gloves.html) , die mit einer Lesung für das MS Artville Festival am 28. Juli angekündigt ist. Sie sagt, die Periode sei politisch: „Frauen wurden jahrzehntelang von wichtigen Sphären ferngehalten. Heute läuft das subtil. Noch immer erfahren wir einmal im Monat das Gefühl, eklig zu sein. Das macht was mit unserem Selbstbewusstsein.“ Auch Wiebe ist überzeugt: „Es liegt noch ein superlanger Weg vor uns.“ Sie setzt auf Enttabuisierung, hält Vorträge in Universitäten, begleitete ein Forschungsprojekt an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Noch immer gilt der männliche Körper als Norm für Forschung und Wissenschaft „Wir wollen sensibilisieren und aufklären: Der weibliche Körper funktioniert einfach anders als der männliche“, so Wiebe. Tatsächlich gilt der männliche Körper immer noch als Norm für Forschung und Wissenschaft – und damit auch für viele Produkte. Beispiele dafür sind oder waren Crash Test Dummies, Berufs- oder Schutzkleidung, Medikamente. Dass die Besonderheiten des weiblichen Körpers oft nicht berücksichtigt werden, kann sogar lebensbedrohlich sein, wenn es beispielsweise um den korrekten Sitz von Sicherheitsgurten, das Erkennen von Krankheitssymptomen oder die Dosierung von Medikamenten geht. Darüber ärgert sich Wiebe: „Die Begründung für überwiegend männliche Testpersonen in medizinischen Studien ist, dass mit dem weiblichen Körper keine gesicherten Ergebnisse möglich seien, weil dieser zu starken Schwankungen ausgesetzt ist – dabei ist das ja genau das der Grund, warum wir mitgedacht und mit erforscht werden müssen!“ Um gleich die jungen Betroffenen zu informieren, hat Vulvani jüngst den Onlinekurs „Die erste Periode“ produziert: Die vier Folgen „Veränderungen im Körper“, „Fit für die erste Menstruation“, „Produkte für die erste Periode“ und „Wohlfühlen mit dem Zyklus“ kosten 59 Euro. Nicht ganz billig, aber, so Wiebe, man könne ihn ja gemeinsam ansehen. Aktuell verzeichnet Vulvani nach eigener Aussage bis zu 25.000 Seitenaufrufe monatlich, rund 500 Anmeldungen zu den bislang 13 Onlinekursen gibt es. Das Gründerteam hofft auf mehr. „Wir wollen der Marktplatz werden für alle Menschen, mit Expertinnen und Experten, die von der ersten Periode über Kinderwunsch, Mutterschaft bis hin zur Menopause alle Themen behandeln“, so Mahmood.
Anne Klesse
Noch viel zu oft sprechen Menschen mit Scham über das Thema Menstruation. Das Hamburger Start-up Vulvani klärt über den weiblichen Zyklus auf. Das gemischtgeschlechtliche Gründerteam will das Thema enttabuisieren und neue Lösungen anbieten.
Regionales
Hamburg
2022-06-30T04:39:58Z
2022-06-30T04:39:58Z
„Wir Frauen sind es gewohnt, uns zusammenzureißen“
https://www.welt.de//regionales/hamburg/article239588745/Menstruation-Wir-Frauen-sind-es-gewohnt-uns-zusammenzureissen.html
Karrierepause: Wie man die Freistellung sinnvoll für sich nutzt
Was tun in der Freistellung? Die/der eine oder andere von Ihnen kennt es: das zugegebenermaßen seltene Glücksgefühl, für das Nichtstun bezahlt zu werden. Häufig wird im Rahmen einer unfreiwilligen Beendigung des Arbeitsvertrages in der Aufhebungsvereinbarung eine bezahlte Freistellung vereinbart. Diese kann von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten dauern. Zunächst lässt sich die Freude über die gewonnene Zeit nutzen, um endlich einmal zu reisen, den Dachboden aufzuräumen, den Carport zu Ende zu bauen und so weiter. Aber wenn das alles geschehen und immer noch einiges an Freistellungszeit übrig ist, kommt immer drängender das Ansinnen, jetzt wäre dann doch der richtige Zeitpunkt, dass ein neuer Arbeitsvertrag unterschrieben sein könnte. Dieser lässt sich allerdings nicht auf einen exakten Zeitpunkt herbeiwünschen, sondern hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab und ist nicht zuletzt das Ergebnis einer ebenso systematischen wie professionellen Bewerbungsarbeit. Ehrenamtlich ist ehrenvoll Da das Warten jedoch anstrengender als das Tun ist und nicht der ganze Tag nur mit Bewerbungsaktivitäten gefüllt sein kann, stellt sich die Frage, wie denn die Zeit genutzt werden kann, bis endlich die neue berufliche Aufgabe ansteht. Insbesondere von einer Führungskraft wird später hierzu eine Aussage erwartet. Damit ist dann weniger das wöchentliche Sporttraining zu verstehen. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass man selbstwirksam aktiv geworden ist. Dafür gibt es nach meiner Erfahrung nur zwei Möglichkeiten, die von der Außenwelt, also einem potenziellen neuen Arbeitgeber, akzeptiert werden: entweder eine zielgerichtete berufliche Fortbildung, die sich zu dem eigenen beruflichen Ziel sinnvoll einfügt. Da aber bekanntermaßen nur der den Weg gehen kann, der das Ziel kennt, wird in der Beratung häufig zunächst einmal eine Zielklärung vorgenommen. Alternativ wird in Vorstellungsgesprächen aber auch zunehmend eine weitere Variante für das sinnvolle Nutzen der Zeit anerkannt: die Ausübung einer anspruchsvollen ehrenamtlichen Tätigkeit. Diese muss nicht notwendigerweise mit dem Fachgebiet zusammenhängen. So kann es zum Beispiel bei einem Verein um die Koordination des längst fälligen Clubheimes gehen, es kann um die Planung und Durchführung einer Fundraising- Kampagne gehen oder auch um konkrete Nachbarschaftshilfe. Eine mehr als willkommene Gelegenheit dürfte zudem gerade jetzt auch die aktuelle Flüchtlingssituation in unserem Land sein. Ganz nebenbei verhilft mancherorts eine solche ehrenamtliche Tätigkeit zu der Erkenntnis, über welche verborgenen wie auch nützlichen Fähigkeiten man als Führungskraft sonst noch verfügt und unmittelbar Gutes getan werden kann. Zusätzlich gibt es einem wieder Bodenhaftung. Und das ist für Führungskräfte bekanntlich auch nicht das Schlechteste. Thomas Wüllner ist Geschäftsführer und Experte für Karriereberatung und Einzel-Outplacement des Beratungsunternehmens P4 Career Consultants (verlinkt auf https://www.p4career.de/)
Thomas Wüllner
Plötzlich bezahlt freigestellt: Gerade Führungskräfte sollten sich dann überlegen, wie sie die Zeit für die nächste Aufgabe sinnvoll gestalten können. Das muss aber nicht immer eine Fortbildung sein.
Wirtschaft
Karriere
2015-09-05T07:53:33Z
2021-10-13T20:22:12Z
Wie man seine Freistellung sinnvoll für sich nutzt
https://www.welt.de//wirtschaft/karriere/article146065219/Wie-man-seine-Freistellung-sinnvoll-fuer-sich-nutzt.html
Nachbarschaft in Quarantäne: Wie vermeidet man Konflikte?
Ein menschengroßer Bohrer, Flip Flops mit Steinsohle und jemand, der einen Sessel durch den Raum schiebt. All das ist auf dem Meme zu sehen, das zur Zeit der Kontaktsperre die Runde in den sozialen Medien macht. Betitelt ist es mit „Your upstairs neighbor starter pack“, zu Deutsch: „Das Starterpaket für deinen Nachbarn über dir“. Es ist ein Meme, das den Nerv vieler trifft, die sich jetzt, wo viele Menschen zu Hause bleiben um die Ausbreitung des Covid-19 Virus zu verlangsamen, täglich wundern, was die Nachbarn von oben da eigentlich so treiben.   Schließlich lernt man seine Nachbarn jetzt erst so richtig kennen. Inklusive Musiklärm, Sexgeräusche, Stampfen oder Streitereien. Und weil das Zuhause nun gerade auch gleichzeitig Homeoffice ist und die Nerven des ein oder anderen sowieso schon blank liegen, nimmt man diese Geräusche nicht einfach nur wahr, sie können einen mitunter auch auf die Palme bringen. Wer dann wutentbrannt in seiner Wohnung hockt, dem bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: sich zu beschweren oder es zu lassen. Sozialwissenschaftler Sebastian Kurtenbach von der Fachhochschule Münster rät zu Letzterem: „In der angespannten Situation ist gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis für die besonderen Umstände angebracht.“ Wer sich allerdings so massiv gestört fühlt, dass er seinem Alltag nicht mehr nachgehen kann, sollte das Gespräch mit dem Nachbarn suchen. „Meistens hilft das schon, um Konflikte zu lösen“, so der Sozialwissenschaftler. Wichtig sei es einerseits sachlich zu formulieren was einen stört und andererseits die Bereitschaft zuzuhören. Denn gerade jetzt braucht es ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft und des gegenseitigen Respekts. „Normalerweise kommt es in den seltensten Fällen überhaupt zu juristischem Streit zwischen Nachbarn (verlinkt auf https://www.welt.de/icon/partnerschaft/article185651912/Freundschaft-Einsamkeit-und-das-Glueck-der-Nachbarschaft.html) “, sagt Sebastian Kurtenbach. „Dann werden erst einmal Schlichtungsstellen eingeschaltet. Aber die Fallzahl ist, im Vergleich zu der Anzahl der Nachbarn die es in Deutschland gibt, überschaubar.“ Was außerdem hilft: das Wissen, dass es anderen gerade ähnlich geht, Kopfhörer und Ohropax, sowie die Erkenntnis, dass es durchaus noch schlimmer hätte kommen können. Und ja, auch das Teilen von Memes kann helfen, den Konflikt mit Humor zu sehen und ihn in das Gesamtbild, nämlich die besondere Situation in der sich nun mal ausnahmslos alle befinden, einzuordnen. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt man doch so schön. Deswegen berichten an dieser Stelle sechs Bewohner von ihrer ganz speziellen Nachbarschaftssituation in Zeiten häuslicher Quarantäne. Zigarettenqualm und Morddrohungen Ich glaube, dass wir aktuell die Horror-Nachbarn sind. Eigentlich haben wir uns immer sehr gut mit den Nachbarn von oben verstanden. Seit drei Jahren wohnen wir nun schon beide im Haus. Nachdem mein Freund und ich anderthalb Jahre nicht geraucht haben, haben wir jetzt wieder angefangen und stehen nun im Homeoffice (verlinkt auf https://www.welt.de/icon/partnerschaft/article206768047/Was-man-in-Video-Konferenzen-ueber-die-Kollegen-lernt.html) etwa alle zwei Stunden auf dem Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Seit Kurzem hören wir es dann immer von oben wütend auf den Boden stampfen. Eigentlich hatten wir wegen der besonderen Situation extra Zeiten mit den Nachbarn vereinbart. Und eigentlich präsentieren die sich sonst auch immer als entspannte Surfertypen, aber bei dem Qualm hört die Akzeptanz anscheinend bei ihnen auf. Neulich jedenfalls meine ich das Wort „umbringen“ vernommen zu haben. Christine und Peter, 36 Jahre Ein Gitarrenspielender Einsiedler Wohnungsbesichtigungen dauern ja in der Regel nicht sehr lange und geben nur einen bedingten Einblick in die Wohnverhältnisse vor Ort. Bei mir waren es zehn Minuten, bevor ich mich vor drei Wochen auf den Altbautraum beworben und einen Tag später den Zuschlag bekommen hatte. Als ich dann nach der Schlüsselübergabe alleine in der Wohnung stand, vernahm ich es erstmals – das Gitarrenschrammeln. Inzwischen hat sich das ganze Ausmaß bemerkbar gemacht: mein Nachbar musiziert mindestens fünf Stunden am Tag und zwar wann immer es ihm gerade passt. Morgens um acht, genauso wie spätabends um 23 Uhr und mitten am Tag – und zwar deutlich über Zimmerlautstärke. Für das Homeoffice ist das natürlich alles andere als optimal. Neulich bin ich dann mal hochgegangen, um zumindest das Gespräch zu suchen und vielleicht sogar feste Zeiten für das Musizieren zu vereinbaren. Doch der Nachbar hat auf Klingeln und Klopfen gar nicht erst reagiert. Ich bin mir auch nicht sicher, ob er es in Zukunft tun wird. Im Türschlitz steckte, so dass sie beim Öffnen herunterfallen würde, eine schriftliche Benachrichtigung des Gasanbieters mit Bitte um Rückmeldung. Mein Nachbar ist offensichtlich nicht ganz unerfahren was die Selbstisolation angeht: das Datum der Ausstellung war der 14.2.2019. Karoline, 32 Jahre Buletten à la Knoblauch Jeden Vormittag durchzieht der Zwiebelgeruch das Treppenhaus, durchdringt selbst meine Wohnungstür und bahnt sich seinen Weg bis in mein Wohnzimmer. Ich vermute Buletten scheinen das Lieblingsgericht meiner Nachbarn im ersten Stock zu sein. Gerne auch gewürzt mit einer nicht unbeträchtlichen Portion Knoblauch (verlinkt auf https://www.welt.de/icon/essen-und-trinken/article200354762/Kochrezept-Suppe-aus-Mangold-Linsen-und-Sumach.html) . Eine Dunstabzugshaube gehört in diesem Haushalt offensichtlich nicht zum Standard. Am Abend wiederholt sich das Ganze. In Panik reiße ich mehrmals am Tag die Fenster auf, damit sich der Zwiebelgeruch nicht in meinen Polstermöbeln einnistet oder gar in meinem Kleiderschrank oder Bettzeug. Nur mit Mühe bringe ich für den Gestank Verständnis auf – und dafür, dass die Kontaktsperre offensichtlich bei manchen Menschen einen enormen Appetit auslöst. Schließlich fehlen die Endorphine, die bei Bewegung ausgeschüttet werden und durch das Serotonin üppiger Mahlzeiten ersetzt werden müssen. Beschweren will ich mich nicht, schließlich könnte es auch noch schlimmer kommen. Aber das Ende der Quarantäne sehne ich trotzdem herbei. Vielleicht räche ich mich vorher noch mal mit gebratenem Fisch. Dorothea, 63 Jahre Party im Wohnheimzimmer Ich wohne in einem Studentenwohnheim in Marburg. In dem zweietagigen Haus leben momentan elf Personen. Die Waschräume, zwei Toiletten und zwei Duschen benutzen wir gemeinsam, ebenso die Küche. Ein Waschbecken befindet sich in jedem der acht Quadratmeter großen Zimmer. Kontaktsperre ist unter diesen Umständen schwierig, selbst wenn man einander aus dem Weg zu gehen versucht, bleiben die Hygieneumstände (verlinkt auf https://www.welt.de/icon/service/article206438967/Coronavirus-So-schafft-man-es-sich-nicht-staendig-ins-Gesicht-zu-fassen.html) prekär. Und auch wenn ich mir regelmäßig die Hände wasche, weiß ich nicht, ob meine Mitbewohner das auch tun. Natürlich fällt es schwer, die Isolation nicht gemeinsam zu nutzen. So ganz verboten ist es ja auch nicht, denn mit den Personen im eigenen Haushalt darf man sich ja nach wie vor treffen. Aber in unserem Fall kommen dann eben schon mal an die zehn Leute zusammen. Mich stört das ziemlich, aber ich traue mich nicht so richtig etwas zu sagen. Wenn ich abends mal wieder zu einer Party in einem der Mini-Zimmer eingeladen werde, rede ich mich deshalb mit meiner Bachelorarbeit raus, die muss sowieso gerade fertig werden. Maja, 24 Jahre Etagenübergreifende Solidarität In meinen bisherigen Wohnungen habe ich nie den Kontakt zu den Nachbarn gesucht oder gepflegt. Ein freundschaftliches Zusammenwohnen oder ohne komisches Gefühl beim Nachbarn klingeln und nach fehlenden Backzutaten fragen, kannte ich nur von Erzählungen oder aus Filmen. Irgendwie ist Berlin ja auch bekannt für diese Anonymität und ich habe mich damit auch irgendwie arrangiert und sie sogar zu schätzen gelernt. Beim Umzug in meine neue Wohnung vor einem Jahr wollte ich dem Ganzen dann aber doch mal eine Chance geben und herausfinden, wie meine neuen Nachbarn auf einen Willkommensgruß reagieren. Also habe ich mich bei allen per handgeschriebenem Zettel im Briefkasten vorgestellt und direkt zu meiner Einweihungsparty eingeladen, zu der dann sogar einige (mit Geschenken und Getränken!) vorbeigekommen sind. Wer hätte damals gedacht, dass ich mal so viel mehr Zeit in meiner Wohnung verbringen würde als geplant. In Zeiten häuslicher Quarantäne zahlt sich das nun aus: Ich wurde bereits mit frisch gebackenem Brot versorgt und Engpässe beim Mehl, Klopapier oder Hafermilch konnten bisher etagenübergreifend gedeckt werden. Und auch der ein oder andere Tag mit lauter Musik und offener Balkontür im Sommer wird so vermutlich eher geduldet als ohne die Kontaktaufnahme. Isabell, 42 Jahre Röhrende Kamele in der Nacht Bis vor Kurzem wohnte in unserem Nebenhaus auf der gleichen Etage wie wir eine ältere Dame – mit der wir uns regelmäßig über den Balkon hinweg unterhielten. Sie war eine ruhige Zeitgenossin, die ab und an Klavier spielte, sonst aber nicht zu hören war. Seit einigen Tagen nun wohnt jemand anderes in dieser Wohnung – ein blonder Dutt, den man ab und an auf dem Balkon sitzen sieht. Und neuerdings auch hört – in der Nacht. Das erste, was mir in den Sinn kam, war ein röhrendes Kamel, obwohl ich nicht mal weiß, welche Geräusche Kamele genau von sich geben, aber so in etwa muss das klingen. Begleitet wurde das Röhren von einem sehr rhythmischen und vor allem ausdauernden Bett-gegen-Wand-knall-Geräusch. Eigentlich ist es ganz amüsant, einmal habe ich die Zeit gestoppt – und meinen Freund gefragt, ob ihn das Ergebnis unter Druck setze. Ja, man kann laute Nachbarn in der Nacht auch mit Humor nehmen, zumindest 20 bis 30 Minuten lang – andernfalls helfen Ohrstöpsel der besseren Sorte. Sophie, 35 Jahre Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook (verlinkt auf https://www.facebook.com/ICONISTbyicon/) , Instagram (verlinkt auf https://www.instagram.com/iconistbyicon/) und Twitter (verlinkt auf https://twitter.com/ICONISTbyicon) .
Maria-Antonia Gerstmeyer
In Zeiten häuslicher Quarantäne lernt man seine Nachbarn erst so richtig kennen, inklusive Sexgeräusche, Solidarität oder Streitereien. Wie sechs Bewohner ihre Nachbarschaft gerade erleben – und was ein Soziologe bei Konflikten rät.
Iconist
Partnerschaft
2020-04-03T05:36:06Z
2020-04-03T05:36:06Z
„Vielleicht räche ich mich noch mal mit gebratenem Fisch“
https://www.welt.de//iconist/partnerschaft/article206895679/Nachbarschaft-in-Quarantaene-Wie-vermeidet-man-Konflikte.html
Seltene Krankheit: Erste Behandlung des „Baummanns“ erfolgreich
Die Behandlung eines 26-jährigen Mannes aus Bangladesch, der in extremer Weise an einer seltenen Hautkrankheit leidet und wegen starker Wucherungen an Händen und Füßen als „Baummann“ bekannt ist, zeigt erste Erfolge. „Die erste Operation hat mir Hoffnung gemacht“, sagte Abul Bajandar der Nachrichtenagentur AFP. Der Direktor der Universitätsklinik in Dhaka, Samanta Lal Sen, sagte am Sonntag, möglicherweise seien rund ein Dutzend weitere Operationen erforderlich. Wucherungen wiegen mindestens fünf Kilogramm Bajandars Wucherungen erreichten zuletzt ein Gesamtgewicht von mindestens fünf Kilogramm. Der 26-Jährige leidet an der Krankheit Epidermodysplasia verruciformis, einer extrem seltenen, genetisch bedingten Hautkrankheit. Die Wucherungen setzten vor zehn Jahren ein, doch richtig schlimm wurde es vor vier Jahren, wie Bajandar selbst berichtete. Am Samstag entfernte ein Ärzteteam an der rechten Hand einen Teil der Wucherungen. Dabei seien auch die Finger gerichtet worden, sagte der Klinikdirektor. „Es geht ihm jetzt besser.“ Bajandar wurde durch seine Erkrankung zu einer kleinen Berühmtheit. Sowohl in seinem Heimatbezirk Khulna als auch im Krankenhaus erhält er von Hunderten Menschen Besuch. Bajandar sagte, er werde die Behandlung ungeachtet ihrer Dauer fortführen. „Ich möchte nicht in mein Dorf zurück, ohne dass meine Hände und Füße in Ordnung sind.“ Tests ergaben, dass die Erkrankung Bajandars kein Krebsleiden ist. Die Regierung Bangladeschs sagte zu, die Kosten für die Behandlung zu tragen.
WELT
Als er 16 war, begannen sich seine Hände und Füße zu verändern. Wegen seiner seltenen Krankheit wird Abul Bajandar aus Bangladesch der „Baummann“ genannt. Nun, mit 26, wurde er erstmals operiert.
Vermischtes
2016-02-28T10:30:45Z
2016-02-29T07:56:47Z
Erste Behandlung des „Baummanns“ erfolgreich
https://www.welt.de//vermischtes/article152726436/Erste-Behandlung-des-Baummanns-erfolgreich.html
Star-Tenor: Wie Rolando Villazón mit seiner Krise umgeht
Im Jahr 2005 schien die große Bühne bereitet: Für die meisten Opernliebhaber war Rolando Villazón, der mexikanische Tenor mit österreichischen Wurzeln, der lange gesuchte Nachfolger für Luciano Pavarotti und Plácido Domingo. So schneidig, feurig, emotional mitreißend wie Villazón hatte sich seit deren besten Tagen kein Tenor mehr zum Weltruhm gesungen. Dann kamen die Probleme: erste Absagen, 2007 schließlich ein mehrmonatiger Rückzug wegen eines Burn-out-Syndroms. Der Comeback-Versuch endete jäh im April 2009: Villazón musste sich eine Zyste am Stimmband operativ entfernen lassen. Seit Anfang des Jahres ist er wieder da, aber mittlerweile plagt er sich wieder mit Erkrankungen und Absagen herum: Im Juli musste er bei den Münchner Opernfestspielen zweimal passen, Anfang August gar einen Konzertauftritt im Kopenhagener Tivoli nach sieben Minuten beenden. Danach dauerte es ein paar Tage, bis der Veranstalter zusicherte, die Besucher bekämen das Geld für ihre teuren Karten zurück. Mitte August hatte er bei den Salzburger Festspielen einen Liederabend angesetzt. Die Urteile waren niederschmetternd. Und Ende August hieß es, er werde nicht wie vorgesehen am 6. und 9. September den Rodolfo in "La Bohème" in der Wiener Staatsoper singen. Ursachen-Suche für missratene Auftritte Wilde Spekulationen folgten, und mittlerweile lesen sich die Berichte über Villazóns Auftritte, als wären sie nicht von Musikkritikern, sondern von HNO-Ärzten verfasst. Trägt ihn die Stimme noch in die Höhenlagen? Ist der Klang verschattet? Strengt er sich zu sehr an - oder weicht er den Anstrengungen aus? Es muss für ihn die Hölle sein. Jedes Mal, wenn er eine Bühne betritt, belauert ihn sein Auditorium, auch die, die nur gekommen sind, weil er ein Star ist - und das subtile Gehör gar nicht haben, das man bräuchte, um einen Tenor angemessen beurteilen zu können. Denn alle wissen, zumindest vom Hörensagen: Villazón, das ist der Mann, der zum König der Tenöre hätte werden können. Und dann suppte ihm die Stimme weg. Es gibt viele Theorien darüber, was ihm widerfahren ist: Er hätte zu viele Engagements angenommen, sei in zu viele Engagements hineingeredet worden. Er hätte zu jung zu viel gesungen - und deswegen sozusagen keine stimmlichen Rücklagen bei Überbeanspruchung gehabt. Er hätte die falschen Partien gewählt, sich aufs falsche Repertoire geworfen. Ganz böse Menschen sagen ihm auch nach: So gut, wie er am Anfang seiner Karriere gemacht worden sei, wäre er in Wirklichkeit nie gewesen. Villazón selbst hat über die Komplikationen der letzten Wochen hartnäckig geschwiegen. Aber Schweigen, sagt er, entspricht nicht seinem Wesen. Wie sollte es auch, immerhin betreibt er seit anderthalb Jahrzehnten eine Psychoanalyse. Als wir uns in der mexikanischen Botschaft in Berlin in einer Couchecke niederlassen, sind sofort die Schuhe weg, das Gespräch führt der Sänger im Yogasitz. Villazón leidet an Reflux Herr Villazón, Sie gelten als Mensch, der gerne sagt, was er denkt. Neigen Sie dazu, sich um Kopf und Kragen zu reden? "Vielleicht war ich lange Zeit zu offen, aber ganz ehrlich: Ich kann es nicht ausstehen, irgendeinen Mist zu erzählen. Bevor ich etwas sage, was ich nicht fühle, gebe ich lieber gar kein Interview. Zu Beginn meiner Karriere sagten mir die Leute: Erzähl nicht, dass du eine Psychoanalyse machst. Man wird das gegen dich verwenden. Ich dachte nur: Mein Gott, das ist doch nichts Schlimmes, alle möglichen Leute machen das. Also, was soll's?" Ihr nächster großer Auftritt sollte "La Bohème" an der Wiener Staatsoper werden, jetzt im September. Warum mussten die beiden Termine abgesagt werden? "Ich hatte einen schwierigen Sommer, und obwohl ich mich stimmlich sehr gut fühle, war es einfach nicht der richtige Moment. Ich habe die letzten Wochen an Reflux gelitten, einer entzündlichen Erkrankung der Speiseröhre. Das ist eine beherrschbare Sache, acht von zehn Sängern haben das einmal. Es gibt Medikamente gegen die Säurebildung, die ich jetzt nehme. Von da an ist es eine Frage der Disziplin: Was esse ich, wann gehe ich schlafen. All das hat nichts mit meiner Operation von 2009 zu tun, die ist sehr gut verlaufen." Villazón redet mit lauter und klarer Stimme, ganz wie man es von einem Sänger seines Schlages erwartet würde. Mehrmals ist allerdings deutlich zu sehen und zu hören, wie ihn immer noch seine Magensäure traktiert. Kurz fasst er sich an die Brust, danach klingt seine Stimme zwei Sätze lang heiser. Irritieren lässt er sich davon nicht, und der Spuk verschwindet jeweils so schnell, wie er gekommen ist. Villazón sieht die besten Jahre vor sich Es gibt Sänger, die nur übers Singen reden mögen. Rolando Villazón ist anders. Stimmorgan und Gehirn sind bei ihm eng gekoppelt, bei Gelegenheit bringt er gerne Heidegger ins Spiel oder sogar den polnischen Postmodernisten Zygmunt Bauman. Einmal hat Villazón gesagt: "Ich kann vieles, was meine Seele umtreibt, verstehen, wenn ich mich selbst singen höre." Aber was verraten dann die angeschlagenen Stimmbänder über seine Psyche? Kurz denkt der Tenor nach. "Mittlerweile", sagt er, "empfinde ich das als eine kitschige Phrase. Damals wusste ich wahrscheinlich noch nichts von meiner Stimmbandzyste, alles lief wunderbar. Heute würde ich sagen: Man kann auch Stimmprobleme haben, die kein Leiden der Seele ausdrücken." Aber der Körper leidet doch? "Lassen Sie mich eins mit Nachdruck klarstellen", sagt Villazón, und seine Augen brennen. "Die besten Jahre meiner Karriere stehen noch bevor! Meine Ärzte bestätigen mir das, mein Körpergefühl auch. Egal, was gesagt wird: Ich habe Videoaufnahmen von meiner Operation, von meinen Stimmbändern, wie sie jetzt sind. Die harten Fakten erlauben eine sehr gute Prognose." Immer wieder bekommt Villazón den Vorwurf zu hören, er habe sich mit einem teilweise brutalen Terminplan selbst gefährdet. Ärgert ihn die Kritik? "Nein, sie ist falsch. Es wurde gesagt, ich hätte meine Zyste bekommen, weil ich den Don Carlos gesungen hätte, weil ich zu viel gesungen hätte, weil ich falsch singen würde. Aber 15 verschiedene Ärzte haben mir gesagt: Meine Stimmbandzyste, die ja angeboren war, wäre auf jeden Fall zu einem Problem geworden, ganz gleich ob ich nun 'Alle meine Entchen' oder 'Tristan' gesungen hätte." Ein Problem damit, Nein zu sagen, habe er jedenfalls nicht. "Im Gegenteil. Sie würden sich wundern, wie viele Dinge ich ablehne. Aber wenn ich schon da bin, probiere ich mein Möglichstes." "Mit dem Ruhm gewinnt man künstlerische Freiheit" Unermüdlich betont Villazón, dass es bloß vier schwache Wochen waren, auf die sich die Medien stürzten. Tatsächlich gibt es solche Episoden in fast jeder Sängerbiografie. Viele sind operiert, sagt er, sie reden bloß nicht darüber - weil man eben nicht spricht über die Schwierigkeiten, die man mit jenem Instrument hat, das einen reich und berühmt hat werden lassen. "Der Preis, den ich für meine Offenheit bezahle, ist, dass ich jetzt nur einmal schniefen muss und die Leute sagen: Das war's, er wird nie wieder singen! Jetzt erscheint mein Album 'México' mit populärem Repertoire wie 'Besame mucho', und manche sagen: Rolando ist als Opernsänger erledigt, er ist jetzt ein Crossover-Artist. So läuft das." Lange hat Villazón bei allem mitgemacht. Bereitwillig Interviews gegeben, bei noch einem Fotoshooting zugesagt und sich von Thomas Gottschalk breitschlagen lassen, in seiner Sendung auf einem elektrischen Bullen zu reiten. Villazón war ein Geschenk an die leidende Plattenindustrie: Endlich wieder ein Tenor mit Popstar-Qualitäten, ein dauerfröhlicher, zugänglicher Clown. Aber genau das schadet ihm jetzt in seiner Stimmkrise. Sind die Helden der Unterhaltungsindustrie ihre ersten Opfer? Jetzt ist Rolando Villazón, der Leidenschaftliche, in seinem Element. "Dass Künstler zu irgendetwas genötigt werden, ist ein Mythos, niemand hält uns eine Kanone an den Kopf und sagt: Unterzeichne diesen Vertrag! Im Gegenteil, wir wollen diesen Vertrag, denn wir lieben, was wir tun! Daniel Barenboim hat einmal zu mir gesagt: Mit dem Ruhm gewinnt man künstlerische Freiheit. Und er hatte absolut recht. Nur weil ich Rolando Villazón bin, kann ich ein Händel-Album machen." Noch einmal lacht Villazón, und seine Stimme dröhnt im Ohr. "Wenn ein international gefragter Sänger zu mir sagt, er habe zu viel zu tun, dann sage ich: Schlag die Zeitung auf, mein Freund, da findest du wirkliche Probleme." Rolando Villazóns Album "¡México! erscheint bei der Deutschen Grammophon. Im November geht er in Deutschland auf Tournee.
Harald Reiter
Wenn Rolando Villazón zuletzt die Bühne betrat, zitterte das Publikum: Trägt die Stimme? Mit WELT ONLINE spricht er über die Pannenserie.
Kultur
2010-09-06T10:27:06Z
2015-10-03T08:36:46Z
Wie Rolando Villazón mit seiner Krise umgeht
https://www.welt.de//kultur/article9432262/Wie-Rolando-Villazon-mit-seiner-Krise-umgeht.html
Coronavirus: In Hotel gestrandeter Mann aus Indien nach drei Monaten abgereist
Der in einem Hamburger Hotel gestrandete Geschäftsmann Pratap Pillai aus Indien ist abgereist. Nach rund drei Monaten durfte der durch die Corona-Krise und die Reisebeschränkungen ausgebremste Mann seinen Koffer packen, wie das Hotel am Sonntag erklärte. Der Abschied des Langzeitgastes sei emotional ausgefallen, berichtete „shz.de“ am Samstag. „Für uns ist er fast wie ein Stück lebendiges Inventar. Wir gönnen es ihm aber, endlich heimzufliegen. Denn am Schluss merkte man: Die Luft ist raus. Aber alle Mitarbeiter haben ein paar Tränen in den Augen. Wir haben uns sehr an ihn gewöhnt und werden ihn vermissen“, sagte Direktor Fabian Engels vom „Europäischen Hof“. Das Privathotel liegt in unmittelbarer Nähe zum Hamburger Hauptbahnhof.   Der 45-Jährige wollte in seine Wahlheimat Singapur fliegen, um nicht in seinem Heimatland in Quarantäne zu müssen. „Mein Job ruft! In Indien ist völliges Chaos“, sagte der Schiffsmanager. Er wolle aber sicher wiederkommen, sagte er zu „Bild“: „Ich habe im Hotel Freunde gefunden. Auch viele Landsleute haben sich gemeldet und mir geholfen.“ In Hamburg ist unterdessen die Zahl der erfassten Corona-Neuinfektionen um fünf Fälle gestiegen. Damit sei die Zahl der positiv auf das neuartige Coronavirus Getesteten auf 5143 angestiegen, teilte die Gesundheitsbehörde am Sonntag auf ihrer Homepage mit. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden rund 4800 der seit Beginn der Pandemie nachweislich mit dem Sars-CoV-2-Virus Infizierten inzwischen als genesen betrachtet. Die Zahl der Toten in Hamburg lag laut RKI bei 255 (Stand: 13. Juni). Das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf konnte laut Gesundheitsbehörde unverändert bei 227 Personen eine Sars-CoV-2-Infektion als Todesursache feststellen. Den Angaben zufolge wurden nach wie vor 29 Corona-Infizierte aus der Stadt und dem Umland stationär in Hamburger Krankenhäusern behandelt, davon unverändert 14 auf Intensivstationen. Mit 1,6 Neuinfizierten pro 100.000 Menschen in Hamburg in den vergangenen sieben Tagen liegt der Wert auch am Sonntag weit unter dem Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, ab dem der Senat über erneute Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie beraten müsste. Das wäre erst bei 900 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen der Fall.
WELT
Geschäftsmann Pratap Pillai hatte wegen des Infektionsgeschehens lange keine Chance, Hamburg zu verlassen. Im Hotel fließen zum Abschied die Tränen. Der 45-Jährige will eines Tages wiederkommen.
Regionales
Hamburg
2020-06-14T11:24:08Z
2020-06-14T11:24:08Z
In Hotel gestrandeter Mann aus Indien nach drei Monaten abgereist
https://www.welt.de//regionales/hamburg/article67e092354043cc0cc563d6d0/In-Hotel-gestrandeter-Mann-aus-Indien-nach-drei-Monaten-abgereist.html
Yoga: So sagen Sie den Weihnachtspfunden den Kampf an
Weihnachten ist vorbei, und mit diesem herrlichen, besinnlichen Fest sind auch Glühwein, Zimtsterne und Spekulatius wie vom Erdboden verschluckt. An ihre Stelle sind die guten Vorsätze getreten – und die haben es, wenn man so in die Runde fragt, hauptsächlich auf den Konsum von Alkohol und Zucker jeglicher Art abgesehen. Denn auch wenn es in der Weihnachtszeit gemütlich war, bei Kakao mit Schuss und Marzipanstollen auf dem Sofa zu sitzen und sich zum 100. Mal „Sissi“, „Der kleine Lord“ und Co. anzuschauen, so sind die Überbleibsel dessen weniger erfreulich. Die geliebte Skinny-Jeans zwickt, und das Wohlstandsbäuchlein lässt sich nur schwer kaschieren. Ob man mit Yoga (verlinkt auf /themen/yoga/) auch abnehmen kann, werde ich oft gefragt. Und meine Antwort darauf ist immer dieselbe: Ja, das kann man. Und zwar lassen nicht nur schweißtreibende Vinyasa-Abfolgen die überflüssigen Pfunde geradezu dahinschmelzen, auch unsere Gelüste verändern sich. Nach einer richtig guten Yogaeinheit – und damit meine ich eine ganzheitliche Yogapraxis, bestehend aus den sogenannten Asanas, den Yogaübungen, Pranayama, den yogischen Atemübungen, und Meditation – werden Sie nämlich kaum Lust auf Pizza und ein Bierchen verspüren, sondern automatisch zu leichterer Kost greifen und eher einen Tee (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/tee/) aufsetzen, als den Flaschenöffner zu zücken. Woran das liegt? Bei einer ganzheitlichen Yogapraxis werden wir auf allen Dimensionen positiv stimuliert; auf der körperlichen Ebene werden Muskeln gestreckt, gedehnt und gekräftigt, Organe werden wie ein Schwamm ausgewrungen und somit von Giftstoffen befreit. Durch Pranayama werden unsere Energiebahnen gereinigt, und durch Meditation wird unser Geist zur Ruhe gebracht. Unser Körper und Geist werden mit so viel positiver Energie versorgt, dass jede noch so kleine Zelle auf Gesundheit gepolt ist. Nehmen Sie zum Beispiel mich – wenn es eine Sache auf der Welt gibt, der ich, außer meiner Tochter, voll und ganz verfallen bin, dann ist es guter Kaffee (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/kaffee/) . Wenn ich aber morgens in den Genuss komme, meiner Yogapraxis nachzugehen, stelle ich jedes Mal beinahe mit Enttäuschung fest, dass ich gar keine Lust auf Kaffee habe, sondern mir lieber einen frischen Ingwer-Minze-Tee zubereiten möchte. Danach keine Lust mehr auf einen Toast mit Nutella Yoga wirkt also gleich doppelt, um unsere guten Vorsätze in die Tat umzusetzen, da wir durch unsere Praxis nicht nur unseren Körper stählen, sondern gleichzeitig auch unseren Geist. Am besten starten Sie Ihren Morgen sofort mit einer anregenden Yogaeinheit, um die Weichen für den restlichen Tag zu stellen. So kommen Sie gar nicht erst in Versuchung, Ihren Körper und Geist mit ungesunden Lebensmitteln zu schwächen. Um den Körper aufzuwärmen und ihn für die folgenden Asanas vorzubereiten, bietet sich der Sonnengruß, Surya Namaskar, an. Dies ist eine Abfolge von verschiedenen Asanas, die aneinandergereiht werden, um den Körper zu aktivieren. Nach sechs Runden sollten Sie schon etwas warm geworden sein und die folgenden Asanas mit Bravour meistern können. Auf der Matte geht es nun weiter mit Sarvangasana, Halasana, Matsyasana und Paschimottanasana. Denn wenn man nicht die Zeit hat, alle zwölf Grundasanas nach der klassischen Hatha-Yoga-Schule zu praktizieren, so sind diese vier Asanas die wichtigsten, die man auf jeden Fall machen sollte. Im Anschluss folgen sechs Runden Anuloma Viloma, die yogische Wechselatmung, die zur Reinigung der Energiebahnen beiträgt und unseren Geist erfrischt. Wenn Sie sich danach noch fünf Minuten zur Meditation in einen gekreuzten Sitz einfinden und Ihre Gedanken beruhigen, wäre dies eine optimale, wenn auch kurze Yogaeinheit. Versuchen Sie mal, danach einen Kaffee oder einen Toast mit Nutella zu essen – unmöglich. Und vielleicht können Sie Ihre Vorsätze sogar abändern, jetzt wo Ihnen der Verzicht auf Alkohol und Süßigkeiten quasi in den Schoß fällt. Wie wäre es zum Beispiel mit: sich selbst lieben, so wie man ist? Der Rest geschieht dann ganz von allein.
Sarah Stork
Unsere Autorin ist Schauspielerin und absolvierte eine Yogalehrerausbildung. Hier schreibt sie über ihre Leidenschaft. Heute erklärt sie, wie Yoga sogar doppelt dabei hilft, gute Vorsätze umzusetzen.
Sport
Fitness
2017-01-10T13:35:47Z
2017-06-15T13:47:18Z
Mit Yoga den Weihnachtspfunden den Kampf ansagen
https://www.welt.de//sport/fitness/article161020755/Mit-Yoga-den-Weihnachtspfunden-den-Kampf-ansagen.html
Berlin bei Nacht: Die Hauptstadt und ihre Spätis
Berlins Anziehungskraft wächst. Nicht nur, aber auch wegen seines bunten Nachtlebens. Es muss hier nicht edel sein, Lebensqualität bieten auch die Spätis. Die Kioske mit Kultstatus sind rund um die Uhr geöffnet – und das schätzen auch junge Touristen.
WELT
Berlins Anziehungskraft wächst. Nicht nur, aber auch wegen seines bunten Nachtlebens. Es muss hier nicht edel sein, Lebensqualität bieten auch die Spätis. Die Kioske mit Kultstatus sind rund um die Uhr geöffnet – und das schätzen auch junge Touristen.
1980-06-14T13:26:00Z
2022-05-14T05:46:34Z
Die Hauptstadt und ihre Spätis
https://www.welt.de//vermischtes/video195262005/Berlin-bei-Nacht-Die-Hauptstadt-und-ihre-Spaetis.html
Kreuzberg: Polizisten räumen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule
Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten, die Absperrungen durchbrechen wollen. Pfefferspray-Einsatz und Protestierer, die von Sicherheitskräften mit Helm und geschlossenem Visier weggetragen werden. So friedlich, wie sich das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Räumung der von Flüchtlingen und Roma besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule an der Ohlauer Straße vorgestellt hatte, verlief sie nicht. Die von 900 Polizisten begleitete Aktion begann völlig überraschend am Dienstagvormittag. Noch am Montag wurde von Senat und Bezirk der Eindruck erweckt, sie fände erst in einigen Tagen statt. Zunächst verhandelten Mitarbeiter mit Flüchtlingen und Roma-Familien, die bereit waren, die Schule freiwillig zu verlassen und in eine andere Unterkunft zu ziehen. Dies war durch ein Angebot des Senats möglich, das die Landesregierung in ihrer Sitzung am Dienstag beschlossen hatte. Unmittelbar nach dem Senatsbeschluss begann die Räumung. Doch nicht alle Flüchtlinge waren bereit, das Angebot anzunehmen, sie wollten unbedingt in der Schule bleiben. Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach schätzte ihre Zahl auf 40 bis 50. Einige von ihnen verbarrikadierten sich in ihren Zimmern, etwa 15 Menschen besetzten das Dach der Schule. Mehrere Bewohner drohten damit, sich hinunterzustürzen. Wie mit den Menschen verfahren wird, die die Schule nicht freiwillig verlassen, blieb bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe unklar. Allerdings hatten Senat und Bezirksamt am Nachmittag deutlich gemacht, dass die Schule noch am Dienstag komplett leer sein soll. Polizisten leisten nach Anfrage des Bezirks Amtshilfe Wie Polizeisprecher Thomas Neuendorf sagte, sei die Polizei vom Bezirksamt um Amtshilfe gebeten worden. Unter den 900 Beamten im Einsatz seien auch Polizisten aus Brandenburg, Thüringen und Bayern sowie Bundespolizisten. Die Polizei riegelte zunächst die Umgebung der Schule ab. Wiener und Reichenberger Straße wurden für den Autoverkehr gesperrt, später waren auch Buslinien von Einschränkungen betroffen. Am späten Vormittag sammelten sich immer mehr Unterstützer der Flüchtlinge an der Kreuzung Ohlauer und Reichenberger Straße. Zeitweilig hielten sich dort bis zu 300 Demonstranten auf. Für 19 Uhr war eine Kundgebung angekündigt. Bis zum späten Nachmittag blieben größere Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Flüchtlingsunterstützern aus. Als etwa 40 Protestierer versuchten, die Absperrungen an der Kreuzung zu durchbrechen, setzten Polizisten Pfefferspray ein. Andere Demonstranten, die in den abgesperrten Bereich gelangt waren und vor dem Schultor saßen, wurden von Polizisten weggetragen. Für Irritationen sorgten Beamte aus Thüringen, die zunächst mit umgehängten Maschinenpistolen ihren Dienst versahen. Dies wurde rasch korrigiert. Auf dem Schulgelände selbst waren die Polizisten nicht aktiv. Aus diesem Grund nannte Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach auch die Aktion am Dienstag eine friedliche Räumung. Abgeordnete der Opposition im Abgeordnetenhaus sahen das anders. „Angesichts des massiven Polizeiaufgebots stellt sich mir die Frage, wie freiwillig dieser ‚Umzug‘ eigentlich ist“, sagte Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion. Sein Fraktionskollege Christopher Lauer sagte: „Das Vorgehen des Bezirks irritiert mich massiv. Die Piraten werden den Polizeieinsatz am Montag im Innenausschuss thematisieren.“ Die Abgeordneten Hakan Tas (Linke) und Canan Bayran (Grüne) hielten sich auf dem Schulgelände auf, sprachen von einer sehr angespannten Situation dort. Frank Henkel: „Neubesetzung verhindern“ Bis zum Nachmittag hatten etwa 140 der 211 in der Schule registrierten Flüchtlinge das Gelände freiwillig verlassen. Sie zogen in von der Senatssozialverwaltung bereitgestellte Unterkünfte am Kaiserdamm (Charlottenburg), Askanierring (Spandau) und Mitte. Etwa 40 Roma brachte das Bezirksamt ebenfalls am Askanierring unter. Der Senat beschloss am Dienstag das Angebot für die Flüchtlinge aus der Hauptmann-Schule. Es galt nur für diesen Tag und entspricht dem, das vor einigen Wochen den Bewohnern des Flüchtlingscamps auf dem Oranienplatz gemacht wurde: Allen, die über einen Hausausweis für die Schule verfügen, erhalten einen Platz in regulären Flüchtlingsunterkünften des Landes Berlin (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/berlin-staedtereise/) . Ihre Asylanträge werden umfassend geprüft, in den Verfahren werden sie beraten sowie von Diakonie und Caritas unterstützt. Für die Dauer der Prüfung ihrer Anträge werden sie nicht abgeschoben. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) zeigte sich am frühen Dienstagabend mit dem bisherigen Verlauf der Aktion sowie der Abstimmung mit Bezirk und Polizei zufrieden. Die meisten Flüchtlinge hätten sich kooperativ gezeigt. Der Bezirk müsse eine Neubesetzung der Schule verhindern, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU).
A. Abel, M. Behrendt, N. Obermüller, S. Pletl
Rund 200 Menschen hausten in der früheren Schule in Kreuzberg. Lange reagierte der von den Grünen geführte Bezirk kaum auf die Missstände. Nun sollen die Bewohner das Gebäude für immer verlassen.
Regionales
Berlin & Brandenburg
2014-06-24T17:06:39Z
2015-10-01T17:48:59Z
Polizisten räumen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule
https://www.welt.de//regionales/berlin/article129432158/Polizisten-raeumen-besetzte-Gerhart-Hauptmann-Schule.html
Robin Thickes Ex-Frau, Bob Dylans Aufnahmen und der Dunstkreis des Wu-Tang Clans
Armer Robin Thicke! Im vergangenen Jahr stand der amerikanische R&B-Sänger nach über zehn Jahren im Musikgeschäft mit dem Hit „Blurred Lines“ endlich auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, nun ist er verlassen, gedemütigt und verlacht. Im Februar hat seine Frau, die Schauspielerin Paula Patton, die Beziehung nach über 20 Jahren beendet. Er war 14, als er sie kennenlernte, zwei Jahre später waren sie ein Paar, 2005 haben sie schließlich geheiratet. Und jetzt weiß er nicht mehr, wie ihm geschieht. Wie bei allen Verlassenen mischen sich bei ihm Selbstvorwürfe, Ratlosigkeit und Wut. Er weiß, dass nur noch eines hilft, um sie von der Rückkehr zu überzeugen: ein bedingungsloses Schuldeingeständnis verbunden mit sofortiger Besserung. Doch dann fiel ihm auf, dass nicht nur er schuld an der Trennung sei, und fing an aufzuzählen, wieso, weshalb und warum. Das geht allen Verlassenen so. Doch andere Verlassene greifen zum Telefon, suchen das Gespräch oder schreiben einen Brief. Robin Thicke dagegen schrieb ein neues Album. Der naheliegende Titel des Werks: „Paula“ (verlinkt auf /kultur/pop/article129707739/Je-besser-der-Mensch-desto-schlechter-die-Musik.html) . Sagen wir mal so: Alle Achtung, wenn er es schafft, Paula damit zurückzugewinnen. Sei nicht albern, Robin! Es gibt Lieder, in denen er sie anfleht („Komm schon, Baby, lass mich rein / Lass mich nicht in der Kälte stehen“), Lieder, in denen er in seltsamen Erinnerungen schwelgt („Ich kann dein Parfüm riechen / Deine Beine sind an meinen Wänden / Dein Körper ist an meiner Decke“), Lieder, in denen er sich entschuldigt („Es tut mir so leid, dass du unter meiner mangelnden Selbstkontrolle leiden musstest / Vielleicht denkst du, dass ich inzwischen ein wenig erwachsener geworden bin“), Lieder, in denen er sich vor ihr in den Staub wirft („Schau, wie ich krieche, schau, wie ich bettele / Ich habe meine Seele verloren, nur damit du es weißt“), Lieder, in denen er von ihrem Selbstmordversuch erzählt. Lieder, in denen er was? Doch, doch, genau das. „Du hast im Bett gelegen (wahr) / Gesagt, dass du 20 Pillen geschluckt hast (wahr) / Jetzt rufe ich den Krankenwagen“, singt Thicke (verlinkt auf http://www.rollingstone.de/news/meldungen/article601013/shitstorm-koenig-robin-thicke-wird-im-netz-als-sexist-beschimpft.html) in „Black Tar Cloud“, „Du hast meine Gitarre kaputt gemacht (erzähl ihnen die Wahrheit!) / Mich durchs Haus gejagt und versucht, mich mit meinem Lieblingsgolfschläger zu hauen (wahr)“. Mit dem Lieblingsgolfschläger? Jetzt wird es wirklich albern, Robin. Vielleicht sollte er einfach lernen, Dinge hinter sich zu lassen. Wie zum Beispiel Bob Dylan (verlinkt auf /kultur/pop/article129731686/Wie-Bob-Dylan-seine-Aufnahmen-im-Atelier-vergass.html) . Was keine Kunst ist, kann weg Der hatte vor rund vierzig Jahren in der Nähe seiner New Yorker Wohnung in der MacDougal Street ein Studio gemietet, in dem er an dem einen oder anderen Album arbeitete. Als er beschloss, dass die Arbeit getan sei, ließ er exakt 149 Aufnahmen zurück – vielleicht, weil sie ihm nicht gefielen, vielleicht, weil er bereits genügend andere Songs hatte, vielleicht, weil er sie nicht herumschleppen wollte. Damals brauchten Songs noch eine Menge Platz, es gab ja noch keine CDs. Jetzt sind sie jedenfalls wieder aufgetaucht, und man fragt sich: Räumt in diesen Studios nie jemand auf? Dylanisten in aller Welt hat die Nachricht in helle Aufregung versetzt. Werden sie die Aufnahmen jemals zu Ohren bekommen? Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Wie gesagt: einfach mal loslassen! Aber lieber nicht ganz so drastisch wie Andre „Christ Bearer“ Johnson. Der Rapper (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/rap/) aus dem erweiterten Umfeld des Wu-Tang Clans hatte sich im April dieses Jahres für eine extremere Form des Loslassens entschieden: das Abschneiden. Unter dem Eindruck von Liebeskummer (Achtung, Robin!), Sehnsucht nach der Familie (zwei Töchter und eine schwangere Frau), ein paar Joints (na klar!) und Büchern über Mönche und Sterilisation (echt jetzt?) hielt er es für eine gute Idee, an sich selbst eine Vasektomie (verlinkt auf http://www.vasektomie.de) durchzuführen. Kurzum: Er schnitt sich den Schwanz ab. Dabei ging offensichtlich einiges schief, doch immerhin konnten Chirurgen den größten Schaden beheben. Der Teil mit der Sterilisation hat sogar geklappt. Andre Johnson ist jetzt zeugungsunfähig. Dazu unseren Glückwunsch! Um der Welt zu zeigen, dass der Rest wieder klaglos funktioniert, will Johnson jetzt allerdings einen Porno drehen. Loslassen geht eigentlich anders.
Harald Peters
Während sich Robin Thicke nicht von seiner Exfrau trennen kann, zeigen Bob Dylan und Christ Bearer, wie man auf Dinge verzichtet, die man nicht mehr braucht: alte Aufnahmen und Genitalien.
Kultur
Pop
2014-07-10T09:46:47Z
2017-08-27T21:28:37Z
Die Kunst des Loslassens
https://www.welt.de//kultur/pop/article129995322/Die-Kunst-des-Loslassens.html
Psychologie: Diesen Vorteil haben ärmere Menschen gegenüber reichen
Hey, wir haben ein neues Argument in der ewigen, natürlich vollkommen geklärten Frage, ob es besser ist, reich oder arm zu sein (reich), und es hat mit Menschen zu tun. Die zahlreichen Vorteile des Eher-mehr-als-weniger-Geldhabens müssen wir an dieser Stelle nicht ausführen, du bist damit vermutlich vertraut. Jedoch, aha, tatsächlich haben zwei kanadische Psychologen festgestellt, dass wohlhabendere Menschen in einer Beziehung auch Nachteile haben. Genau genommen: in Beziehungen (verlinkt auf https://www.evernote.com/OutboundRedirect.action?dest=https%3A%2F%2Fwww.welt.de%2Fkmpkt%2Farticle171932775%2FLiebe-Dieses-Verhalten-macht-deine-Beziehung-kaputt.html) allgemein. Justin P. Brienza und Igor Grossmann von der University of Waterloo untersuchten in ihrer Studie (verlinkt auf http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1869/20171870#sec-2) zwei Stichproben; eine stammte aus einer Onlineerhebung mit 2145 US-Bürgern, die andere bestand aus 300 Menschen aus einem County im Bundesstaat Michigan. Beide Gruppen waren durchmischt hinsichtlich des sozioökonomischen Status'. Die Probanden gaben Auskunft zu Erfahrungen in ihrem Leben, die zwischenmenschliche (verlinkt auf /gesundheit/article128637504/So-gefaehrlich-ist-Streit-fuer-unseren-Koerper.html) Interaktionen betreffen, und beantworteten Fragen, die genutzt werden, um einen „wise reasoning style“ zu messen. Dieses psychologische Konstrukt setzt sich aus mehreren Aspekten zusammen. Zu solch einem „vernünftigen Denkstil“ gehört es, die Grenzen des eigenen Wissen zu kennen; anzuerkennen, dass die Welt in Bewegung ist und Situationen unterschiedlich ausgehen können; die Perspektive einer anderen Person einnehmen zu können; und zu versuchen, Kompromisse zu finden und Konflikte zu lösen. Kurz gesagt: „Wise reasoning“ ist ungefähr das, was wir von einer erwachsenen Person erwarten würden. Nun ergab die Analyse, dass Teilnehmer aus höheren sozialen Klassen sich tendenziell weniger durch einen solchen Denkstil auszeichnen. Dies galt unabhängig von ihrem Alter, IQ (verlinkt auf /kmpkt/article168685677/Warum-die-Menschheit-scheinbar-wieder-duemmer-wird.html) , Geschlecht und verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen. Die Forscher vermuten, dass die Bedingungen, unter denen Reiche leben, es ihnen weniger ermöglichen oder sie weniger dazu zwingen, derart über Zwischenmenschliches nachzudenken. Dadurch treffen sie in diesem Bereich im Schnitt schlechtere Entscheidungen. Und umgekehrt, wer keine Kohle hat, ist mehr auf andere Menschen angewiesen und entwickelt deshalb auch eher Denkstile, die das Miteinander geschmeidiger machen. Die Lektion ist also klar: Wenn du keinen Bock hast, dich mit den Bedürfnissen deiner Mitmenschen herumzuschlagen, sieh' zu, dass du einen gutbezahlten Job bekommst!
Philipp Nagels
Wer wohlhabend ist, hat im Leben eher kluge Entscheidungen getroffen - sollte man meinen. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass das nur bedingt der Fall ist. In einem wichtigen Lebensbereich sind ärmere Menschen überlegen: der Liebe.
Kmpkt
2018-01-04T15:05:45Z
2018-01-05T07:57:48Z
Diesen Vorteil haben ärmere Menschen gegenüber reichen
https://www.welt.de//kmpkt/article172178661/Psychologie-Diesen-Vorteil-haben-aermere-Menschen-gegenueber-reichen.html
Terrornetzwerk: Bin Laden führt angeblich noch das Kommando
Al-Qaida-Chef Osama bin Laden leitet den islamistischen Taliban zufolge Anschläge in Afghanistan und im Irak. So sei etwa der Selbstmordanschlag auf den afghanischen US-Stützpunkt Bagram im Februar von Bin Laden geplant worden, der Vize-Präsident Dick Cheney zum Ziel gehabt habe, sagte der ranghohe Taliban-Kommandeur Mullah Dadullah im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira. Bei dem Anschlag wurden 14 Menschen getötet, darunter ein US-Soldat. Cheney, der zu dem Zeitpunkt den Stützpunkt besuchte, war dem US-Militär zufolge weit entfernt vom Tatort und nicht in Gefahr gewesen. Eine US-Regierungssprecherin in Washington nannte die Taliban-Darstellung interessant. Sie wisse aber von keinen Geheimdienstinformationen, die diese Angaben stützten. Von Bin Laden gibt es seit Monaten keine neuen Videoaufzeichnungen oder andere Lebenszeichen. Das schürte Spekulationen, der Extremistenanführer könnte tot sein. Im September hatte eine französische Zeitung unter Berufung auf den Geheimdienst berichtet, die saudiarabische Abwehr sei überzeugt, Bin Laden sei im August im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan an Typhus gestorben. Konkrete Angaben dazu, wie Bin Laden die Rebellen-Einsätze im Irak und in Afghanistan leite, machte Dadullah nicht. Am Dienstag hatte ein ranghoher Vertreter der afghanischen Sicherheitsbehörden erklärt, afghanische und Nato-Soldaten hätten in der südlichen Provinz Urusgan etwa 200 Taliban-Kämpfer eingekesselt, darunter auch Dadullah. Eine Nato-Sprecherin bestritt allerdings am Mittwoch, dass Truppen der Allianz an dem Einsatz beteiligt seien und ein afghanischer Politiker aus der Region bezweifelte, dass Dadullah eingekreist worden sei.
WELT
Ein ranghoher Kommandeur der Taliban hat in einem Interview mit TV-Sender Al-Dschasira behauptet, dass Terrorchef Osama Bin Laden noch immer Anschläge planen und ausführen lässt. Angeblich soll er für einen Anschlag auf US-Vize-Präsident Dick Cheney verantwortlich sein.
Politik
Ausland
2007-04-26T05:52:33Z
2013-02-28T12:03:45Z
Bin Laden führt angeblich noch das Kommando
https://www.welt.de//politik/ausland/article834927/Bin-Laden-fuehrt-angeblich-noch-das-Kommando.html
Familienfehde: Verfeindete Familie wirft Brandsatz auf Haus
Ein Streit zwischen zwei verfeindeten Familien ist in der Nacht auf Mittwoch offenbar eskaliert: Die Bewohner einer Erdgeschosswohnung in Düsseldorf-Eller wurden gegen Mitternacht brutal aus dem Schlaf gerissen, als Steine durch die Scheibe der Terrassentür in ihr Schlafzimmer geworfen wurden. Laut Mitteilung der Polizei zerbarst kurz darauf ein Brandsatz an der Außenseite dieser Tür. Die beiden Eheleute und ihr jugendlicher Sohn blieben allerdings unverletzt. Noch in der Nacht gelang es den Beamten, vier Tatverdächtige festzunehmen – zunächst wegen des Vorwurfs der versuchten schweren Brandstiftung. Ein Zeuge berichtete den Fahndern, dass er nach dem Klirren der Scheiben ein Auto mit hoher Geschwindigkeit vom Tatort wegfahren sah. Die Polizisten leiteten daraufhin sofort eine Fahndung ein. An einem Privatgrundstück in Vennhausen entdeckten sie den beschriebenen Wagen wieder. Die vier anwesenden Personen – zwei Männer im Alter von 37 und 40 Jahren sowie eine 35-Jährige und ein 15 Jahre alter Jugendlicher – zeigten sich bei der Kontrolle äußerst unkooperativ und aggressiv, teilten die Beamten am Mittwoch mit. Als der 40-Jährige plötzlich eine Beamtin angegriffen habe, habe eine weitere Eskalation nur durch den Einsatz eines Diensthundes verhindert werden können. Hierbei erlitt der Angreifer eine leichte Bissverletzung. Familien haben sich gegenseitig angezeigt Im Fahrzeug stellten die Polizisten Beweismittel sicher. Weitere Details nannten sie zunächst nicht. Alle vier Tatverdächtigen wurden vorläufig festgenommen. Sie sollten noch am Mittwoch durch die Ermittler des Kriminalkommissariats vernommen werden. In Absprache mit der Staatsanwaltschaft werde dann über eine Vorführung beim Haftrichter entschieden, hieß es weiter. Zeitgleich sicherten Spezialisten die Spuren am Tatort in Eller. Im Rahmen der bisherigen Ermittlungen haben sich nach Polizeiangaben Hinweise darauf ergeben, dass die Hintergründe für die Tat in einem bereits länger andauernden Streit zwischen den beiden verfeindeten Familien zu suchen sind. Laut eines Polizeisprechers hätten sich Mitglieder der beiden Gruppen bereits wechselseitig bei der Polizei angezeigt – unter anderem wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung. Die Ermittlungen dauern an.
WELT
Zwei Familien in Düsseldorf sollen seit längerer Zeit im Streit miteinander liegen: Jetzt eskalierte die Fehde, als das Haus der einen Partei mit Steinen und einem Brandsatz beworfen wurde.
Regionales
Düsseldorf
2014-06-26T12:24:38Z
2017-08-27T22:31:31Z
Verfeindete Familie wirft Brandsatz auf Haus
https://www.welt.de//regionales/duesseldorf/article129495255/Verfeindete-Familie-wirft-Brandsatz-auf-Haus.html
Zusatzkosten: Diese Abzock-Fallen lauern beim Technikkauf
Das Schnäppchen entpuppt sich als teurer Stromfresser, die neue Technik erweist sich in der Praxis als unausgereift. Beim Kauf von Handy, Fernseher und Kühlschrank erleben Kunden immer wieder böse Überraschungen. Sechs Dinge, die Kunden beachten sollten. Die Akku-Falle Mobile Geräte wie Smartphones (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/smartphone/) oder Tablets liefern die Hersteller häufig mit fest verbautem Akku aus. Lässt er nach, kann der Kunde ihn nicht einfach wechseln. Das muss ein Fachmann mit dem richtigen Werkzeug übernehmen. „Schwächer werdende Akkus sind oft ein Grund, sich ein neues Gerät zu kaufen – nachhaltig ist das nicht“, kritisiert Margrit Lingner von der Zeitschrift „ PC Magazin (verlinkt auf http://www.pc-magazin.de/) “ aus München. Die Deutschen behielten ihr Smartphone (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/smartphone/) im Schnitt nur 2,5 Jahre. Dann verkaufen sie es eventuell noch weiter oder nutzen es als Zweitgerät. Bei Akku-Rasierer und elektrischer Zahnbürste ist es noch schlimmer: Die muss man dann wegschmeißen. Fest verlötete Lebensdauer Der Fortschritt macht auch vor Glühlampen nicht halt. Moderne LED-Leuchten sparen Strom, weil sie weniger Wärme und mehr Licht erzeugen. Doch Lampen mit fest verlöteter LED als Leuchtmittel werden zum Ärgernis, wenn die eingebaute LED kaputtgeht. Dann muss die Lampe in den Müll wandern. Bei LED-Lampen ist die voraussichtliche Nutzungsdauer in Stunden angeben. Bei vielen anderen Geräten aber nicht. Verbraucher könnten dem Produkt nicht ansehen, für welche Lebensdauer es konzipiert wurde, bemängelt das Umweltbundesamt in Dessau (verlinkt auf http://dpaq.de/X6ojd) . Das versteckte Abo-Modell Es hat sich herumgesprochen, bleibt aber ärgerlich: Einige Hersteller verschenken ihre Geräte fast. Doch das benötigte Verbrauchsmaterial treibt die Einstandskosten in die Höhe. Bestes Beispiel: Tintenstrahldrucker mit Originaltinte zu Apothekerpreisen. Preiswerte Patronennachbauten versuchen die Hersteller zu verhindern. Dieses Geschäftsmodell funktioniert auch mit elektrischen Zahnbürsten (Bürstenköpfe), Rasierern (Klingen oder Reinigungspatronen) und Kaffeemaschinen (Kapseln). Kunden erkundigen sich also besser vorher, ob das Gerät mit billigeren Nachbauten klarkommt – beziehungsweise ob es diese gibt. Ungeahnte Nebenkosten Der neue Kühlschrank oder die Waschmaschine ist beim Kauf oft preiswert. Doch die Folgekosten über die Jahre fressen den Preisvorteil schnell auf. Wer hier auf die Energielabel und den jährlichen Strom- und Wasserverbrauch achtet, zahlt zwar am Anfang mehr, spart über die gesamte Lebensdauer aber Geld. Gibt es kein Energielabel und keine Hinweise in der technischen Dokumentation, kann man den Stromverbrauch auch selbst mit einem Messgerät im Zwischenstecker prüfen. Störende Kleinigkeiten Es gibt immer wieder Überraschungen bei neuen Technologien. Peter Knaak, Redakteur bei Stiftung Warentest in Berlin, hat gerade Curved-Fernseher getestet. Die gebogenen Monitore sind eine neue Mode im TV-Sektor. „Bei diesen Modellen gibt es fast immer störende Reflexe. Bei den normalen Geräten konnten Sie das durch Drehen anpassen, hier nicht“, sagt er. Brummende oder piepsende Spannungswandler am Stromanschluss treiben manche Nutzer in den Wahnsinn. Auch störende Kontrolllampen können einem den Spaß am neuen Gerät verderben. Erfahrungen anderer Kunden in den Kommentaren von Online-Shops (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/online-shops/) können wichtige Hinweise geben, ob man mit dem Gerät zufrieden sein wird. Wenn sich viele Kunden melden, ist es wohl eher kein Einzelfall, sondern ein Serienfehler. Also: Am besten vorher ausprobieren. Stinkende Materialien Die neue Technik sieht zwar gut aus, verströmt aber einen üblen Geruch. Ursache können Plastikteile, Dämmungen und Abdeckungen sein. Sind die Ausdünstungen eventuell gesundheitsschädlich? Manche Stoffe hätten zwar eine sehr niedrige Geruchsschwelle, eine Wirkung auf die Gesundheit sei aber erst in sehr viel höheren Konzentrationen möglich, sagt Ana Maria Scutaru vom Umweltbundesamt. „Es gibt Stoffe, die sind in winzigen Mengen schon von unserer Nase wahrnehmbar – und tauchen trotzdem bei einer Raumluftmessung nicht auf“, beruhigt die Expertin. Sie empfiehlt Produkte mit dem Zeichen „Blauer Engel“. Doch auch Experten können in die Technikfalle tappen: Scutaru berichtet von ihrem gerade neu gekauften Mixer, der unangenehm riecht.
Johannes Klostermeier
Ungeahnte Nebenkosten oder versteckte Abo-Modelle: Beim Kauf von Handy, Fernseher oder Kühlschrank bleiben Kunden unangenehme Überraschungen oft nicht erspart. Die häufigsten Ärgernisse im Überblick.
Wirtschaft
Webwelt & Technik
2016-10-11T08:20:33Z
2016-10-12T06:46:59Z
Diese teuren Fallen lauern beim Technikkauf
https://www.welt.de//wirtschaft/webwelt/article158677575/Diese-teuren-Fallen-lauern-beim-Technikkauf.html
Flüchtlingskrise: Warum Österreich jetzt einen Zaun zu Ungarn will
Schwerfällig manövriert sich der weiße Bus durch das rostige Tor der Kaserne. Aus den Fenstern schauen ein paar Migranten, wie die Journalisten angerannt kommen. Kamerateams, Fotografen. „Gerade sind sie eingetroffen“, telefoniert einer der Journalisten die eilige Nachricht an seine Redaktion. Es ist Montag, vier Uhr Nachmittags. Der Bus ist halb leer, vielleicht 20 Menschen darin. Ihr Werdegang in Ungarn gleicht vermutlich dem all jener, die derzeit illegal ins Land kommen: Schlepper schneiden ein Loch in den berühmt-berüchtigte Grenzzaun, und dann kriechen die Migranten durch. Dann kommt die Polizei. Und dann geht es ins Auffanglager. Meist handelt es sich um Menschen ohne Chance auf Asyl: aus Pakistan, Afghanistan, kaum mehr einer aus Syrien (verlinkt auf /themen/fluechtlinge) . Syrer hoffen derzeit anscheinend darauf, dass die EU sie legal und direkt aus der Türkei nach Europa bringen wird, und warten deshalb vorerst ab. Warum so viel Aufregung um 20 Migranten? Sie sind die ersten im neuen Auffanglager Körmend an der Grenze zu Österreich. Und Körmend ist zum Brennpunkt eines neuen Themas in der Flüchtlingskrise (verlinkt auf /themen/fluechtlinge) geworden: Will Ungarn die Leute diskret loswerden? Hofft man regelrecht, dass sie sich nach Österreich absetzen werden und bringt sie genau deswegen hierher? Budapest lässt Lager an der Grenze zu Serbien schließen, von wo die Flüchtlinge kommen, und errichtet dafür ein neues an der Grenze zu Österreich. Die Flüchtlinge werden also näher dahin gebracht, wohin sie eh wollen. 12.000 Asylbegehren trotz Zaun Es ist wohl kein Zufall, dass die Wiener Regierung zeitgleich mit der Inbetriebnahme des Lagers die Grenzsicherung in der Region verschärft hat. Und siehe da: Schon in der Nacht zu Dienstag nahm die österreichische Polizei einen Schlepper mit fünf Afghanen fest – sie kamen vermutlich aus Körmend, hieß es in einer Pressemitteilung. Eigentlich schien Ungarns Flüchtlingsproblem ja gelöst. Erst baute die Regierung einen Zaun. Dann machten auch noch alle anderen Länder bis hinunter nach Mazedonien die „Balkanroute“ dicht. Und dann vereinbarten die EU und die Türkei, dass auch der Weg über das Meer nach Griechenland geschlossen wird. Eigentlich müsste kaum noch jemand durchkommen. Und dennoch. Täglich versuchen nach Angaben der Behörden rund 500 Menschen, durch den Zaun zu brechen, und durchschnittlich mehr als 150 von ihnen gelingt es auch. Das ist auf Dauer mehr, als die begrenzte Kapazität der ungarischen Auffanglager verkraften kann. Deswegen, so die Begründung der Regierung, wurde jetzt „vorübergehend“ dass neue Lager in Körmend eingerichtet. 12.000 Asylbegehren gab es seit Jahresbeginn, trotz Zaun. Eigentlich will niemand in Ungarn auch Asyl bekommen, aber wenn man es beantragt, kommt man für die Dauer des Verfahrens immerhin in ein offenes Lager – und damit die Gelegenheit, sich abzusetzen. Aus diesen offenen Lagern kann man gehen, dorthin, wohin man eigentlich will: nach Deutschland zumeist. Nach Angaben der Zeitung „Népszabadság“ sind 10.000 dieser Asylbewerber bereits spurlos verschwunden. Die EU-Regeln machen Probleme Dass die nach Körmend verfrachteten Migranten über die nur wenige Kilometer entfernte grüne Grenze nach Österreich gehen werden, das war zumindest im vergangenen Jahr so, sagt Körmends Bürgermeister István Bebes. „Hier war ja schon im vergangenen Jahr ein Auffanglager, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise“, erzählt er. Damals habe man die Erfahrung gemacht, dass „sie eigentlich kein Interesse haben an Kontakt mit den hiesigen Menschen. Viele gingen damals sofort oder nach einer kurzen Ruhepause weiter nach Österreich.“ Immer, so sagt er, gab es unter ihnen „einige, die den Weg zu kennen schienen“, und die anderen durch den Wald über die Grenze führten. Ob es auch weiterhin so laufen wird? „Wir können sie nicht festhalten“, sagt Bebes, denn das würde gegen die EU-Regeln verstoßen. Allerdings seien im Gegensatz zu früher inzwischen alle Ankömmlinge registrierte Asylbewerber, und er hoffe, dass sie den Abschluss ihrer Verfahren abwarten werden. Er weiß von den Sorgen der Wiener Regierung, die wegen des Lagers in Körmend sogar einen Grenzzaun in diesem Abschnitt plane. „Bislang bauen sie ihn aber nicht.“ Dass die Verlagerung der Asylbewerber ins westliche Grenzgebiet den Migranten den Weg nach Westen absichtlich erleichtern soll, will der zur Regierungspartei Fidesz gehörende Bürgermeister nicht gelten lassen: „Es ist wohl eher so, dass es nicht viele Objekte gibt, die das Innenministerium für eine solche Aufgabe nutzen kann.“ Das Auffanglager befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Polizeischule. Soldaten, Polizei und Überwachungskameras Mit „Empathie“ will der ungarische Bürgermeister Bebes den Flüchtlingen begegnen, und klagt über „Scharfmacherei“ der örtlichen rechten Jobbik-Partei. Derweil berichtet die Zeitung „Magyar Nemzet“, die Anwohner deckten sich in der nächstgrößeren Stadt Szombathely mit Pfefferspray ein – der Umsatz sei dort in den letzten Tagen um das Dreifache gestiegen. János Keszei hat 1989 die große Flucht der Ostdeutschen hier miterlebt. „Ich habe sogar einigen über die Grenze geholfen“, sagt er. Noch vor fünf Jahren habe er von einem dankbaren Ossi-Flüchtling „20 Euro in einem Brief“ erhalten. Aber die jetzigen Flüchtlinge, die sollen doch bitte in ihren eigenen Ländern bleiben, meint er. Damals, 1989 „waren das ja Deutsche“, gibt er zu bedenken. Nicht Afghanen. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Deutsche, die nach Deutschland wollten.“ Das habe er verstehen können. Bürgermeister Bebes zählt die Sicherheitsvorkehrungen auf, die er der Regierung abgerungen habe: 40 Soldaten wurden nach Körmend verlegt, dazu Bereitschaftspolizei – ein neues Kameraüberwachungssystem wurde installiert. Vor allem wolle man vermeiden, dass Körmend ein Magnet für Menschenschmuggler werde. Wenn aber die Wiener Polizeimeldung vom Dienstag über den festgenommenen Schlepper und die fünf Afghanen stimmt, und sie tatsächlich aus Körmend kamen, dann bedeutet das wohl, dass die Menschenschmuggler schon da sind.
Boris Kálnoky, Körmend
Ungarn lässt Lager an der Grenze zu Serbien schließen – und eröffnet dafür ein neues an der Grenze zu Österreich. Dort hat man erkannt, was das Ansinnen Budapests ist.
Politik
Ausland
2016-05-04T11:33:09Z
2016-05-04T11:33:09Z
Warum Österreich jetzt einen Zaun zu Ungarn will
https://www.welt.de//politik/ausland/article155035951/Warum-Oesterreich-jetzt-einen-Zaun-zu-Ungarn-will.html
Konjunktur: Deutsche Wirtschaft schrumpft – Frankreich legt zu
Die deutsche Wirtschaft (verlinkt auf /debatte/kommentare/article13868807/Deutschland-darf-sich-nicht-auf-Erfolgen-ausruhen.html) ist zum Jahresende 2011 wie erwartet geschrumpft. Insbesondere die Unsicherheiten infolge der Euro-Schuldenkrise (verlinkt auf /themen/schulden/) und der weltweite Konjunkturabschwung bescherten der Wirtschaft einen Dämpfer. Allerdings fiel das Minus der Wirtschaftsleistung etwas geringer aus als ursprünglich erwartet. Im vierten Quartal 2011 sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In einer ersten Schätzung vom Januar hatten die Statistiker noch einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,25 Prozent erwartet. Für das Gesamtjahr 2011 bestätigte das Statistische Bundesamt das BIP-Wachstum von 3,0 Prozent. Die positiven Impulse im Schlussquartal kamen den Angaben zufolge ausschließlich von den Investitionen. Vor allem der Bausektor habe deutlich mehr investiert als im Vorquartal. Hingegen wirkte sich der Außenhandel insgesamt negativ auf das BIP-Wachstum aus, und auch die zuletzt starken Konsumausgaben waren leicht rückläufig. (verlinkt auf /wirtschaft/article13843229/Handel-mit-unerwartet-schlechtem-Weihnachtsgeschaeft.html) Im Vorjahresvergleich habe sich das Wachstum der deutschen Wirtschaft (verlinkt auf /wirtschaft/article13867841/OECD-draengt-Deutschland-zu-umfassenden-Reformen.html) zum Jahresende zwar abgeschwächt. Dennoch habe die Wirtschaftsleistung auch im zweiten Jahr nach der tiefen Krise in allen Quartalen klar über dem Niveau des Vorjahres gelegen, betonten die Statistiker. Von Oktober bis Dezember 2011 war das BIP nach den Angaben um 1,5 Prozent höher als im Schlussvierteljahr 2010. Ökonomen blicken aber trotz des schwachen Schlussquartals 2011 zuversichtlich auf das Jahr 2012. „Die Krise im Euro-Raum bremst das Wachstum in Deutschland voraussichtlich nur vorübergehend. Schon ab der Jahresmitte ist – auch aufgrund von Nachholeffekten – wieder mit kräftigen Zuwächsen zu rechnen“, sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner. Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler ist zuversichtlich, dass sich die deutsche Wirtschaft im Lauf des Jahres wieder fängt. Nach dem leichten Rückgang werde sie wieder zu einem höheren Wachstum zurückfinden, sagte der FDP-Politiker. Darauf deute auch die Stabilisierung aktueller Konjunkturindikatoren hin. Die Wirtschaftspolitik müsse daher das Wachstumspotenzial stärken. Frankreichs Wirtschaft wächst Frankreichs Wirtschaft ist dagegen Ende 2011 überraschend gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt legte im Zeitraum von Oktober bis Dezember im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent zu, wie das nationale Statistikamt Insee mitteilte. Von Reuters befragte Analysten hingegen hatten im Schnitt mit einem Rückgang um 0,1 Prozent gerechnet. Im zweiten Quartal 2011 war die französische Wirtschaft (verlinkt auf /wirtschaft/article13855594/Frankreichs-Handelsdefizit-steigt-auf-Allzeithoch.html) um 0,1 Prozent geschrumpft, im dritten mit 0,3 Prozent aber schon wieder gewachsen. Deutschlands Wirtschaft hatte im zweiten und dritten Quartal 2011 Wachstumsraten von 0,3 und 0,6 Prozent zu verzeichnen. Frankreichs Finanzminister Francois Baroin sieht die Wirtschaft seines Landes auf gutem Weg, 2012 das von der Regierung erwartete Wachstum von 0,5 Prozent zu schaffen. „Jeder der drei Hauptbereiche der Wirtschaft – Außenhandel, privater Konsum und Investitionen – sorgte im letzten Quartal 2011 für einen positiven Beitrag“, erklärte Baroin. Große Unterschiede in Europa Auch Ungarns Wirtschaft (verlinkt auf /politik/ausland/article13822186/Ungarn-lenkt-ein-und-gibt-sich-unbelehrbar.html) ist Ende 2011 stärker als erwartet gewachsen. Wie die Statistikbehörde mitteilte, stieg das BIP gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,4 Prozent. Volkswirte hatten zuvor mit einem Zuwachs von nur 0,8 Prozent gerechnet. Gegenüber dem Vorquartal erhöhte sich die Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent. Ursache der unerwartet positiven Entwicklung war nach Angaben der Statistiker, dass die ungarische Bauwirtschaft ihre seit fünf Jahren andauernde Talfahrt beendet zu haben scheint. Die österreichische Wirtschaft ist Ende 2011 dagegen ebenso wie die deutsche geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt ging von Oktober bis Dezember gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent zurück, nachdem es von Juli bis September noch um 0,2 Prozent zugelegt hatte, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mitteilte. Grund dafür war vor allem die Wirtschaftsflaute, die die Nachfrage nach Produkten „Made in Austria“ im Ausland sinken ließ. Zwar konsumierten die Österreicher selbst mehr und auch Unternehmen fuhren ihre Investitionen hoch – konnten den Rückgang durch die sinkenden Exporte aber nicht auffangen. Im gesamten Jahr 2011 legte die Wirtschaft dank des Booms in der ersten Jahreshälfte um 3,1 Prozent zu. Auch die niederländische Wirtschaft ist im Schlussquartal 2011 kräftig geschrumpft. Wie die Statistikbehörde mitteilte, sank das BIP gegenüber dem Vorquartal um 0,7 Prozent und lag auch um 0,7 Prozent unter dem im Vorjahresquartal verzeichneten Niveau. Dabei unterschritt der Privatkonsum sein Vorjahresniveau um 1,8 Prozent. Im Gesamtjahr 2011 wuchs die Wirtschaft des Landes damit unter dem Strich um 1,2 Prozent. Noch härter traf es Italiens Unternehmen: Die Wirtschaft des Landes hat ihre Talfahrt Ende 2011 beschleunigt und steckt in der Rezession (verlinkt auf /wirtschaft/wirtschaftsgipfel/article13855351/Verzagtheit-regiert-den-Subkontinent-der-Schulden.html) . Die Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen schrumpfte zwischen Oktober und Dezember um 0,7 Prozent zum Vorquartal, wie das nationale Statistikamt mitteilte. Von Reuters befragte Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 0,5 Prozent gerechnet. Binnen Jahresfrist sank die Wirtschaftskraft um 0,5 Prozent und damit ebenfalls stärker als erwartet.
WELT
Die deutsche Konjunktur hat zum Jahresende 2011 einen Dämpfer erhalten. Frankreich schaffte dagegen überraschend ein Wachstum.
Wirtschaft
2012-02-15T07:04:21Z
2015-09-07T08:24:33Z
Deutsche Wirtschaft schrumpft – Frankreich legt zu
https://www.welt.de//wirtschaft/article13869468/Deutsche-Wirtschaft-schrumpft-Frankreich-legt-zu.html
Erster Weltkrieg: Die wahre Pistolenkugel des Lawrence von Arabien
Überführt nach 99 Jahren: Britische Archäologen haben einen Fund gemacht, der die Schilderungen eines der bekanntesten, aber auch umstrittensten Helden des Ersten Weltkriegs bestätigt. Demnach dürfte Lawrence von Arabien tatsächlich persönlich an wenigstens einem Angriff auf die strategisch wichtige Hedschasbahn zwischen Amman und Medina teilgenommen haben. Nahe der ehemaligen Bahnstrecke bei Halat Ammar, einem saudi-arabischen Grenzübergang nach Jordanien, fand 1917 ein Überfall auf einen osmanischen Militärzug statt, dessen Führung Lawrence in seiner Autobiografie „Die sieben Säulen der Weisheit“ beanspruchte. Das Gefecht wurde 1962 in dem legendären, mit sieben Oscars ausgezeichneten Film „Lawrence von Arabien“ verewigt, in dem Peter O’Toole die Titelrolle spielte (verlinkt auf /kultur/kino/article122974890/Um-beruehmt-zu-werden-reichte-ihm-dieser-eine-Film.html) . Die Archäologen aus Bristol, die im Rahmen „Great Arab Revolt Project“ nach Spuren der Kämpfe suchen, fanden ein leicht korrodiertes und an der Spitze abgeplattetes Projektil, das mit einem Colt M-1911 verfeuert wurde. Da die Araber meist mit Gewehren und Revolvern aus britischen Beständen ausgerüstet waren, die osmanischen Truppen dagegen deutsche Waffen verwendeten, ordnen die Forscher die schwere US-Selbstladepistole mit Kaliber .45 Lawrence von Arabien persönlich zu. Von ihm ist bekannt, dass er eine solche Waffe benutzte. Das kann bedeuten, dass die Skeptiker widerlegt sind, die viele Schilderungen in „Die sieben Säulen der Weisheit“ für ausgeschmückt bis frei erfunden (verlinkt auf /geschichte/article126755083/Viel-Rum-Wie-Lawrence-von-Arabien-wirklich-lebte.html) halten. Neil Faulkner, Mitglied des britischen Teams, erklärte, Lawrence habe zwar „eine gewisse Reputation als Märchenerzähler“. Doch die Pistolenkugel von Halat Ammar sowie ein erst vor zwei Monaten aufgetauchtes Lokomotivschild aus seinem Nachlass zeigten, „wie verlässlich seine Schilderung der Arabischen Revolte“ tatsächlich sei. Der Colt M-1911 war erst im Verlauf des Jahres 1911 als Standardordonnanzwaffe der US-Armee eingeführt worden. Bis 1914 waren insgesamt 68.533 Stück an die US-Streitkräfte ausgeliefert worden; in nennenswerten Stückzahlen exportiert wurde die Waffe zu dieser Zeit noch nicht. Erst ab Juli 1915 lieferte die Firma Colt insgesamt 15.000 M-1911 an das britische Kriegsministerium. Sie wurden als besonders durchschlagsstarke Offizierspistolen ausgegeben, vorwiegend an Flieger. Aus diesen Beständen könnte das Exemplar von Lawrence von Arabien stammen. Schon als junger Mann hatte der 1888 geborene Thomas E. Lawrence bei einer Ausgrabung in Syrien Arabisch gelernt. Nach Kriegsbeginn 1914 trat er in den Dienst des Secret Intelligence Service in Kairo. Zwei Jahre später brach ein Aufstand arabischer Freischärler gegen das Osmanische Reich los. Leutnant Lawrence wurde wegen seiner Sprachkenntnisse als Verbindungsoffizier zu den Stammesführern geschickt. Bald zeigte sich, dass die Araber ineffizient kämpften. Lawrence organisierte sie neu (verlinkt auf /kultur/history/article12363031/Wie-Oppenheim-und-Lawrence-um-Arabien-kaempften.html) , stattete sie mit britischen Waffen aus und brachte ihnen die Taktik schneller, harter Angriffe auf Verbindungswege der osmanischen Armee bei. So gelang es, den Verbündeten des Deutschen Reiches massiv zu destabilisieren. Der Lohn für den Briten war eine Beförderung nach der anderen, 1918 schließlich zum Colonel – eine rasende Karriere. Lawrence wusste, dass er die Unwahrheit sagte Allerdings wusste Lawrence, dass er seinen arabischen Kämpfern die Unwahrheit sagte: Die versprochene Unabhängigkeit wollten Großbritannien und Frankreich den Stämmen eben nicht zugestehen. Im Gegenteil wurde Arabien von verschiedenen Diplomaten der beiden verbündeten Mächte nach Belieben aufgeteilt (verlinkt auf /geschichte/article152048670/Die-Bedeutung-Syriens-im-Ersten-Weltkrieg.html) . Lawrence zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, wurde unter falschem Namen Soldat in der Royal Air Force und verfasste seine Memoiren, die 1926 erschienen und seinen Ruhm nochmals mehrten. Bei einem Motorradunfall verletzte sich der Kriegsheld 1935 tödlich. Die jetzt gesicherte Pistolenkugel ist wenigstens ein starkes Indiz, dass Lawrence persönlich bei dem Überfall auf die Hedschasbahn mitgekämpft hat. Nach der Entdeckung eines Lagers der britischen Helfer der Aufständischen in der jordanischen Wüste 2014 ist sie ein zweiter wichtiger Fund, der die Darstellung in „Die sieben Säulen der Weisheit“ bestätigt. Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like (verlinkt auf https://www.facebook.com/weltgeschichte/) .
Sven-Felix Kellerhoff
In seinen Memoiren soll sich der Brite Thomas E. Lawrence, der die Araber gegen die Osmanen führte, viele Freiheiten erlaubt haben. Der Fund eines Geschosses an der Hedschasbahn spricht dagegen.
Geschichte
2016-04-08T11:16:32Z
2016-04-08T11:16:32Z
Die wahre Pistolenkugel des Lawrence von Arabien
https://www.welt.de//geschichte/article154135044/Die-wahre-Pistolenkugel-des-Lawrence-von-Arabien.html
Die Erfindung des Vampirs: Byron, Shelley und die Villa Diodati
Am 23. April 1816, einem Dienstag, verließ der achtundzwanzigjährige George Gordon Lord Byron Picadilly Terrace, einen georgianischen Prachtbau im Herzen Londons, und bestieg eine Nachbildung der Kutsche Napoleon Bonapartes, den er so vergötterte und verachtete wie sich selbst. Napoleon war im Jahr zuvor in Waterloo untergegangen, Byron hatte soeben seinen Ehekrieg verloren. Er hatte der jungen Lady Byron unmittelbar nach ihrer Eheschließung Rache für ihr Glück geschworen, sie mit seiner Halbschwester Augusta betrogen und ihr im ewigen Brandyrausch immer mal wieder einen Dolch oder ein Paar Pistolen unter die Nase gehalten. Die napoleonische Kutsche hatte Londons bester Stellmacher gefertigt; unmittelbar, nachdem sie davongerollt war, rückten die Gerichtsvollerzieher an. Sie beschlagnahmten sogar Byrons Vögel und sein Eichhörnchen. Himmel aus Asche Byrons St. Helena hieß Europa. Der bösartigste romantische Dichter der Literaturgeschichte kehrte nie wieder nach England zurück. Er hasste Gott, die Welt, wenigstens die Hälfte der Zeit sich selber und bald auch seinen erst zwanzigjährigen, frisch bestallten Leibarzt John Polidori, der lieber ein Dichter als ein Doktor sein wollte und dem Byrons Verleger fünfhundert Pfund für ein Tagebuch der gemeinsamen Reise geboten hatte. Es war der Sommer von Byrons Missvergnügen, und das Wetter spielte mit. Die Überfahrt war stürmisch. Über Europa zogen dunkle Wolken auf. Es war, als wär’s ein Roman (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/romane/) : Lord Byron der Held; das ewige Gewitter sein Wetter. Die tatsächlichen meteorologischen Ursachen für „das Jahr ohne Sommer“ waren ungleich komplizierter. Im April des Vorjahres war auf der fernen indonesischen Insel Sumbawa der Vulkan Tambora ausgebrochen und hatte das weltweite Klima ins Schwanken gebracht. Die schlimmste Folge waren Hungersnöte, aber es gab auch kulturellen Niederschlag. In Karlsruhe trieb Karl Drais mit der Draisine die Entwicklung des Fahrrads voran, um nach den Missernten Pferdefutter zu sparen; in Gießen machte sich Justus von Liebig an die Erfindung des Mineraldüngers; und am Genfer See, wohin Lord Byron gerade unterwegs war, wurden in diesem Sommer der literarische Vampir und Frankensteins Monster erfunden – was dem Sommer 1816 auch den Namen „Gespenstersommer“ eingetragen hat. Byron hatte zuvor auf dem Schlachtfeld von Waterloo Station gemacht und im dortigen Beinhaus einige Knochen mitgehen lassen, danach hatte er im Fremdenbuch des schicken Hôtel de l’Angleterre sein Alter mit „Hundert“ angegeben. John Polidori, ein Mann, der zu Ohnmachtsanfällen neigte, wird Zeuge gewesen sein. Stalking Byron Anfang Juni mietete er in Byrons Auftrag die Villa Diodati am Ufer des Genfer Sees – in unmittelbarer Nachbarschaft der Maison Chappuis, wo der Dichter Percy Bysshe Shelley, dreiundzwanzig, die Mutter seines Sohns Mary Godwin, später Mary Shelley, damals neunzehn, sowie Marys Stiefschwester Claire Clairmont abgestiegen waren. Wahrscheinlich waren die drei auf Claires Drängen hier, die Byron stalkte, allerdings auch ein Verhältnis mit Shelley hatte, sodass später einige Unklarheit herrschte, wer nun der Vater ihrer Tochter war. In Ken Russells Film „Gothic“, der aus den Ereignissen in der Villa Diodati einen surrealen Kostümstreifen im Stil der Achtziger gemacht hat, rückt die Shelley-Gruppe wie ein Trupp irre gewordener Nymphen bei Byron an; Polidori, der bezahlte Diarist, beschreibt die Begegnung ungleich nüchterner: „Gespeist; P(ercy) S(helley), der Autor (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/autoren/) der Queen Mab , fand sich ein; verlegen, schüchtern, schwindsüchtig, sechsundzwanzig Jahre alt, von seiner Frau getrennt; hält die beiden Godwintöchter aus, die seine Theorien (von der freien Liebe, könnte man sagen) praktizieren“. Das war typisch Polidori, das heißt eifrig und großteils falsch: Shelley war nicht sechsundzwanzig, nicht schwindsüchtig und nur Mary, nicht aber Claire war die Tochter des berühmten Anarchisten William Godwin. Polidori gehörte einfach nicht dazu, und die romantische Rotte ließ ihn das in den folgenden Wochen auch spüren. Noch in Russells „Gothic“ ist er der Idiot. „Polidori war das geborene Opfer“, schreibt die Byron-Biografin Benita Eisler, „und fiel auf jede Provokation herein.“ Nachdem er den anderen aus einem selbst verfassten Drama vorgelesen hatte, notierte er in sein Tagebuch: „Alles waren sich einig, dass es nichts wert ist.“ „Wir werden jeder eine Gespenstergeschichte schreiben“ Byron war ohnehin auf andere Lektüre aus. Am 18. Juni trug er Coleridges unheimliches Gedicht „Christabel“ vor, woraufhin ein kreischender Shelley aus dem Zimmer rannte, von der surrealen Vision einer Frau gequält, die anstelle der Brustwarzen Augen hatte. Vielleicht war auch in dieser Nacht Laudanum im Spiel, ein Gemisch aus Ethanol und Opium. Die entscheidende Übereinkunft hatte man da wohl schon getroffen; Mary Shelleys Schilderung dürfte das meistzitierte Zeugnis aus der Villa Diodati sein: „… endloser Regen zwang uns oft, tagelang im Haus zu bleiben. Dabei gerieten wir an ein paar Bände Gespenstergeschichten, die aus dem Deutschen ins Französische übersetzt waren … ‚Wir werden auch jeder eine Gespenstergeschichte schreiben‘ , schlug Lord Byron vor, und dieser Vorschlag wurde von uns vieren aufgenommen.“ Die Legende will, dass die Inspiration gleich danach zubiss wie die Schlange in Coleridges „Christabel“, aber natürlich war die Sache komplizierter: Anfangs kam bei keinem etwas Rechtes heraus. Percy Shelley soll an einer Jugenderinnerung herumgedoktert haben, Polidori versuchte sich an einer Dame mit Totenkopf, Mary „dachte“ fürs Erste vergeblich „hin und her“, und selbst Byron, in diesem Sommer produktiv wie selten, verlor nach ein paar vielversprechenden Seiten die Lust an einer Geschichte, in der der Icherzähler nicht mehr als eine angenehme Stimme ist, der geheimnisvolle, offenbar untote Augustus Darvell aber, von dem er erzählt, unverkennbar Byron selber: Ein Mann „aus alter Familie“, dessen Empfindungskraft „teils erloschen, teils verdichtet und verstärkt“ ist. „Wo aber Rätselhaftigkeit herrscht“, heißt es in Reinhard Kaisers maßgeblicher Übersetzung des Fragments, „da liegt nach Meinung vieler auch das Böse nicht fern.“ Anspruch auf das Verbotene Dass Darvell ein bisschen wie „devil“ klingt, dürfte kein Zufall sein. Byron betrachtete den deformierten Fuß, mit dem er geboren war, „als Zeichen einer satanischen Verbindung und nannte sich selbst … den hinkenden Teufel. … Die Missbildung“, schreibt seine Biografin, „verwundete ihn tiefer als alle späteren seelischen Verletzungen. Sein nach innen gewandter Zorn verwandelte sich in Depression, aber auch in noch etwas Heimtückischeres: das Gefühl nämlich, von allen moralischen Sanktionen, wie sie für andere galten, ausgenommen zu sein und einen lebenslangen Anspruch auf das Verbotene zu besitzen.“ Byron lebte Betrug, seelische Folter und womöglich auch sexuelle Gewalt gegen beide Geschlechter – seine Memoiren wurden von seinem Verleger und zwei Freunden aufgrund ihres schockierenden Gehalts nach seinem frühen Tod verbrannt. Doch auch so kann man ihn sich leicht als menschliche Inkarnation eines Vampirs vorstellen: „Dieses schöne, bleiche Gesicht ist mein Schicksal“, schrieb seine spätere Geliebte Caroline Lamb nach ihrer erster Begegnung mit Byron. Ihr Roman „Glenarvon“, der Schauerroman ihrer Affäre mit ihm, war im Gespenstersommer erschienen. Polidori hatte ihn gleich gelesen, was für den Fortgang der Ereignisse von Bedeutung war. Frankensteins Inzest Die gespenstische Party in der Villa Diodati löste sich auf, ohne dass ihre Gäste in dem Bewusstsein auseinandergingen, Literaturgeschichte geschrieben zu haben. Der geschmähte Polidori allerdings machte auf Anregung einer in Genf ansässigen russischen Gräfin weiter und erlebte seine fünfzehn Minuten Ruhm, als er Byrons Fragment zum Ausgangspunkt einer eigenen Vampirgeschichte machte. Weil sie später unter Byrons Namen erschien, hielt Goethe sie für das „beste Product“ des Lords, tatsächlich aber war sie keine Erzählung von , sondern eine über Byron, ein Porträt auf Basis eines Selbstporträts. Aus Augustus Darvell war bei Polidori ein Lord Ruthven geworden – und eben so heißt Byron in Caroline Lambs Roman. Bei Polidori ist er ein „Ungeheuer“ aus „Gelüsten“ mit „sterbgrauen Augen“, dem die Frauen nachlaufen, obwohl er ihr „Vernichter“ ist. Doch das ist nicht die letzte Pointe des Gespenstersommers. 1818 erschien Mary Shelleys Roman „Frankenstein“, der sich am Ende auch dem Schauder und den Diskussionen in der Villa Diodati verdankte. Und nicht nur der Genfer See und das furchtbare Wetter fanden Eingang, auch der Gastgeber Byron und sein lebenslanger Anspruch auf das Verbotene hinterließen im Manuskript Spuren – allerdings hat Mary Shelley das allzu Offensichtliche in späteren Fassungen getilgt. „Eine frühe Frankenstein-Version“, schreibt Benita Eisler, „liebäugelt mit dem Inzestmotiv, macht Victor (Frankenstein) und seine Braut zu Blutsverwandten, während die monströse Kreatur sämtliche Qualen von Byrons ausgestoßenen Helden erleidet: vereitelte Sexualität, Blutschuld, Isolation und Exil.“ Im Jahr ohne Sommer ging George Gordon Lord Byron nicht nur als erster Vampir in die Literaturgeschichte ein. Ein Stück weit war er auch Victor Frankenstein. Und sein Monster.
Wieland Freund
Genfer See, Juni 1816: Ein Vulkan verdunkelt die Welt, der Sommer fällt aus und in einer Ufer-Villa werden der Vampir und Frankensteins Monster erfunden. Ihr gemeinsames Vorbild: Ein englischer Lord.
Kultur
Literatur
2016-06-18T06:54:55Z
2016-06-18T10:40:12Z
Warum 1816 der absolute Horrorsommer war
https://www.welt.de//kultur/literarischewelt/article156324642/Warum-1816-der-absolute-Horrorsommer-war.html
Proteste gegen Impfpflicht: Italien will mit Salami-Taktik zur Immunität
Seitdem die italienische Regierung vergangene Woche angekündigt hat, das Corona-Impfzertifikat für Teile des öffentlichen Lebens verpflichtend zu machen, ist kein Tag ohne Proteste der Impfgegner vergangen: Am Wochenende demonstrierten Menschen in über 80 Städten unter „Freiheit, Freiheit“-Rufen gegen die vermeintliche „Gesundheitsdiktatur“. In Rom, Neapel und Genua trugen einige der Demonstranten Davidssterne mit der Beschriftung „ungeimpft“, um so der Regierung zu unterstellen, Nichtgeimpfte würden wie die Juden während der Zeit der Nazi-Herrschaft in Deutschland behandelt – und verharmlosten damit den Holocaust. Andere hielten Plakate hoch, auf denen das Gesicht von Ministerpräsident Mario Draghi (verlinkt auf https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus226785757/Italiens-neue-Expertenregierung-unter-Mario-Draghi.html) zu einer Karikatur Adolf Hitlers entfremdet worden war. Die parteilose Innenministerin Luciana Lamorgese kritisierte diese Demonstrationen scharf: Es gebe keine Gesundheitsdiktatur. Vielmehr sei die Impfkampagne unerlässlich, um die Pandemie zu überwinden. „Alle Maßnahmen der Regierung wurden zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ergriffen. Und weil die wahre Freiheit darin besteht, hingehen zu können, wohin man will, ohne anderen dabei zu schaden.“ Zwar setzten sich die Proteste auch Anfang der Woche fort, doch die Regierung lässt sich nicht von ihrem Kurs abbringen, das Impfzertifikat in weiteren Bereichen verpflichtend zu machen. Dabei folgt sie der Salamitaktik: Sie erlässt nicht mit einem Schlag eine allgemeine Impfpflicht, sondern weitet nach und nach die Bereiche aus, für die das Impfzertifikat notwendig ist. Den Anfang machte dabei das Dekret vergangener Woche, das die Proteste entflammen ließ und ab dem 6. August gültig ist. Es schreibt vor, dass das Impfzertifikat, das in Italien „Green Pass“ heißt, fortan vorgezeigt werden muss, wenn man etwa in Innenräumen von Restaurants essen möchte, ins Kino, Museum, Fitnessstudio oder Schwimmbad gehen will. Eine Ausnahme gibt es allein für den Kaffee am Tresen: Diese italienische Tradition darf auch fortan ohne Impfpass vollzogen werden. Touristen erbringen den Nachweis mit der Vorlage des europäischen Covid-Zertifikats. Dabei ähnelt der italienische Green Pass zwar dem deutschen digitalen Impfzertifikat, ist aber nicht mit ihm identisch: So erhalten Genesene und innerhalb der vergangenen 48 Stunden negativ Getestete den Pass. Aber in Italien reicht – anders als in Deutschland – schon eine Impfdosis aus, um ihn zu bekommen. Impfpflicht für bestimmte Berufe? Nun ist die Regierung dabei, das Zertifikat auch für weitere Bereiche des öffentlichen Lebens verpflichtend zu machen. So wird derzeit darüber diskutiert, dass der Green Pass nach dem Sommer auch für die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs – und möglicherweise sogar für den Besuch weiterführender Schulen eingeführt werden soll. Weit fortgeschritten ist außerdem der Plan, die Impfung für bestimmte Bereiche des Berufslebens (verlinkt auf welt.de/232450389) verpflichtend zu machen. Aktuell erwägt die Regierung, eine Impfpflicht für Lehrer und Schulpersonal zu erlassen, um die Rückkehr in die Klassenzimmer nach den Sommerferien nicht zu gefährden. Italien hatte bereits im Frühjahr als erstes EU-Land eine Impfpflicht für medizinisches Personal und Angestellte im Pflegewesen eingeführt. Dass die Regierung jetzt den Druck auf die Bevölkerung erhöht, sich impfen zu lassen, liegt an der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus im Land: Sie hat seit Mitte Juli für einen raschen Anstieg der Infektionszahlen gesorgt. So haben sich die Neuansteckungen im Wochenvergleich fast verdoppelt. Und auch die Anzahl der schweren Corona-Verläufe steigt derzeit an: Waren Mitte Juli noch rund 1000 Krankenhausbetten mit Corona-Patienten belegt, sind es keine zwei Wochen später bereits über 1500. Die Belegung der Intensivkapazitäten ist im gleichen Zeitraum von 150 auf 180 Betten gestiegen. Doch die Daten zeigen auch, dass zwar die Infektionszahlen exponentiell ansteigen, die schweren Krankheitsverläufe dem Trend aber deutlich verhaltener folgen. In anderen Worten: Die Impfungen wirken. Denn in Italien haben laut der Zeitung „Il Sole 24 Ore“ – ausgehend von der Bevölkerung über zwölf Jahre, für die die Impfung zugelassen ist – 70,3 Prozent bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. 57,2 Prozent sind dank einer doppelten Impfdosis bereits komplett vor einem schweren Verlauf der Corona-Infektion geschützt. „Das ist keine Freiheit“ Für wie wichtig die Regierung die Impfkampagne für das Land hält, machte Draghi vergangene Woche deutlich. Bei der Ankündigung der neuen Vorschriften sagte er: „Die Aufforderung, sich nicht zu impfen, ist eine Einladung zu sterben. Wenn du dich nicht impfst, wirst du krank und kannst sterben.“ Oder man stecke andere an, die dann wiederum drohten zu sterben, so Draghi. „Außerdem sind die Impfungen wichtig, damit das ganze Land nicht erneut in einen Lockdown geschickt werden muss.“ Doch nicht alle Politiker in Italien folgen Draghis Linie. Gerade Matteo Salvini (verlinkt auf https://www.welt.de/politik/ausland/plus206363657/Matteo-Salvini-Wenn-man-ein-Land-allein-laesst-dann-schafft-man-Raum-fuer-Exzesse.html) , Chef der rechten Lega-Partei, und Giorgia Meloni, Vorsitzende der ultrarechten Fratelli d’Italia, zeigen immer wieder Sympathien für die Impfgegner. So sagte etwa Salvini: „Die Menschen auf den Plätzen sollten angehört und nicht angegriffen oder zensiert werden. … (Sie) bitten darum, Gesundheit und Freiheit miteinander zu vereinbaren.“ Meloni sagte: „Ein grüner Pass, der Menschen auf subtile Weise zum Impfen zwingt, ist inakzeptabel. Das ist keine Freiheit.“ Diese Sympathien kommen nicht von ungefähr: Der Zeitung „La Repubblica“ zufolge sind elf bis 13 Prozent der Italiener gegen die Impfungen. Ihre Stimmen könnten für die beiden Anführer rechter Parteien bei der nächsten Wahl sehr wichtig werden, weil sie sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Die No-Vax-Stimmen der Impfgegner könnten den Ausschlag geben. Doch trotz rechten Wählerfangs scheint die Strategie der Regierung aufzugehen: So ließen sich am Freitag nach Draghis Ankündigung im ganzen Land 580.000 Menschen gegen das Coronavirus impfen. Und Francesco Paolo Figliuolo, Sonderkommissar für die Impfkampagne, sagte, dass nach der Pressekonferenz die Nachfrage nach Impfterminen in einigen Regionen um 200 Prozent angestiegen sei. Ob die Termine wahrgenommen werden und damit die Impfmüdigkeit, die zuletzt um sich gegriffen hatte, besiegt wird, wird sich in einigen Tagen zeigen.
Virginia Kirst
Auch Italien fragt sich, wie es die Menschen zum Impfen bringen kann – um möglichst schnell Corona endgültig hinter sich zu lassen. -Die italienische Regierung hat sich für eine Art Salami-Taktik entschieden. Das stößt bei Impfskeptikern auf Empörung.
Politik
Ausland
2021-07-28T14:29:22Z
2021-07-28T14:29:22Z
Mit Salami-Taktik zum Impfzwang
https://www.welt.de//politik/ausland/article232780261/Proteste-gegen-Impfpflicht-Italien-will-mit-Salami-Taktik-zur-Immunitaet.html
Transportflugzeug: Bundeswehr bekommt ersten A400M
Mit vier Jahren Verspätung hat der Airbus-Konzern das erste Transportflugzeug vom Typ A400M an die Bundeswehr übergeben. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Voraussichtlich an diesem Freitag soll die viermotorige Turboprop-Maschine vom Montagewerk im spanischen Sevilla zum Luftwaffen-Stützpunkt im niedersächsischen Wunstorf geflogen werden. Die auch Atlas genannten Flieger lösen die bis zu 46 Jahre alten Transall-Maschinen ab. Insgesamt hat Deutschland 53 Exemplare bestellt. A400M hat immer noch Mängel Der A400M sorgte wegen Verzögerungen und Kostensteigerungen (verlinkt auf /politik/deutschland/article134879680/Bundeswehr-im-Dauerstreit-mit-Airbus.html) immer wieder für Schlagzeilen. Der Stückpreis erhöhte sich im Laufe der Jahre von 125 auf 175 Millionen Euro. Die jetzt übergebene Maschine ist immer noch nicht vollständig funktionsfähig. Das Schutzsystem für gefährliche Einsätze soll erst 2016 eingebaut werden. Lasten und Personen kann die Maschine noch nicht aus der Luft absetzen. Der neue Transportflieger (verlinkt auf /wirtschaft/article133283275/Der-neue-A400M-hebt-mit-vierjaehriger-Verspaetung-ab.html) ist aber deutlich größer und leistungsfähiger als die Transall. In den Rumpf passt mehr als doppelt so viel Material, auch Hubschrauber und Panzer. Der neue Flieger ist zudem schneller (780 statt 510 Stundenkilometer) und kann weiter fliegen (4450 statt 2750 Kilometer Reichweite). Deutschland ist das vierte Land, das einen A400M erhält. Frankreich, die Türkei und Großbritannien haben das neue Transportflugzeug bereits.
WELT
Nach langer Verzögerung ist der erste A400M an die Bundeswehr übergeben worden. Er soll die alte Transall ersetzen. Nur: Der Transportflieger ist noch nicht einmal voll funktionstüchtig.
Wirtschaft
2014-12-18T14:32:12Z
2017-08-22T08:55:26Z
Der erste A400M landet endlich bei der Bundeswehr
https://www.welt.de//wirtschaft/article135528124/Der-erste-A400M-landet-endlich-bei-der-Bundeswehr.html
Intensivtäter : Die Neuköllner Gangs sind süchtig nach Kriminalität
„Wer hat also Schuld? Der Yehya oder der Staat?“ Die Reporterin, die sich mit mir auf dem Rütli-Spielplatz zum Interview verabredet hat, schaut mich auffordernd an. Seit mein Buch über die Gangs von Neukölln und das Leben von Yehya E. erschienen ist, jagt ein Interview das nächste, die erste Frage ist immer dieselbe. Wer hat Schuld? Er? Oder wir? Meine Antwort war und ist immer dieselbe. Die Schuld an seinen Straftaten trägt Yehya E. ganz allein. Er sitzt zu Recht wieder im Gefängnis. Das weiß er. Das sagte er mir auch sehr offen während unserer vielen Interviews in der JVA Moabit. Seine erste Straftat begann er mit sieben, Einserschüler und Tyrann an der Rütli-Schule, Intensivstraftäter, mit 15 Gangsterboss von Neukölln, Raubüberfälle und viel zu viel Adrenalin, mit 16 schon drei Jahre Knast. Das ist die eine Seite von Yehya E. Die andere erzählt die Geschichte eines hoch talentierten Flüchtlingsjungen, der als vier Wochen altes Baby nach Deutschland kam und bis heute weder arbeiten noch Berlin verlassen darf. Er darf nicht studieren und nicht mal einen Führerschein machen, weil er als geduldeter Flüchtling seit 23 Jahren als unerwünscht gilt und abgeschoben werden soll. Bei Klassenausflügen nach Brandenburg blieb der Junge allein in der Schule. Für Klavierunterricht gab es kein Geld, also lernte er boxen, gewann alle Kämpfe, durfte aber nicht zu den Deutschen Meisterschaften, weil er ja als Flüchtlingskind Berlin nicht verlassen darf. Wundert es wirklich, dass in einem hochbegabten Jungen wie Yehya E. die Wut steigt? Natürlich hat Yehya versagt. Niemand muss kriminell werden, nur weil er ein Flüchtlingskind ist. Aber reicht es, mit dem moralischen Zeigefinger auf ihn zu zeigen? Reicht es, pauschal von Abschiebung zu sprechen? Deutlich härtere Strafen zu fordern? Von kulturellen Konflikten zu sprechen, die nicht überwunden werden können? Ist dem überhaupt so? Welche Lösungen gibt es für Fälle wie den von Yehya E.? Wer oder was ist verantwortlich für den Werdegang solcher Jungs? Nur sie selbst? Zehn Jahre lang habe ich intensiv recherchiert, habe Yehya E. und die Gangs von Neukölln kennengelernt, die Gangsterträume der zu muskulösen Kinder von der Sonnenallee, ich war in Flüchtlingslagern im Libanon und in den Einzelzellen der Berliner Jugendstrafanstalten. Ich habe in all den Jahren mehr Fragen als Antworten gefunden, aber in einem Punkt bin ich mir sicher. Wenn wir das Problem der Intensivstraftäter, die zu einem erschreckend hohen Teil aus Flüchtlingsfamilien stammen, in den Griff bekommen und die parallele Welt von Neukölln und anderswo langfristig abschaffen wollen – müssen wir mit den „Gangsterläufern“ und ihren Familien sprechen. Und nicht nur über sie. Kriminalität ist keine Krankheit, die man mal so eben heilen kann. So wie ich sie in Neukölln durch Yehya E. kennengelernt habe, wirkt sie eher wie eine Droge. Er scheint süchtig nach ihr. Und die Wut ist Yehyas Antrieb, sie weckt das Bedürfnis nach der Droge, die Kriminalität ist sein Heroin. Was er braucht, ist ein wirklicher Entzug. Aber auf den Straßen von Neukölln, in den Gangs und auf der Sonnenallee sind alle auf dieser Droge. Da allein rauszukommen, ist alles andere als leicht, das wurde mir während des Prozesses wieder schlagartig klar. In Neukölln ruft man die Polizei nicht Als ich diese parallele Welt vor Gericht zu schildern versuchte während des Prozesses gegen Yehya E. im März 2014, fuhr mich die Staatsanwältin plötzlich von der Seite an: „Jetzt rechtfertigen Sie den auch noch, Herr Stahl. Ich kann das wirklich nicht verstehen, bei all den Taten! Wie können Sie das bloß mit Ihrer gutbürgerlichen Moral vereinbaren?“ Einen Augenblick lang war ich perplex. Was hatte sie da gerade gefragt? „Wie ich die Straftaten von Yehya E. und seinen Jungs mit meiner gutbürgerlichen Moral vereinbaren kann?“, fragte ich zurück. „Gar nicht. Die gutbürgerliche Welt, in der Sie und ich groß geworden sind, hat nichts mit der Welt in Neukölln zu tun, in der Flüchtlingskinder wie Yehya aufwachsen. Für uns beide, Frau Staatsanwältin, ist die Polizei ein Freund und Helfer. Für uns beide ist es selbstverständlich, Abitur zu machen, zu studieren, zu reisen, sich an Gesetze zu halten und als gute deutsche Staatsbürger ein moralisch mehr oder weniger einwandfreies Leben zu führen. Aber die Welt, in der Yehya E. groß wurde, hat mit unserer Welt nichts zu tun. Unmittelbar nach Yehyas Geburt im palästinensischen Flüchtlingslager Schatila im Libanon flohen seine Eltern. Der Vater wurde unterwegs gefasst, musste ins Gefängnis und wurde wieder in den Libanon abgeschoben, bevor ihm dann Monate später die Flucht gelang. Die Mutter kam mit dem knapp vier Wochen alten Sohn in Deutschland an. Yehya reiste also als ausländischer Säugling in die Bundesrepublik ein. Er ist nun seit mittlerweile dreiundzwanzig Jahren nur geduldet, er darf bis heute nicht arbeiten und bei der Ausländerbehörde lachen sie ihn aus, wenn er sagt, er fühle sich als Deutscher. Frau Müller ruft dann Frau Schmitz aus dem Nebenzimmer und sagt: „Hör mal, was der Araber da gerade gesagt hat. Hahahaha.“ Sein Vater war dreizehn Jahre lang mit einem Arbeitsverbot belegt und musste einen Blumenladen wieder schließen. Die Polizei, die wir rufen, damit sie uns beschützt, ist in den Augen von Flüchtlingen, die seit über zwanzig Jahren in Deutschland leben ohne deutsch sein zu dürfen, eine gefühlte permanente Bedrohung, die abschiebt, ausweist und Papiere kontrolliert. In Neukölln ruft man die nicht, vor ihr haut man ab. Und wenn ich als Araber in Neukölln bedroht werde, schütze ich mich selbst, mit den Fäusten. Ist das gut? Nein. Ist das nachvollziehbar? Ich meine, ja. Und wenn Sie wollen, nehme ich Sie gern mit in eines der Cafés in der Sonnenallee, dann können Sie sich Ihr eigenes Bild von dieser Welt machen.“ „Mörder“ ist ein Kompliment Ich hatte mich in Rage geredet. Die Staatsanwältin sah mich mit großen Augen an. Auf den Zuschauerbänken, wo an jenem Prozesstag neben den Eltern der Angeklagten auch viele Freunde von Yehya E. saßen, wurde laut getuschelt. Irritierenderweise klatschte sogar irgendjemand kurz. Es gab fünf Minuten Pause. Draußen sprach mich Khaled an, der mit Yehya E. in Plötzensee, dem zentralen Gefängnis der Berliner Jugendstrafanstalt, gesessen hatte. Khaled war gefühlte zwei Meter groß und zwei Meter breit. Ein Riese, der meistens schwieg und keine Miene verzog. Jetzt kam er strahlend auf mich zu, schlug mir mit seiner Pranke auf die Schulter und sagte: „Christian, wallah, weißt du was, du bist voll der Mörder! Du bist DER King.“ „Mörder“ ist ein Kompliment. So eine Art Neuköllner Verdienstkreuz. „Mies“ bedeutet hier auch „gut“. Je mieser, desto besser. Im Gangjargon von Neukölln wird alles umgedreht, manchmal auch Realitäten. Ich versuchte ihm zu erklären, dass die Staatsanwältin mit ihrer Frage recht hatte und sie die Welt der Jungs so wenig kannte und verstand wie umgekehrt auch. Parallele Welten. Unausgesprochene Sehnsucht In all der Wut, die die selbst ernannten Gangster von Neukölln in sich tragen, in all dem Machogehabe und dem brutalen Straßenleben schwingt diese unausgesprochene Sehnsucht mit: einer von uns sein. Das Gefühl von Heimweh nach der Zukunft, in der das Land, in dem du geboren oder groß geworden bist, dich nicht mehr als fremd oder falsch ansieht und sich zumindest darum bemüht, deinen Namen richtig auszusprechen. Die Geschichte, die ich „In den Gangs von Neukölln“ erzähle, muss niemandem gefallen. Sie ist stellenweise brutal, paradox, zwiespältig, schwierig. Sie steht stellvertretend für sehr viele Geschichten. Es ist die Geschichte eines hoch talentierten Flüchtlingsjungen, der immer der Beste sein wollte. Es ist die Geschichte eines gescheiterten Auf- und Ausstiegs und einer ungewöhnlichen Freundschaft. Es ist eine Geschichte über Enttäuschung und Erwartungen. Eine über den verzweifelten Kampf, dazuzugehören. Es ist ein Plädoyer für eine radikal andere Integrations- und Flüchtlingspolitik. Es ist die Geschichte von Yehya E., die inzwischen irgendwie auch meine geworden ist. Vor allem aber ist es eines: eine deutsche Geschichte. Der Autor und Filmemacher Christian Stahl hat Yehya E. zehn Jahre lang begleitet. Sein Insiderbericht „In den Gangs von Neukölln. Das Leben des Yehya E.“ (Hoffman und Campe, 17,99 Euro) gewährt Einblicke in die Parallelwelt Neuköllns (verlinkt auf http://www.hoffmann-und-campe.de/autoren-info/christian-stahl/) .
Christian Stahl
Er war der jüngste Intensivstraftäter Berlins und ein Vorzeigeaussteiger. Yehya E. machte schon mit 23 Jahren Schlagzeilen, im Sommer 2013 kam der Rückfall, er wird wieder kriminell. Wer hat versagt?
Vermischtes
2014-09-22T14:58:43Z
2017-08-22T12:04:26Z
Die Neuköllner Gangs sind süchtig nach Kriminalität
https://www.welt.de//vermischtes/article132494500/Die-Neukoellner-Gangs-sind-suechtig-nach-Kriminalitaet.html
Manchester United – FC Liverpool: José Mourinho lacht nach Duell mit Jürgen Klopp
Es kommt einer Vorentscheidung im Rennen um Platz zwei gleich. Manchester United siegte am Samstagmittag mit 2:1 (2:0) gegen den FC Liverpool und liegt in der englischen Meisterschaft nun wieder fünf Punkte vor dem westlichen Nachbarn. Für United-Coach José Mourinho war es im Duell der Startrainer zudem der zweite Erfolg im achten Vergleich mit Jürgen Klopp (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/juergen-klopp/) . Mit der Serie von sieben Pflichtspielen ohne Niederlage waren die Reds in die Partie gegangen, fünf Mal blieb man sogar ohne Gegentor. Doch von defensiver Geschlossenheit war gegen Manchester nichts zu sehen. Beide Treffer in Halbzeit eins fielen denkbar einfach, beide Treffer gingen auf das Konto von Marcus Rashford. In der 14. Minute leitete Romelu Lukaku einen langen Schlag von United-Torwart David de Gea (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/david-de-gea/) mit dem Kopf auf Rashford weiter. Ein kurzer Haken des 20-Jährigen genügte, um Außenverteidiger Trent Alexander-Arnold zu verladen und mit einem Schlenzer Gästetorwart Loris Karius zu überwinden. Liverpool dreht erst in Halbzeit zwei auf Auch das 2:0, nur zehn Minuten später, lief nach diesem Schema ab: Wieder gewann Lukaku einen Zweikampf nach Abschlag de Gea. Wieder landete der Ball bei Rashford, dessen Schuss von Alexander-Arnold abgefälscht an Karius vorbeiflog. Klopp und Mourinho, die sich in der Vergangenheit oft hitzige Privatduelle an der Seitenlinie lieferten, zeigten sich am Samstag, ungeachtet aller Aktionen auf dem Platz, sehr harmonisch im Umgang miteinander. So fand sich während der 90 Minuten sogar immer wieder Zeit für einen kurzen Plausch. Thema könnte beispielsweise die harmlose Offensive der Liverpooler im ersten Durchgang gewesen sein. Der zweitbeste Angriff der Premier League um das Dreigespann Mo Salah, Firmino und Sadio Mane fand gegen Manchesters aggressive Verteidigung nur wenig Platz. Die besten Chancen des Reds ergaben sich fast zwangsläufig nach Standardsituationen. 80-Millionen-Verteidiger Virgil van Dijk kam einem Treffer noch am nächsten. Erst in Halbzeit zwei gelang es Liverpool, Mourinhos Team dauerhaft unter Druck zu setzen. Dennoch brauchte es eine gute Portion Glück, um de Gea zu überwinden. Eine Hereingabe von Mane lenkte United-Verteidiger Eric Bailly ins eigene Tor. Anschließend musste der Ivorer sogar behandelt werden, weil er sich bei seinem verunglückten Klärungsversuch an der Leiste verletzte. In einer hitzigen Schlussphase wurde es in der Coachingzone dann doch noch wild. Klopp legte sich immer häufiger mit den Schiedsrichtern an, bringen sollte es nichts mehr. Trotz sechs Minuten Nachspielzeit hieß der Sieger Manchester United (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/manchester-united/) .
WELT
Jürgen Klopp und der große Showdown in der Premier League um Platz zwei – das Spiel von Liverpool bei Manchester United brachte Unerwartetes. Und Trainer Mourinho zeigte sich von einer anderen Seite.
Sport
2018-03-10T14:42:49Z
2018-03-10T14:43:20Z
Mourinho lacht nach brüderlichem Duell mit Klopp
https://www.welt.de//sport/article174412267/Manchester-United-FC-Liverpool-Jose-Mourinho-lacht-nach-Duell-mit-Juergen-Klopp.html
„Zippert zappt“ : Jeder Minister macht jetzt seine eigene Maut
Wolfgang Schäuble lässt ein eigenes Maut-Konzept (verlinkt auf /themen/pkw-maut/) erarbeiten, nachdem er das Gefühl nicht los wurde, dass Dobrindt es irgendwie nicht geregelt kriegt. Nach Schäubles Plänen sollen nicht nur Ausländer, sondern auch Deutsche zur Kasse gebeten werden. Das wird im Koalitionsvertrag eigentlich ausgeschlossen, aber Schäuble will so tun, als wüsste er das nicht. Möglich wäre auch, dass einfach beide Konzepte verwirklicht werden. Dann zahlen Ausländer erst die Dobrindt-Maut und dann die Schäuble-Maut. Schwarze und gelbe Autos müssen zahlen Das Konzept leuchtet auch anderen Kabinettsmitgliedern ein. Sigmar Gabriel will jetzt ebenfalls ein Mautkonzept erarbeiten lassen, und Andrea Nahles hat bereits eins in der Tasche, das sie aber keinem zeigt. Gabriel will jeden zweiten ausländischen Fahrer zur Kasse bitten und alle deutschen Pkw-Besitzer, die ein schwarzes oder gelbes Auto haben. Ursula von der Leyen plant, regelmäßige Mautmanöver an den Grenzen des Landes abzuhalten, um den Mautforderungen mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen. Sie will vor allem den Mauteintreibern von Gabriel, Dobrindt, Schäuble und Nahles das Geld wieder abjagen.
Hans Zippert
Warum eigentlich darf nur Alexander Dobrindt ein Mautkonzept vorlegen? Wolfgang Schäuble hat da auch schon eine Idee, genauso wie Gabriel, Nahles und von der Leyen. Hauptsache, die Kasse klingelt.
Debatte
Kolumnen
2014-09-15T14:02:07Z
2017-08-27T11:22:29Z
Jeder Minister macht jetzt seine eigene Maut
https://www.welt.de//debatte/kolumnen/zippert_zappt/article132277093/Jeder-Minister-macht-jetzt-seine-eigene-Maut.html
Belgien: Ein Toter bei Busunglück mit deutschen Schülern
Bei einem Busunglück in Belgien ist ein Deutscher ums Leben gekommen, mehr als 20 Jugendliche wurden leicht verletzt. Der Reisebus mit Passagieren aus München war am frühen Sonntagmorgen im Osten Belgiens verunglückt. Vermutlich war der Fahrer eingeschlafen. Das Opfer – Jahrgang 1982 – war ein Begleiter der Jugendgruppe, wie der Leiter des ärztlichen Notdienstes der Nachrichtenagentur dpa sagte. Die Verletzten sind zwischen 15 und 20 Jahren alt. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist die deutsche Botschaft eingeschaltet. "Sie steht mit den zuständigen belgischen Behörden in engem Kontakt", sagte ein Sprecher in Berlin. Fahrer war eingeschlafen Der in Tschechien registrierte Bus mit 59 Insassen war nach Angaben der Nachrichtenagentur Belga auf der Fahrt von Paris nach München auf einer Autobahn von der Straße abgekommen, umgestürzt und in einem Straßengraben gelandet. Nach ersten Erkenntnissen war der Fahrer am Steuer eingeschlafen. Das Unglück habe sich bei der Gemeinde Cerexhe-Heuseux nahe der deutschen Grenze ereignet. "Eine große Katastrophe mit vielen Opfern ist heute wahrscheinlich verhindert worden", erklärte die belgische Innenministerin Joëlle Milquet. Sie lobte die Rettungskräfte für ihre "Schnelligkeit, Effizienz und herausragende Professionalität". Der Fernsehsender RTL in Belgien zeigte Bilder, auf denen mehrere Krankenwagen und Passagiere am Straßenrand zu sehen sind. "Ich habe geschlafen, als es passiert ist", sagte eine junge Frau dem Sender. "Alles war in Ordnung, dann haben wir plötzlich Schreie gehört." Reisebegleiter verstorben Der Begleiter der Jugendgruppe war laut Belga bei dem Unfall schwer verletzt und mit einem Rettungshubschrauber in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht worden. Dort erlag er seinen Verletzungen. Er soll vorne im Bus gesessen haben. Eine Sprecherin der belgischen Bundespolizei bestätigte der dpa, dass der Mann Deutscher war. Mehr als 20 Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren wurden leicht verletzt. Sie erlitten leichte Schnittwunden und andere kleinere Verletzungen, wie der Leiter des ärztlichen Notdienstes sagte. "Sie waren alle in einem Schockzustand." Bis Mittag wurden alle Verletzten aus dem Krankenhaus entlassen. Sie sollten Medienberichten zufolge zusammen mit den anderen Insassen des Busses mit einem anderen Bus nach Deutschland gebracht werden.
WELT
Ein Reisebus mit deutschen Schulkindern ist in Belgien in einen Graben gestürzt, weil der Fahrer am Steuer eingeschlafen war. Ein Insasse wurde getötet. Die Gruppe war auf dem Rückweg von Paris.
Vermischtes
Weltgeschehen
2012-08-19T09:54:07Z
2015-10-05T06:20:31Z
Ein Toter bei Busunglück mit deutschen Schülern
https://www.welt.de//vermischtes/weltgeschehen/article108686724/Ein-Toter-bei-Busunglueck-mit-deutschen-Schuelern.html
Energiekonzerne freuen sich über faule Kunden
Kaffee? Im Angebot 3,99 Euro. Butter? Höchstens ein Euro. Ein Brötchen? 30 Cent. Wer seinen Einkaufswagen durch den Supermarkt schiebt, hat bei vielen Dingen des täglichen Bedarfs eine genaue Vorstellung davon, wann sie so günstig sind, dass sich ihr Kauf lohnt. Ähnlich gut Bescheid wissen Autofahrer über den Benzinpreis (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/benzinpreise/) : Den hat man meist auf wenige Cent genau parat. Ganz anders sieht das erstaunlicherweise bei einem Energieträger aus, der für viele Bundesbürger ebenfalls zum täglichen Bedarf gehört. Wer nach dem Preis von Erdgas gefragt wird, zuckt in der Regel mit den Schultern oder verlegt sich aufs Raten. Diese Marktunkenntnis hat für die Verbraucher teure Folgen, wie jetzt eine Studie ergab: Weit über 100 Euro im Jahr könnte ein Durchschnittshaushalt sparen, wenn er sich die Mühe machte, Preise zu vergleichen und konsequent zum günstigsten Anbieter zu wechseln. Die Trägheit des Endkunden beschert der Branche (verlinkt auf /wirtschaft/article150368738/Gasversorger-kassieren-1-3-Milliarden-Euro-zu-viel.html) ein gutes Leben. Wettbewerb findet auf dem Gasmarkt, soweit es um Privatkunden geht, auch zehn Jahre nach der Liberalisierung nur sehr eingeschränkt statt. Nach der jüngsten Branchenanalyse von Bundesnetzagentur und Kartellamt, dem sogenannten Monitoringbericht, hat im vergangenen Jahr gerade einmal jeder zehnte Haushaltskunde seinen Lieferanten gewechselt. Der Anteil stagniert seit Jahren. Rechnet man die Kunden heraus, die ihren Gasversorger im Rahmen eines Umzugs wechselten, schrumpft er sogar. Verbraucher verschenken Milliarden Die Konsumenten verzichten damit weitgehend auf ihren stärksten Hebel zur Marktmacht (verlinkt auf /wirtschaft/article150143977/Bleibt-Energie-auch-im-kommenden-Jahr-so-billig.html) – und verschenken Milliarden, denn die Gasanbieter geben sinkende Beschaffungspreise derzeit kaum weiter. „Die Erfahrung aus anderen Märkten zeigt, dass der Preisdruck auf Anbieter wächst, wenn viele Verbraucher bewusst von ihren Auswahlmöglichkeiten Gebrauch machen“, sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, der „Welt am Sonntag“. Direkte Markteingriffe lehnte er jedoch ab. „Eine Deckelung der Gaspreise würde die Bemühungen von alternativen Gaslieferanten, Kunden über günstigere Preise zum Wechsel des Lieferanten zu bewegen, wieder erlahmen lassen“, sagte Mundt. „Dies wäre letztlich kein guter Dienst am Verbraucher, da eine dauerhaft wettbewerbsorientierte Preisbildung über die Marktprozesse erschwert würde.“ Konkrete Ermittlungen des Kartellamts gegen etablierte Gasversorger gebe es derzeit nicht. „Wir beobachten den Markt aber schon noch fortlaufend“, betonte Mundt. Ganz im Gegensatz zum Verbraucher. Verhaltensforscher können erklären, warum wir über Gaspreise so schlecht informiert sind. Tief in unserem Inneren, sagt der Verbraucherpsychologe Stephan Grünewald, gehe es hier wie dort um unser Gefühl für die eigene Autonomie – mit gegensätzlichen Folgen: „Mit dem Auto und der Auswahl der Tankstelle beweisen wir unsere Steuerungsfähigkeit“, erklärt der Mitgründer der Kölner Rheingold-Marktforschung. Beim Tanken klappt es Wer günstig tankt, empfindet sich als cleverer Gewinner. Energieversorger dagegen erlebten wir „als eine Art Schutzmacht, auf die wir angewiesen sind“. Stets schwinge dabei die Furcht mit, fallen gelassen zu werden – etwa in Form einer Versorgungsunterbrechung, auch wenn die gesetzlich ausgeschlossen ist. „Energieversorger schränken unsere gefühlte Autonomie ein, was wir als kränkend erleben“, sagt der Bestsellerautor. „Deshalb neigen wir dazu, das Thema völlig zu verdrängen.“ Und so bares Geld zu verschenken. Nach einer Studie des Infodienstes Energycomment im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion könnten die Bundesbürger jährlich 1,3 Milliarden Euro plus 240 Millionen an Mehrwertsteuer beim Heizgas sparen – macht 132 Euro je Haushalt –, würden sie ihre Wahlmöglichkeiten so vorbildlich-kritisch ausspielen wie an der Zapfsäule. „Schon 2014 wurden die Einsparungen beim Gaseinkauf nicht voll an die Verbraucher weitergegeben“, schreibt Energycomment-Analyst Steffen Bukold. „Im laufenden Jahr setzte sich der unerfreuliche Trend fort.“ Deshalb sei der Durchschnittspreis mit 6,38 Cent um 0,66 Cent oder über zehn Prozent überhöht. Schon das schiere Marktvolumen macht das für die Branche zum lukrativen Geschäft. Immerhin jede zweite Wohnung in Deutschland wird mit Erdgas beheizt. Haushalte und Kleinverbraucher nehmen mit 44 Prozent mehr Erdgas ab als Industrie (42 Prozent) und Kraftwerke (14 Prozent). Doch während die durchsetzungsfähigen Großkunden von 2014 auf 2015 Preissenkungen von 13 Prozent erzwingen konnten, tat sich bei den Privatkundentarifen kaum etwas. Festhalten an der Grundversorgung Besonders zäh halten die Versorger in der ohnehin unvorteilhaften Grundversorgung an dem hohen Preisniveau fest. Nach einer Erhebung des Portals Verivox liegt der Durchschnittspreis dieser Tarife im Dezember 2015 mit 7,43 Cent fast exakt so hoch wie drei Jahre zuvor. Fast ein Viertel der Haushalte steckt in der Grundversorgung, obwohl ein Wechsel in die sogenannten Sonderverträge – sie heißen zu Unrecht so, denn mit einem Anteil von 57 Prozent sind sie längst der Regelfall – sogar ohne Anbieterwechsel möglich ist. Praktisch jedes Stadtwerk bietet Sondertarife an. Bisher lässt sich knapp jeder fünfte private Gaskunde von einem überregional tätigen Anbieter beliefern. Die Stadtwerke-Lobby VKU wehrt sich gegen den Vorwurf, die Kommunalbetriebe bereicherten sich auf Kosten der Kunden, indem sie heimlich ihre Gewinnmarge ausweiteten. Zum einen sei nur etwa die Hälfte des Endkundenpreises von den Anbietern beeinflussbar, heißt es beim VKU. Der Rest entfalle auf Netzentgelte, Steuern und Abgaben. Zum anderen hätten sich zahlreiche Stadtwerke selbst an längerfristige Bezugsverträge zu festen Preisen gebunden und profitierten folglich nicht von der Verbilligung auf dem Weltmarkt. Mag sein, halten Kritiker dagegen, doch das wäre dann das Problem der Kommunalversorger und nicht das ihrer Kunden. „Entweder waren die Beschaffungsverträge so ungünstig ausgehandelt, dass die Einsparungen überwiegend bei den Gashändlern blieben, oder die Beschaffung wurde für die Stadtwerke billiger, aber dieser Vorteil wurde nicht an die Kunden weitergereicht“, lautet die Schlussfolgerung von Bukold. Voraussetzungen für Wechsel sind gut Letztlich kann es den Verbrauchern egal sein, welches Glied der Beschaffungskette Preiszugeständnisse machen müsste, käme der Markt denn endlich in Gang. Daniel Zimmer, der Vorsitzende der Monopolkommission, sieht diese Chance durchaus. „Die historische Wechselquote ist nur begrenzt aussagefähig. Für die Versorger ist vielmehr die Bereitschaft ihrer Kunden entscheidend, zum Wettbewerber abzuwandern“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Und diese Schwelle sei gar nicht so hoch: „Druck auf die Versorger entsteht, wenn die Menschen sich Gedanken über einen Wechsel machen und beispielsweise bei ihrem Versorger nach einem günstigeren Tarif fragen. Wenn das viele tun, werden die Unternehmen reagieren.“ Die steigende Zahl der Sondervertragskunden gebe Anlass zur Hoffnung. Auch Zimmer hält, wie Mundt, die rechtlichen und technischen Voraussetzungen für einen Wechsel des Gasversorgers inzwischen für gut: „Aus Sicht der Monopolkommission gibt es keine Anzeichen für Machtmissbrauch oder Marktversagen.“ In drei Vierteln der Versorgungsgebiete können die Konsumenten laut Monitoringbericht unter mehr als 50 Gasanbietern wählen, häufig ist die Auswahl noch größer. Wer weiß, worauf er beim Anbieterwechsel achten muss, kann loslegen – und auf eigene Faust sparen (siehe Kasten Seite 35). Denn auf eine allgemeine Preissenkungswelle in naher Zukunft braucht niemand zu hoffen. Laut dem Portal Check24 haben derzeit gerade 184 der mehr als 700 Grundversorger eine Preisreduzierung angekündigt. Wo gesenkt werde, liege die Rate bei durchschnittlich knapp fünf Prozent – alles in allem bewegt sich damit wiederum wenig. Doch der Spielraum der Versorger für Preiszugeständnisse dürfte mittelfristig wachsen. „Auf dem Weltmarkt herrscht ein nennenswertes Überangebot“, sagt Rainer Wiek vom Energieinformationsdienst EID. Wirtschaftskrisen und milde Winter haben die Nachfrage in Europa und andernorts gedrückt, während das Angebot aus vielen Richtungen steigt. Psychologische Hemmschwellen? Die Preise bleiben also absehbar unter Druck. Doch deutsche Endverbraucher werden davon nur profitieren, wenn sie stärker der Minderheit nacheifern, die den nackten Zahlen jetzt schon unbedingte Vorfahrt vor psychologischen Hemmschwellen und der eigenen Trägheit einräumt. Das ist freilich leichter gesagt als getan, wie auch Verbraucherpsychologe Grünewald zugibt: „Ich habe die Angebote meines Gasversorgers seit einem Jahr nicht angeschaut.“ Kein Einzelfall. Doch das könnte sich ändern, wenn in den nächsten Monaten die Gasrechnungen verschickt werden. Versorger müssen diesen Anlass zum Tarif- und Lieferantenwechsel in diesem Jahr vielleicht mehr fürchten als sonst. Denn der Wirbel, der allein um die von den Grünen angestoßene Studie von Energycomment gemacht wird, könnte deutlich mehr Verbraucher als bisher dazu animieren, ihr träges Verhalten zu überdenken. Und gleich im neuen Jahr mit dem Vergleichen zu beginnen.
Michael Gassmann
Deutschlands Gasversorger verdienen Milliarden, weil sie den Preisverfall nicht weitergeben. Ungerecht? Nein, die Kunden sind selbst schuld. Ein Lehrstück über Trägheit und Verlustängste.
Wirtschaft
Energie
2016-01-07T08:00:37Z
2016-01-07T08:00:37Z
Psycho-Schwäche kostet Deutsche sehr viel Geld
https://www.welt.de//wirtschaft/energie/article150648936/Psycho-Schwaeche-kostet-Deutsche-sehr-viel-Geld.html
Arturo Vidal: „Bayern ist einer der drei besten Klubs der Welt“
Er hat sich einen riesigen Stern in die Frisur rasieren lassen. Aus dem V-Ausschnitt seines dunkelblauen T-Shirts stechen bunte Tattoos hervor, Arturo Vidal strahlt. Dienstagnachmittag betritt der chilenische Nationalspieler erstmals seinen neuen Arbeitsplatz, das Stadion des FC Bayern (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/) . „Mit meinen Frisuren und Tattoos möchte ich das verkörpern, was ich auf dem Spielfeld bin“, sagt Vidal. Und erklärt gleich, warum er zum FC Bayern gewechselt ist. „Ich habe für Bayer Leverkusen (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/bayer-leverkusen/) gespielt, aber nicht die Meisterschaft gewonnen. Das zu schaffen ist mein Traum. Und ich will die Champions League (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/champions-league/) gewinnen. Der FC Bayern ist für mich einer der drei besten Klubs der Welt. Ich will den nächsten Schritt in meiner Karriere machen.“ Nach vier tollen Jahren bei Juventus Turin sei es einfach an der Zeit dafür gewesen. Auch Real Madrid (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/real-madrid/) und andere Topvereine waren an dem 28-Jährigen interessiert. Nach Gesprächen mit seiner Frau Maria entschied er sich für München. Dort hat er für vier Jahre unterschrieben, plus Option für ein weiteres Jahr. Die Bayern zahlen dem Vernehmen nach rund 35 Millionen Euro Ablöse an Juventus. Auf seinen Wunsch erhält Vidal die Rückennummer 23, die bislang der neue Ersatztorwart Sven Ulreich trug. Ulreich überlässt Vidal die Rückennummer Sportvorstand Matthias Sammer (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/matthias-sammer/) sagt dazu: „Sven hat ihm die Nummer gern gegeben. Sie hat für Arturo eine große Bedeutung, er hat sie bei seinen vorherigen Stationen auch getragen. Ich finde beeindruckend, wie Arturo Fußball spielt. Er verkörpert Komplexität: Kraft im Spiel, technisch gut, schießt oft das 1:0 und ist taktisch flexibel.“ Er habe Vidal schon vor dessen Zeit in Leverkusen beobachtet. „Jetzt war das Momentum da, wo alles passt“, so Sammer. Um in der neuen Saison der Bundesliga zum vierten Mal in Folge Meister zu werden – was noch keinem deutschem Klub gelang – brauche der Verein die richtigen Protagonisten. „Und Arturo ist so einer. Das hat man auch im Finale der Champions League in der vergangenen Saison gesehen.“ Vidal freut sich über die Aussage seines neuen Chefs, lacht und boxt ihm in die Seite. Der Mittelfeldprofi wirkt bei seinem ersten Auftritt in München gelöst, strahlt Ehrgeiz und Optimismus aus. Dabei hatte er zuletzt viel Ärger: In seiner Heimat war er mit seinem Ferrari an einem Verkehrsunfall beteiligt, hatte angeblich einen Alkoholpegel von 1,3 Promille. „Ich habe sehr großen Respekt vor meinem neuen Verein und den Menschen hier. So etwas werde ich nicht noch mal machen“, versichert Vidal. In München werde ihn voraussichtlich zunächst seine Frau zum Training chauffieren. „Ich bin reifer geworden“ Und was ist mit seiner recht harten Spielweise? Die Bayern-Bosse loben Vidal für seine Aggressivität. Doch in der Bundesliga pfeifen die Schiedsrichter oft anders als die in der Champions League oder Italien. Vidal hat dennoch keine Sorge, oft vom Spielfeld zu fliegen: „Früher habe ich oft Gelbe Garten bekommen und musste öfter mal runter. Ich bin aber reifer geworden und habe mich persönlich entwickelt.“ Er habe sich vorgenommen, Schritt für Schritt die Liebe der deutschen Fans zu gewinnen. Wo genau er spielen wird, das könne er nicht sagen, das sei Sache von Trainer Pep Guardiola (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/josep-guardiola/) . Möglich sind die Halbpositionen sowie die Zentrale, sowohl mit defensiver als auch mit offensiver Ausrichtung. Ein Reporter sagt bei Vidals erstem Auftritt im Stadion, Vidal habe in Leverkusen damals Michael Ballack die Elfmeter weggenommen und bei Juventus der Fußball-Legende Andrea Pirlo (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/andrea-pirlo/) . Wird er in München jetzt dem Stammschützen Thomas Müller (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/thomas-mueller/) die Elfer klauen? Vidal grinst und schüttelt leicht den Kopf. Man müsse abwarten, wie sich alles entwickelt, er wolle sich jetzt einfach gut einfügen. Mit Müller teilt er in jedem Fall schon ein Hobby: Beide interessieren sich für Pferde. Vidal besitzt den Rennstall „Alvidal“ mit 111 Tieren. Doch jetzt konzentriert er sich erst mal ganz auf den Fußball. Kein Problem mit Rummenigge Er sei fit, fühle sich gut. Und stolz, mit der Nationalmannschaft Chiles die Südamerika-Meisterschaft Copa Amerika gewonnen zu haben. „Auch bei Bayern möchte ich meine Landsleute stolz machen“, sagt Vidal. 2011 wollten die Bayern ihn schon mal verpflichten. Der damalige Leverkusener gab den Bossen sein Wort, wechselte aber dann doch nach Turin. Klubchef Karl-Heinz Rummenigge tobte, warf Vidal fehlende Moral vor. Vidal lacht, als er darauf angesprochen wird. Sein Motto: Schnee von gestern. „Die Leute, die damals beteiligt waren, wissen, wie es wirklich abgelaufen ist. Ich habe mich wegen meiner Familie für Juventus entschieden“, betont der neue Bayern-Star. Sein Deutsch von damals habe er verlernt. Er werde sich aber dennoch schnell integrieren, verspricht Vidal. Bereits am Samstag im Supercup gegen den VfL Wolfsburg will er spielen. Mia san Mia – schon mal gehört, das Vereinsmotto, Senor Vidal? Er lacht wieder. „Nein. Aber 'Dankeschön' kann ich noch sagen. Und das Mia san Mia werde ich lernen.“
Julien Wolff
Arturo Vidal gibt sich bei der Präsentation als Bayern-Spieler geläutert. Sport-Vorstand Sammer ist beeindruckt von seiner Komplexität. An einer Schwäche muss der Chilene allerdings noch arbeiten.
Sport
Fußball
2015-07-28T19:16:14Z
2015-07-28T20:03:25Z
„Bayern ist einer der drei besten Klubs der Welt“
https://www.welt.de//sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article144556961/Bayern-ist-einer-der-drei-besten-Klubs-der-Welt.html
Transaktionssteuer: Finanzabgabe könnte am Koalitionsvertrag scheitern
Ursprünglich sollte sie bereits seit dem 1. Januar in Kraft sein. Doch die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer (verlinkt auf /themen/finanztransaktionssteuer/) (FTS) liegt auf Eis. Banken und Verbände haben erfolgreich gegen die Steuer lobbyiert – nun feilen Experten an Ausnahmeregelungen für die Finanzhäuser. Doch laut Volker Bouffier (CDU) können sich die Brüsseler Beamten die Arbeit sparen. Hessens Ministerpräsident hält die Steuer (verlinkt auf /politik/deutschland/article123540888/Ich-werde-weder-gruener-noch-linker.html) insgesamt für nicht praktikabel, erklärte er in der „Welt am Sonntag“. Beim Koalitionspartner SPD löste das große Verwunderung aus. Denn Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag gerade erst für eine rasche Einführung der Steuer ausgesprochen. Scharfe Kritik kam von der Opposition. Viele Milliarden Euro für EU-Kassen Mit der Finanztransaktionssteuer will die Politik Banken an den Kosten der Finanzkrise beteiligen. Die Steuer wird von elf EU-Ländern unterstützt, darunter auch Deutschland. Der Besteuerungssatz auf Finanzgeschäfte fällt mit 0,1 Prozent zwar sehr gering aus, würde aber aufgrund der enormen Dimensionen der Finanztransaktionen viele Milliarden Euro in die Kassen der EU-Staaten spülen. Auch will die Politik durch die Steuer übermäßige Spekulationen an den Finanzmärkten eindämmen, die zu Börsen-Crashs führen können. Ob das gelingt, ist unter Experten allerdings umstritten. Auch könnten die Banken die Mehrbelastung einfach auf ihre Kunden überwälzen, so die Sorge, oder ihre Geschäfte einfach außerhalb Europas abwickeln. Bouffier schließt sich diesen Sorgen an. „In der großen Koalition haben wir vereinbart, dass die Finanztransaktionssteuer nur eingeführt werden könnte, wenn sie nicht die Realwirtschaft schädigt, wenn sie keine Wettbewerbsnachteile für den Standort Deutschland bringt und wenn sie in Europa einheitlich eingeführt wird“, sagte der hessische Ministerpräsident. „Ich sehe nicht, wie in absehbarer Zeit die Steuer so gestaltet werden kann, dass diese drei Bedingungen erfüllt werden können.“ Bei dieser Steuer einigte sich die Koalition Die Aussagen haben Brisanz. Denn während Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen in nahezu allen Finanzfragen über Kreuz lagen, einigten sie sich bei der FTS schnell (verlinkt auf /finanzen/geldanlage/article121307096/Schwarz-Rot-ist-bei-Finanztransaktionssteuer-einig.html) – und zwar auf ihre rasche Einführung. „Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz zügig umsetzen, und zwar im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU“, heißt es im Koalitionsvertrag wörtlich. Die SPD reagierte verärgert auf Bouffiers Vorstoß. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte der „Welt“: „Die hessische Landesregierung hat schon bisher eine gerechte Finanzpolitik verhindert. Nun soll wohl die angemessene Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Krise blockiert werden. Es wird interessant sein, zu sehen, ob Herr Bouffier für diesen rücksichtslosen Finanzplatzlobbyismus die Unterstützung der Bundeskanzlerin und des Finanzministers erhält.“ Bouffier bezieht sich auf zwei Sätze am Ende der Passage zur Steuer im Koalitionsvertrag. „Durch die Ausgestaltung der Steuer wollen wir Ausweichreaktionen vermeiden“, heißt es da. „Dabei gilt es, die Auswirkungen der Steuer auf Instrumente der Altersversorgung, auf die Kleinanleger sowie die Realwirtschaft zu bewerten und negative Folgen zu vermeiden sowie zugleich unerwünschte Formen von Finanzgeschäften zurückzudrängen.“ Finanzplatz Frankfurt unter Druck Frankfurt ist der wichtigste Finanzplatz Deutschlands sowie der Sitz aller großen Banken. Die Finanzhäuser haben immer wieder damit gedroht, nach Einführung einer Steuer ihre Geschäfte über andere internationale Standorte abzuwickeln. Hessens Ministerpräsident Bouffier hat deshalb ein veritables Interesse daran, die Steuer zu verhindern, da sie dem Finanzplatz Frankfurt schaden könnte – und damit seinem Bundesland. Grüne und Linke, die seit Langem für die Besteuerung von Finanztransaktionen eintreten, kritisierten den hessischen Ministerpräsidenten scharf. „Vor Freude über all die grünen Projekte im hessischen Koalitionsvertrag hat Bouffier den Text des Vertrags der großen Koalition nicht so genau gelesen“, sagte Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament, der „Welt“. „Die Unterstützung für die Finanztransaktionssteuer ist im Koalitionsvertrag nicht an Bedingungen geknüpft.“ Vielmehr wolle die Koalition eine breite Steuerbasis bei Minimierung von möglichen schädlichen Nebenwirkungen. Selbst Devisenkontrakte besteuern „Die Bundesregierung greift sogar die Position des Europaparlaments auf und will entgegen der EU-Kommission auch Devisentransaktionen besteuern“, sagt Giegold. So heiße es im Koalitionsvertrag: „Eine solche Besteuerung sollte möglichst alle Finanzinstrumente umfassen, insbesondere Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Devisentransaktionen sowie Derivatekontrakte.“ Der Linke-Finanzpolitiker Richard Pitterle wertete die die Aussagen des hessischen Ministerpräsidenten als „schallende Ohrfeige sowohl für den grünen Koalitionspartner in Hessen als auch für die mitregierenden Sozialdemokraten in Bund“. Für Bouffier seien „die Koalitionsvereinbarungen das Papier nicht wert, auf dem sie stehen“, meinte Pitterle. Beide Koalitionsvereinbarungen, sowohl die in Hessen wie die im Bund, enthielten beispielsweise nicht die Bedingung, dass die FTS in ganz Europa eingeführt werden müsse, wie Bouffier suggeriere. „Lautstarker Lobbyist der Finanzindustrie“ Auch sei von einer „intensiven Begleitung“ zur Einführung der FTS, wie sie Bouffier den Grünen in Hessen zugesagt habe, nichts zu spüren. Der hessische Ministerpräsident sei nicht nur „Bremser“, wie ihn die hessischen Grünen immer bezeichnet hätten, sondern betätige sich als „lautstarker Lobbyist der Finanzindustrie“. Diese habe die Finanztransaktionssteuer, die laut Frau Merkel die Finanzindustrie „an den Kosten der Krise beteiligen“, aber auch einen Beitrag zur Entschleunigung der Spekulation leisten solle, „schon immer als Zumutung für ihre Gewinnmargen empfunden“, wetterte der Linke-Politiker. Die Finanztransaktionssteuer sorgt innerhalb kurzer Zeit schon zum zweiten Mal für Ärger in der schwarz-roten Koalition. So hatte die SPD erst kürzlich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fehlenden Willen zur Durchsetzung der Steuer vorgeworfen, seine Zurückhaltung sei ein „fatales Signal“ an Europa. Schäuble hatte zuvor erklärt, er kämpfe für die Steuer, doch wachse der Widerstand in anderen EU-Ländern. Grünen-Politiker Giegold springt Schäuble bei: „Die deutsche Bundesregierung hat sich in Brüssel schon in der Vergangenheit für die FTS aktiv engagiert. Es sind Frankreich und Italien, die im Bremserhäuschen sitzen.“ EU-Kommission für Entschärfung Die EU feilt unterdessen an den Details. Bis Mai soll eine Einigung stehen. Ursprünglich sollte die Steuer auf alle Aktien-, Anleihen- und Derivategeschäfte erhoben werden. Neuesten Plänen zufolge soll die Steuer aber nicht auf Altersvorsorgeprodukte, Staatsanleihen und Geschäfte zugunsten der Realwirtschaft erhoben werden. Auch Rückkaufgeschäfte (Repo-Geschäfte) sollen ausgenommen werden. Vor allem die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken nutzen diese Geschäfte stark, um sich gegenseitig Geld zu leihen. Die EU-Kommission hatte sich vergangene Woche offen für eine spürbare Entschärfung gezeigt. „Wir würden einen Kompromiss mit einem weniger umfangreichen Anwendungsbereich unterstützen“, hatte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta erklärt. „Die einzige rote Linie für uns ist, dass Schlupflöcher oder Umgehungsmöglichkeiten vermieden werden müssen, welche die Grundidee der Steuer als solche gefährden.“ Semeta sagte auch, das Engagement Deutschlands und anderer Regierungen für die Steuer habe sich nicht geändert. Ob, wie und wann die Steuer kommt, ist aber weiterhin ungewiss. Schäuble hat bereits im Dezember darauf reagiert – und die ab 2015 vorgesehenen Einnahmen aus der Finanzplanung herausgestrichen.
Martin Greive
Union und SPD haben die Finanztransaktionssteuer vereinbart. Doch Hessens Ministerpräsident ist sicher, die festgelegten Bedingungen machen sie unmöglich. Die SPD wittert jetzt Finanzplatzlobbyismus.
Politik
Deutschland
2014-01-06T05:00:49Z
2015-09-21T11:31:05Z
Finanzabgabe könnte am Koalitionsvertrag scheitern
https://www.welt.de//politik/deutschland/article123557721/Finanzabgabe-koennte-am-Koalitionsvertrag-scheitern.html
Städte warnen Schwarz-Gelb vor Abschaffung der Gewerbesteuer
Es ist Klaus Wowereit (SPD), der Regierende Bürgermeister von Berlin, der als Gastgeber der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages das erste Wort hat. Wowereit ist so was wie der Star unter den Bürgermeistern Deutschlands, zuletzt zierte sein Bild gar das "Time"-Magazin in den USA. Dementsprechend deutlich wird er vor den rund 1000 Delegierten: Wowereit sagt, daß die Städte in die Lage versetzt werden müssen, ihre Aufgaben zu erfüllen, daß man sich nicht über fehlende Investitionen der Kommunen aufregen könne, wenn man ihnen die Mittel dafür wegnimmt. Und er ist der erste, der sich gegen die Abschaffung der Gewerbesteuer ausspricht, wie von der FDP und Teilen der Union angedacht. "Manche denken, die Gewerbesteuer kann man abkassieren, dabei ist sie die ursprünglichste aller Einnahmequellen", sagt Wowereit, und die Delegierten feiern ihn dafür. Die deutschen Städte treten zum 100jährigen Bestehen ihres Verbandes selbstbewußt auf. "Der Deutsche Städtetag ist Impulsgeber für Sicherheit und Ordnung", sagt Petra Roth (CDU), Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main und scheidende Präsidentin des Städtetages. Ihr Nachfolger soll heute Münchens Oberbürgermeister Christian Uhde (SPD) werden. Das Problem der Städte sei lediglich die mangelnde Vertretung kommunaler Interessen von Bundes- und Landespolitikern, sagt Roth. Kein Wunder also, daß Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in seinem Grußwort den Städten entgegenkommt. Zwar fordert der Kanzler von den Kommunen und Arbeitsagenturen eine schnellere und bessere Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, er mahnt, daß von den vom Bund bereitgestellten 6,5 Milliarden Euro erst wenig abgerufen worden sei, doch wie auch der Städtetag lehnt der Kanzler Pläne der Opposition ab, die Betreuung von Langzeitarbeitslosen allein den Kommunen aufzubürden. "Wir dürfen die sehr schwierige Aufgabe der Integration der Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt" nicht bei Städten und Gemeinden allein abladen. "Deshalb bin ich dagegen, die Langzeitarbeitslosigkeit zu kommunalisieren", sagt Schröder, was ziemlich gut ankommt bei den Delegierten. Als er dann noch auf die Länder zu sprechen kommt, die Entlastungen aus der Arbeitsmarktreform nicht an die Kommunen weitergäben, sie auffordert, ihrer Verantwortung für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen nachzukommen, hat er die Delegierten hinter sich. Vorher schon hatte Roth von den "klebrigen Fingern" der Länder gesprochen. Eine Zusage im Rahmen einer Föderalismusreform, den Kommunen mehr Rechte gegenüber Bund und Ländern einzuräumen, wie von Roth gefordert, macht der Kanzler allerdings nicht. Lediglich wünsche er sich, "daß die Föderalismusreform umgesetzt wird". Auch im eigenen Interesse, denn dann werde klar, wer im Land für was verantwortlich sei. Während eines Festakts am Abend hat Bundespräsident Horst Köhler die Erwartung geäußert, "daß die Verhandlungen über die Föderalismusreform zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder aufgenommen werden". Köhler regte an, über eine nachhaltige Gemeindefinanzreform nachzudenken.
Torsten Thissen
Festakt zum 100jährigen Bestehen in Berlin
Print-welt
2005-06-01T22:00:00Z
2011-11-16T13:28:12Z
Städte warnen Schwarz-Gelb vor Abschaffung der Gewerbesteuer
https://www.welt.de//print-welt/article673818/Staedte-warnen-Schwarz-Gelb-vor-Abschaffung-der-Gewerbesteuer.html
Attentatsversuch: Rizin, das tödliche Gift aus dem Postkasten
Selten kommt ein Attentat so unsichtbar daher. Schon eine Messerspitze Rizin genügt, um einen harmlosen Brief in eine tödliche Sendung zu verwandeln. Nur sehr knapp ist der US-Senator Roger Wicker einem solchen Attentat entronnen. Der giftige Brief wurde glücklicherweise in der Poststelle des US-Kongresses in Washington abgefangen, bevor er auf dem Schreibtisch des Republikaners landen konnte, wie das US-Magazin „Politico“ (verlinkt auf http://www.politico.com/story/2013/04/roger-wicker-letter-ricin-90171.html?hp=bn) auf seiner Website berichtete. Rizin ist ein Gift aus der Natur, dem man dort aber nicht einfach so ausgesetzt ist. Es ist – wie der Name bereits verrät – in Rizinussamen enthalten. Wenn man diese nicht gerade kaut und schluckt, besteht keine Vergiftungsgefahr. Konzentriert giftig Hoch gefährlich ist es dagegen, mit dem puren Gift in Kontakt zu kommen. Rizin kann konzentriert aus den Abfallprodukten der Rizinusöl-Produktion gewonnen und dann beispielsweise für terroristische Akte genutzt werden. In Form von Puder, Kügelchen oder gelöst in Wasser wird es schon seit Jahrzehnten in mörderischer Absicht genutzt. Bekannt wurde das Gift zum Beispiel durch das Regenschirm-Attentat auf den bulgarischen Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markov. Mitten in London, auf der Waterloo Bridge, wurde ihm 1978 mit Hilfe eines Regenschirms ein Gift-Kügelchen in den Unterschenkel (verlinkt auf /welt_print/article2403559/Tod-durch-Regenschirm.html) injiziert. Drei Tage danach verstarb Markov an den Folgen der zunächst unentdeckten Vergiftung. Doch was macht das Gift überhaupt so tödlich? Produktionshemmer für Proteine Rizin greift in den Stoffwechsel der Körperzellen ein. Der funktioniert nämlich nur, wenn die Zelle – angepasst an ihre Anforderungen – fortwährend eigene Proteine produziert. Rizin unterbindet diese Produktion. Ohne neue Proteine kann die Zelle jedoch nicht überleben. Je nachdem, wie viele und welche Zellen auf die Weise sterben, leidet der Vergiftete dann unter verschiedenen Symptomen – oft mit tödlichem Ende. Dreimal schädlich Im Prinzip gibt es drei Wege, von dem puren Gift Schaden zu nehmen: beim Einatmen, beim Schlucken und bei direktem Kontakt mit der Haut. Dabei ist der letztere Weg aber bei weitem der ungefährlichste. Wer Rizin berührt, kommt meist mit Rötungen und leichten Schmerzen davon, denn das Gift wird nur selten von gesunder Haut absorbiert. Deutlich schlimmer sind allerdings die Beschwerden, wenn Rizin durch Inhalation in die Atemwege gelangt. Oft kommt es dann schon innerhalb weniger Stunden zu einer schlimmen Atemnot mit Fieber (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/fieber/) und Übelkeit. In den Lungen bildet sich dabei ein Ödem (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/oedeme/) , das zunehmend das Atmen erschwert. Schlimmstenfalls kommt es dabei zum Atem- und Kreislaufversagen. Kein Gegengift Wird dagegen eine größere Menge Rizin geschluckt, hat der Vergiftete zunächst hauptsächlich mit schweren Magen-Darm-Beschwerden zu kämpfen. Erbrechen und Durchfall – in vielen Fällen blutig – verursachen einen schnellen Verlust von Körperwasser. Nach ein paar Tagen können zusätzlich Leber, Milz und Nieren versagen. Auch diese Vergiftung endet deshalb nicht selten tödlich. Doch ist dieser schreckliche Verlauf unvermeidbar? Häufig leider ja, denn gegen Rizin gibt es kein Gegengift. Das einzige, was den Betroffenen hilft, sind unterstützende Maßnahmen wie Beatmung, Flüssigkeitsinfusionen und Medikamente, die den Kreislauf stabilisieren. Ebenso ist es natürlich wichtig, bei einem entlarvten Attentat die Giftquelle schnellstmöglich zu meiden. Das heißt: den Tatort verlassen, kontaminierte Kleidung ausziehen, sich gründlich mit Wasser und Seife waschen – und natürlich einen Arzt aufsuchen. All das blieb Senator Wicker zum Glück erspart. Er kam weder mit dem Brief noch dem enthaltenen Rizin in Kontakt. Ganz folgenlos dürfte das vereitelte Attentat für ihn und seine Kollegen aus Washington dennoch nicht sein. Die Angst vor einem weiteren Anschlag dürfte wohl mit jedem zweifelhaften Absender wiederbelebt werden.
Shari Langemak
In der Poststelle des US-Kongresses ist ein tödlicher Brief eingegangen. Sein Inhalt: Rizin, ein hochgefährliches Gift. Es kann auf ganz unterschiedliche Weise schwere Schäden anrichten.
Wissenschaft
2013-04-17T12:47:26Z
2015-10-06T05:31:50Z
Rizin, das tödliche Gift aus dem Postkasten
https://www.welt.de//wissenschaft/article115368930/Rizin-das-toedliche-Gift-aus-dem-Postkasten.html
Luftqualität: Das Diesel-Konzept der Bundesregierung hat zwei Schwachstellen
Die Bundesregierung hat sich auf einen Zeitplan für die Umsetzung des Diesel-Konzepts verständigt. Kanzleramtschef Helge Braun sprach von „ehrgeizigen Fristen“, in denen wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten umgesetzt und damit Fahrverbote für ältere Diesel vermieden werden sollen. Allerdings hat der Diesel-Plan, der am Mittwoch von Bundeskabinett verabschiedet wurde, zwei entscheidende Schwächen. Um die in vielen Städten drohenden Fahrverbote zu umgehen, soll das Bundesverkehrsministerium „unverzüglich die rechtlichen und technischen Vorschriften für den Einsatz von Nachrüstungen“ der Motoren von Euro-5-Dieseln ausarbeiten, um Ausnahmen von Verkehrsbeschränkungen zu ermöglichen. „Die Maßnahmen sollen schnellstmöglich zu Beginn des Jahres 2019 in Kraft gesetzt werden“, heißt es in einem Eckpunktepapier der Bundesregierung, das WELT vorliegt. Die Zeit drängt, denn nach mehreren Städten, zuletzt Frankfurt und Berlin, muss nun auch Mainz ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge (verlinkt auf /wirtschaft/article182613702/Diesel-Fahrverbote-Streit-um-die-Messstellen.html) erwägen. Es müsse zum 1. September 2019 kommen, wenn in den ersten sechs Monaten 2019 der Grenzwert für Stickoxide (NO x ) überschritten werde, entschied das Verwaltungsgericht Mainz. Dass Nachrüstungen von Dieseln festgeschrieben werden, war vor allem der SPD wichtig. Die CSU hatte sich bislang dagegen gesträubt. „Die Bundesregierung hat heute auf Druck der SPD einen verbindlichen Zeitplan für die Vorlage der rechtlichen Vorgaben für die technische Nachrüstung für Dieselfahrzeuge beschlossen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol. „Damit kann Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nicht mehr auf Zeit spielen und die Umsetzung der Beschlüsse aus dem Koalitionsausschuss zur technischen Nachrüstung verschleppen.“ Hersteller sollen für Euro-5-Nachrüstungen zahlen Zuvor hatte es zwischen CSU und SPD unterschiedliche Vorstellungen darüber gegeben, welche Maßnahmen die Koalition gegen Fahrverbote vorrangig beschließen soll. Minister Scheuer hatte darauf gedrungen, dass in der Kabinettssitzung von diesem Mittwoch zunächst Ausnahmeregelungen für Euro-4- und Euro-5-Diesel festgelegt werden. Sie sollen auch bei geltenden Fahrverboten in die Städte fahren dürfen, wenn sie weniger als 270 Milligramm NO x pro Kilometer ausstoßen. Dafür müssten zwar in den meisten Fällen die Motoren nachgerüstet werden. Doch das Verkehrsministerium wollte das Vorgehen für die Umbauten im Detail erst später festlegen. Denn das Hauptproblem bei den Nachrüstungen ist weiterhin nicht geklärt: Nämlich die Frage, wer die Kosten trägt. Das ist der eine Schwachpunkt des Diesel-Plans. „Die Bundesregierung erwartet, dass die Kosten für Hardware-Nachrüstungen von Euro-5-Diesel-Pkw für die besonders betroffenen Fahrzeugeigentümer von den jeweiligen Automobilherstellern einschließlich des Einbaus übernommen werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Die Koalition weiß aber, dass man die Hersteller dazu nicht zwingen kann. Es fehlt dafür die gesetzliche Grundlage. So blieb Kanzleramtschef Braun bei der Vorstellung des Plans nichts als der Appell an die Autoindustrie „verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“. Unerwähnt ließ Braun dabei, dass die meisten Autos, die nun nachgerüstet werden müssten (verlinkt auf /politik/deutschland/article182611950/Fahrverbote-Angela-Merkel-verspricht-Frankfurt-das-ganze-Programm.html) , nicht mit einer Betrugssoftware ausgerüstet sind, sondern über gesetzlich gültige Typengenehmigungen verfügen. Das heißt, die Autos, die mehr Stickoxide ausstoßen, als es die Grenzwerte vorsehen, konnten nur aufgrund der geltenden Gesetze überhaupt in den Straßenverkehr kommen. Das Kabinett einigte sich außerdem darauf, dass die Städte bei Überschreitungen des Grenzwertes von 40 Mikrogramm NO x pro Kubikmeter im Jahresmittel auf Sperrzonen für Diesel verzichten können. Fahrverbote sollen „in der Regel aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur in Gebieten in Betracht kommen, in denen der Wert von 50 Mikrogramm überschritten worden ist“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Euro-6-Diesel werden von den Beschränkungen grundsätzlich ausgenommen. Offen ist allerdings, ob die willkürlich von der Bundesregierung gesetzte Marke von 50 Mikrogramm vor den Verwaltungsgerichten und nach weiteren Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Bestand hat. Das ist Schwachpunkt Nummer zwei des Diesel-Plans. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) drängt massiv darauf, dass Fahrverbote möglichst in allen Städten verhängt werden müssen, in denen die Grenzwerte überschritten werden. „Kommunen mit Grenzwerten unter 50 Mikrogramm die Möglichkeit von Fahrverboten zu nehmen, ist illegal und verstößt gegen EU-Recht. Das lässt sich vor Gerichten nicht halten“, sagte DUH-Chef Jürgen Resch gegenüber WELT. Bouffier macht Frankfurt zur „Intensivstadt“ In Mainz lag der Jahresmittel bei NO x im vergangenen Jahr im Mittel bei 48 Mikrogramm. Laut den Plänen der Bundesregierung, die dafür das Bundes-Immissionsschutzgesetz ändern will, müsste Mainz also kein Fahrverbot verhängen. Das könnte Städte, die knapp über der Marke von 50 Mikrogramm dazu verleiten, darauf zu drängen ebenfalls von Fahrverboten befreit zu werden. Bochum oder Ludwigsburg hatten 2017 beispielsweise einen Jahresmittelwert von 51 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Kommunen, die die Marke von 50 Mikrogramm überschreiten gelten als „Intensivstädte“, die ein besonderes Förderprogramm zur Lufteinhaltung bekommen. Bislang gab es 14 dieser Intensivstädte. Nach einem Brief des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier unter anderem an Kanzleramtschef Braun vom 10. Oktober, zählt nun auch Frankfurt zu den Städten mit besonderer Förderung. In dem Schreiben, das WELT vorliegt, wies Bouffier von sich aus darauf hin, dass die Luft in Frankfurt schlechter sei, als bislang ermittelt und an einer Messstelle im Mittel sogar bei 54 Mikrogramm liege. In Hessen wird am Wochenende ein neuer Landtag gewählt. Aus diesem Grund versucht Amtsinhaber Bouffier der größten Stadt im Land, dem ein Verwaltungsgericht bereits ein Fahrverbot auferlegt hat, das größtmögliche Förderprogramm zu sichern.
Nikolaus Doll
Die Bundesregierung hat einen ehrgeizigen Zeitplan zur Umsetzung des Diesel-Plans verabschiedet. Der Weg für Nachrüstungen soll rasch freigemacht werden. Doch der Plan ist nicht zu Ende gedacht – wichtige Fragen bleiben ungeklärt.
Wirtschaft
2018-10-24T14:04:51Z
2018-10-24T14:16:09Z
Diesel-Konzept der Bundesregierung hat zwei entscheidende Schwächen
https://www.welt.de//wirtschaft/article182644936/Luftqualitaet-Das-Diesel-Konzept-der-Bundesregierung-hat-zwei-Schwachstellen.html
Mein Golfspiel: Schnäppchenjagd auf deutschen Golfplätzen
Golf galt hierzulande viele Jahre lang als elitär. Durchaus zu Recht. Über Geld wurde im Klubhaus meist nur gesprochen, wenn es um die nächste heiße Aktie oder das neueste Steuersparmodel ging. In den vergangenen Jahren haben sich der Sport und seine Akteure aber gewandelt. Wer Golfschläger im Kofferraum hat, ist nicht automatisch reich. Und achtet daher darauf, wie viel er in sein Hobby investiert. Dies wiederum führt zu einem immer stärker werdenden Trend: der Schnäppchenjagd auf dem Golfplatz. Im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Tennis oder Fußball macht es für Golfer einen echten Unterschied, ob sie im eigenen Klub oder auf einem fremden Platz spielen. Und so genießen es die meisten, ab und zu ein paar andere Bahnen als die gewohnten entlang zu laufen. Allerdings kostet der Spaß natürlich: 40, 50, manchmal auch 60 Euro, die auch für die Klubs längst wichtige Einnahmen darstellen. Potenzial gibt es noch zur Genüge: Nur 8,5 Prozent der Runden in deutschen Golfklubs werden von Greenfee-Spielern bestritten. Um mehr Gäste anzulocken, nehmen viele Anlagen an unterschiedlichsten Rabattprogrammen teil. So finden sich 75 Klubs im Buch „Golfen mit Gutscheinbuch.de“. Die meisten Gutscheine funktionieren nach dem Prinzip: Ein Greenfee zahlen, eines umsonst dazu. Mancher Coupon erlaubt aber auch die Reduktion eines einzelnen Greenfees um 50 Prozent. Die derzeit dritte Auflage hat eine Gültigkeit bis Februar 2010 und kann laut Herstellerangaben bis zu 2300 Euro Ersparnis bringen, wofür der Käufer aber viel Freizeit einsetzen müsste. Bei einem Preis von 39,90 Euro hat sich die Anschaffung jedoch schon nach zwei Runden ausgezahlt. Vor dem Kauf lohnt sich ein Blick auf die Deutschlandkarte. Manche Regionen wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen quillen über vor teilnehmender Klubs, andere wie die neuen Länder oder Baden-Württemberg werden nur sporadisch bedacht. Größer ist die Auswahl beim Konkurrenten „Leisure Breaks“, der länger am Markt ist und zum Preis von 59,90 Euro gleich mit 147 beteiligten, meist sehr hochwertigen Golfklubs aufwarten kann – 27 befinden sich im Ausland. Für jeden Platz liegen zwei bis Juni 2010 gültige Zwei-für-eins-Gutscheine bei. Die Golfküsten-Card Wer nicht reiselustig genug für derlei Angebote ist, sollte sich nach regionalen Schnäppchen umschauen. Vorbildlich ist der Münchner Kreis, dem 23 Golfklubs rund um München angehören. Mitglieder dieser Anlagen haben die Möglichkeit, an bestimmten Tagen der Woche zum halben Greenfee auf den Partner-Plätzen zu spielen. Auch im Norden gibt es gute Angebote wie die Golfküsten-Card. Für 149 Euro ersteht der Käufer fünf 18-Loch-Greenfees, die er ein Jahr lang auf über 40 Plätzen abspielen kann. Fünf Neunlochrunden sind für 89 Euro zu haben. Das Guthaben wird auf eine Plastikkarte geladen, die im jeweiligen Klub durch den Scanner gezogen wird. Ein ähnliches Angebot bieten sechs Klubs in der Lüneburger Heide an. Hier kann der Golfer für 99 Euro vier Runden spielen. Etwas komplizierter gestaltet sich die Hamburg Golf (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/golf/) Card. Sie kostet 35 Euro und gestattet dem Käufer einen jeweils einmaligen Greenfeerabatt von 30 Prozent auf 16 Anlagen rund um die Stadt. Hinzu kommen weitere Preisnachlässe bei Trainerstunden, Schlägerfitting oder einem Platzreifekurs. Auch in Berlin wird die Karte angeboten – hier nehmen aber nur vier Klubs aus der Region am Rabattprogramm teil. Das schottischste aller Angebote hat im Vorjahr die Oberstaufen Tourismus GmbH aufgelegt. Wer seinen Urlaub im Allgäu verbringt und sich eine Übernachtungsmöglichkeit aus einer Liste von 19 Herbergen aussucht, bekommt pro Übernachtung ein Greenfee auf drei verschiedenen Anlagen mit insgesamt 60 Löchern gutgeschrieben. Gratisgolf ist ein großer Erfolg: Gleich im ersten Jahr nutzten 20.000 Gäste das Angebot, die Hotels meldeten Zuwachsraten in zweistelliger Prozentzahl.
Sven Flohr
Golfer profitieren immer mehr von Rabatten, Gutscheinen und können sogar gratis spielen. WELT ONLINE hat die tollsten Schnäppchen zusammengestellt.
Sport
Golf
2009-06-03T11:06:08Z
2018-07-11T11:03:40Z
Schnäppchenjagd auf deutschen Golfplätzen
https://www.welt.de//sport/golf/mein-golfspiel/article103577441/Mein-Golfspiel-Schnaeppchenjagd-auf-deutschen-Golfplaetzen.html
Interessenausgleich: Warum in Europa immer alles so lange dauert
Wohin entwickeln sich Europa, die Europäische Union (EU) und der Euro-Raum? Nach den Europawahlen mangelt es nicht an klugen Vorschlägen zur zukünftigen Architektur des europäischen Hauses. Niemand ist sich zu schade, intelligente Ideen ins Rennen zu werfen oder gar visionäre Pläne zu entwerfen. Mit Aggression und Wucht prallen Interessen und Ideologien bei der Suche nach dem neuen EU-Kommissionspräsidenten und einer gemeinsamen Europapolitik aufeinander. Nationalisten wollen zurück zum Europa der Vaterländer. Mit starken Nationalstaaten und einer ausgeprägt national(istisch)en Orientierung – etwa mit den schrillen Parolen „Frankreich den Franzosen“, „Britische Arbeit für britische Arbeiter“ oder „Mut zu Deutschland“. Anderswo – nicht nur in der Ukraine - kämpfen Separatisten für mehr regionale Unabhängigkeit und zusätzliche lokale Kompetenzen. Auch in Katalonien, der Lombardei oder in Osteuropa wittern Regionalisten eine Chance, um mit Unterstützung aus Brüssel die ungeliebte und ungewollte Nation loszuwerden. Ein Staat oder ein Markt? Zudem bricht in der Europadebatte der alte ideologische Streit über „mehr Staat oder mehr Markt“ an vielen Stellen erneut aus. Befürworter von „mehr Staat“ möchten aus der EU einen Superstaat machen. Er soll den im Zeitalter der Globalisierung kraft- und hilflos gewordenen Nationalstaat ablösen. Die Wirtschafts- und Währungsunion müsse erst zu einer Fiskalunion und danach zu einer politischen Union werden, um als Vereinigte Staaten von Europa auf der Weltbühne Macht zu erlangen und Einfluss geltend machen zu können. Wer auf Marktkräfte und Wettbewerb setzt, will hingegen, dass die EU umkehrt und sich auf die Weiterentwicklung des Gemeinsamen Marktes beschränkt. Europa soll nicht mehr als ein großer deregulierter Supermarkt sein und bleiben. Es genüge, die Freiheit des Handels für Güter und Dienstleistungen sowie der Freizügigkeit für Arbeit und Kapital zu sichern. Alle Länder könnten so ihre eigenen Spielregeln behalten. Aber allen Spielern aus allen Ländern sollen alle nationalen Märkte der anderen EU-Staaten offenstehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger sei gemeinschaftlich zu regeln. Oft wird die Schweiz als Vorbild des friedlichen und erfolgreichen Miteinanders unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Wertvorstellungen gepriesen (verlinkt auf /debatte/kommentare/article128561039/Wie-ich-mir-mein-Europa-wuensche.html) . Würde Europa doch wie die Schweiz, nur größer, dann könnte alles gut werden. Vergessen geht bei dieser sympathischen Perspektive allzu schnell, dass die Eidgenossenschaft nicht als göttliche Schöpfung über Nacht vom Himmel gefallen ist, sondern über Jahrhunderte in mühsamen, blutigen und kleinteiligen Prozessen Stück für Stück erschaffen wurde und erst in letzter Stunde, als sich Protestanten und Katholiken auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden, ein Bürgerkrieg abgewendet werden konnte. Die schweizerische „Willensnation“ ist kein Wunschkind, sondern das Ergebnis einer Vernunftehe, gezeugt vom tiefen Misstrauen zwischen den Eltern. Vielfältige Interessen hemmen Viele der Ratschläge, was aus Europa werden solle, kranken an ihrer Umsetzung. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Erstens wird von Land zu Land unterschiedlich bewertet, was Vor- und Nachteile, was Nutzen und was Kosten der Europapolitik sind. Was für die einen „richtig“ ist, muss für die anderen noch lange nicht auch „vernünftig“ sein. Kultur und Emotion, Tradition und historische Pfadabhängigkeiten bestimmen genauso die europapolitischen Entscheidungsprozesse wie nüchterne ökonomische Überlegungen. Zweitens entsteht Politik nicht aus einem Guss auf dem Reißbrett, schon gar nicht, wenn es um so vielfältige und unterschiedliche Inhalte geht, wie das in Europa der Fall ist. Ein politisch akzeptiertes stabiles Gleichgewicht von Rechten und Pflichten führt zwangsläufig zu Kompromissen und damit kurzen Schritten und nicht weiten Sprüngen. Drittens sind sehr oft die juristische Tauglichkeit der (ökonomischen) Ratschläge und die politische Durchsetzbarkeit zu bezweifeln. Nicht selten sind Vorschläge rechtlich gar nicht, kaum oder erst nach vielen Gesetzesänderungen umsetzbar. Und meistens sind sie bei Weitem nicht mehrheitsfähig. Viertens ruft jeder europapolitische Vorschlag Interessengruppen auf den Plan, die sich gegen jene Änderungen wehren, von denen sie negativ betroffen wären. Ähnlich wie die Liliputaner den Riesen Gulliver fesseln, halten viele teilweise unterschiedlich argumentierende Interessengruppen all jene Kräfte zurück, die das bestehende polit-ökonomische Machtgefüge zu verändern drohen. Fünftens neigen die meisten Menschen zur Bewahrung des Status quo. Sie bevorzugen das Bestehende, das vertraut ist, und vermeiden Veränderungen, deren Folgen in mehr oder weniger weiter Ferne liegen und entsprechend weniger bekannt und oft (sehr) unsicher sind. Anpacken, was machbar ist Das Manko der Umsetzbarkeit ist ein Kennzeichen der heutigen Europadiskussion. Manches erinnert an den Ältestenrat der Mäuse, der die geniale Idee hatte, der Katze eine Glocke umzuhängen, damit schon von Weitem hörbar würde, wenn sich der Todfeind dem Mauseloch nähere. Die Euphorie der Mäuse über diese effektive Lösung aller Probleme fand jedoch ein jähes Ende, als die kleine Spitzmaus leise nachfragte, wer denn der Katze die Glocke umhängen könne. Das „Wie“ ist in der Politik eben genauso wichtig wie das „Was“. Es genügt nicht, zu sagen, was gemacht werden sollte. Es muss getan werden (können). Nicht was denkbar, sondern was machbar ist, sollte angepackt werden. So gesehen, hat „Welt“-Autor Henryk M. Broder (verlinkt auf /kultur/literarischewelt/article127675667/Eine-EU-a-la-Martin-Schulz-Zum-Davonlaufen.html) recht, dass der eher kleine als große gemeinsame Nenner Richtung und Tempo der europäischen Politik bestimmen wird. Deshalb sind Zeit, Geduld und Demut die unverzichtbaren Voraussetzungen, auf die es in der Europapolitik ankommt. Professor Thomas Straubhaar ist Direktor und Sprecher der Geschäftsführung des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) sowie Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere internationale Wirtschaftsbeziehungen, an der Universität Hamburg. Seit Mitte September 2013 ist der gebürtige Schweizer zudem Fellow der Transatlantic Academy in Washington D. C (verlinkt auf http://www.transatlanticacademy.org/node/622) ., wo er sich oft aufhält. Er schreibt für die " Welt" in regelmäßigen Abständen Kolumnen zu aktuellen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fragen. Lesen Sie auch weitere Kolumnen von Thomas Straubhaar: Wenn Großbritannien gehen will, lasst es ziehen (verlinkt auf /wirtschaft/article128455543/Wenn-Grossbritannien-gehen-will-lasst-es-ziehen.html) Europa ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte (verlinkt auf /wirtschaft/article128177460/Europa-ist-eine-beispiellose-Erfolgsgeschichte.html) Marode Straßen kosten Wettbewerbsfähigkeit (verlinkt auf /wirtschaft/article127462619/Marode-Strassen-kosten-uns-die-Wettbewerbsfaehigkeit.html) Zerbricht die Ukraine am Religionsgraben? (verlinkt auf /wirtschaft/article127132649/Zerbricht-die-Ukraine-am-Religionsgraben.html) Der NC ist Relikt einer fehlgeleiteten Planwirtschaft (verlinkt auf /wirtschaft/karriere/bildung/article126972099/Der-NC-ist-Relikt-einer-fehlgeleiteten-Planwirtschaft.html) Das unterscheidet gute von schlechten Schulden (verlinkt auf /wirtschaft/article126723525/Das-unterscheidet-gute-von-schlechten-Schulden.html) Streik ist ein Relikt vergangener Jahrhunderte (verlinkt auf /wirtschaft/article126455366/Streik-ist-ein-Relikt-vergangener-Jahrhunderte.html)
WELT
Europa, ein Stimmengewirr. Nach den Wahlen prallen die verschiedenen Interessen mehr denn je aufeinander. Leider genügt es nicht, zu sagen, was gemacht werden sollte. Es muss umgesetzt werden können.
Wirtschaft
2014-06-03T09:39:14Z
2017-08-26T04:48:32Z
Warum in Europa immer alles so lange dauert
https://www.welt.de//wirtschaft/article128666638/Warum-in-Europa-immer-alles-so-lange-dauert.html